Weiter gehts mit dem tschechischen Schwerpunkt, obwohl ich ja eigentlich ins Literaturhaus zur Hommage an Christian Loidl gehen wollte, aber dann bin ich vorigen Mittwoch im tschechischen Zentrum gewesen und am Donnerstag in der Gesellschaft für Literatur zur Verleihung des Manes Sperber Preises an Jirsi Grusa, da habe ich ja eigentlich geglaubt, daß es am Montag im tschechischen Zentrum, eine Jirsi Grusa Lesung geben wird, eh klar, ein paar Tage nach der Preisverleihung. Dann habe ich doch ins Programm geschaut und gesehen, am Montag lesen zwei junge tschechisch-österreichische Autoren, nämlich Vaclav Grusa und Rhea Krcmarova und am Freitag war auch noch die zweite Studentenlesung. Also habe ich umdisponiert, das heißt ich hätte gerne, konnte aber eigentlich nicht, denn es begann um sechs und um fünf hatte ich noch eine Stunde. Also doch ins Literaturhaus, bis dann die Klientin absagte, so daß es sich ausging, der tschechischen Literatur den Vorrang zu geben, denn Rhea Krcmarova kenne ich seit zwei Jahren, wenn ich sie nicht schon im Amerlinghaus bei der Exil-Literatur-Preisverleihung kennengelernt habe, daran kann ich mich aber nicht erinnern, wohl aber, daß die junge Frau, als ich vor zwei Jahren am Tag der offenen Tür der Angewandten das Institut der Sprachkunst suchte, die ich danach fragte, Rhea Krcmarova war. Vor einem Jahr habe ich sie dann bei der Studentenlesung ihr Kuchel-Böhmisch lesen hören und jetzt ging es im tschechischen Zentrum, um die Identität der Zweisprachigkeit.
Es war ziemlich voll, als ich eintraf, Beppo Beyerl und Manfred Chobot habe ich diesmal nicht gesehen, wohl aber die literarische Übersetzerin Christa Rothmeier, mit der ich mich schon am Donnerstag in der Gesellschaft für Literatur unterhalten habe und die mir sagte, daß sie Jiri Kratochvil bei seiner Buch-Präsentation in der Alten Schmiede auf mich angesprochen hat. Ich habe ja viel mitgeschrieben und mir auch einiges für mein Work in Progress mitgenommen, das dann ganz anders geworden ist. Das erzählte ich Christa Rotmeier und sah auch Frau Grusa in der ersten Reihe sitzen, was meinte Vermutung, daß der Vaclav mit dem Jirsi verwandt ist, bestätigte. Die Leiterin begrüßte und wiederholte, daß es ihr vorletzter Tag im tschechischen Zentrum sei. Dann begann Rhea Krcmarova mit einem Text namens „Inselhüpfen“ in dem es um die sprachliche Identität ging und Rhea Krcmarova hat wirklich eine sehr schöne Sprache und einen sehr poetischen Text, wo es um eine Donauschiffahrt von Wien abwärts ging, aber Prag liegt ja nicht an der Donau und ich habe an meine Schiffsfahrt von Bratislava nach Wien denken müssen und auch an Dana Grigorceas „Baba Rada“, Meeresjungfrauen und Nixen kommen jedenfalls vor, das Strandbad in Klosterneuburg und ich glaube auch tschechische Limonade und tschechische Chips und ein grüner Schaffner, der die Fahrkarten kontrolliert.
Rhea Krcmarova wurde jedenfalls in Prag geboren, kam 1981 nach Wien und hat hier, wie sie bei der Diskussion über die Identität und die tschechische Sprache erklärte, in Wien nur das Kuchel-Böhmisch gesprochen, obwohl es in ihrer Familie auch intellektuelle Besucher, wie Journalisten und Schauspieler gab und bei modernen Ausdrücken manchmal unsicher ist. Das habe ich schon beim Dialekt-Workshop im November Ilier Ferra sagen hören. Vaclav Grusa ist offenbar später nach Österreich gekommen, was man seiner Sprache auch anhört und er las aus seinem Gedichtband „Kuckucks-Waisenhaus“ zuerst auch auf tschechisch vor. Dann kam es zu der Diskussion und Vaclav Grusa sagte, daß er jetzt auf Deutsch schreiben würde, sein erster Gedichtband wurde aber auf tschechisch geschrieben und von Christa Rothmeier und Michael Stavaric übersetzt.
In einer zweiten Runde las dann Rhea Krcmarova aus dem Text „Lebensstriche“, wo es um eine Prostituierte und eine Handleserin geht und erzählte, daß sie an einem Roman arbeiten würde und auch ein Opernlibretto schreibt. Dann kamen noch Vaclav Grusas Gedichte auf Deutsch und dann gab es wieder Wein und tschechische Chips, ich begrüßte die Frau vom Tagebuchtag, die ich bei Ruth Aspöcks Sommerfest traf, nicht kennenlernte, denn sie war schon früher einmal auf einer meiner Lesungen und hat mir ihr Programm überreicht und kam dann mit einem Musiker, der mir erzählte, daß er sehr oft ins tschechische Zentrum geht und mit Rhea Krcmarova ins Gespräch und konnte am Schluß noch Vaclav Grusa nach seinem Verwandtenverhältnis zu Herrn Grusa fragen. Es ist der Sohn.
