Crauss.
KOSENDES SCHWEIGEN
ich schneide mir die fussnägel, reisse sie mir ein wie es einreisst und wehtut, dass immer mehr freunde hier wegwollen. sie ziehen mit dem herbst in die grossen städte.
ich schreibe, doch was ich den freunden hinterherschreibe, macht den herbst nur noch schlimmer. und immernoch liegen mir zwanzig geschichten auf dem magen, die raus wollen. raus müssen, ein konglomerat aus kaffee und skizzen: wir waren, wir hatten, wir wollten. es geht nicht.
ich streite mit der telephongesellschaft über die rechnung und muss mich immer wieder neu einwählen. jeden morgen ein kater aus halsschmerzen und zeitung. wo steht mein name. ich gugel ihn, die meisten der 34tausend einträge jedoch sind schnäppchen-angebote oder handeln von längst aus craussendorf ausgewanderten. ferne, sehr ferne verwandtschaft. der herbst hört gar nicht mehr auf, so scheints.
ich frage mich. ich frage mich und gehe auf eine halbe stunde zu Walter. er brüht mir was auf, sehr heiss, aber so, dass ichs nicht verwenden kann für die lokalnachrichten. er weiss, wie man das macht. es gibt zupfkuchen und zigeunermusik, Bee Bee King und schokolade. eine neue bekanntschaft zu machen, gelingt nicht. die frau mit der unerhört tiefen stimme zwinkert vom nachbartisch her und kost einem burschen, der halb so alt ist wie ich, die locken. und küsst ihn und scattet ein paar zeilen an der musik aus den lautsprechern entlang. sie heisst Evelyn. angeblich.
in: MOTORRADHELD. klagenfurt: ritter verlag 2009

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