• Urban Screens. Ausschreibung

    Am 11. Oktober 2007 ist es wieder soweit: Fuer zwei Tage werden in Manchester Medienexperten, Designer, Architekten und Kuenstler aus der ganzen Welt zusammenkommen, um sich im Rahmen einer Konferenz mit Fragen und Problemen der Urban Screens auseinanderzusetzen – jene grossen Monitore, wie man sie nicht zuletzt im Berliner Sony Center am Potsdamer Platz finden kann.

    It’s all about content, so das Motto der diesjaehrigen Konferenz. Vor allem die Bedeutung der Screens als Traeger kultureller Informationen soll von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Was macht diese riesigen Bildschirme als Medienplattformen im oeffentlichen Raum aus? Wie koennen sie in die staedtische Umgebung architektonisch und inhaltlich integriert werden? Welche kuenstlerischen Produktionen kommen als Praesentation ueberhaupt in Frage?

    Die Deadline zur Einreichung eigener Vorschlaege ist der 2. Maerz (Eingangsdatum). Auch fuer die Teilnahme am die Konferenz begleitenden Rahmenprogramm sind Bewerbungen moeglich. Dazu Projektbeschreibung, anschauliches Material und CV zum genannten Datum einreichen. Aktuelle Infos rund um das Thema urban screens mit Veranstaltungshinweisen, Veroeffentlichungen, Ausstellungs – und Konferenzterminen gibt’s unter www.urbanscreens.org.

  • Aus dem Zeitrahmen gefallen

    Worte, so geschmeidig wie Seide, traenenschwangere Abschiede und Liebesgestaendnisse gehaucht fuer die Ewigkeit. Willkommen in der Welt von Angel Deverell. Wir befinden uns im England des Fin de Siècle und die junge Angel hat nur einen Traum: den dunklen Gassen ihrer Heimatstadt entfliehen und eine beruehmte Schriftstellerin werden. Emsig schreibt sie sich in ihrer Dachkammer an einem Roman die Finger wund. Spaeter erst wird klar: Was Angel da schreibt, ist ziemlicher Kitsch. Deshalb ueberrascht es anfangs nicht so sehr, dass sie bald einen Verleger findet und mit ihrem Erstling Lady Irania unglaublich grossen Erfolg hat. Die Londoner High Society liebt sie, reiche Adlige verschlingen ihre Buecher. Rasch avanciert Angel zum Popstar.

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    Diese Geschichte wird in Francois Ozons neuem Werk – dem Abschlussfilm der 57. Berlinale – mit soviel Pomp, Samt und Seide erzaehlt, dass der Zuschauer sich manchmal fragt, ob es wirklich stimmt, dass das Dokumentarische auf der diesjaehrigen Berlinale so stilbildend gewesen sein soll. Wie auch immer: Angel scheint so gar nicht ins Heute zu passen. Sie ist eine Traeumerin, die Sonnenuntergaenge und Gondelfahrten durch Venedig liebt. Sie passt nicht mal so richtig in das England des 19. Jahrhunderts. Das Unzeitgemaesse des Films wird noch verstaerkt durch seine verstaubt wirkende Oberflaeche, man hat das Gefuehl, einen Film aus den 1930er Jahren zu sehen – bloss in Farbe. Die Montagetechnik, die Ozon an einigen Stellen anwendet, unterstreicht diesen Eindruck. Wenn Angel beispielsweise auf einer Kutsche durch London reitet, wirkt sie wie hineingebeamt in das Strassenbild.

    Schoener kanns nicht kommen? Nun, der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Auch schon die Vorlage fuer den Film arbeitete sich daran ab: Der Roman der englischen Schriftstellerin Elizabeth Taylor (!), erschienen im Jahre 1957, erzaehlte das Leben der Marie Corelli. Diese Figur hiess im wirklichen Leben Mary Mackay und war um 1900 in England genauso bekannt wie Queen Victoria. Sie schrieb so etwas wie literarische Soap Operas und die Leute waren suechtig danach. Corelli gilt als der erste richtige Star des Literaturbetriebs. Aber heute kennt sie niemand mehr. Vermutlich war sie ihrer Zeit einfach nur voraus. Um mehr als einhundert Jahre vielleicht.

  • Der Schatten unserer Selbst

    Ein Mann steht auf einem Platz und blickt empor in die Kamera. Keine private etwa, um den ein oder anderen Augenblick zur Erinnerung festzuhalten, sondern eines jener Objekte, wie sie heute an jedem nur denkbaren Ort zu finden sind: im Museum, im Supermarkt, in der Bank und in der U-Bahn, am Flughafen, auf oeffentlichen Plaetzen. Wer weiss schon, wo nicht noch so ein Exemplar verborgen ist. Freilich: Alles nur zur Sicherheit der Buerger! Oder der Kunstwerke, oder der Waren… sagen wir einfach: zur Vermeidung von Kriminalitaet.

