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Leseprobe 4 - aus "Zombie auf Kartoffel" von Guido Krain
Ausgerechnet Lovington, das alte Schlachtross. Vermutlich würde er sich genauso über unser Wiedersehen freuen, wie ich. Das letzte Mal war ich degradiert worden. Jetzt hatte ich keinen Rang mehr, den man mir noch nehmen konnte.
Inkorrekt, quatschte mir Lynx in den Kopf. Der Status Soldat ist nach den Statuten von
Schnauze, grummelte ich. Der schmächtige junge Mann, der mich den langen Flur zu Lovingtons Büro hinunterführte, schaute mich leicht verschüchtert an.
Wie bitte? Ich ignorierte ihn, denn ich hatte nicht vor, das Gefasel meines Computers gegen das eines grünen Jungen zu tauschen. Ich würde hier keine Freunde finden also konnte ich mir die Mühe sparen, nett zu sein. Lynx registrierte ein weiteres Ansteigen der Atemfrequenz des Bengels.
Wenige Schritte später blieb der Leutnant sichtlich erleichtert vor einer Sicherheitstür stehen. Oberst Roger Lovington Oberkommando Beibootflotte stand darauf zu lesen.
Na, da war es dem alten Schlachtross aber mit Sicherheit warm das Bein runtergelaufen.
Als sich die Tür öffnete, musste ich grinsen. Endlich hatte er es geschafft: Sein eigenes Großbüro auf einem Großschiff. Noch immer bestand er auf seinen altmodischen Tassen aus Porzellan und hängte die Wände mit alten Waffen voll. Er hatte sogar eine Vitrine mit historischen Zinnsoldaten aufgestellt. Was für eine Platzverschwendung!
Ineffizient, gab Lynx mir Recht.
Statt mich zu begrüßen, befriedigte Lovington erst einmal seine Komplexe. Ohne aufzusehen meinte er: Sie können gehen, Leuker. Während ich näher trat, hatte er irgendetwas unglaublich Wichtiges an seinem Terminal zu tun. Fast fünf Minuten ließ er mich vor seinem Schreibtisch stehen, bis er geruhte, mich zu bemerken. Vor ein paar Jahrzehnten hätte er mich damit aus der Fassung gebracht. Mittlerweile berührten mich solche Kleinigkeiten nur noch bei Menschen, die mir wichtig waren. Und der letzte dieser Menschen war vor zwei Monaten gestorben.
Ich dachte, Sie hätten sich endlich erschießen lassen, Chambers, begann Lovington das Gespräch. Nicht einmal jetzt machte er sich die Mühe, aufzusehen. Ich fand eine Entgegnung so überflüssig, dass ich mir die Höflichkeiten ebenfalls schenkte. Ihn schien ich damit jedoch zu irritieren. Er sah auf.
Und was man unter einer korrekten militärischen Meldung versteht, haben Sie wohl auch vergessen, was? Wieder fand ich eine Entgegnung überflüssig. Ich war schon dämlich genug gewesen, meine Knochen für die Belange des Commonwealth hinzuhalten, bevor der Urgroßvater seines Urgroßvaters auch nur in Planung gewesen war.
Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, man?
Warnung. Herzfrequenz und Pheromone des Subjekts deuten auf bevorstehenden Angriff. Empfehle sofortige Neutralisierung. Augenblicklich spiegelte Lynx mir potenzielle Waffen und neuralgische Punkte meines Feindes in mein Blickfeld. Zeitgleich berechnete er die Erfolgsaussichten möglicher Angriffs- und Fluchtstrategien. Manchmal konnte mein Kampfcomputer ein echter Verführer sein. Doch ich blieb standhaft.
Haben Sie auch eine ernst gemeinte Frage an mich?, fragte ich. Er ging so sehr in die Luft, dass Lynx ihn im Automatik-Modus neutralisiert hätte, wenn ich nicht darauf vorbereitet gewesen wäre.
