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„Film noir“ nicht als Stil, sondern als Genre

Zu Norbert Grobs lesenswertem Sammelband „Film noir“

© Die Berliner Literaturkritik, 09.02.09

 

Ist der „Film noir“ überhaupt ein Filmgenre wie der Western, Horror- oder Kriminalfilm? Ist es nicht etwas seltsam, dass nachdem in der lobenswerten, von Thomas Koebner herausgegebenen Reclam-Reihe „Filmgenres“ bereits ein Band zum „Kriminalfilm“ erschien, sich jetzt mit einer Unterkategorie beschäftigt wird? Kann dann nicht als nächstes ein Band zum „Splatterfilm“ (als Untergruppe des Horrorfilms) erscheinen? Oder ist „Film noir“ der Versuch, eine Reihe weiterzuführen, nachdem die wichtigen Genres bereits abgehandelt wurden?

Das kann sein, aber Norbert Grob schärft in seinem Vorwort die Perspektive auf den „Film noir“. Er ist nicht mehr der billig produzierte Hollywood-Kriminalfilm der vierziger Jahre mit der expressionistischen Lichtsetzung, den Femme Fatales und den trottelhaften Männern, die ihnen in die Falle laufen. Grob sieht den „Film noir“ als „eine besondere Sichtweise auf die Welt, eine pessimistische, zynische oder nihilistische Sichtweise. Die Filme entwerfen ein Universum der Verdammnis, das durchdrungen ist von einer Aura der Vergeblichkeit. Alles Tun – wie auch das Fühlen und Denken – mündet in Katastrophen, in Fehltritten oder Niederlagen.“

Damit wird der „Film noir“ und die in ihm transportierte Noir-Stimmung, so James Naremore, zu einer „der großen Strömungen des 20. Jahrhunderts, parallel zu Surrealismus, Existentialismus, Postmoderne.“ Der Noir ist dann eine zeitlich nicht begrenzte Strömung, sondern eine „tragische Verfasstheit“. Der „Film noir“ ist so gesehen nicht mehr ein an eine bestimmte Zeit gekoppelter Stil, sondern, wie der Kriminal- oder Liebesfilm, ein Genre.

Durch diesen veränderten Blickwinkel auf den klassischen „Film noir“ können auch vorher und später gedrehte Filme als „Film noir“ bezeichnet werden. Über die Hälfte der in dem Buch besprochenen Filme entstand nach 1950. Viele der besprochenen Filme entstanden nicht in Hollywood. Einige deutsche Filme, wie „Der Verlorene“, „Bunte Hunde“, „Der Skorpion“ und „Solo für Klarinette“, und viele französische Filme, wie „Die Hündin“, „Der Tag bricht an“, „Wenn es Nacht wird in Paris“, „Der Panther wird gehetzt“, „Das Mädchen und der Kommissar“, „Der Chef“ (Jean-Pierre Melvilles „Der eiskalte Engel“ wurde in „Filmgenres: Kriminalfilm“ besprochen), „Am Rande der Nacht“, „Das Auge“ und „36 – Tödliche Rivalen“, werden in meist fünfseitigen Texten liebevoll von verschiedenen Autoren vorgestellt. Michael Althen, Lars-Olav Beier, Robert Fischer, Dominik Graf, Andreas Kilb, Anke Leweke, Katja Nicodemus, Christian Petzold, Hans Helmut Prinzler, Georg Seeßlen, Marcus Stiglegger, Paul Werner und natürlich Norbert Grob schrieben Kritiken.

Neben den klassischen Noirs, wie „Frau ohne Gewissen“, „Laura“, „Goldenes Gift“, „Die Lady von Shanghai“ und „Rattennest“, finden sich auch oft als Neo-Noirs bezeichnete Filme, wie „Chinatown“, „Die heiße Spur“, „Taxi Driver“, „Driver“, „Der Einzelgänger“, „Heißblütig – Kaltblütig“, „Hammett“, „Miller’s Crossing“, „Bad Lieutenant“, „Se7en“ und „Die üblichen Verdächtigen“, in dem Sammelband. Dabei ist die Auswahl der neuen Filme etwas seltsam. Dass „Tödliche Entscheidung“ und „History of Violence“ aufgenommen wurden, ist nachvollziehbar. „Black Dahlia“ und „Tattoo“ sind dagegen eher schlechte Filme, die aber durch die Besprechungen Lust  auf ein wiederholtes Ansehen machen.

Insgesamt ist die Auswahl der Filme akzeptabel und einige Filme, die in „Film noir“ fehlen, wie „Die Spur des Falken“ und „Tote schlafen fest“, wurden bereits in dem 2005 erschienenen Filmgenres-Band „Kriminalfilm“ besprochen. Nur „Se7en“, „Im Zeichen des Bösen“ und „Rächer der Unterwelt“, werden, allerdings von verschiedenen Autoren, in den thematisch doch sehr ähnlichen Bänden der Filmgenres-Reihe vorgestellt. Damit ergänzt „Film noir“ den bereits erschienenen Band „Kriminalfilm“ kongenial.

Von Axel Bussmer

Literaturangaben:
GROTH, NORBERT (Hg.): Filmgenres. Film noir. Reclam Verlag, Stuttgart 2008. 408 S., 9 €.

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