Sehr interessant und sicher produktiv für meine Romanarbeit, obwohl ich da schon fleißig am Korrigieren der Beistrich und Rechtschreibfehler bin und inhaltlich gar nicht mehr soviel verändern werde. Im Wochenendstandard war aber, ich habe es schon erwähnt, nicht nur ein Teil der Laudatio von Miguel Herz-Kestranek, sondern auch ein Artikel von Michael Stavaric, wo er das Lesen von anspruchsvollen tschechischen Büchern empfiehlt, so daß ich den Patrick Ourednik auf meine Leseliste setzte, allerdings erst auf die fürs nächste jahr und gar nicht auf die Idee kam, ihn vielleicht als Rechercheliteratur vorher einzuschieben, obwohl das Buch, wie ich glaube, vom Prager Frühling handelt.
2012-01-31
Entwurzelung und Schreiben
2012-01-30
Beobachtungen zur Krise
Wir leben momentan in Krisenzeiten, wie man unschwer merken kann, wenn man das Radio oder den Fernsehapparat aufdreht. Überall ist vom Sparen zu hören und wenn man das ernsthaft durchgehen will, kann einer leicht das Gruseln kommen. Das hat zwar auf dem ersten Blick nicht viel oder nur bedingt mit Literatur zu tun, auf dem zweiten, dritten, vierten, schon eher, weil man sich vorstellen kann, daß die Sparpakete auch zur Kultur dringen, daher möchte ich in meinem Wort zum frühen Montag, der Sonntag war ja schon der „Stadt der Engel“ gewidmet, ein paar Themen besprechen, die sich in letzter Zeit angesammelt haben.
Eigentlich hat es 2008 begonnen und wenn ich mich nicht irre, war es auch am Weltspartag, denn da ist ein angebliches Tucholsky-Gedicht zur Banken und Wirtschaftskrise aufgetaucht, das sich später als Fälschung erwies. Dann wurden überall die Banken gerettet, sehr viel Geld ist geflossen, so daß man sich bang fragte, wer das bezahlen soll? Es folgte die Krise in Griechenland Petrus Markaris „Faule Kredite“ habe ich zu Weihnachten besprochen und vor kurzem den Autor sagen hören, daß es in Griechenland inzwischen schon viel schlimmer ist, als in dem Roman geschildert wurde und manche Familien nicht mehr wissen, was sie essen sollen. Das betrifft noch viele andere Länder und viele andere Themen, die Bildung, das Gesundheitswesen, etc.
Ich habe mich mit der „Sophie Hungers“ literarisch damit beschäftigt.
Inzwischen hört man überall vom Sparen und der Krise und das betrifft auch die Stimmung unter den Autoren und in den Blogs, obwohl der Kampf gegen schlechte Blogs, die angeblich, wie die Schwammerln aus dem Boden spriessen, wahrscheinlich mehr mit den Rezensionsexemplaren, als mit der Bankenkrise zu tun hat und da wunderte ich mich, daß die Verlage so großzügig, die Bücher an die Leser verteilen, weil ich mich fragte, wer soll sie dann noch kaufen?
Aber das ist keine Kritik, denn ich habe schon seit Jahren aus anderen Gründen aufgehört, mir Bücher zu kaufen und habe, seit es die offenen Bücherschränke gibt und die halte ich für eine der wenigen positiven Entwicklungen der letzten Zeit, genug zum Lesen und, daß sich das gute alte Buch zum E-Book entwickeln wird, kann man auch überall hören. Ob das gut oder schlecht ist, weiß man noch nicht so recht. Ich habe jedenfalls nicht vor, auf den E-Book-Reader umzusteigen und denke, daß ich die zwanzig Jahre, die ich wahrscheinlich noch lesen werde, mit den Printexemplaren auskomme. Merke aber, daß sich das Leseverhalten verändert. Das scheint ab zu nehmen. Auf der anderen Seite interessieren sich immer mehr Leute für das Schreiben und das finde ich sehr gut. Höre aber manchmal, daß angeblich schon mehr Gedichte geschrieben, als gelesen werden, was mich, als Vielleserin, die das sehr wohl tut, nicht einmal so stört. Ich merke aber, daß sich die Stimmung in der Autoren- Bücher- Blogger- Welt diesbezüglich verschlechtert. Die E-Book-Debatte und, daß jeder seine Bücher selber machen und bei Amazon verkaufen kann, scheint Angst zu machen. So habe ich vor ein paar Wochen einen Beitrag gelesen, wo die sogenannten Indie-Autoren, unter Anführungszeichen gesetzt wurden und ihnen das Recht auf das Schreiben abgesprochen wird. Das ist ein Thema, wo ich mich als vielschreibende Autorin, der es nicht gelungen ist, einen Verlag zu finden und die daher ihre Bücher selber macht, leicht betroffen fühle. Kämpfe ich ja schon lang mit nicht sehr großen Erfolg, um die Anerkennung meiner selbst gemachten Bücher.