Was war das?, schrie er mich an.Beinahe wäre er über den Schreibtisch gesprungen. Aber es berührte mich nicht. Mich berührte gar nichts mehr.
Soll ich die Frage noch einmal wiederholen, Sir?
Sie! Sie werden mich kennen lernen!, brüllte er. Er griff so heftig in die holographischen Kontrollen der Konsole, dass seine Finger auf die Tischplatte schlugen. Sekunden später standen zwei nagelneue Kampfroboter in der Tür. Lynx klassifizierte die leichten Modelle als Bedrohung der Stufe 2. Das war ja beinahe eine Beleidigung.
In die Brigg mit ihm!, befahl Lovington den Maschinen. Na, das war ja dieses Mal schnell gegangen.
Der Mann ist eine Katastrophe. Niedergeschlagen legte Kapitän Cody Callahan das Dossier beiseite. Die Daisychain war eines seiner beiden wichtigsten Beiboote. Gerade auf dieser Mission würden die beiden Vanguards von allergrößter Bedeutung sein. Und das Oberkommando setzte einen Kommandanten ein, der noch nie über die Marsbahn hinausgekommen war. Dass der Mann darüber hinaus ein von Ehrgeiz und Selbstüberschätzung zerfressener Narzisst war, hatte er vor wenigen Minuten bewiesen. Selten war Cody wie ein Lakai behandelt worden von Seiten eines Untergebenen hatte er so etwas aber noch nie erlebt.
Politik, bestätigte Jodie Cadogan, die neue Leiterin der Sicherheitsabteilung. Seit gestern war sie zu Codys Schatten geworden. Bei den ersten Gesprächen mit den Offizieren war sie grundsätzlich anwesend. Sie war eine erstaunlich gute Beobachterin und die Maßstäbe, die sie anlegte, waren seinen eigenen so ähnlich wie ihre Nachnamen.
Eine Vanguard weniger, würde ich es nennen. Der junge Kommandant spürte die Wut in sich aufsteigen. Zefter kann ich allenfalls Standardmissionen unter direkter Aufsicht anvertrauen.
Die Erste Offizierin der Daisychain ist sehr fähig, warf Jodie ein.
Cody wusste, dass der Rotschopf dies nicht aus persönlicher Anschauung beurteilen konnte. Aber ihre inoffizielle Gefährtin diente seit Jahren als Pilotin der Daisychain.
Das mag sein, räumte er ein. Nur leider kann ein Kommandant auch mit der besten Stellvertreterin sein Schiff in Gefahr bringen. Vor allem, wenn er so ruhmsüchtig wie Major Zefter ist.
Wir könnten ihm jeweils vor wichtigen Missionen eine andere Aufgabe zuteilen.
Das geht vielleicht ein- oder zweimal
Der Kommandant zuckte mit den Schultern. Nein, wir können das Schiff nur noch für ungefährliche und einfache Aufgaben einsetzen. Er lächelte. Sylvian wird das gefallen ihre Tochter wurde der Daisychain zugeteilt.
Hat sich der Daisychain zugeteilt, verbesserte Jodie. Seit Polaris´ Einbruch in den Zentralrechner der Raumflotte aufgeflogen war, war Jodie nicht gut auf sie zu sprechen. Der Kommandant schmunzelte nur. Sie wartet übrigens draußen, setzte die Sicherheitsoffizierin hinzu. Ich habe sie etwas schmoren lassen.
Da ich meinen ersten Tag an Bord der Eos als erster Gast der nagelneuen Brigg zubrachte, hielt sich meine Bekanntschaft mit der Crew sehr in Grenzen. Doch die Kleine, die mir in diesem Korridor gegenübersaß, wäre überall herausgestochen. Und das nicht nur wegen ihrer blauen Haut und den langen weißen Strubbelhaaren. Ihre Augen waren violett wie polierte Amethyste und so riesig, dass sie kaum in ihren Kopf zu passen schienen. Allerdings waren sie wohl noch immer nicht groß genug, um die unbändige Neugier ihrer Eigentümerin vollständig widerspiegeln zu können.
