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Florian Neuner: Satzteillager.

Wien: Klever Verlag, 2011.
146 Seiten; geb.; Euro 16,90.
ISBN: 978-3-902665-34-8.

Link zur Leseprobe

2008 – Das Jahr, in dem sich die Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit ausbreitete. Hastig wurden Konjunkturpakete geschnürt; Milliarden von Euro in das Bankensystem gepumpt. Staaten stürzten in die Krise und kämpfen bis heute mit den Folgen, etwa Island oder Griechenland. Jenes Ausbruchsjahr der Krise war auch ein Jahr der persönlichen und künstlerischen Krise für den gebürtigen Welser Autor und Journalisten Florian Neuner, Jahrgang 1972.

Sein Buch „Satzteillager“, im Wiener Klever Verlag erschienen, ist aus diesem Krisenjahr entstanden. Aufhören oder weitermachen - Neuner war mit seiner bisherigen Methode (und mit seinem Band „Zitat Ende“) an einem Endpunkt angelangt. Zum anderen kam im Jänner 2008, als er im Ostseebad Ahrenshoop sein Aufenthaltsstipendium antrat, sein wichtigstes Projekt „Ruhrtext“ (2010, Klever Verlag) ganz zum Erliegen. Aus dieser Schaffenskrise heraus schrieb er sich frei.
In seinem neuen Text sind Halbsätze aufgelistet. Sie sind nach 16 unterordnenden Bindewörtern geordnet. „weil ich das nicht aushalte / weil die musik am ende weiß, was sie ist / weil man nicht alles wissen kann / weil alles zusammenhängt“. Diese Bindewort-Wiederholungen entfalten einen faszinierenden Sog, der Rhythmus treibt einen immer weiter; ein unbedingtes Vorwärtskommen drängt sich auf. Auch weil es Neuner meisterlich gelingt, verschiedene Themen assoziativ und klanglich zu verbinden.
So lesen wir gleichberechtigt untereinander gereiht private und politische Reflexionen (darunter die Finanzkrise und ihre Folgen), poetologische Statements und Zweifel, vom Saufen in Kneipen und Bars, von Aufenthaltsstipendiumsorten in Norddeutschland und in Oberitalien, von schwulem Sex und Liebeskummer sowie Bewertungen von Künstlern. Dabei schreckt Neuner nicht zurück vor ironischer Brechung, Koketterie, Klischeehaftem und Worthülsen.

Neuners Vorgehensweise knüpft an verschiedene poetische Strömungen der 1950er/60er Jahre an. Allen voran an die Wiener Gruppe um H.C. Artmann, Oswald Wiener und Gerhard Rühm. So erinnert Neuners rhythmische als auch klangliche Vorgehensweise an deren Arbeiten: „seit ich weggefahren bin / seit ich weggegangen bin / seit ich weggelaufen bin“.
Auch die Herangehensweise der Gruppe Oulipo (L' Ouvroir de Littérature Potentielle) mit den Schriftstellern Raymond Queneau, Georges Perec und Italo Calvino findet man in diesem Text. Die Oulipiens verschrieben sich formalen Schreibzwängen, um in aller Konsequenz auszuloten, was mit der Sprache möglich ist. Neuners Zwang: Er beginnt stets mit einem Bindewort und lässt sich durch zufällige Assoziationen treiben.
Dem assoziativen Zufall verschrieb sich auch der Autor Dieter Roth, der diesem Buch im Zitat voransteht. Roth, Dichter und Aktionskünstler, hat in seinen Texten auf drastische Weise rückhaltslos sich selbst befragt und ist assoziativ vorgegangen. Zwar geht Neuner in seiner Selbstentblößung nicht ganz soweit, wie er im Nachwort zugibt. Doch bleibt Roth für ihn in dieser Hinsicht ein „herausforderndes Vorbild“.

Der in Berlin lebende Neuner hat mit seinem „Selbstexperiment“, wie er diesen Text nennt, einen poetologischen Grundstein gelegt. Er fügt die verschiedenen Richtungen der Avantgardisten der 50er/60er Jahre zusammen und schafft gekonnt etwas Neues. Der Autor lotet erneut aus, was Sprache innerhalb vorgegebener Grenzen kann. Mehr noch: Wie Sprache an ihre Grenzen kommt, wie sie dort wirkt und sich verhält.
Es ist zu wünschen, dass Neuners gelungener experimenteller Vorstoß andere Autoren animiert – auch ohne Schaffenskrise!

Angelo Algieri
4. Oktober 2011

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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