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    Jeder, der schon einmal des Nachts auf dem Bahnhof auf seinen Zug gewartet hat, wird zugeben, sich um einiges wohler gefuehlt zu haben bei dem Gedanken an das vermeintliche Ueberwachungssystem. Ein wirksames Mittel, Verbrechen an gefaehrlichen Plaetzen unter Kontrolle zu halten. Was Denis Beaubois schon 1996/97 in seiner Performance In the event of Amnesia the city will recall… Part I, 2001 ausgezeichnet vom ZKM Karlsruhe mit dem Internationalen Medienkunstpreis, thematisiert, ist die Kehrseite der Medaille: die Ueberwachungskamera als Teil zahlreicher Kontrollmechanismen unserer Gesellschaft. Mit dem Thema Kontrolle, die immer auch das Ergebnis bewusst produzierter Angst ist, setzt sich das juengst publizierte Magazin kontrol auseinander.

    Basak Senova und Yane Calovski entwickelten es aus dem Projekt under.ctrl von NOMAD und diskutieren mittels vielfaeltiger, interessanter Herangehensweisen, von analytischen Studien ueber Interviews bis zu Kunstprojekten, wie sich das Phaenomen Kontrolle in der zeitgenoessischen Kunst, Kultur, Technologie und Politik bemerkbar macht. Zahlreiche Kuenstler haben sich zum ersten Themenschwerpunkt the pornography of fabricating fear geaeussert. Frage der Herausgeber an die Leser der Berliner Gazette weitergeleitet: Koennen all diese Perspektiven eine Reaktion, ein Feedback hervorrufen?

  • Drei Minuten fuer das Prekariat

    Ausgerechnet in der Kastanienallee: Das rosafarbene Plakat >prekaeres Paradies< sticht sofort ins Auge. La précarité est partout – kann das beruhigen? In Prenzlauer Berg vielleicht schon. >Prekaer< bedeutet zunaechst einmal >unsicher<. Der Begriff gewinnt im arbeitsmarktpolitischen Diskurs zunehmend an Bedeutung. Befristete Stellen, Honorartaetigkeiten und schlechtbezahlte McJobs ohne soziale Absicherung gelten neuerdings als >prekaere Beschaeftigungsverhaeltnisse<. Klingt politisch korrekt. weiterlesen »

  • Ein Newsletter, der kein Newsletter sein wollte

    Ein Newsletter, der kein Newsletter sein wollte feiert mit der 400. Ausgabe sein Jubilaeum. Die Rede ist vom Newsletter der Berliner Gazette, der vor knapp acht Jahren erstmals erschien und seitdem einmal pro Woche an seine Abonnenten rausgeht. Krystian Woznicki zieht eine Bilanz. weiterlesen »

  • Das Beckham-Symptom im Fussball

    Wenn David Beckham doch nur eine schlechte Phase haette. Aber das ist schon eine Lebensphase. Im englischen Nationalteam als Kapitaen abgeloest, dann gar nicht mehr nominiert; im Klub zum Bankdruecker degradiert. Selbst auf dem Feld, das er einsam beherrschte, dem der Selbstvermarktung, kommen die Einschlaege naeher. Der Sonnenbrillenherrsteller Police kuendigte dem kickenden Werbetraeger. Die Zeitung Guardian sah die Marke Beckham im Rueckzug an allen Fronten.

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    End it like Beckham: Schlusspfiff fuer den Glamour-Fussball. Moderne Klubs analysieren mit Datenbanken und Scoutingnetzen ihr Personal und Potential immer nuechterner und gruendlicher. Heutigen Tempo- und Netzwerkfussball praegen Spieler, die sportlich multifunktional sind, privat aber einfoermig. Und die seit Jahren ihre Frisur nicht geaendert haben: wie Lampard, Gerrard, Henry, Pirlo, Deco. Motto: Substanz schlaegt Verpackung. Beckham hat gelernt. Lange schon hat der Mann, der frueher seinen Leibfriseur einfliegen liess, den Schnitt nicht gewechselt: einen konventionellen, ungefaerbten Kurzschopf.

    Ob das noch hilft, nach seiner Fasson gluecklich zu werden? Real Madrid, sein aktueller Arbeitgeber, hat unter Trainer Capello den grossen Schnitt gemacht. Wo es frueher um Schaueffekte ging, sorgt heute ein Sechser-Defensivblock fuer Sicherheit – kein Platz mehr fuer zweikampfscheue Luxus-Kicker. Es ist die Konsequenz aus dreijaehrigen Irrflug, in dem man die Elf komponierte wie ein Sechstklaessler sein Sammelalbum: Hauptsache Namen. Das neue Vorbild in Europa gibt Chelsea ab: ein Starensemble, in dem Teamgeist ueber alles geht; in dem Weltklassespieler sich klaglos darin fuegen, glanzlos zu sein.

