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Teil 1 : Wilde Frauen - Lebe deinen TraumBarbara ImgrundSchon eine halbe Stunde vor Beginn ist der Raum fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Männer wie Frauen jeden Alters sind gespannt auf die Beiträge der drei Wilden Frauen. Mich überrascht, wie viele junge Leute teilnehmen.10.05 Uhr eröffnet Elli Radinger das Seminar mit den Worten. „Wie schön, dass sich so viele Männer zu den wilden Frauen trauen.“ Alles lacht. Nach ein paar Hinweisen zum Ablauf und was uns erwartet, übergibt sie das Mikro an Barbara Imgrund, die mit ihren Geparden den Anfang macht. Als Kind, so erzählt sie, wollte sie immer Paula, die Tochter des TV-Daktaris, sein, die Abenteuer mit der Schimpansin Judy und dem schielenden Löwen Clarence erlebt. Doch der Gedanke tritt irgendwann in den Hintergrund. Es folgt die Schule, die Ausbildung, Barbara wird Lektorin und Übersetzerin. Der Traum von Daktari verblasst. Bis sie in einer Vollmondnacht erneut an die Wilde Frau in sich erinnert wird – durch einen Fernsehbericht über die Arbeit deutscher ehrenamtlicher Helfer auf einer Farm in Namibia. Das Bild eines Geparden erscheint auf demTV-Bildschirm und nimmt Barbara gefangen. Sie stellt ihr bisheriges Leben infrage, fasst den Entschluss, das Wagnis einzugehen – für vier Wochen nach Afrika zu gehen. Den dunklen Kontinent liebt sie seit einem Kenia-Urlaub sowieso. Also googelt sie im Internet nach der Farm aus dem Bericht, N/a’an ku sê (was in der Buschmannsprache „Gott wacht über uns“ bedeutet), und bucht dort einen Aufenthalt als Volontärin. Es beginnt ihr ganz persönliches Jenseits von Afrika. Das Bild von einem Herrenhaus mit getrimmtem Rasen davor, das sie aus diversen Fernsehserien kennt, wird rasch von der nüchternen Wirklichkeit verdrängt. Bei ihrer Ankunft ist nichts luxuriös oder auch nur bequem an der Unterkunft, die für die nächsten Wochen ihr Zuhause sein soll. Zugig ist es. Und sehr schlicht. Man teilt sich das Zimmer mit Spinnen und anderem Getier, draußen gibt es giftige Schlangen und Skorpione. Vorsicht ist also angesagt. Schließlich befindet man sich mitten im Busch. Doch die Entschädigung für die Entbehrungen, mit denen man sich nun arrangieren muss, folgt bald: Die Begegnung mit Geparden, Leoparden, Affenbabys, Antilopen und allerhand hilfsbedürftigen Tieren mehr. Afrikanische Wildhunde gehören zu den Tierarten, um die man sich auf der Farm kümmert. Sie sind extrem bedroht, weil sie den verhassten Hyänen so ähnlich sehen, aber auch, weil sie das Vieh der Farmer reißen. Oft müssen Pavianbabys mit der Flasche aufgezogen werden, nachdem ihre Mütter erschossen wurden. Leider ist es nämlich „schick“, sich kleine Äffchen zu halten, weshalb gnadenlos Jagd auf sie gemacht wird. Tiere, die auf der Farm aufgenommen werden – egal welcher Art – ,können zuweilen nicht mehr ausgewildert werden, weil sie sich zu sehr an den Menschen gewöhnen und ihre Scheu verlieren. Dann bleiben sie dauerhaft auf der Farm und werden dort von den Volontären versorgt. Neben der Pflege verletzter oder verwaister Tiere leistet das Projekt auch Vermittlungsarbeit zwischen Raubtieren und Farmern. Denn jede Tierart hat ihren Platz im Ökosystem und erfüllt eine wichtige Funktion, so auch die Beutegreifer. Wenn etwa Geparden abgeschossen werden, nehmen Schakale überhand, die ebenfalls Ziegen und Schafe reißen. Leoparden werden beispielsweise von den Rinderweiden ferngehalten, indem man die Zäune mit Löwenkot einreibt. Eine andere Möglichkeit ist das Einfangen in Lebendfallen. Die Tiere werden danach sediert, untersucht und mit Sendehalsbändern versehen. Wer noch kein Vieh gerissen hat, darf danach wieder in die Freiheit. „Wiederholungstäter“ müssen in Naturschutzgebiete oder auf Gästefarmen umgesiedelt werden, wo sie nicht Gefahr laufen, abgeschossen zu werden. Ein Gepard namens Spartacus ist so ein Fall. Er trägt seinen Namen zu Recht. 