Petra van Cronenburg hat wieder einen interessanten Blogbeitrag geschrieben, der zeigt, daß es vielen Autoren nicht sehr gut geht, da ist mir durch meinen Brotberuf, den ich ja immer hatte, sicher viel erspart geblieben. Was mir aber fehlt, ist die Anerkennung und daran leide ich genug, daß ich, obwohl ich mich so sehr bemühe, weil ich meine Bücher selber mache, nie die Chance auf einen Buchpreis, eine größere Lesung, einen Literaturpreis etc habe und dann kommt oft noch der Hohn und das Unverständnis der anderen dazu und die, die schreien „Eigenverlag wollen wir nicht!“
Um wieder zum Thema zurückzukommen, seit die Krisenstimmung allgegenwertig ist, fühlen sich offenbar auch etabliertere Autoren davon betroffen und so war im „Standard“ dieses Wochenende ein Artikel von Michael Stavaric „Wer liest heute noch anstrengende Werke?“, wo er sich gegen linear geschriebene Bücher ausspricht. Er geht dabei davon aus, daß der Durchschnittsleser etwa zehn bis zwölf Bücher im Jahr liest und empfiehlt Werke von Hans Lebert, Bohumil Hrabal, Patrik Ourednik, Per Olof Enquist, Joseph Conrad etc.
Dagegen ist nichts zu sagen, ich habe zum Beispiel von einem der Büchertürme Patrik Oudrednik „Das Jahr vierundzwanzig“, übersetzt von Michael Stavaric, bekommen, das ich endlich lesen sollte. Aber ich habe auch nichts gegen Leute, die Krimis, Fantasyromane, Cick Lit, etc, lesen.
Ich selber habe einen eher weiten Lesebegriff und versuche mich quer durch den Literaturgarten zu lesen und fahre, glaube ich, auch sehr gut damit. Also wieder ein Pläydojer für mehr Toleranz. Jeder der will, soll schreiben und lesen. Es wäre zwar schön, wenn er sich auch für die Literatur der anderen interessiert und natürlich finde ich es gut, wenn man darüber berichtet. So halte ich die Bücherblogs und die Tatsache, daß jetzt jeder seine Meinung ins Internet stellen kann, für keine Bedrohung. Habe aber gerade wieder über eine Aufregung gelesen, die mir bisher entgangen ist. Da hat eine Bloggerin ein Buch abgebrochen, weil es ihr nicht gefallen hat und wurde vom Autor und dessen Verlag mit einer Klage bedroht, weil sie angeblich Wirtschaftskriminalität betreibt, wenn sie es schlecht bespricht. Im Sommer 2010 gab es eine ähnliche Diskussion als leselustfrust Anni Bürkls „Ausgetanzt“ besprochen hat. Ich habe in „Sommerlöcher“ darüber geschrieben, daß ich nicht glaube, daß man Literatur studiert haben muß, um ein Buch zu besprechen, ob man das jetzt Rezension nennt oder nicht, ist egal. Habe aber für mich, da ich selber nicht gern kritisiert werden will, entschieden, mit den Bewertungen vorsichtig zu sein. Ich beschreibe den Inhalt, sage meine Meinung und das, was ich über den Autor weiß. Das sind dann mehr literarische Texte, als Rezensionen und das sollen sie auch sein. Vorigen Montag gab es eine Sendung in den Tonspuren darüber, wo Sigrid Löffler und Klaus Nüchtern ihre Meinung dazu sagen sollten, ob sie sich von den sogeannten unprofessionellen Besprechern bedroht fühlen? Das wäre zwar vielleicht sogar verständlich. Aber ich finde dieses Mittel der Demokratisierung schön, halte es für eine gute Prophylaxe gegen den Analphabetismus und gegen Alzheimer und freue mich über jede wertfreie Meinungsäußerung, merke aber die Krisenstimmung und die Konkurrenz.
Noch etwas war interessant, hat doch Marlene Streeruwitz letzte Woche, den Bremer Literaturpreis für ihren Krisenroman „Die Schmerzmacherin“ bekommen und sich in ihrer Laudatio auf die Lesung in der Alten Schmiede vor zwei Wochen, wo das von Daniela Strigl herausgegebene Buch von Walter Buchebner präsentiert wurde, bezogen, wo ich sehr bedauerte, nicht bei der Veranstaltung gewesen zu sein, weil am selben Tag Dine Petrik ihr Buch über Hertha Kräftner vorstellte, das ebenfalls ein Vorwort von Daniela Strigl hat.
„Interessant!“, habe ich gedacht, daß das der erklärten Feministin Marlene Streeruwitz entgangen ist und sie nicht auch dieses Buch und diese Autorin in ihre Laudatio einbezog und vermute, daß der Grund wieder in der sogenannten Mainstreampolitik zu finden sein wird. Die Kriktiker schauen nur auf das eine Event, während anderes, sicher ebenso Interessantes, übersehen wird, was sehr schade ist.
