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Leseprobe 6

DAS IKARUS-EVANGELIUM

Tanya Carpenter
Roman / Thriller

BOOKSHOUSE

Broschiert, 448 Seiten

Jan. 2015, 14.99 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Das laute Dröhnen war ihr unangenehm. Sie wusste nicht, woher es kam, aber es ließ ihren Körper vibrieren. Die Ebene vor ihr war trostlos und karg – verbrannte Erde, die sich endlos erstreckte bis zum Horizont. Der Himmel darüber war grau, aber nicht von Wolken oder Dämmerung. Es war ein bedrohliches Grau, das von Tod und Vernichtung kündete. Einzelne Baumstümpfe ragten knorrig empor wie eine Anklage.
Hitze stieg ihr in die Beine, allerdings von einer fremdartigen Sorte, die sie frieren ließ. Ein Odem von Fäulnis und Siechtum breitete sich aus. Süßlich, schwer und widerwärtig. In der Ferne kam Bewegung in die Monotonie. Erst glaubte sie, es seien Reiter, was sie an die Boten der Apokalypse denken ließ. Wer waren sie noch gleich gewesen? Krieg, Tod, Hunger und Siechtum. Doch statt stolzer Pferde mit Knochenmännern darauf rollte ein Sandsturm heran, der sich mehr und mehr als eine Wand aus lebendem Getier entpuppte. Maden? Fliegen? Ihr kam der Gedanken, dass sie fortlaufen müsse, aber sie hatte seltsamerweise keine Angst. Außerdem waren ihre Beine wie festgewachsen. Das Wimmeln und Wuseln und das ohrenbetäubende Rauschen der winzigen Insekten löste Ekel in ihr aus; sie hätte geschrien, wenn sie nicht fürchten müsste, dass diese Brut sich dann umgehend in ihren Körper ergießen und sie von innen verzehren würde. So blieb sie einfach stehen und starrte ihr mit weit aufgerissenen Augen entgegen, rechnete damit, davon überrollt und vom Antlitz der Erde getilgt zu werden, doch stattdessen teilte sich die unheilvolle Wand vor ihr und gab dahinter den Blick auf ein fruchtbares grünes Land frei, in dessen Mitte ein Fluss dahinströmte, während vom Himmel eine gelbe Sonne ihre wärmenden Strahlen schickte. So friedlich und verlockend. Die Aussicht auf das Paradies, das sie erlangen konnte, wenn … Wenn was? Sie wusste es, tief in ihrem Inneren. Wenn sie nicht davonlief, sondern sich stellte. Ihrer Aufgabe, ihrem Schicksal, ihrer Pflicht.
Sie wollte dort hinüber, streckte ihre Hand danach aus, doch im selben Moment stürzte die Fliegenwand über ihr zusammen und prasselte auf sie nieder.
Ungeachtet der Furcht von vorhin schrie Cat auf, fühlte es überall auf und in sich krabbeln und surren und wimmeln, bis es mit einem Schlag vorbei war.
Es war wieder still.
Zögerlich wagte sie es, den Kopf zu heben. Die Insekten waren fort, die trostlose Ebene war einem feuchten, nebligen Moor gewichen, das dampfte und waberte. Ihre Beine versanken in dem eisigen, glitschigen Sumpf, der an ihr zerrte. Ihre Arme stanken nach der modrigen Brühe. Ihr Leib wurde taub vor Kälte. Vor ihr stampften zwei mächtige Hufe auf den Boden, erzeugten ein Geräusch wie Donner oder Trommelschläge und zogen klebrige Fäden aus dem schwarzen Morast. Ein apokalyptisches Ross mit breiter Brust und wallender Mähne, das schnaubend Dampf aus seinen dunklen Nüstern stieß. Links und rechts von ihm riss die Erde auf, der Nebel wurde eingesogen wie von einer riesigen Turbine und gab den Blick auf menschliche Leiber frei; durchscheinend wie Geister – Seelen. Sie wanden sich in Agonie, halb im Fels gefangen. Ihre Schreie folterten Catherines Ohren. Ihr jammervoller Anblick ging ihr unter die Haut wie tausend glühende Nadeln.
Sie blickte höher, sah nun roten Rauch aus den Nüstern steigen, den der Pesthauch mit sich führte. Die Augen des Rosses glühten ebenso wie die seines Reiters, dessen Gesicht eine verzerrte Fratze war, verborgen unter einer Maske, die es halb verdeckte. In der Hand des dämonischen Kriegers reckte sich ein Schwert gen Himmel, dessen Klinge aus Feuer zu bestehen schien.
»Dein Fall wird mein Aufstieg sein. Du hast versagt.«
Sie fühlte die Hitze des Flammenschwertes, als es auf sie niedersauste, und konnte sich noch immer nicht rühren. Empfand nicht einmal Panik im Angesicht ihres Todes. Sie erwartete den tödlichen Schlag mit einer eigentümlichen Ruhe, doch ehe er sie niederstrecken konnte, kreuzte eine andere Klinge den Weg der Höllenwaffe und warf gleichsam Schwert wie auch Streiter und Ross zurück.
Eine Hand ergriff die ihre und half ihr auf. Vor ihr stand ihr Vater in einer schimmernden weißen Rüstung. Mächtige Schwingen ragten hinter ihm empor. Er sah aus wie ein Erzengel und drückte ihr das Schwert in die Hand, mit dem er sie gerade beschützt hatte.
»Von gerechter Hand geführt, ist das Licht stärker als jede Dunkelheit. Zweifle nicht an dir. Kehre wieder um auf den Pfad, den ich dir bereitet habe. Du kannst es aufhalten. Es ist dein Erbe, Fluch und Gnade zu gleichen Teilen. Es geht um soviel mehr. Die Apokalypse. Das Ende der Welt. Wenn der Verräter fällt, bleiben die Reiter zurück. Kauft er seine Seele frei, ist die Welt verloren. Du bist nie allein, mein Kind. Es gibt keinen Grund zu hadern.«
Ihr Vater verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Sie wollte ihn noch festhalten, ihm all die Fragen stellen, die in ihr wüteten. Ihn bitten, Schuld und Zweifel von ihr zu nehmen, doch sie fiel bereits in bodenlose Leere. Es war kein unangenehmer Fall, auch wenn er ihr im ersten Moment den Atem nahm. Es wurde mit jedem Meter wärmer um sie herum und sie erhielt jede Antwort, die sie hatte haben wollen – nicht in Worten, aber dafür umso deutlicher in ihrem Herzen.


