Als ich das erste Mal Monika Schoeller begegnete, wusste ich weder, was eine Verlegerin war, noch, dass diese Verlegerin tatsächlich eine tiefe Verbindung wollte, mit mir und meinen Texten. Sie hat mich immer gesucht (manchmal auch suchen lassen), wann immer eine Menge von Menschen um sie herum war, hat sie ein Gespräch hergestellt als wären wir allein, als gäbe es alle anderen nicht, all den Lärm, all die Unruhe, all die Themen, die nur ablenken davon, ein wirkliches Gespräch zu führen.
Monika Schoeller hat diese unnachahmliche Gabe, jemanden zu sehen. Als ob alle Hüllen oder Masken vor ihr abfallen würden. Als ob alles, was uns sonst in sozialen Begegnungen verkleiden oder entstellen mag, alle Konventionen, die nicht aus echter Offenheit, alle Rituale, die nicht aus wahrer Herzlichkeit geboren sind, als überflüssig entlarvt würden. Vielleicht ist sie deswegen eher still. Damit ihr nichts entgeht von dem, was wirklich wichtig ist. Damit sie sich wirklich einlassen kann. Für jemanden, die sich eher eingeengt fühlt oder unpassend durch allerlei Normen und Konventionen, die nicht gemacht wurden für Menschen wie mich, ist das ein Geschenk.
Jede Begegnung mit Monika Schoeller ist mir in Erinnerung geblieben, ob in Frankfurt, im Verlag oder in ihrem Garten, ob in Jerusalem oder in Berlin, immer sind es Einladungen gewesen, nicht einfach zum Gespräch, sondern zum Verstehen jenseits des Sprechens. Es sind Begegnungen wie ich sie sonst nur aus Kriegsgebieten kenne, in Landschaften von Tod und Zerstörung: Begegnungen von ungeheurer Intensität und mit diesem unausgesprochenen Wissen, dass die andere für einen einstünde im Fall der Not. Dass man füreinander etwas riskieren würde, ungefragt, wenn die politischen oder sozialen Zeiten das verlangten oder wenn das Leben mit allem Schmerz und allem Verlust einen bedrängte.
Dieses Wissen um die eigene Verwundbarkeit, aber auch die Bereitschaft, sie einzusetzen für jemand anderen, ist selten geworden in Zeiten, in denen sich jeder der nächste ist. Aber wenn ich an Monika Schoeller denke, dann ist es immer das, was mir auch einfällt: die Gewissheit, nicht nur in den hellen, sondern auch in den finsteren Tagen, nicht nur, wenn es nichts kostet, sondern auch wenn es einem Steine regnet ins Gesicht, stehen zu bleiben, für sich selbst und für die andere. Ich weiß, dass sie für mich steht und stehen bleibt – und ich kann nur hoffen, dass sie das umgekehrt genauso weiß.
Aus diesem ersten kleinen Manuskript und dem ersten Buch sind mittlerweile viele weitere geworden, aus der Person, die schreibt, tatsächlich eine Autorin, und aus der Begegnung mit der Verlegerin eine Beziehung, für die ich jeden Tag dankbar bin.
Beitrag von Gerhard Roth
Beitrag von Reiner Kunze
Sämtliche Texte und Fotos der Autor*innen sind, falls nicht anders vermerkt, aus: Stimme und Herz. Monika Schoeller zum 80. Geburtstag. Herausgegeben von Hans Jürgen Balmes, Corinna Fiedler und Jürgen Hosemann. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2019.
Dieser Text erscheint auch am 23. Dezmeber in »Neue Rundschau 2019/4«.