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Die Totenwächterin - III

DIE TOTENWÄCHTERIN
DIE TOTENWÄCHTERIN

Helene Henke
Roman / Paranormale Romance

Sieben Verlag

Das Rote Palais: Band 1
Broschiert, 184 Seiten
ISBN: 978-394023522-0

Aug. 2008, 1. Auflage, 14.90 EUR
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Nachdem Leyla ihrer Großmutter ein paar Hörbücher gegen ihre Langeweile gebracht hatte, sah sie Evelyn von weitem auf dem Gang des Krankenhauses vor ihrem Büro im Erdgeschoss stehen. Sie trug ihren Arztkittel, hatte ihr langes Haar zu einem dicken Zopf geflochten und unterhielt sich mit einer elegant gekleideten Mittvierzigerin. Die Frau redete unaufhörlich auf Evelyn ein, und das in einer Lautstärke und Geschwindigkeit, die unweigerlich an ein Maschinengewehr denken ließ. Evelyn hörte ihr geduldig zu und nickte zwischendurch. Leyla kannte Evelyn gut genug, um die Zeichen zu erkennen, dass ihr das Gerede der Frau auf die Nerven ging. Sie ist zu höflich, dachte Leyla, als sie die beiden erreichte.
„Hallo Leyla, da bist du ja“, sagte Evelyn. „Das ist eine Kollegin, Dr. Giselle Lehmann.“
„Leyla Barth, die Polizistin. Evelyn hat mir viel von Ihnen erzählt“, flötete Giselle und reichte ihr zum Gruß die Hand.
Ein Schwall teuren Parfums zog in Leylas Nase, als Giselle sich vorbeugte und neben ihrer Wange einen Kuss in die Luft hauchte. Giselle trug unter ihrem Kostüm eine cremefarbene Seidenbluse und eine Perlenkette. Ihr dünnes, gelocktes Haar mochte kürzer adrett ausgesehen haben. Sie hatte die langen, braunen Strähnen mit viel Spray aufgeplustert und zu einem lockeren Zopf im Nacken gebunden. Das Makeup saß perfekt in dem sonnenbankgebräunten Gesicht.
„Hat sie das?“ Leyla warf einen Blick auf Evelyn.
„Wir tauschen unsere Bereitschaftsdienste, weil Giselle noch eine Privatpraxis für plastische Chirurgie führt“, erklärte Evelyn.
„Evelyn, die Gute, hat mir schon oft aus der Klemme geholfen, wenn abends Patienten in meiner Praxis warteten und hier ein Notfall reinkam“, sagte Giselle und lachte, als hätte jemand einen Witz erzählt.
Leyla fand den Gedanken, dass Giselle Ärztin war, erschreckend. Sie hoffte, dass sie zu den Leuten gehörte, die ausschließlich im Privatleben durch den Wind waren.
„Dann kann ich dich nicht überreden mitzukommen?“, fragte Giselle Evelyn.
„Nein, danke. Ich habe morgen etwas vor. Nicht wahr, Leyla?“
Leyla blickte sie kurz an und lächelte möglichst unverbindlich. Sie erkannte an Evelyns Tonfall, dass sie Giselle loswerden wollte, doch hatte sie keine Ahnung, wovon sie sprach. Hoffentlich wurde ihre Ratlosigkeit nicht bemerkt.
„Na gut, wir sehen uns dann. Bis dann. Tschüssi“, rief Giselle und tänzelte mit ihren gefährlich hohen Pfennigabsätzen akrobatisch über den Linoleumboden des Klinikflurs.
