Nicht viele. Ich hatte ›Crash‹ gesehen, und ›Die Fliege‹ ausschnittsweise im Fernsehen. Dass er sich gern mit der Thematik Körper/Technologie beschäftigt, hatte ich also schon mitbekommen.
War es schwer, sich in die Technik der Fotografie reinzudenken? Es kommen ja die verschiedensten Objektive, Linsen, Kameras zum Einsatz, ISO-Werte von 25.600.
Ich finde Technik interessant, und solche technischen Details lassen sich zum Glück sehr gut im Internet nachlesen. Die Hauptquelle dafür ist natürlich Wikipedia, aber zum grundsätzlichen Verständnis finde ich auch die amerikanische Website thewirecutter.com toll.
Nathan begehrt Dunjas schönen Körper und fotografiert zugleich seinen durch Krankheit bedingten Verfall. Hast Du als Übersetzer die Diskrepanz von Leben und Tod immer mitgedacht? Oder gehst Du als Übersetzer auf Distanz zum Inhalt?
Natürlich muss ich als Übersetzer Form und Inhalt zusammendenken. Ich muss immer abwägen: Wie kann ich zu einem deutschen Text gelangen, der inhaltlich der Vorlage entspricht und zugleich ihre formalen Eigenschaften möglichst nachbildet, ohne dabei in Anglizismen zu verfallen. Diese Überlegungen finden eher auf Satz- und Formulierungsebene statt: Es ist eher ein sprachliches Problem als ein interpretatorisches. Aber klar: Wenn ich den Text nicht verstehe, kann ich ihn auch nicht übersetzen.
Hörst Du beim Übersetzen Musik? Und wenn ja, welche? Brauchtest Du beim Übersetzen von Cronenberg eine bestimmte Musik?
Ich höre gerne Musik. Ich spiele keine bestimmten Genres, Stile oder Bands, höre oft meine eigene Musiksammlung, für Neues meist Internetradio (zB byte.fm, bbc 6 und KEXP über youtube). Das ist eine rein funktionale Art des Musikhörens. Die Musik darf mich nicht stören oder ablenken, aber sie kann mir einen Arbeitsrhythmus geben. Das funkioniert natürlich nur bei Texten, die sich flüssig übersetzen lassen. Gerne höre ich etwas Gleichmäßiges, nicht zu Langsames, nicht zu Stressiges. Bei manchen Arbeitsschritten lasse ich die Musik lieber aus oder höre nur Sachen, die ich schon gut kenne. Thematik und Text der Musik blende ich aus. Wichtiger ist mir die Stimmung – in diesem Fall vielleicht was Freundliches zum Ausgleich? Genau, ein DJ-Koze-Mix und Alexis Taylor, in Dauerschleife.
Das Paar Naomi und Nathan sind immer auf Reisen, sie sehen sich kaum, sind aber über die social media ständig in Kontakt. Wo findet man Deiner Meinung nach die größere Nähe: über Skype oder gemeinsam auf dem Sofa?
Oha, ist es schon so weit? Vermutlich würden nicht einmal Naomi und Nathan behaupten, über Skype größere Nähe zu empfinden. Aber tatsächlich hat das Telefonieren über Skype etwas sehr Direktes, zumindest, wenn die Kamera eingeschaltet ist: Bei einem Gespräch auf dem Sofa würde man einander nicht ständig anstarren und zugleich einen kleinen Spiegel vor sich haben. Ich benutze Skype lieber als Computertelefon, ohne Bild.
In dem Roman wird unterstellt, dass Aristide seine Frau Célestine getötet und verzehrt hat. Hast Du Dir beim Übersetzen vorgestellt, wie es ist, einen Menschen zu essen?
Eigentlich nicht, eher, wie es ist, 3D-gedruckte Biomasse zu zerkauen. Das stelle ich mir wie altes Weingummi vor.
Wirst Du Dir Cronenbergs neuen Film ›Maps to the Stars‹ ansehen?
Sehr gerne!
Du hast für Fischer sehr unterschiedliche Bücher übersetzt: Ruth Ozeki ›Geschichte für einen Augenblick‹, Lena Dunham ›Not That Kind of Girl‹ (zusammen mit Sophie Zeitz) und jetzt David Cronenberg ›Verzehrt‹. In welchen Stimmungen hast Du jeweils Deinen Schreibtisch verlassen?
Zunächst einmal bin ich jedes Mal froh über das Geschaffte. Natürlich zieht sich die Arbeit über recht lange Zeiträume hin und man entfernt sich mit jedem Arbeitsgang ein wenig mehr von der Position des Lesers. Doch die Stimmung des Buches nehme ich trotzdem noch auf. Aus dem Ozeki-Roman habe ich, neben vielen anderen, diese Eindrücke mitgenommen: Naos Stimme, ihren Humor trotz aller tragischen Erlebnisse, und diese Einsamkeit der Insel vor Vancouver. Der Dunham-Text ist sehr witzig, sehr locker, voller peinlicher Momente und guter Erkenntnisse. Im Vergleich dazu hat es durchaus etwas Verstörendes, bei jedem Arbeitsgang von Neuem von Selbstverstümmelung, Kannibalismus und Insektenbrei zu lesen.

David Cronenberg entführt uns auf die verbotene Seite des Lebens – dorthin, wo man den anderen aus Liebe verschlingt.
Naomi ist Journalistin, Nathan Fotograf - immer unterwegs, ist das Paar meist getrennt, aber stets per Facebook verbunden. Sie sind die perfekten Globetrotter. Naomi recherchiert in Paris ein sonderbares Verbrechen. Nathan fotografiert in einer Budapester Spezialklinik eine riskante Operation. Das Abgründige zieht sie an, stürzt die beiden in eine leidenschaftliche Amour fou im freien Fall. Verstörend unheimlich scheint der Roman mehr von uns zu wissen, als wir selbst wahrhaben wollen.