Denn ich finde und das hat auch Petrus Markaris in seiner Erföffnungsrede bei der Buch Wien so gesagt, daß die Chance an der Wirtschaftskrise sein könnte, daß sich die Leute wieder mehr Zeit für ihre Kreativität nehmen und vielleicht auch ein bißchen jenseits vom Tellerrand, auf das Leisere, nicht so Spekuläre schauen und das würde ich mir sehr wünschen!
2012-01-29
Stadt der Engel
„Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“, schließt vielleicht das Nachdenken über Christa Wolf ab oder läßt es auch damit beginnen, denn es ist ein fulminantes Meisterwerk, das da 2010 erschienen ist und, wie ich dem Buchrücken entnehme, sowohl den Uwe-Johnson-Pres als auch den Thomas-Mann-Preis gewonnen hat, zu Recht wie ich finde, obwohl die Rezensenten, wie ich auch schon gesehen habe, nicht immer dieser Meinung sind und manche das Buch für eher soziologisch als für literarisch halten, aber, um das gleich voran zu stellen, es ist, glaube ich, genau die Art, wie ich das Schreiben verstehe und ich auch vorhabe es so zu tun, auch wenn ich die Stelle mit dem schwarzen Engel, der die Ich-Erzählerin durch Los Angeles begleitet, schon für ein wenig gewagt halte und mir vorstellen kann, was passieren würde, wenn ich so etwas schreibe.
Christa Wolf ist aber Christa Wolf, die grande Dame der ehemaligen DDR, so muß man das ja schreiben und erzählt, wie auch am Buchrücken steht „von einem Menschenleben, das drei deutschen Staats- und Gesellschaftsformen standhält, von einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, von der Kunst sich zu erinnern.“
Und das tut sie, ich wiederhole es, wahrhaft fulminant und reichhaltig und mit einer Fülle an Material und wieder, es war für mich ein wenig irritierend, daß sie manchmal vom „ich“ ins „du“ wechselte, dann „euch“ ansprach und ich nicht immer wußte, wer damit gemeint war, aber das ist wahrscheinlich die literarische Erhöhung des Buchs.
Es beginnt mit einem Studienaufenthalt Anfang der Neunzigerjahre in die „Stadt der Engeln“, die Ich-Erzählerin, die wohl Christa Wolf ist, obwohl da wieder etwas von „Alle Figuren mit Ausnahmen der historischen Persönlichkeiten sind Erfindungen“, steht, kommt mit Briefen einer „L“ über die sie recherchieren will, am Flughafen an und läßt sich entgegen aller Warnungen vom erstbesten Taxi in die MS. Victoria, das Stipendiatenwohnheims des Centers, das sie eingeladen hat, bringen und erlebt die kalifornische oberflächige Gastfreundlichkeit „You are welcome“, obwohl keine „Pets“ in dem Wohnheim erlaubt sind, sie erlebt aber auch die Homeless People, die auf der Straße stehen und um einen Dollar betteln, wenn sie auf ihrer Bank am Pazifischen Ozean sitzt. Das Center scheint eine sehr großzügige Einrichtung zu sein, denn sie hat dort ein Büro und die freundlichen Sekretärinnen servieren am Nachmittag Tee und Kekse und versuchen auch etwas über diese „L“ herauszufinden, über die die Erzählerin schreiben will.
Die lernt dann einen Peter Gutman kennen, in England aufgewachsen, der über einen Philosophen schreibt und am Leben zu scheitern scheint, macht mit den anderen Stipendiaten verschiedene Ausflüge, geht zu einem Dr. Kim der an ihr Akkupunktur versucht und zu einer Feldenkrais-Therapeutin, kauft sich ein Auto und besucht verschienene Parties, wo sie verschiedene amerikanische Intellektuelle und jüdische Emigranten trifft.
Die Stadt der Engel ist ja voll davon, bot es ja Brecht, Feuchtwanger, Thomas Mann, etc Exil und während die Erzählerin diese Orte besucht, liest sie in dier Zeitung, daß es daheim in Ostdeutschland zu rassistischen Ausschreitungen kommt und sie muß auf den Parties Rede stehen, warum sie nicht aus der DDR emigierte.
Es kommt noch schlimmer, ihre Stasi Akte, wo sie als Informantin geführt wurde, wurde entdeckt und sie kann sich an ihre Unterschrift und daran, daß sie Informationen geleistet hat, nicht erinnern, was sie in eine tiefe Krise und den Overcoat des Dr. Freuds ins Spiel bringt, denn der wurde vom Architekten Neutra, der viele schöne Bauten in der Stadt der Engeln machte, die jetzt den Armen als Wohnung dienen, dorthin gebracht, er wurde ihm auch gestohlen und die Ich-Erzählerin gleitet in ihre Träume und in die Vergangenheit ab, wie es war, als sie als junges Mädchen und Studentin in West Berlin Wahlwerbung für die Kommunisten machte und dabei verhaftet wurde, wie es war als Biermann ausgebürgert wurde, sie dagegen protestierte und sie von der Staatssicherheit observiert wurde, sie hat darüber, glaube ich, auch in „Was bleibt“ geschrieben, wie es war 1989 bei ihrer großen Rede am Alexanderplatz etc.
