Tessa Müller

Schloyer versus lit

Bei einem Tischtennisspiel sprach lit mit dem Lyriker Christian Schloyer über die Risiken und Nebenwirkungen des Schriftsteller-Daseins und über seine Strategie, beim Schreiben die richtigen Worte zu finden


Punktestand: 10:9

lit: Jetzt einmal zu deinem Schreiben selber. Wie entstehen deine Gedichte? Bist du jemand, der Worte oder Bilder sammelt, die er irgendwo entdeckt und sich davon dann inspirieren lässt?

Schloyer: Nee, eigentlich nicht. Ganz wenige Gedichte entstehen dadurch, dass ich ein Notizbuch dabei habe und irgendwelche Sachen sammle. Wenn ich ein Gedicht schreiben will, dann setze ich mich hin und schreibe ein Gedicht. Das hat natürlich oft etwas mit einer vorhandenen Stimmung zu tun, aber manchmal muss ich die auch erst erzeugen.

lit: Die vielen Bezüge zur Bildenden Kunst in deinen Gedichten, woher kommen die?

Schloyer: Das kommt, wie schon angedeutet daher, dass ich dann Gedichte schreibe, wenn ich Gedichte schreiben will, und dafür muss ich dann einen sprachlichen Zugang finden.
Wenn ich gerade in einer bestimmten Stimmung bin und mich etwas persönlich sehr bewegt, dann wäre es das Schlimmste, was ich machen könnte, mich hinzusetzen und zu versuchen, daraus ein Gedicht zu machen. Ich nehme also beispielsweise Bilder und versuche, die zu beschreiben. Und natürlich ist es so, dass ich in bestimmten Stimmungen Bilder ganz anders lese und wahrnehme.

lit: Also du gehst nicht ins Museum und siehst zufällig ein Bild, das dich berührt, sondern du sitzt an deinem Schreibtisch und wählst dir die Bilder bewusst aus.

Schloyer: Ich habe so ein paar günstige Bildbände und die blätter ich dann durch und es kommt schon vor, dass mich ein Bild so sehr anspricht, dass daraus etwas entsteht. Aber meistens habe ich eben eine bestimmte Stimmung und habe wieder mal das Gefühl, dass ich das, was ich gerade erlebe, sowieso nicht so umsetzen kann oder möchte. Dann begebe ich mich auf die Suche nach irgendwas, das als Katalysator dienen kann.

lit: Das heißt, du gehst ganz absichtlich einen Umweg.

Schloyer: Ja, das ist aber für mich die einfachste Strategie, um die richtigen Worte zu finden. Was ich sonst hinschreiben würde, würde es nicht treffen.

lit: Ich hab es vorhin ja schon angesprochen, es gibt so eine latente aber fast dauerpräsente Erotik in deinen Gedichten. Ist das eine Zutat für den Prickeleffekt oder kann man das auf die Bilder schieben?

Schloyer: Sie kommt oft aus den Bildern, aber natürlich auch daraus, wie ich sie lese. Und das hat mit einer lebensweltlichen Notwendigkeit zu tun, mit den Dingen, die mich beschäftigen, das ist halt einfach ein wichtiges Thema. Aber es ist nicht DAS Thema. Genau wie die Erotik ist auch immer diese erkenntnistheoretische Schiene mit drin, weil mich das emotional bewegt.

lit: Wie wichtig ist dir denn die Form?

Schloyer: Die ist mir schon sehr wichtig. Ich will keine Eindeutigkeiten erzeugen und habe für mich eine Form gefunden, die das unterstützt. Mir würde es nichts geben, mich einfach an einer Form abzuarbeiten, die es schon gibt, wie beispielsweise an einem Sonett oder so. Mir geht es darum, eine eigene Form zu finden und die auch weiter zu entwickeln.

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Copyright © Tessa Müller – Sep 15, 2008