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DAS ist eines meiner liebsten Gedichte. Allein für "kralle voran gegen pressspannwand" und den fiesen Schluss, an dem man die Nadel auf der Schallplatte schreien und den lässigen Sound ganz uncool abbrechen hört. Auch das ein Gedicht zur gegenwärtigen Situation. Eine Dekonstruktion rhetorischer Massenmanipulation. Politische Poesie, obwohl der Dichter sich dagegen wohl wehre würde. (Oder nicht?) Und Papan mal wieder auf den Punkt: "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer".
Unheimlich. Wir fallen unter einen Begriff wie unter ein Fallbeil, scheint mir. Aber unter welchen Begriff? Und von welchen Hütten ist hier am Anfang die Rede? Kaum aus dem (Halb-)Schlaf erwacht, werden wir von dem Gedicht im lässigen Moritaten-Modus eingelullt, bis wir uns am Ende als Geträumte lesen sollen. Eine Dekonstruktion rhetorischer Massenmanipulation? Da bin ich mir nicht sicher. Gauguin hat berichtet, van Gogh habe sich das linke Ohr abgeschnitten, auf dem Selbstporträt von 1889 ist es aber das rechte. Wenn man lange allein im Wald gelebt hat, kann man lechts und rinks schon mal verwechseln. Künstlerpech?
Eine großartige Improvisationsmaschine, die alles schluckt und frisst, Witze und Wortspiele abwirft (»flugs«, »flügelgeschlagen«, »verschläge«), sich zum Schluss hin plötzlich in Reimen ergötzt, mit dem Leser schäkert (»seid ihr/ im bilde? nein?«), in allen Schattierungen von Hell und Dunkel, Jux und Ernst, spielt: selber eine »mitteldichte platte«.
"die vögel" für epistomologisch ausgefreakte reimfans
Aberwitzige Dreifaltigkeitsphantasie mit Splatter-Elementen. Der Dichter weiß hier tatsächlich mehr, aber um den Erlös solcher Gedichte bin ich gerne bereit, dumm zu sterben.
Gefällt auch mir so ausnehmend gut, daß mir die Frage nach Versform und -kondition schon h i n t e n auf der Zunge klebenbleibt. Etwa "sirren, schwirren, irres Schreien", ich meine das alliterale Verzerren und, ja, Echoen der allbekannten Dreiergruppen ("sirren, schwirren, irren" usw) durch eine Dehnung der Auflösung der i-Laute (und eben irr-Laute). Und die, ja, Hendrik!, Reime in quasi bösester Unangebrachtheit. Und wie die Autorin/der Autor den Eingang des Gedichts ins Ende hineinstülpt - wider (hier darf man's mal schreiben:) u n s.
lesen, also laut, ich lese mir das vor: „eines morgens waren sie da, ganz plötzlich, und anfangs nur als geräusch“, Punkt: der erste Landeplatz ('ganz plötzlich' erzeugt eine kurze Gegenwehr, auch im eigenen Repertoire immer ein Zucken dagegen), und dann gehen die Geräusche so unerbittlich weiter, physiologisch bis zum Anschlag ausgereizte Reime, Alliterationen, Versfußkrallen, es ist überwältigend (und überwältigend gut gemacht), es könnte einem schlecht werden davon wie von allen Kunstmitteln, die sich überdeutlich als Kunstmittel ausstellen (da knickt er zusammen, der schöne Vorsatz, vom Lesen zu reden und nicht von Thesen), nur wird mir hier anders schlecht, in echt, weil die Sprachgriffe etwas viel Bedrohlicheres zu greifen scheinen als Kunst, Hitchcock, klar, und vielleicht der Rabe Nevermore (mit demselben Vorbehalt, den die brillante und brillant dargelegte Machart von Edgar Allan Poe in mir auslöst), aber das sind auch nur Verweise in den Referenzraum von Kunst, also, was wäre das, das Bedrohlichere? – Das, was Hubert Spiegel erfasst hat? Der Verdacht, der heute Wörter wie Ströme, Wellen, Fluten leicht ins Beklemmende verschlägt, als wohne ihnen schon ein Statement inne, und eine Invasion der Vögel wäre da auch nicht willkommen. – Ich glaube, mich beschäftigt noch eher der Bruch in der Mitte, in der dritten Strophe: wie da, durch „einfaches öffnen der tür“, dieses Bild erscheinen soll: „blutroter besatz“. Was ist daran Bild? Und wieso ergibt sich daraus, dass „die“ „lediglich als boten“ kamen? – An diesem Künden und Blut hängt vermutlich das Bedrohungsszenario (und am „die“ etwas Pejoratives?). Und wo von Künden die Rede ist, ist der Heiland nicht weit, Bibelton, kurze Abendlanddrohung. (Plötzlicher Gedanke, es könnte tatsächlich etwas so Abendländisches sein wie eine Bildbeschreibung?) – Aber dann vergleichsweise gemütvoller Auftritt des Dichters, der sich auskennt und die ganze Geschichte in ein Schauermärchen überführt, nicht etwa seins, sondern das des bösen Mannes im Wald (unwillkürlicher Eindruck: Hauff'sche Töne), und da stehe ich wohl im Wald, denn ich begreife nicht, woher der jetzt einen „begriff“ zaubert, waffenartig, und allmählich bin ich schweißgebadet, weil so hin- und hergerissen, begeistert und verstört, dabei fing es doch so harmlos an, „eines morgens waren sie da … und anfangs nur als geräusch“ –