25 Kälber haben er und sein Bruder in einer einzigen Saison gerissen. Mit ihm hat Barbara ganz besondere Erlebnisse. Bei einem ihrer Ausflüge zusammen mit den Biologen ins Gehege wittert er etwa das Eselsfleisch im Jeep, und als er nicht daran herankommt, knöpft er sich eben die Menschen vor. Doch so gut wie alle Gepardenattacken sind Scheinangriffe. Die Tiere wissen, dass Menschen keine natürliche Beute sind und ihnen kräftemäßig sogar überlegen. Es macht also aus Sicht der Raubkatze wenig Sinn, eine Verletzung zu riskieren, indem sie einen Menschen angreift. So lässt sich Spartacus mit lauten Rufen und Stockschlägen auf den Boden vertreiben. Allerdings flüchtet er nicht panisch, sondern dreht den Menschen eher entrüstet und gelangweilt den Rücken zu, um sich gemächlich davonzumachen. Sehr interessant sind auch die Fotofallen. Einige tolle Bilder bekommen wir auf der Leinwand zu sehen. Diese Fotos werden von den Tieren selbst per Lichtschranke ausgelöst. Sei es ein einsamer Leopard, oder ein Hase und ein Kudu, die sich dieselbe Wasserstelle teilen. Barbara erzählt von einer großen Farm mit Namen Solitaire, die ein 510 Hektar großes Gehege für die Geparde eingerichtet hat. Von Begegnungen mit einem Giraffenbullen, der sie lehrt, dass zahm nicht gleichbedeutend mit Kuscheltier ist. Wir erfahren, dass Leoparden ihre Beute auf Bäumen zwischenparken und dass Geparden sogar so genannte Spielbäume haben, an denen sie ihre Krallen wetzen, die sie anders als alle anderen Katzenarten nicht einziehen können. Man hört in jedem Wort, wie sehr Barbara trotz aller Entbehrungen ihr Leben als Volontärin in Afrika liebt. Sie setzt sich mit ihrer Spinnenphobie auseinander, was zwei Kakteen das Leben rettet. Das Wissen, wie nahe Tod und Leben in der Wildnis beieinander liegen und wie klein selbst der Mensch, der sich sonst für überlegen hält, hier ist, erweitert ihr Bewusstsein. Sie spricht davon, im Herzen heimgekommen zu sein. Ihre Wurzeln zu fühlen. Weil wir alle vom schwarzen Kontinent stammen. Besonders deutlich kommt dies schließlich in einem Auszug aus ihrem Buch heraus, in welchem sie die Gedanken einer Gepardin wiedergibt, der sie mitten in der Halbwüste begegnet. Da war sie. Unsere Gepardin. Keine fünfzig Meter von uns entfernt folgte sie gemächlich dem Lauf eines schmalen Trockenflussbetts am Fuße des Hügels. Auch sie hatte das Zischen gehört. Im selben Moment, als ich sie entdeckte, wandte sie den Kopf über die Schulter zurück. Und unsere Blicke kreuzten sich. Wenn ich nur ein einziges Bild aus Namibia mit nach Hause hätte nehmen dürfen, dann wäre es dieses gewesen: die Raubkatze, gefleckt, groß, umgeben von Sand, Gras und dürren Büschen. Noch heute ist es jenes Bild, das mir als erstes vor Augen steht, wenn ich an Namibia denke. Es ist der Schlüssel, der die Tür öffnet. Der Rest geht ganz mühelos. Ich ziehe die Tür auf und trete hindurch, mitten hinein in das Bild. Ich kann den Wind spüren und mein Herzklopfen. Und ich bin wieder dort, als wäre ich nie fort gewesen. Im Feld, mittags. Sichtung Weder Angst noch Schrecken in ihren Bernsteinaugen. Überraschung vielmehr. Unbehagen. Etwas stimmt nicht. Wir stören. Bringen Gefahr in die Savanne. Vielleicht. Wir sind viele, und wir sind groß. Uns kann man nicht angreifen. Uns kann man nur meiden. Ihr Instinkt sagt: Lauf. Sie setzt sich in Gang. Leicht ist ihr Trab, keine Flucht Hals über Kopf. Sie weiß, dass sie schnell ist. Dass wir niemals mithalten können. Alles ist Licht. Gestochen scharf die Sicht. Über uns die stahlblaue Kuppel. Die Katze verlässt das Revier. Schnürt durch das Buschgras. Nicht hinab in die Ebene, dort ist keine Deckung. Schutz findet sie nur in den Bergen. Ihre Bewegungen sind geschmeidig, fließen aus kräftigen Schultern in diese Tatzen, deren Krallen nicht einziehbar sind und darum so gut Halt finden. Hin und wieder ein Blick zurück. Zu uns. Wir sind zu Salzsäulen erstarrt. Rühren uns nicht. Was ist das? Eine Bewegung am Fuße des Hügels … ein Stück weiter oben ... viel näher bei uns … Ein zweiter Gepard! Mit Halsband, doch ohne Antenne. Es ist das andere Weibchen. Sie haben sich also zusammengetan. Jetzt hat auch sie uns gesehen. Läuft los. Muskeln spielen unter dem Fell, weit lenken die Schultern aus. Ein schmaler Körper, gestreckt, stromlinienförmig. Der kleine Kopf auf Höhe der Schultern, drehbar um 180 Grad, wie jetzt, da