  • Sorge und Kapitalismus

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    Jede Millisekunde zaehlt, wird gezaehlt. Nicht nur nach der unerbittlichen Oekonomie des Kapitalismus, der seinen Fortschritt in Masseinheiten fasst. Sondern eben auch, wenn es um die Sorge um sich und andere geht, die man diesen unterwerfen oder vielleicht doch auch entziehen kann. Nun, nicht alle Rechnungen gehen auf – vermutlich ebenso wenig wie dieser ansatzweise Versuch einer Interpretation. Wie das Ganze eigentlich und ueberhaupt gemeint ist, laesst sich in Christoph Korns Konzepttext nachlesen:

    Der Begriff der >Sorge wird verstanden als Grundfrage des menschlichen DASEINS, wie er in der Cura-Fabel des Hyginus und in spaeterer Philosophietradition dargestellt ist. In diesem Sinne konfrontiert die Arbeit zwei grundlegende, disparate und tief in die menschliche Wirklichkeit hineinragende Kategorien: Sorge und Kapitalismus. (…) Die Maschine selbst arbeitet permanent, Tag und Nacht. In ihrer Permanenz ist sie Platzhalter eines begriffssprachlichen Gedaechtnisses. Sie ist unablaessige Behauptung, dass Sorge unter dem Kapitalismus moeglich bzw. unmoeglich sei.< Da es sich um eine webbasierte Arbeit handelt, kann wunderbarer Weise nach wie vor ein jede/r mal die Probe aufs Exempel machen. Indes die gezaehlte Zeit im Archiv gesammelt wird. Wo die Stimmen zwar vestummt sein moegen. Indes die Schichten der Zeilen doch weiter bezeugen, dass das Sorgen einen Anfang haben mag - aber bis auf weiteres kein Ende hat.

  • Sich selbst hoeren

    Schreiben Sie eigentlich Tagebuch? Sollten Sie diese Frage positiv beantworten und vertrauen sich regelmaessig leeren Seiten an, koennen Sie sich mitten in der Nachmoderne waehnen – trotz der Ausuebung einer Jahrhunderte alten Kulturtechnik. Der Wunsch nach einer Linie des eigenen Lebens (Max Dessoir) ist in fluessigen, polyphonen Zeiten aktueller denn je. Dabei geht es weniger um das Festhalten von Ereignissen, das Protokollieren, als um das Entdecken und Vernehmen einer eigenen Stimme. weiterlesen »

  • Die softe Botschaft

    Ich gebe es zu: Radio hoeren ist so ziemlich das Einzige, was ich noch nicht ueber das Internet mache. In meiner Kueche steht der coolste Mini-Ghetto-Blaster, den die Welt je gesehen hat und der dudelt Tag fuer Tag froehlich vor sich hin. Am liebsten hoere ich die Autosendung auf Radio Eins, obwohl ich selbst kein Auto habe. Ich lach mir dann immer ins Faeustchen, wegen den ganzen Problemen, die die Autofahrer haben. Nun musste ich feststellen, dass es in Berlin noch einen viel cooleren Sender als Radio Eins gibt. Die Rede ist von Radio Paradiso! Als ich zum ersten Mal zufaellig auf der paradiesischen Frequenz gelandet bin, wusste ich zunaechst gar nicht, um was fuer einen Sender es sich handelt.

    Die Musik war jedenfalls ganz schoen: Bee Gees (schoene Erinnerungen: hat meine Mutti immer gehoert, als ich klein war), Phil Collins (peinliches Gestaendnis: fand ich schon immer gut) und Leann Rimes (…). Aber ein bisschen komisch war es dann nach einer Weile schon, mit diesem coolen Sender. Die ModeratorInnen haben naemlich immer so komische Sachen gesagt, ueber Naechstenliebe und liebevolles Miteinander. Ich bin es gewohnt, dass im Radio Themen abgehandelt werden wie: Sex am Arbeitsplatz – was ist die beste Stellung? Oder: Wann haben Sie das erste Mal Sex am Arbeitsplatz gehabt? Und so weiter. Nun aber Naechstenliebe, Schulwegengel und Gedanken zum Auftanken?

    Da musste doch was faul sein. Ich fand auch ziemlich schnell heraus was: Radio Paradiso ist ein christlicher Radiosender! Und ich dachte immer, so was gaebe es nur im Vatikan. Seit zehn Jahren schon verkuendet der Sender die frohe Botschaft in Berlin, unterlegt mit dem soften Mix. Als ich das erfuhr, war ich zunaechst skeptisch. Dann habe ich mir aber gedacht, dass es ganz gut ist, dass es in Berlin diesen Sender gibt. Vielleicht wird die verkommene Metropole beim juengsten Gericht dann verschont. Ich lasse den Sender jetzt jedenfalls immer prophylaktisch in meiner Kueche laufen und ergoetze mich an der Guten Nachricht des Tages und anderen Programmhighlights.