Die Briefe der L., die vorerst nicht eruierbar sind, stammen von ihrer Freundin Emma, einer alten Widerstandskämpferin und bei den Parties lernt sie auch die Emigrantin Ruth, die ein verstecktes Kind ist, kennen, führt viele Gespräche mit Peter Gutman und bekommt schließlich heraus, daß L. die Psychoanalytikerin Lily und eine Freundin Ruths ist und Lilys lieber Herr, ist auch der Philosoph über den Peter Gutman schon jahrelang forscht.
Wenn ich soetwas schreiben würde, würde man mir vielleicht ein allzu absichthaftes Konstruieren unterstellen. Christa Wolf zieht einem aber trotzdem in einen Zug, aus dem schwer herauszukommen ist und man erlebt alle Grausamkeiten und Irrtümer des vorigen Jahrhunderts wieder, die Gräuel der NS Zeit und, daß dann die, die aus den KZs kamen und an den neuen Staat und an den Kommunismus glaubten, wieder in einer Dikatur landete, im gelobten Amerika ist es aber auch nicht viel besser, denn da gab ja die McCarthy-Ära, die Brecht und Thomas Mann sehr drangsalierten, jetzt die Homeless People und die Rassentrennung und den schwarzen oder lateinamerikanischen Putztrupp, der die MS. Victoria sauber hält und für das Wohl der Stipendiaten sorgt.
Der einzige schwarze Stipendiat führt die Erzählerin in ein Antiquariat und da findet sie die Bücher der jüdischen Emigranten von Vicki Baum, Leonhard Frank, Arnold Zweig, etc in denen dann auch „Liebster Paul, Merry X-Mas – Dieses Buch soll Dich unsere alte Sprache nicht vergessen lassen. Herzlichst Walter.“, steht.
Dann gibt es noch die obligatorischen Ausflüge in das Hearst Castle, nach Hollywood, in den den Grand Canon, die wir ebenfalls so machten, als wir 1989, ich glaube, sechs Wochen in Amerika herumgefahren sind und außer in New York auch in Kalfornien waren, die DDR gab es damals noch, obwohl sich in dieser Zeit schon die Botschaften in Budapest und Prag füllten und die Ungarn bald ihre Grenze öffneten. Daß es in Kalifornien ein so reiches Emigrantenleben gegeben hat, habe ich nicht gewußt, bin nur mit der Touristen- Tour durch Hollywood gefahren, habe mir aber inzwischen in einer Buchlandungsabverkaufskiste, um einen Euro das TB „Brecht in den USA“ gekauft, das Buch über Walter Jankas Prozeß habe ich auch gelesen und in dem Aufbau-Taschenbuch „…Und leiser Jubel zöge ein“, das den Arco Verleger im Sommer so beeindruckte, gibt es auch Briefe an und von Thomas Mann, Feuchtwanger etc, aus den Fünzigerjahren, die wahrscheinlich nach Amerika gingen.
Christa Wolf oder ihre Ich-Erzählerin hat auch noch Indianer Reservate besucht und ihre Erkenntnisse dazu aus dem „Buch der Hopi“ entnommen und kehrt wahrscheinlich geläutert in die ehemalige DDR zurück, denn „Und die Farben. Ach, Angelina, die Farben“ Und dieser Himmel!“, sagt sie zu ihrem Engel.
„Wohin sind wir unterwegs? Das weiß ich nicht.“
2012-01-28
Studentenlesung II oder Namen suchen
Das Institut für Sprachkunst hat ja eine Kooperation mit dem Literaturhaus, so daß es die Lesarten gibt, wo im Vorjahr Terezia Mora, Wilhelm Genanzino, Katja Langen-Müller etc lasen und es im letzten Jänner sowohl das Symposium „Die Praxis des Schreibens“ als auch eine Studentenlesung mit Lesungen der Studierenden des ersten Jahrgangs gab. Da derzeit überall eingespart wird, wird das auch diese Schiene betreffen, so gab es keine Lesungen mehr oder weniger berühmter Mainstreamautoren mehr, wohl aber eine Präsentation des Symposiumbandes vorigen Samstag, die ich versäumte, weil wir da in Harland waren. Es gibt auch eine Zeitschrift der Studententexte, die irgendwann präsentiert wurde, wo ich nicht kommen konnte und diesen Freitag eine Studentenlesung der Studierenden des zweiten Jahrgangs.