sie sich erneut nach uns umsieht. Die Wirbelsäule extrem biegsam. Lange Läufe für weite Sätze. Kräftige Bänder, die die Gelenke stützen. Der Schwanz steuert, gleicht aus, balanciert. Ideallage im Windkanal. Flache Ohren, eine breite Nase, die reichlich Luft ansaugt. Das große Herz pumpt jetzt schneller. Ihr mächtiger Brustkorb ist zum Sprinten gemacht. Doch auch sie flüchtet gemächlich. Fast schon verächtlich. Als wollte sie sagen: „Ich fürchte euch nicht. Dies ist mein Land. Ich war vor euch hier. Ihr seid nur Gäste. Fremdkörper. Geduldet, gemieden. Ihr stört unseren Frieden. Ich weiß Dinge, die ihr schon lange vergessen habt. Für die ihr zu klug geworden seid. Ich weiß, wie man hier satt wird. Wie man sich Überleben ertrotzt von Tag zu Tag. In Hitze und Kälte, in Dürre und Sturm. Unter den Augen des Feindes, der uns die Jagdbeute stiehlt und unsere Jungen. Ihr müsst uns nicht zeigen, wie Leben geht. Ihr seid nicht die Krone der Schöpfung, ihr könnt sterben wie wir, und hier sogar schneller. Ihr vernichtet stets, was ihr euch untertan macht. Was undenkliche Zeiten haben wachsen lassen. Ist das euer Fortschritt? Jene Macht, der wir alle entspringen, wollte das nicht. Ihr seid ihre entarteten Kinder. Ihr spielt, und ihr spielt immer weiter, bis alles lichterloh brennt. Bis eine Welt in Flammen steht. Dann erst ruft ihr erschrocken um Hilfe. Helft euch selbst. Wir können nichts tun. Nur weglaufen, so weit wir kommen, bis zum nächsten Zaun. Wir müssen zusehen, wie sich das Buschfeuer nähert. Wie es zuerst die Schwächsten verschlingt. Dann uns. Und am Ende auch euch. Ja, helft euch selbst. Uns allen. Rettet, was noch zu retten ist. Und macht, dass nicht nur verbrannte Erde bleibt.“ Die zwei flinken Punkte sind fort. In den Hügeln verschwunden. Dort stehen sie, irgendwo, unsichtbar, Geister der Wüste. Lassen uns nicht aus den scharfen Augen. Halten die Nase in den Wind, der unsere Witterung trägt. Und verwandeln sich schon, sachte, heimlich. Um von jetzt an als Wiedergänger durch meine Erinnerung zu spuken … Nach einer weiteren Lesepassagen über Trommeln, die den Tanz von Leben und Tod anhand eines Adlers und eines Hasen widerspiegelt, herrscht Stille. Ergriffenheit. Der Vortrag, insbesondere diese beiden abschließenden Texte aus dem Buch, klingt in jedem nach, bringt uns zum Nachdenken. Bis Elli Radinger wieder das Wort ergreift und die Fragrunde eröffnet. Man gewinnt den Eindruck, dass manch einer der Zuhörer selbst bereits überlegt, als Volontär nach Namibia auf Solitaire oder eine andere Wildlife-Farm zu gehen und hautnah das Abenteuer zu erleben, in das Barbara Imgrund uns für anderthalb Stunden mitgenommen hat. Vier Fragen an Barbara Imgrund:TC: Was brachte Sie dazu, mit Geparden zu arbeiten?BI: Eine Vollmondnacht, in der ich einen Film über die Arbeit mit Geparden in Afrika sah. Das, gepaart mit einem Kenia-Besuch zwei Jahre zuvor, weckte die Erinnerung an meine Kindheitsträume, in denen ich gern Paula, die Tochter des TV-Daktari, sein wollte. TC: Welche Kernessenz hat es für dich /Sie, diesen Traum zu leben? BI: Mir selbst das Wagnis wert zu sein. Mich zu trauen, über mich selbst hinaus zu wachsen. Meine Grenzen anzutesten und zu sehen, dass es gar keine Grenzen sind, dass ich sie überwinden kann. Näher bei mir zu sein. Innere Kraft und Stärke. Und natürlich das Erlebnis Afrikas, der wilden Tiere und der Wüste. TC: Geparden bedeuten für Sie: BI: Sie sind meine Krafttiere. TC: Ich bin eine Wilde Frau, weil … BI: … ich gelernt habe, dass Schwächen nicht Schwächen bleiben müssen, sondern zu Stärken werden können, wenn ich mir ihrer bewusst werde und mich damit auseinandersetze. Weil ich in der Wildnis und der Wüste bei mir ankomme, bei mir bin. Im Herzen bin ich „wild“. Ich liebe das Abenteuer und das Gefühl von Freiheit, das ich in Afrika erleben darf. ![]() WOLFSPUREN
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Wetzlarer Wolfstag 2014
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Die Wildnis in mir
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Teil 3 : Wilde Frauen - Lebe deinen Traum
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