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Das Googeln hat kaum geholfen. Dass "Dao" (oder Tao) auf Chinesisch Weg bedeutet und zu den Schlüsselbegriffen fernöstlicher Philosophie gehört, war mir bekannt. Hinter Tau-Dao aber habe ich eine buddhistische Körpertechnik vermutet, was sich als falsch erwies. Ein Wortspiel des Dichters also. Wobei das lyrische Ich sich durchaus körperlich betätigt, zum eigenen "Beglück". Wie immer die Übung heißen mag, sie verströmt einen Hauch Buddhismus. Dazu passt der paradoxale Satz "der nichts trug, trug einen vollen Krug" sowie die Schlusszeile "es gibt keine Wiese - außer der Wiese". Fremd mutet Marokko in diesem Kontext an, zumal Kohärenz reklamiert wird.
In der Bewegung der ersten Strophe ist der Weg des Taus, der Tau-Dao, ein Verwandter des Kotaus. Er spießt die Geste der Unterwerfung auf, hat den Weg am Nagel, sich vor dem Chinesischen Kaiser niederzuwerfen und mit dem Kopf den Boden zu berühren: "vor ich grüße, / werfe der Länge lang, hin und zurück." In dieser Wiese liegt die Weise einer ehrfurchterweisenden Begegnung mit dem Fremden. Was war es für ein Eklat, als sich die Europäer in dieser Weise in die Hofgesellschaft des Kaisers einordnen mussten.
Die Begegnung mit dem Fremden setzt sich in der zweiten Strophe fort. Die binäre Opposition zwischen Kohärenz und Marokko bricht tatsächlich aus der Textur aus. Aber macht damit "Marokko" nicht genau das, was als das Gegenteil der Kohärenz markiert wird: es bricht aus dem Zusammenhang aus, lässt sich als Fremdkörper in diesem Vers nicht ein- oder zu ordnen. Als isoliertes Wort animiert es zugleich zum Laben im Gefunkel der Silben: Wenn der Tau-Dao verwandt ist mit dem Kotau, ist dann Marokko mit dem Ornamentalen des "Barokko" verwandt? Oder vielleicht, um das Ko aus dem Kotau aufzunehmen - mit dem maRokkoKO? In diesem Raum des "komme-gleich" siedelt sich das Gedicht an und erscheint jeweils in anderer Gestalt, je nachdem, wohin einen die Versfüße tragen. In diese paradoxale Struktur zwischen Nichts und Nixe schreiben sich auch die Verse der letzten Strophe ein. In wunderbar leichtfüßiger Weise.
da es erlaubt ist, zu outen: was der autor dieses gedichts zu meinem gedicht gesagt hat, gilt so ähnlich auch umgekehrt, ich bin ebenso sofort eingenommen von der ausgelassenheit - und war das auch schon, bevor ich nachschaute, wer das gedicht schrieb. außerdem mag ich diese form der logik mit dem zurück und den meeren. vielleicht tu ich dem gedicht und dem autor damit unrecht, aber ich stellte mir beim ersten lesen gleich eine (film- oder theater-)szene vor, in der ein junger mann in zerrissenen kleidern in eine picknickgesellschaft - ähm, stürzt. ganz außer atem kommt er aus dem wald auf die lichtung geschossen und spricht sehr schnell und mehrmals hintereinander und immer dringlicher das gedicht. ich mag auch die bewegungen, kann es sein, dass da jemand stolpert und hinfällt? es kommt mir sogar ein bisschen ähnlich vor zu meinem eigenen gedicht hier. was kohärenz und marokko betrifft, hab ich ewig überlegt, wie ich formulieren könnte, was mir im kopf dazu herumging. und dann hat es christian metz zum glück schon so gut gesagt.