In dieser Nacht liege ich wieder wach. Mein Freund, neben mir, ist bereits eingeschlummert, bei ihm geht das jedes Mal mit einer langen Reihe von Zuckungen einher, als hinge sein Körper an Fäden, die einer nach dem anderen zerreißen. Bei mir ist das anders; sobald ich unter die Decke schlüpfe, straffen sich meine Fäden, verwirren sich zu einem Knäuel.
Schlaflosigkeit beginnt immer mit dem Gedanken an den Schlaf, mit der Erwartung, dass es nicht klappen wird. Diese Erwartung setzt bereits eine ganze Weile vor dem Zubettgehen ein, beim nach Hause Radeln mit einer Tasche, die dreißigmal Tiefschlaf in Pillenform enthält, oder zu Beginn des Abends, beim Auspacken eines Teebeutels, auf dem »goodnight« gedruckt steht.
In dem Moment, in dem mein Freund vor dem Fernseher zu gähnen beginnt, wächst mein Widerstand gegen das Bett, in das wir gemeinsam schlüpfen werden. Sowie ich unter der Decke liege, suche ich krampfhaft nach Ablenkung vom Schlafen selbst: aufrecht im Bett sitzen, tief ein- und ausatmen, nicht auf die Uhr schauen. »8 HOUR Sleep Waves: Relaxing Music, Beat Insomnia« auf YouTube über Kopfhörer hören. Alle fünf Minuten drehe ich die Lautstärke eine Stufe herunter, in der Hoffnung, dass meine Gedanken so allmählich verstummen.
Aber es hilft nichts: Ich denke an meine Mail-Passwörter, die ich schon längst hätte ändern müssen, an den Rechtschreibfehler, den ich in einer meiner Mails gemacht habe, an den großen Topf Möhrensuppe, die ich noch einfrieren muss, bevor sie sauer wird – wie lange ist es eigentlich her, dass ich einen Abstrich habe machen lassen?
Alles scheint plötzlich unüberwindbar. Das Internetmodem summt, scheint kurz vor dem Explodieren zu sein. Meine Kopfschmerzen – nicht nach dem Smartphone greifen – oder doch, aber nur ganz schnell – rasch googeln – könnten von einem Hirntumor herrühren. Ich gehe in Gedanken die Bekannten durch, denen ich, wie ich fürchte, unsympathisch bin. Und was, wenn eine Atommacht einen Krieg anfängt? Und was, wenn sich herausstellt, dass ich kein guter Mensch bin? Oder macht dieser Gedanke einen gerade zu einem guten Menschen?
Doch schnell mal auf die Uhr schauen.
Nach einer Stunde Wachliegen – damit weiß ich, in welche Richtung die Nacht gehen wird – beginnt das Gedankenknäuel unweigerlich um die Tabletten in meiner Nachttischschublade zu kreisen: Soll ich eine nehmen oder nicht? Es ist so bequem, man schluckt sie runter, es dauert nur eine Viertelstunde, bis die Benommenheit einsetzt. Alle Gedanken glätten sich, das Knäuel entwirrt sich, man gleitet mühelos in einen Traum.
Nehmen oder nicht nehmen? Wenn ich zu lange warte – was meist der Fall ist –, hat es keinen Sinn mehr, eine zu schlucken, dann ist die verbleibende Nacht zu kurz und ich laufe Gefahr, morgens noch halb beduselt und zerknautscht bei einem Termin zu erscheinen.
Erst danach, so gegen vier, wenn die ersten Vögel draußen fröhlich zwitschern und ich mich schon fast auf den Sonnenaufgang freue, um, wenn es Tag geworden ist, meinem gerade wach werdenden Freund voller Selbstmitleid und leicht vorwurfsvoll sagen zu können: »Ich, ich habe gesehen, wie die Sonne aufging!«, schlummere ich dann doch noch ein.
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen

Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.
Mit geschlossenen Augen hätte Eva damals den Weg zu Pims Bauernhof radeln können. Sie könnte es heute noch, obwohl sie viele Jahre nicht in Bovenmeer gewesen ist. Hier wurde sie zwischen Rapsfeldern und Pferdekoppeln erwachsen. Hier liegt auch die Wurzel all ihrer aufgestauten Traurigkeit. Dreizehn Jahre nach dem Sommer, an den sie nie wieder zu denken wagte, kehrt Eva zurück in ihr Dorf – mit einem großen Eisblock im Kofferraum. Die junge Bestsellerautorin Lize Spit wagt sich mit ihrem ersten Roman »Und es schmilzt« an die Grenzen des Sagbaren.