Als ich den Flur heruntergekommen war, hatte sie noch betreten auf ihre Knie geschaut. Offenbar hatte sie etwas so Schwerwiegendes ausgefressen, dass sich der Kommandant persönlich damit befassen würde. So harmlos, wie sie aussah, war das schwer zu glauben. Kaum hatte ich mich aber gesetzt, wurden erst meine stählernen Begleiter und dann ich ungeniert angestarrt. Ihr Scan endete bei meinem Gesicht, das sie fasziniert zu erkunden suchte. Schließlich begann sie zu lächeln.
Der Ausdruck spiegelte sich in ihren Augen und schien so viel ehrliche Sympathie zu enthalten, dass es mich verunsicherte. Kannte sie mich? Jedenfalls gehörte ihr Lächeln in die Kategorie der Urkräfte, gegen die es keinen Widerstand gab. Gegen meinen Willen lächelte ich zurück. Erstaunlich, dass ich überhaupt dazu in der Lage war. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal gelächelt hatte.
Zwei Monate, vier Tage, vierzehn Stunden, fünf Minuten, sechsundvierzig Komma acht
Ach halt die Klappe, raunte ich.
Sie kicherte.
Ich meinte nicht Sie, entschuldigte ich mich. Was sollte das? Wen interessiert, was sie denkt?, fragte ich mich.
Sie entspricht zu neunundachtzig Komma vier Prozent den Zielvorgaben des reproduktiven Systems dieser Einheit, bot Lynx als Erklärung an.
Ja, sie war sexy, wurde mir bewusst. Wie lange hatte ich nicht mehr in diesen Kategorien gedacht? Bevor der Computer es mir sagte, zog ich meine Anfrage zurück. Sie merkte von meinem inneren Zwiegespräch natürlich nichts.
Ich weiß, sagte sie aufgekratzt. Sie sind Lorn Chambers, der Einzige, der durch das Lynx-System nicht den Verstand verloren hat. Sie sprechen mit Ihrem Taktikcomputer. Ich nickte verblüfft. Und diese weiße Haut sieht nicht nur gut aus Sie können sie wie ein Chamäleon an den Hintergrund anpassen!
Woher wusste sie das alles?
Daten ungenügend für Hypothese.
Diese Augen sind echt stark, fand sie.
Ich fand ihre weit großartiger, stellte ich fest. Allerdings waren meine Augen wohl praktischer ausgelegt. Diskret justierte ich die Wellenlänge meiner Wahrnehmung. Gleich darauf bestätigte sich meine Vermutung: Ohne Kleidung sah sie sogar noch besser aus. Dieses vollflächige Schwarz ist echt unheimlich, plapperte sie unterdessen. Bestimmt schüchtern Sie die meisten Leute damit ein.
Bei ihr war diese Wirkung nicht zu beobachten.
Ich beschränkte mich auf ein Schulterzucken.
Warum werden Sie denn von den Robotern hergebracht? Ich meine, wenn Sie wollten, könnten Sie die beiden doch in zwei Sekunden zu Altmetall verarbeiten?
Null Komma vier vier drei Sekunden, verbesserte Lynx. Ich ignorierte ihn. Woher kannte sie mich? Sie war nicht beim Militär und wäre auch viel zu jung gewesen, als dass man ihr Einblick in meine Personalakte gewährt hätte. Aber sie wusste offensichtlich sehr viel über mich. Noch erstaunlicher fand ich, dass sie trotzdem so freundlich zu mir war.
Bevor ich allerdings ihre Frage beantworten konnte, wurde der Wuschelkopf zum Kommandanten hereingerufen.
Shikomo © http://www.shikomo.de Weitere Leseproben
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