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Friederike Mayröcker: vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannwahnsinn.

Berlin: Suhrkamp, 2011.
41 S.; brosch.; Euro 15,40 (A).
ISBN: 978-3-518-42198-7.

Link zur Leseprobe

„alles aus Einsamkeit komponiert heute 1/2 5 Uhr morgens“

Die Schreiberin nachts auf dem „Soffa“, in tiefer Trauer über den Tod des Gefährten, „so weinend so starrend von Unrat so mit ausgebüschelten Flügeln und Armen“, „und der Winter tappte gegen die Scheiben“.

Sie schreibe „aus Wehmut, aus Trauer, aus Unglücklichsein“, sagt Friederike Mayröcker. „So wie Hungernde Baumrinde essen, so die Vereinsamten = die einsame Seele : Bücher, Sätze und Worte, Musiken, die Abendröte, den Fliederbaum.“ Lesend und schreibend sucht die Dichterin Zuflucht und Trost, bei Jacques Derrida, Jean Genet, Francis Ponge, Ezra Pound, Seelenfreunde sie alle. In ihrem Echoraum ist sie nicht mehr allein.

Durch das Dichterwort zum Leben erweckt geistern sie nun als Umrisse, als Aussparungen durch Wien, gehen den Naschmarkt auf und ab und kehren im Café Drechsler ein. Clara und Robert Schumann, vom AUGENSCHEIN BESCHIRMET, ein Liebespaar beim Tanze: Die Pianistin „mit der weggeblasenen Frisur dasz ihre Stirn sich entblöszte was ihr ein tobendes tollkühnes Aussehen verlieh - im Hintergrund der moribunde Komponist seitwärts, auf seinem Soffa, aufschreibend fieberhaft seine stammelnden Partituren, uns nicht beachtend in seinem Frühlings Wahn.“

„Es gibt keine Hierarchie“, so Mayröcker in einem Interview, „es ist immer alles gleichzeitig da, die Gegenwart und die Vergangenheit, und vielleicht ein Blick in die Zukunft.“ Im Dialog mit den Toten entsteht ein Schreibraum jenseits aller Beschränkungen durch Raum und Zeit. Vergangenes und Gegenwärtiges, Erinnertes, Geträumtes und Geschautes werden notiert und durcheinandergewirbelt. Das strenge Korsett der deutschen Syntax sprengend tanzt und tönt die Prosa Mayröckers in den „Lustgärten der Sprache und den Schluchten der Sprache“ und wird nur durch ihren Rhythmus gebändigt.

Und immer wieder ER, der verstorbene Dichter Ernst Jandl. Die Ungeheuerlichkeit seines Todes imprägniert auch dieses neue Buch Mayröckers. Schreibend zitiert sie ihn herbei, holt ihn im Partizip Präsens zurück in ihre Gegenwart, „wünschend, dass er wieder sei, wie er war: ein Dichter bei lebendigem Leib“ (Paul Jandl): „So viele Jahre zurückblätternd ins Café Museum in der lounge, sehr angefüllt und angestopft mit Emotionen, an ihn lehnend, schweigend, später zur Telefonkabine, Mutter anrufend, zurückkehrend zu ihm in die Loge (schwarzes Leder knautschiges Leder), mich an ihn himmelnd, murmelnd, er mir schweigend, zu mir schweigend, dass meine Tränen in flutender Wehmut.“

„Wollen Sie mit mir über Tränen sprechen?“ fragte Jacques Derrida in Mayröckers letztem Buch ich bin in der Anstalt. „Die Glaubwürdigkeit eines Kunstwerks“, entgegnet der Komponist im Schumannwahnsinn, „ist nicht immer zu gründen auf reichlichem Tränenvergieszen bis heran an die Pelzstola.“ Ein programmatischer Satz. Denn bei aller „erdenschweren Trauer“ (Paul Jandl) über den Verlust des Gefährten und die eigene Hinfälligkeit gründet auch Mayröckers Schumannwahnsinn auf ihrem schöpferischen Sprachfuror und der flügelschlagenden, die Passion des Lebens und des Liebens beschwörenden Rede.

Martina Wunderer
28. Juni 2011

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.




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