Das erste, was Cat nach dem Fall bewusst wahrnahm, war ein gleichmäßiges Piepen, das unangenehm schrill in ihren Ohren hallte. Ihre Lider waren schwer, fühlten sich geschwollen an. Dennoch zwang sie sich, die Augen zu öffnen. Alles lag im Nebel, bis sie begriff, dass es lediglich eine gewisse Unschärfe war, die ihren Blick trübte. Sie konzentrierte sich auf einen dunklen Schemen im Raum, der sich nach und nach aus den grauen Schichten hervorschälte, bis sie schließlich Cyril erkannte, der auf einem unbequem wirkenden Plastikstuhl saß und zu schlafen schien.
Sie sah sich weiter um, entdeckte Schläuche, Monitore, Infusionsständer. Sie konnte sich nicht bewegen, ihr Körper war noch immer paralysiert. Etwas steckte in ihrem Hals, ließ sie würgen, für einen Augenblick bekam sie kaum Luft, bis sie verstand, dass sie im Einklang mit diesem Ding atmen musste, das in gleichmäßigem Rhythmus Sauerstoff in ihre Lungen pumpte.
Ich bin im Krankenhaus, ging es ihr durch den Kopf. Träge setzte die Erinnerung ein. Der maskierte Mann, der beißende Geruch, der Schlag und der Fall. Danach oder dazwischen irgendwann die Wand aus Fliegen. Das öde Land der Apokalypse. Die schreienden Seelen. Und der Reiter. All das musste nicht geschehen. Es lag in ihrer Hand, es zu verhindern. Wenn sie nicht länger vor ihrem Schicksal davonlief, sondern ebenfalls bereit war, Opfer zu bringen – wie zum Beispiel ihr Gewissen.
Mit einem Mal spürte sie Vigos Nähe, seinen Zuspruch, seine Kraft. Es durchströmte sie, füllte sie aus, machte sie zu jemandem, der seit Anbeginn der Zeit tief in ihrem Inneren geschlummert zu haben schien. Sie erinnerte sich erneut an das Fest der Messiah und das Ritual, bei dem drei Menschen hatten sterben müssen. Doch das Gefühl der Schuld wandelte sich in schlichtes Bedauern und Demut. Die stickige Atmosphäre, die Nähe des Todes und der Geruch heiliger Sünden, die unter Gottes wohlwollenden Blicken begangen worden waren, schreckten sie nicht länger. Es hatte einen Sinn. Einen der über dem Leben eines Einzelnen stand. Es geht um mehr, hatte ihr Vater im Traum gesagt. Es geht um das Schicksal der Menschheit. Aufstieg oder Fall – es lag in ihrer Hand.
Es waren weniger die Bilder des Traumes, die sie zu dieser Erkenntnis führten, sondern mehr die Gefühle, die mit ihm einhergegangen war. Sie hatte keine Angst vor dem Reiter gehabt, als dieser sie ansprach und das Schwert hob. Sie hatte einfach gewusst, dass es ihr nichts anhaben konnte. Dass jemand sie beschützte. Und dass sie und ihr Gefährte stärker sein konnten als er.
Es war ihr klar, dass Vigo nicht aus dem Totenreich zurückkehren würde, um mit einem Schwert für sie in den Kampf zu ziehen. Aber vielleicht würde sie die Waffe führen. Oder Cyril … Er war jetzt ihr Gefährte. Und er verstand es, mit dem Schwert umzugehen. Dieses Schwert – dieses eine besondere Schwert – es hatte eine Bedeutung, das spürte sie. Es war Teil des Rätsels, Teil der Lösung. Sie würde nicht mehr davonlaufen. Sie wusste jetzt, wohin sie gehörte.

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