Ich habs schon mal geschrieben, mit den Namen tue ich mir schwer. Denn die des ersten Jahrgangs waren problemlos im Internet abzurufen, die des zweiten standen auch darin, die druckte ich mir aber leider nicht aus, so daß ich auf das Literaturhausprogramm angewiesen war und da stimmten sie, wie sich herausstellen sollte, auch nicht ganz, standen ja Iris Gassenbauer, Johanna Müller, Benjamin Quaderer und Miel-Amelie Wanka im Programm, die nicht gelesen haben. Sonst war auch einiges ein bißchen anders, weil im letzten Jahr sehr viel reserviert war und ich irgendwo ganz hinten gesessen bin, bin ich diesmal eher früh gekommen, so früh, daß ich noch einen Umweg zum Bücherschrank machen konnte, der übrigens durch einen von Hermann Nitsch mitgestalteten zur zwei Jahresfeier am 5. 2. um 15 Uhr ersetzt werden wird. Jetzt gibt es aber noch das alte Kastel und da fand ich zwei schöne alte Bücher von einem Paul Keller drin, von dem ich inzwischen ergooglet habe, daß das ein sehr populärer schlesischer Dichter war, den alle lesen wollten und das steht in einem der Bücher, ohne bibliografisch Angaben auch so drin, daß die Ärzte die Keller Bücher den Kranken empfehlen und das man sie seiner Familie schenken soll, „Denn man soll nie vergessen, es gibt kein edleres und billigeres Geschenk als ein gutes Buch!“, das steht in einer Ausgabe von 1932.
Ferdinand Schmatz stand schon vor dem Literaturhaus, als ich meinen Platz belegte und stand noch dort, als ich mit den Büchern zurückgekommen bin. Reserviert war diesmal nichts und um dreiviertel sieben auch noch ziemlich leer. Ich sollte dann auch weder Gustav Ernst, Rober Schindel, noch den Literaturhausleiter sehen und es gab auch keinen Programmzettel, wo die Namen und die Texte, wie im Vorjahr standen.
Es füllte sich dann aber mit vielen jungen Leuten und der alte Herr, der immer zu Literaturveranstaltungen geht und einmal von Emmy Werner ziemlich zusammengeschissen wurde, weil er sie kritisierte, war auch da, ist aber in der ersten Pause gegangen und der andere, der am Dienstag auch in der Gesellschaft für Literatur, bei der anderen Jugendlesung war.
Barbara Zwiefelhofer begrüßte und las die Reihenfolge der Lesenden so schnell vor, daß ich sie nicht mitschreiben konnte und von den Namen, die im Programm standen, kannte ich niemanden.
Vom ersten Jahrgang habe ich ja Sandra Gugic durch den Exilpreis gekannt. Ferdinand Schmatz, der einzige Vertreter des Lehrkörpers kam dann auch, sagte „Ich bin der Körper“ und versicherte, daß die Studenten die besten Texte lesen würden, die in den ersten drei Monaten des Studienjahres entstanden sind und sagte noch dazu, daß er sie nicht kenne. Dann kam ein junger Mann, erklärte, daß jeder zehn Minuten und es zwei kurze Pausen geben würden und bedauerte, daß die Lehrer nicht anwesend seien, aber Robert Schindel auf einer Veranstaltung und Doron Rabinovici auf der Demonstration gegen den Burscheschaftsball, der in der Hofburg stattfindet. Dann wollte er zu lesen beginnen ohne seinen Namen zu sagen, was mich störte, weil die Lesung nicht in der angeführten alphabetischen Reihenfolge war. So traute ich mich nachzufragen und hoffe daß meine Berichterstattung stimmt. Der erste Leser, der auch den Abend moderierte, war Bastian Schneider und er las einen sehr anspruchsvollen Text über das Schreiben und über Wörter, die mit den Grimmschen Märchen begannen und mit Grafitis endeten, dazwischen war auch noch einiges zu hören. Die zweite Leserin stellte sich dann vor und hieß Katharina Luger, die mich mit ihrem „Morgengebet im Soll“ sehr beeindruckte.
„Ich soll keinen Fernseher haben, ich soll beim Bachmannpreis lesen, ich soll eine Auflage von mindestens 1500 Bücher haben, ich soll einen Bachmannjuror kennen, keine Adjektive verwenden, pünktlich sein, nicht zu spät kommen, einen eigenen Blog führen und andere Literaturblogs leben, etc.“
So ist es, glaube ich und wenn schon die sehr jungen Frauen im zweiten Studienjahr vom Literaturbetrieb so belastet sind, ist das nicht gut, ich mußte bei dem Text aber sehr lachen und die anderen taten das auch.
Konrad Priessnitz hatte Gedichte, in denen der Name „Trakl“ vorkamen, an ihn erinnerten und sich auch reimten.
Und Johanna Kliem, die nicht im Programm stand, beeindruckte auch durch ihren sehr gekonnten Text, von dem ich mir nicht ganz sicher bin, ob er „Das schwarze Loch hieß“, das kam jedenfalls öfter darin vor und noch einiges andere, so „Schaumkugeln“, Friederike Mayröcker und ein Bad in Budapest von dem die Großmutter öfter schrieb. Dann gab es die kurze Pause und die nächste Runde, wo die Vornamen nochmals angekündigt wurden. So begannen Magda und Laurenz. Magda war, habe ich mir zusammengereimt, Magdalena Caterina Mayer und ihre Gedichte wurden von einem Laurenz, der nicht im Programm steht, musikalisch performanct und das Ganze war „Was besonderes“, es ging aber auch, um einen Friedhof und um die Namen, derer, die dort liegen „Kannen, Kerzen etc“.
