Johannes Schneider

With God on my side

Dritte Kolumne, die in einer christlichen Jugendbegegnungsstätte beginnt, sich daraufhin für uneingeschränkte Nachsicht mit Religionsstiftern ausspricht und schließlich in „Brausigkeit“ (fortgeschrittenes Stadium) gipfelt


Ich lernte das Rauchen im Konfirmandenalter. Bei einer „Gott ist unser Sponsor!“-Veranstaltung der westfälischen Landeskirche bastelten wir die Passion Christi aus Tonerde. Neben uns saß eine Pfarrerin – und rauchte. Sie inhalierte tief und selbstverständlich. Ansonsten tat sie nichts. Als Justin Frietjof einen „schwulen Hurenficker“ nannte, grinste sie einmal kurz, als Ramona in einer Vorwegnahme von Mel Gibson auf die Idee kam, den gekreuzigten Jesus mit Fingerfarbe zu übergießen, sagte sie: „Leute, ihr seid ja echt hart drauf für euer Alter.“ Ihre Stimme changierte irgendwo zwischen Hildegard Knef und einer Kehlkopfprothese.

Diese Urszene trieb mich zum Rauchen – und zur Kirche. Ich wollte auch so sein wie die gewissenlose Pfarrerin, so selbstverständlich unvernünftig und substantiell rücksichtslos. Das war für mich Glauben. Ich wurde Kindergottesdiensthelfer, und schnell war ich derjenige, der 13-jährigen in unserem Gemeindekeller Rauch ins Gesicht blies und ihnen erklärte, was das Geile am Protestantismus sei: „Rechtfertigungslehre undso: Gott weiß, dass wir eh scheiße sind, aber er lässt uns damit durchkommen“, sagte ich, und fuhr mit noch mehr Emphase fort: „Und wir kriegen dabei ne super Attitüde: 2000 Jahre lang an den eigenen Idealen scheitern macht einfach extremst entspannt.“ Unsere Gemeinde hatte niemals Nachwuchssorgen.

Nun bin ich in Amerika, schlimmer noch: im „Bible Grove“. Ich muss nur zehn Kilometer aus der Stadt hinausfahren, dann treffe ich Leute, die glauben, Gott habe jede Spezies einzeln modelliert, auch die Erdmännchen. Wer das nicht glaubt, ist für diese Menschen ein Untermensch: Für ihn muss gebetet werden. Sie rauchen nicht – natürlich. Ich beginne, an meinem eigenen Glauben zu zweifeln. Ich denke: „Jesus hätte deutlicher sein müssen. Jesus hätte sagen müssen: ‚Hört mal zu, Leute, die zehn Gebote bleiben in Kraft, aber das ganze Drumherum, die ganze Ur-Exegese, der ganze Leviticus, ist Käse, das ist hiermit aufgehoben, das brauchte man nur damals, um das Volk in der Wüste etwas unter Kontrolle zu kriegen.’“ Jesus sagte aber nur „Richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet“ und das ist für dumme Leute zu subtil, weshalb man sich (gerade in Amerika) unverhältnismäßig oft mit irgendwelchem alttestamentarischen Murks rumquälen muss.

  » weiter …


Copyright © Johannes Schneider – Jun 15, 2008