Leyla starrte ihr mit offenem Mund hinterher und wurde von Evelyn am Ärmel in ihr Büro gezogen.
„Du meine Güte, wie erträgst du sie bloß?“, fragte Leyla, als Evelyn die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
„Als Ärztin legt man sich ein dickes Fell zu“, antwortete sie lachend.
„Wozu wollte sie dich überreden?“
„Dass ich mit ihr ausgehe. Sie wollte mich zu einer Gala mitnehmen. Einer dieser aufwändigen Events, bei denen sich die Schönheitschirurgen feiern.“ Evelyn verzog ihre Miene.
„Das wäre der perfekte Rahmen für deinen Geburtstag.“
„Mir liegen da eher die ruhigeren Sachen. Ich gehöre bald zum alten Eisen.“
„Meine Güte, du wirst vierzig. Ich kenne Leute, die sind um einiges älter als du und leben gut damit.“ Ein paar davon waren allerdings untot. „Also gut, ich gehe morgen mit dir aus. Was möchtest du machen?“
„Leyla, du bist ein Schatz. Ich weiß das zu schätzen. Wie wäre es mit Kino? Danach könnten wir etwas trinken gehen.“
Da Leylas letzter Kinobesuch lange zurück lag und sie die Gelegenheit nutzen wollte, sich im Aurodom ein wenig umzusehen, stimmte sie zu. Evelyn strahlte sie an, und Leyla bemerkte, dass sie heute die Zweite war, der sie einen Gefallen getan hatte. Sie verabredeten sich für den darauffolgenden Abend. Leyla umarmte ihre Freundin und machte sich auf den Weg. Der Wind fuhr eisig unter ihren Mantel, als sie mit schnellen Schritten auf den Parkplatz zuschritt. Kurz darauf startete sie ihren Wagen und fuhr durch die Innenstadt von Krinfelde. Es war spät geworden und wenige Autos waren unterwegs. Auf der Landstraße, die zu ihrer Wohnsiedlung westlich der Stadt führte, war ihres das einzige Auto.
Leyla stellte ihren Wagen zwischen zwei Bäumen ab, welche die Straße säumten und im Licht der Laternen lagen. Sie schloss die Haustür des gepflegten kleinen Hauses auf und trat in die wohlige Wärme. Als sie das geräumige Wohnzimmer erreichte, zog sie die schweren Vorhänge zu. Obwohl das nächste Haus weit genug entfernt lag, fühlte sich Leyla beobachtet, wenn sie in der Nacht das Licht einschaltete. Sie knipste die Stehlampe an, die ein weiches Licht über die eierschalenfarbenen Wände warf und schaltete das Radio ein. Nach der fröhlichen Begrüßung des Moderators, der damit den angehenden Morgen ankündigte, drückte Leyla die Stummtaste. Sie konnte nicht nachvollziehen, dass jemand sie mit einem Morgengruß bedachte, sobald es nach Mitternacht war.
Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich auf das Veloursledersofa fallen und sank in die weichen Kissen der Rückenlehne. Sie schlief ein und träumte von einer Horde Frauen, die im Diskofieber ihre Körper verbogen und mit ihren Pfennigabsätzen über Leichenteile stiegen, die auf der Tanzfläche wie die Auslagen einer Kunstausstellung verteilt waren.

