Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek oder “Bibliotheca Georgius Rex”?

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Jan Luyken “De Kayserlyke Bibliotheek”                                                                       Georg II   

Sie glauben, seit dem 17. Jahrhundert und Jan Luykens “De Kayserlyke Bibliotheek”  hätte sich in den Bibliotheken etwas verändert? Sicher, die Technik ist moderner geworden, heute bevölkern “Open Access Catalogues” in Form von Computern die Katalogsäle der Bibliotheken, aber wenn die vorgesetzte Dienstbehörde zu Besuch kommt, wie demnächst in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, um die Schätze dieser Einrichtung zu bewundern, dann verhalten sich deren zwei Bibliotheksdirektoren wie die sich vor dem König verneigenden Herren auf dem alten Stich. Der Niedersächsische Ministerpräsident McAllister wird von seiner Entourage begleitet und die beiden Leiter der Bibliothek werden untertänig alles tun, damit ihre Institution etwas vom Glanz der großen Politik und damit auch dem Geldbeutel des Ministers, der allerdings ein durch Steuern finanzierter öffentlicher ist, abbekommt.

Alaungpaya           Goldener_Brief

Alaungpaya, birmanischer König                       Goldener Brief mit Rubinen
Am 18. Januar 2011 soll ein angeblich neuer Kulturschatz, der “Goldene Brief des birmanischen Königs Alaungphaya”, aber unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit, den anwesenden, ausgewählt eingeladenen Honoratioren gezeigt werden. Für das normale Publikum bleibt die Bibliothek an diesem Tag geschlossen. Man zieht es vor, lieber unter sich zu bleiben. Das profane Volk versteht ohnehin nicht, worum es eigentlich geht. Aber worum geht es eigentlich? Wird hier noch das Bibliotheksprofil geschärft oder ist dieses Profil längst zu einer Art Privatprofilierung der Bibliotheksleitung geworden? Auf der Homepage der GWLB findet man zwei Zeugnisse vom derzeitigen kulturellen Schaffen des Bibliotheksdirektors Georg Ruppelt. Verlinkt wird dort auf die neueste Science-Fiction-Glosse des Direktors im PDF-Format, die auf amüsante Weise versucht Kafkas Erzählung  “Die Verwandlung” von 1912 ins Jahr 2060 zu transferieren und dabei nicht davor zurückschreckt, auch Stuttgart 21 oder jüngste Hamburger Volksentscheide aus eigener politischer Ansicht zu verballhornen. Den literarischen Wert will ich ganz außer Acht lassen, aber dass eine private Erzählung auf der offiziellen Seite der Bibliothek angepriesen wird, halte ich für bedenklich. Anscheinend geht hier die Identifizierung des Direktors oder Hausherrn, das gesamte Haus als sein eigenes zu betrachten, zu weit. Damit nicht genug, darunter wird auch noch auf die neueste Ausstellung der Bibliothek verwiesen, die wiederum von einem Katalog des Autors Georg Ruppelt begleitet wird, den man für 28.00 Euro im Verlag “zu Klampen” kaufen kann.

Ich habe nichts gegen Bibliotheken, schon gar nichts gegen Bücher, aber hier feiert sich eine kulturelle Klasse selbst. Die gute Absicht mag ich noch unterstellen, etwas für das Image und den Erhalt der Bibliothek zu tun, aber warum wird dazu ein geradezu königlich exklusives Ambiente in der Bibliothek geschaffen und den Mitarbeitern bei den wenigen vorhandenen Plätzen der geschlossenen Gesellschaft nahegelegt, doch lieber ihrer Diensttätigkeit nachzugehen? Freihandbereiche werden für die Benutzer eine Woche lang geschlossen! Ist Image wichtiger als öffentliches Interesse? Das Personal dieser Bibliothek, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, spricht hinter vorgehaltener Hand zwar öfter von “König Georg” und einer Arbeitsatmosphäre, die unter Gutsbesitzermentalität leidet und eher dem Muster einer hierarchischen Ständegesellschaft ähnelt, wenn der Dienstherr an der Spitze gemeint ist. Dann aber macht sich im allgemeinen das breit, was die gesamte Gesellschaft lähmt: Duckmäusertum. Warum schreibe ich ein wie eine späte Abrechnung wirkendes Pamphlet dieser Art und berausche mich an Marginalien? Weil es symptomatisch für die gesamte Gesellschaft ist! Politik geht nicht nur mit Banken, sondern auch mit der Kultur eine unheilige Allianz ein, die große Teile der Bevölkerung einfach ausschließt, die typische Gewöhnung an “Die da Oben und wir da Unten” tritt ein.

Mit 10 Millionen Euro bedachte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in einem Konjunkturprogramm. Ich bin nicht gegen Kultur und es ist wünschenswert, dass die Bibliothek dieses Geld erhält. Ein kultureller Treffpunkt Hannovers zu sein, ist auch ein hehres Ziel, aber wieso hat man oft den Eindruck, die Gesellschaft spalte sich in eine “Toskanafraktion”, die hermetisch abgeriegelt italienische Espressi und hochgeistige Kultur genießt und auf der anderen Seite steht das gebeutelte Personal, das seit Jahren auf neue Stellen oder Stellenhebungen wartet, für die kein Geld zur Verfügung steht. Die Führung der Bibliothek ist keine Privatveranstaltung leitender Kreise, sondern die Wahrnehmung von Informationsinteressen aller Bevölkerungsschichten. Was das Personal angeht, ist man in den “gehobenen Kreisen” der Ansicht, das Mitarbeiter froh sein sollten, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben und doch einfach still zu sein hätten. Gehaltsansprüche sind fehl am Platz. Für mich stellt sich in alldem ein Kulturverständnis der scheinbar Mächtigen dar, wie kleingeistig es am Ende auch sein mag, das darauf bedacht ist, ihren geistigen Führungsanspruch zu festigen. Die “geniale Führung”  hat im Gegensatz zu den Bediensteten Zeit, den eigenen Hobbys zu frönen und Elaborate über Kochbücher und Science Fiction zu veröffentlichen. Das Kulturverständnis ähnelt dem der Politik vom Sozialstaat: Almosen von den Leistungsträgern, eine Art Überschuss zur allgemeinen Erbauung. Zierrat wie der oben erwähnte Goldene Brief (s. a. Pressemitteilung) oder ein geplanter “Königlicher Lesesaal” sind nur ein pfauenhaftes Aufplustern ohne tatsächliche Substanz. Das ist der Weg der Bibliothek ins Museale. Modernes, wissenschaftliches Informationsmanagement für alle und die Berücksichtigung und das Vertreten von berechtigten Ansprüchen der Mitarbeiter nebst ihrer angemessenen Beteiligung sieht anders aus. Ich würde mir wünschen, dass die Bibliothek nicht nur durch Schatzsuche auffällt, die man dann mit Steuermitteln fürstlich unter sich feiert, sondern ein offener, moderner Treffpunkt für jedermann würde, der ein wissenschaftliches, literarisches oder wie auch immer geprägtes Interesse an Wissen, Büchern und Literatur hat.