Dann kam Teresa Dopler, deren Namen als erste im Programm steht, mit dem Text „Meine Haut, deine Haut“, in mehreren Abteilungen, jedenfalls lebt eine Frau mit Oskar, der Tiefseefische malt und nur mit einem Leintuch schlafen will. Er bespritzt sie auch mit Farbe und will sie nach ihrem Tod oder bis zu ihrem Tod bemalen, ums Ziebelschneiden geht es auch. Nils Georg Treutlein hatte wieder Lyrik, zum Teil auf Englisch, zum Teil bezog er sich auf die Duineser Elegien. Bei Michael Marco Fitzthum habe ich mir „Der Mann mit dem Hut“ dazugeschrieben und es ging, um einen Essay eines Schriftstellers oder um einen Brief von einem, der jedenfall mit „viel Liebe Marco“ endete.
Nach der Pause kam ein Video von Norbert Kröll, der sich schon vorher auf das Podium gesetzt hatte und seine Lesung filmen ließ, trotzdem aber alle gegrüßte und auch wartete, bis der Herr in der letzten Reihe ruhig geworden war.
Stephan Pointner las einen Auschnitt aus einem längeren Text namens „Auslese“, wo es um Zahlen und um den Freitod ging, der Sätze hatte, wie „Der Freitod ist ein Meister aus Mürzzuschlag“, sich aber gleich auf das Zitat bezog.
Johanna Wieser las von „Verlorenen Dingen“ und zuletzt kam Roland Grenl und beeindruckte mich durch einen sehr realistischen Text. Einen Dialog zwischen einem aus einer Satelitenstadt, der nur mehr vier Zähne im Mund hat und einem oder einer Deutschen, die er am Schluß damit küssen will. Das ganze nennt sich „Pospischilkapitel“ und ich finde es schön, daß das bei einem Hochschullehrgang für Sprachkunst möglich ist, ist aber auch kein Wunder, ist ja Gustav Ernst unter den Lehrern und der war als Vorbild denke ich, recht gut zu erkennen, jedenfalls habe ich an ihn dabei gedacht. Nachher gab es wieder Wein und Bier, diesmal keine Brötchen. Ich erkannte Rhea Krcmarova, die ja am Montag im tschechischen Zetrum liest. Die anderen jungen Leute nicht, eine hatte aber ein rotes Spielzeugauto an einer Kette, um den Hals, was mich ebenfalls sehr beeindruckte, weil ich mir dachte, daß sich daraus sicher ein sehr schöner Text schreiben läßt.
Sehr spannend also die zweite Studentenlesung, die allererste habe ich ja vor zwei Jahren am Tag der offenen Tür an der Angewandten gehört und an die vorige hat sich eine rege Diskussion mit JuSophie geknüpft, der ja leider „Mimis Bücher“ nicht gefallen hat. Ob sich diesmal eine Diskussion ergibt, weiß ich nicht. Ich werde aber nachschauen, was sich über die Studenten ergooglen läßt und bin natürlich sehr gespannt, wer es von ihnen vielleicht einmal zum Bachmann, Priessnitz oder anderen Preis bringen wird und ich war auch sehr fleißig, habe ich ja am Nachmittag, das Flugblatt für die „Mittleren VI“ erstellt, zum Vorbereitungstreffen eingeladen und auch das Einleitungsreferat für die Lesung am 21. März im Amerlinghaus erstellt, zu der ich alle daran Interessierten herzlich einlade, weil es da sicher auch einige interessante Stücke Literatur zu hören geben wird.
2012-01-27
Manes Sperber-Preis und Regionalversammlung der IG-Autoren
Dieser Tage scheint es einen Tschechien-Schwerpunkt zu geben, habe ich ja vor kurzem erst Josef Haslingers neuen Roman Jachymov gelesen, war bei der Präsentation des Urzidil Buchs im tschechischen Zentrum und am Donnerstag wurde der Manes Sperber-Preis posthum an Jirsi Grusa, den tschechischen Dissidenten, Lyriker und Botschafter, der im Oktober gestorben ist, in der Gesellschaft für Literatur verliehen. Einmal war ich schon bei einer Manes Sperber-Preisverleihung. Ich glaube, es war die, wo Karl Markus-Gauss den Preis bekommen hat, jedenfalls fand die Veranstaltung im jüdischen Museum statt und es gab eine Ausstellung über das Leben Manes Sperbers, der die Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ geschrieben hat und dessen wiederaufgelegtes Jugendwerk „Carlatan und seine Zeit“, ich einmal vom Karl bekommen, aber noch nicht gelesen habe und Manes Sperber ist ein Name, der mir in den Siebziger und Achtzigerjahren sehr bekannt war, jetzt aber etwas vergessen scheint.
