Was bedeutet es für Sie, dass das Buch Ihres Vaters jetzt in Deutschland erscheinen wird?
Ich wurde 1946 geboren und habe noch in allzu deutlicher und schmerzhafter Erinnerung, wie eine Menschenmenge vor unserem Haus gegen die gemeinsam mit Ben Gurion getroffene Entscheidung meines Vaters protestierte, Beziehungen zu führenden deutschen Politikern aufzunehmen. Mein Vater spricht in seinem Buch viel über Führerschaft und die Bedeutung des Spiels mit neuen Ideen – vor ihrer Verbreitung. Er war der Meinung, man müsse selbst als Minderheit zu seinen Prinzipien stehen und dürfe niemals aufgeben. Er ahnte tatsächlich schon im Voraus, dass Deutschland und Israel einmal eine besondere Freundschaft verbinden würde. Er erinnert die Leser daran, wie wichtig es sei, nach vorn zu schauen und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen, was für ihn aber beileibe nicht hieß, dass die Vergangenheit ausgespart oder vergessen werden dürfe.
Die zweite Überlegung bezieht sich natürlich auf die Sprache. Als Kind erinnerten mich laute Kommandos auf Deutsch an die Schoah. Doch als ich älter wurde und meine Bildung erweiterte, verband ich das Deutsche allmählich auch mit einer Welt des Wissens. Ich weiß noch, dass mein Vater sagte, die Botschaft sei wichtiger als ihre Überbringer, in Anlehnung an den berühmten Schriftsteller Aharon Appelfeld – »Was soll man denn tun? Es war ja nicht die deutsche Sprache, die verrückt wurde.«
Der dritte Punkt betrifft den starken, klaren Wunsch meines Vaters, mit seinem Buch eine breite Öffentlichkeit anzusprechen, ganz besonders die junge Generation. Das Buch soll eine Botschaft sein, ein Geschenk an all jene, die ihre eigene Stimme finden wollen und bereit sind, mit dem, was sie tun, die Gesellschaft in eine bessere Zukunft zu führen.
Was war Ihrem Vater in seinen letzten Jahren am wichtigsten?
Mein Vater war zutiefst besorgt, dass Israel von seiner ursprünglichen Mission – der Errichtung einer beispielhaften Gesellschaft – abkommen könnte. Er war stolz auf den innovativen Geist unserer jungen Nation, aber bekümmert angesichts der Polarisierung der Gesellschaft in sozialer, wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht. Er war der Meinung, dass Israel eine neue junge Führungsriege brauche, die unser Unvermögen, den Frieden herzustellen, überwinden könne. Israel sollte nämlich nie eine Besatzungsmacht werden, sondern vielmehr dem Aufruf der Propheten folgend Frieden schaffen unter den Völkern.
Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren (für Israel) verändert?
Israels Demokratie ist einer heftigen Bedrohung ausgesetzt, was eine ernste Gefahr für die Menschenrechte nach sich zieht. Bedauerlicherweise bestehen einige der Prozesse, die meinem Vater Sorge bereiteten, nach wie vor. Meinem Vater zufolge lässt sich die Welt nicht in nationale Identitäten unterteilen, sondern in weltoffene, tolerante, maßvolle Bürger auf der einen Seite und Fanatiker auf der anderen. Getreu seinem Vermächtnis bauen wir weiterhin mit Optimismus an der Zukunft.
Aus dem Englischen von Irmengard Gabler

Das persönliche Vermächtnis des legendären israelischen Staatsmannes und Friedensnobelpreisträgers.
Über sechs Jahrzehnte gestaltete Schimon Peres maßgeblich die Politik Israels: als Staatspräsident sowie als Minister in beinahe jedem Ressort. In seinem letzten Buch rekapituliert er die entscheidenden Ereignisse in der Geschichte des Landes aus seiner ganz persönlichen Sicht und legt den Fokus darauf, warum sie so geschehen sind. Entstanden ist ein politisches und hautnah erlebtes Porträt Israels sowie eine Meditation über die zentralen Fragen der Politik: Wie trifft man Entscheidungen in einem Klima der Unsicherheit? Wie kann man Frieden erreichen? Was zeichnet einen guten Staatsführer aus? Peres' Weisheit und seine große Erfahrung sind ein Appell, unseren Planeten sicherer, friedlicher und gerechter zu gestalten.