Nach einem freien Tag mit ungewohntem Müßiggang, zog Leyla sich für den Abend mit Evelyn um. Sie entschied sich für dunkle Jeans, Stiefel und eine veilchenfarbene Bluse, die mit ihren blauen Augen harmonisierte. Der fließende Stoff war weit genug, um das Schulterholster zu verbergen. Sie blickte in den Spiegel und fuhr mit beiden Händen durch ihre goldblonden Locken. Sie mochte ihr Haar. Es ringelte sich auf ihren Schultern und verlieh ihrem Gesicht einen weichen Zug. Die meisten Männer, mit denen sie ausgegangen war, hatten sie mit Komplimenten über ihr Haar überhäuft. Sie sicherte ihre Walther und steckte sie in das Holster. Ihr silbernes Stilett verbarg sie in der Lederscheide am unteren Teil ihres Rückens. Evelyn erwartete sie vor der Wohnungstür. Sie hatte ihre Arme eng an den Körper gedrückt und kuschelte sich in eine pelzbesetzte Jeansjacke. Die roten Haare fielen bis zu den Hüften, wenn sie nicht gerade von einem eisigen Windstoß aufgetrieben wurden. Ein Schwall kalter Luft zog in den Innenraum, als Evelyn ihren engen schwarzen Rock anhob, um in den Wagen zu steigen.
Sie waren früh dran, sodass sie noch einen der begehrten Parkplätze vor dem Kino bekamen. Vor ihnen lag der runde Vorbau des Foyers mit den Anzeigetafeln für die aktuellen Filme. Die nächsten Etagen ragten wie ein gigantischer Klotz in die Höhe. Die Schiebetür des Haupteingangs war geschlossen und dahinter lag das Foyer des Kinos. Sie sahen die Mitarbeiter des Aurodom, die sich emsig in ihren Kassen auf den nächsten Besucherschwall vorbereiteten. Der Bewegungsmelder ließ die Eingangstür aufziehen, und sie betraten das Aurodom. Das Heizungsgebläse über dem Eingang stieß mit einem lauten Rauschen warme Luft in den unbeheizten Vorraum. Die Hintergrundmusik war dadurch kaum noch zu hören.
„Welchen Film wollen wir uns anschauen?“, fragte Evelyn, während sie das Programm auf dem Monitor über einer Kasse las.
„Ich weiß nicht, entscheide du einfach“, entgegnete Leyla und stellte fest, dass die Filmtitel ihr wenig sagten.
„Na, das nenne ich Zufall“, ertönte eine Stimme neben ihr. „Wollen die Damen ins Kino gehen?“
Leyla wandte sich um und entschied sofort, dass die Frage zu Antonio Carrara passte. Was hätten sie sonst hier tun sollen?
Er kam mit übertrieben federnden Schritten hinter dem Kassenhäuschen hervor. Seine schwarzen Haare waren zu einem pflegeleichten Stoppelschnitt gestylt und boten einen Kontrast zu dem gewollt verwegenen Dreitagebart. Über seiner Designerjeans trug er ein Sakko aus Kaschmir. Er gehörte zu der Sorte Pseudocasanova, die irgendwo in ihrer Familie italienische Vorfahren hatten und sich automatisch als Mitglieder der Mafia fühlten. Abgesehen davon sprach er kein Wort Italienisch. Wegen verschiedener Delikte bereits mehrmals verhaftet, war er für Leyla und bei der Polizei ein alter Bekannter. Allerdings war er da noch lebendig gewesen. Damals trug er dieselbe Dienstkleidung wie das Aurodompersonal.
Die Art wie er sich auf sie zu bewegte, ließ alle Alarmglocken in Leyla schrillen. Für alle Fälle vermied sie es ihn direkt anzuschauen und stellte sich schützend vor Evelyn.
„Welch hübscher Anblick. Wollen Sie uns nicht bekannt machen?“, fragte er und blickte an Leyla vorbei zu Evelyn.
Leyla stieß die Luft aus und stellte die beiden einander vor. Evelyns Mundwinkel zuckten zu einem angedeuteten Lächeln.
„Angenehm“, säuselte er und ließ seinen Blick über Evelyns Haar schweifen. „Haben Sie einen Film ausgesucht?“
„Was wollen Sie, Antonio?“, fragte Leyla.
Als sie an ihm vorbeischaute, bemerkte sie kurz seine Augen. Sie waren noch braun wie die eines Teddybären und vermittelten das Gefühl einen kleinen Jungen vor sich zu haben. Antonio stieß dasselbe gackernde Lachen aus, wie er es zu Lebzeiten getan hatte, wenn er der Auffassung war, das Interesse einer Frau geweckt zu haben.
„Das gefällt mir. Ich irritiere Sie.“
„Möglich, Sie haben sich verändert.“
„Vielleicht haben Sie Angst?“
Leyla hörte, wie Evelyn hinter ihr scharf die Luft einzog. Die Gefahr, die von Antonio ausging, hielt sich in Grenzen. Wäre sie mit ihm allein in einem Raum gewesen, hätte sie sich geängstigt. Doch sie standen im öffentlichen Foyer eines Kinos, das sich nach und nach mit Gästen füllte. Als Vampir war er nun vom Laufburschen des Theaterleiters zum menschlichen Diener des Meistervampirs aufgestiegen. Damit schien auch eine Steigerung seines Selbstwertgefühls einhergegangen zu sein. Leyla ignorierte seine Frage.
„Wenn Sie uns jetzt entschuldigen, Antonio? Wir würden gerne einen Film anschauen.“
„Ich wüsste da was Besseres. Es findet heute eine Vorstellung im Roten Palais statt. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie und Ihre Freundin mit nach oben.“
Er grinste, wobei Leyla die Spitzen seiner gelblichen Fangzähne sah, da sie sich mehr darauf konzentrierte auf seinen Mund als in seine Augen zu schauen. Der direkte Blickkontakt ließ die telepathischen Fähigkeiten eines Vampirs sprunghaft in die Höhe schnellen. Damit waren Tür und Tor zum Verstand des Opfers geöffnet und der erste Schritt zur totalen Kontrolle getan. Leyla wusste nicht, inwieweit sich Antonio dieser Macht bediente, zog es aber für diesen Moment vor, vorsichtig zu sein. Er hatte die Ärmel seines Jacketts hochgerafft und seine dicht behaarten Unterarme freigelegt. Leyla schauderte. Sie mochte behaarte Unterarme, doch in seinem Fall schien die Erbinformation für Körperbehaarung nicht mit der konform gelaufen zu sein, die für die Körpergröße zuständig war. Die goldene Armbanduhr wirkte überdimensional an seinem schmalen Handgelenk. Für einen toten Mann schien es ihm gut zu gehen.

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