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Gabriele Kögl: Gipskind.


Leseprobe:

Die Oma sah gleich, dass etwas nicht stimmte. Und dann gingen sie doch zum Arzt mit der Kleinen, außerhalb eines Termins der Mütterberatung, und der Arzt sah dann auch, dass etwas nicht stimmte mit ihr und schickte die Mutter weiter, in die große Stadt mit dem kleinen Kind, zu einer gründlichen Untersuchung, mit besseren Geräten als der Hausarzt sie hat, damit sie herausfinden könnten, warum die Kleine noch immer nicht aufstand, obwohl sie längst alt genug dafür war. Zum Glück war nichts mit dem Kopf, nur mit den Beinen, sagte die Oma, denn wenn eine mit neun Monaten schon Mama, Papa und Oma sagen kann, die hat nichts mit dem Kopf, die hat es höchstens in den Beinen, mit denen sie nicht gehen kann.

Im Krankenhaus behielten sie die Kleine gleich, weil es für Zügerln und Breitwickeln zu spät war. Die bekam einen Gips, an beiden Beinen, viel Gips, von oben bis unten. Im Krankenhaus musste sie dann bleiben, und die Eltern mussten gehen und durften nicht wiederkommen, weil die Ärzte ihnen gesagt hatten, dass die Kinder noch mehr weinen, wenn die Eltern kommen und wieder gehen und der kleine Wurm sowieso dortbleiben muss. Da sei es gleich besser, sie kämen gar nicht hin, damit das Kind die Eltern schnell vergessen könne. Dann weinte es vielleicht weniger und gewöhnte sich schneller daran, dass es allein sei und im Krankenhaus bleiben müsse zur Operation, wenn das Gelenk eingerenkt werden oder der Gips auf die Beinchen angelegt werden müsse.

Doch die Oma kam trotzdem. Mit dem Zug fuhr sie die weite Strecke vom Dorf in die Stadt, aber dort ließ man sie nicht hinein ins Zimmer zur Kleinen. Der ganze weite Weg sei umsonst, sagten sie, nur einen Blick, flehte die Großmutter, nur einen einzigen Blick wolle sie hineinwerfen auf das Kind, den sie dann auch hineinwarf vom Gang aus, damit sie sehen konnte, ob es der Kleinen gut ging und ob sie beruhigt wieder heimfahren konnte den ganzen weiten Weg.

Aber das Kind hörte die Oma, mit seinen feinen Ohren, wie sie draußen mit der Schwester redete, und es begann zu schreien, als würde man es abstechen wie eine Sau, so wie zu Hause die Säue schrien, wenn man sie abstach. Das Kind rief »Oma, Oma«, aber die Oma durfte trotzdem nicht zum Kind. Nur den einen Blick konnte sie werfen auf die Kleine in ihrem Gitterbett und musste wieder fahren, während die Kleine noch stundenlang weiterschrie und »Oma, Oma« rief, so laut, dass die Großmutter es draußen auf der Straße noch hören musste.

(S. 9-10)

© 2020 Picus Verlag, Wien

 

 

 

 

 

 

 

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