



Es ist eine Arbeit, die unter meiner Arbeit entstanden ist. Deshalb nenne ich sie »Untergrundarbeit«. Gefertigt wurde sie bei Gesprächen, auf der Suche nach Lösungen, Ideen, Abläufen, Ergebnissen. Manchmal waren es auch nur in Eile notierte Namen, Zahlen, Telefonnummern. Eine grafische Ansammlung der bewusst und unbewusst gedachten Momente, Vorgänge und Geschehnisse im Arbeitsalltag. Diese Bilder wuchsen von selbst heran, sind Selbstläufer, fast Psychogramme. Sie entwickelten bald eine Eigendynamik und fesselten mich oder trugen zur Beruhigung bei. Ihre Bedeutung war zunächst für mich eher marginal. Als sich dann aber das Ende des Arbeitsalltags näherte, bekamen diese Aufzeichnungen eine neue Dimension, eine immer größer werdende Bedeutung. Sie kamen an die Oberfläche und wurden von mir intensiv und fühlender betrachtet. Vieles konnte ich da plötzlich entdecken, sehen oder deuten. Erinnerungen kamen ins Bewusstsein oder auch Fragen. Was ist das? Weshalb habe ich das gezeichnet? Mysteriös, unverständlich, verschlüsselt, geisterhaft ...
Das Ganze ist eine umfangreiche Dokumentation der Fakten und Gefühle meines Arbeitsalltags. Freude, Optimismus, Übermut, Trauer, Wut, Verzweiflung, Aggressionen, Unmut, Entspannung, Beruhigung, Frieden wurden hier festgehalten. Auch Privates hat sich hier still eingeschlichen oder einfach eingefügt. Bei den hier wiedergegebenen Reproduktionen habe ich quadratische Ausschnitte der Tableaus gewählt. Ausschnitte deshalb, weil der Betrachter mehr davon hat, mehr sehen kann. Quadratisch, weil ich diese Proportion bevorzuge und auch die herausgefilterten, vergrößerten Bestandteile, die Fortsetzung, so angelegt sind – und weiter angelegt werden...

















Jetzt breitet sich das ganze Ausmaß der Untergrund-Kritzeleien aus. Man könnte denken ›die Zeit ist vorbei, es ist so wie es ist, abgeschlossen, gut und beendet, vollendet‹. Doch noch ist kein Ende abzusehen. Nun beginne ich von Zeit zu Zeit in diese Parallelwelt einzutauchen. Dabei sehe ich mir die verschiedenen Aufzeichnungs-Fragmente, teils losgelöst vom Rest, mit anderen Augen an. Es entsteht erneut der Drang und die Lust, daran weiterzuarbeiten, die Arbeit fortzusetzen. Ausschnitte, die ich mir dann am Computer rekonstruiere, zeigen sehr reizvolle neue Bilder und neue Eindrücke. Es bieten sich viele Möglichkeiten an. Die ›Untergrundarbeit‹ wird allerdings nicht fortgesetzt, sondern sie bekommt einen neuen Wert nachdem sie beendet und ›nach oben‹ gefördert ist – ein neues Ziel und ein neues Umfeld. Sie wird nun, wiederholt mit anderen Materialien behandelt und ergänzt. Ein weiterer Abschnitt hat begonnen, eine erneute Fortsetzung der Arbeit unter anderen Vorzeichen.
September Neunzehnhundertsechsundsechzig, die heißen Diskussionen um das Wembley-Tor waren gerade etwas verraucht, begegnete ich zum ersten Mal der »Schwarzen Kunst«: die Berufsfachschule für das graphische Gewerbe, die Gutenberg-Schule Frankfurt am Main, ermöglichte mir einen umfangreichen und eindrucksvollen Einblick in die unterschiedlichen Berufsbilder dieser ehrwürdigen Innung. Die Folge war, dass ich 1968 eine Lehre als Schriftsetzer bei der seinerzeit großen und angesehenen Druckerei Weisbecker in Frankfurt am Main begann. Ein Blick auf meine Finger erklärte mir spätestens jetzt, warum die »Schwarze Kunst« wohl so genannt wurde.
Schon kurze Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Ausbildung, begann ich eine weitere zum Verlagshersteller bei Suhrkamp/Insel. Sieben wunderbare und lehrreiche Jahre, in denen ich mit namhaften Autoren und Gestaltern zusammenarbeiten durfte, verbrachte ich dort, bevor ich nach einer Fortsetzung meines beruflichen Wegs suchte. Ein kleiner, unwesentlicher aber erfahrungsreicher Abstecher in eine Frankfurter Werbeagentur war der erste Schritt. Nach drei Monaten konnte ich diesen Abschnitt glücklicherweise beenden und im September 1978 in der Herstellungsabteilung des S. Fischer Verlages beginnen. Viele schöne, wichtige und auch erfolgreiche Werke, unter anderem von den ganz großen Autoren dieses Verlages durfte ich herstellen, gestalten und ausstatten. In der Folge widmete ich mich dann immer mehr der Umschlaggestaltung und -produktion. Mehr als 33 Jahre war ich nun pausenlos und unbeirrbar, in guten wie in schlechten Zeiten, für den S. Fischer Verlag in Sachen Buchumschläge immer auf Ballhöhe unterwegs.
Einmal vor der Fischer-Zeit und einmal währenddessen wurde Deutschland dann doch noch Weltmeister (der vierte Stern kam erst danach), die Techniken der Gestaltung und Produktion wurden mehrmals revolutioniert und dann abermals auf den Kopf gestellt, der Computer sorgte nun dafür, dass die Finger sauber blieben, aber der »Schwarzen Kunst« bin ich dennoch weiterhin tief verbunden.