2009 ist der Preis, der vom Bundesministerium unregelmäßig, aber spätestens alle fünf Jahre vergeben wird, an Peter Esterhazy verliehen worden, was mir entgangen ist. Das Programm der Gesellschaft für Literatur bekomme ich aber und da in der „Wiedergeborenen“, den Text, an dem ich gerade arbeite, Prag und ein tschechischer Dissident eine Rolle spielt, kommt das zur Recherchearbeit gerade recht und ich war sehr interessiert mehr über Jirsi Grusa zu erfahren, den ich öfter in Ö1 beispielsweise in von „Tag zu Tag“ hörte, persönlich aber, wie ich glaube, nie gesehen habe. Bei einem der Büchertürme der Literatur im März gab es einmal ein Buch von ihm, das habe ich mir aber nicht genommen, weil ich schon so viele Bücher habe, was ich jetzt bedaurere.
Da zwischen der Preisverleihung und der Manes Sperber-Lecture ein Buffet angekündigt war, bin ich ziemlich früh in die Herrengasse gegangen, weil ich aus Erfahrung wußte, daß es dann sehr voll werden kann und man im zweiten Raum nichts mehr sieht.
Das Buffet wurde auch schon vorbereitet, bzw. standen vier weißbeschürzte junge Leute von der Catering Firma bereit und am Gang die Brötchen oder Gläserkisten. Die ersten Reihen waren reserviert und es gab, was ich sehr interessant finde, ein komplett anderes Publikum, als am Dienstag. Diesmal waren es die Älteren und die wahrscheinlich, die Jirsi Grusa kannten. Marianne Gruber eröffnete mit Wolfgang Müller-Funk, der offenbar der Präsident der Sperber-Gesellschaft ist, der auch oder war das Herz-Kestranek?, bedauerte, daß auf der Wikipedia Seite zum Preis nichts nach Peter Estherhazy steht. Danach kam die Frau Bundesminster und Miguel Herz-Kestranek, den sich Jirsi Grusa, der den Brief vom Ministerium noch bekommen hat, als Laudator wünschte, der seine Rede „Der Mann mit den Buchteln“ nannte und damit begann, daß er sich vorstellte, daß Jirsi Grusa in der ersten Reihe sitzen würde und erinnerte an einen Empfang in Prag, wo sämtliche Leute auf ihn zukamen und ihn freundschaftlich umarmten, die ihn vorher ins Gefängnis brachten. Prag bleibt Wien oder so, hat Miguel Herz-Kestranek einige Male dazu gesagt.
Dann gabs das Buffet und eine Stunde Pause, in der ich mich mit denen, die mit mir redeten unterhielt und den anderen zuhörte, so erklärte ein Mann einer Frau einen Film, der nach einem Roman von Antonio Tabbuchi gedreht worden ist, bevor es mit der sogenannten Sperber-Lecture weiterging, die Wolfgang Müller-Funk moderierte. Erhard Busek sprach über „Den Europäer Jirsi Grusa“ und Michael Stavaric, der lange Sekretär in der tschechischen Botschaft war, wußte sehr viel Persönliches zu erzählen, dann kam ein Vortrag zu der Lyrik Grusas und am Schluß las Fritz von Friedl Gedichte vor.
Dann war es Zeit zu der Regionalversammlung der IG-Autoren zu gehen, die alle zwei Jahre stattfindet, wo alle Wiener Autoren eingeladen werden, über die Arbeit der IG informiert werden und sich für die GV, die am 25. und 26. Februar stattfinden wird, delegieren lassen können. Gerhard Ruiss hielt wieder einen fulminanten Monolog über das, was sich so tut, es gibt da eine mögliche Klage der Preradovic-Erben gegen die Änderung der Bundeshymne. Da kann man natürlich sagen, daß ein Werk unverändert bleiben muß, bei den Operniszenierungen bin ich auch dafür, bei der Bundeshymne, die mich ja betrifft, eher nicht. Ich würde, wenn ich singen könnte, ohnehin Töchter Söhne singen und mich eventuell klagen lassen, um auf die Absurdität der Sache zu verweisen und einen Kampf gegen die hohen Portokosten, wenn man ein Buch nach Deutschland schickt. Das habe ich vor kurzem an die Deutsche Bibbliothek in Leipzig getan und 6.80 dafür bezahlt. Dann gibts noch immer den Kampf gegen Google und die Verletzung des Urheberrechtes, das Gerhard Ruiss ein großes Anliegen ist und natürlich das E-Book von dem man noch nicht weiß, wie es damit weitergeht, aber auch Informationen über den Autorenkatalog, die Autorenberatung, die Stände auf den Buchmessen und vieles mehr.
Sehr viele Autoren im Publikum, die ich nicht kannte und für mich wieder sehr frustrierend von Sabine Naber zu hören, daß man bei den „Krimiautoren“ nicht aufgenommen werden kann, wenn man seine Bücher bei Book on Demand, in Zuschußverlagen oder selber macht. Ich schreibe ja nicht wirklich Krimis, es hat mich aber trotzdem sehr betroffen und ich habe auch einmal „Tauben füttern“ an die „Krimiautoren“ geschickt und keine Antwort bekommen. Bei einem Abend anläßlich der Literaturhausfeiern im September wurde über dieses Thema aber wenigstens diskutiert und ich denke, es gibt auch noch andere Autoren, die das betrifft.
Ein paar Bekannte, wie Margit Heumann, Christl Greller und Hilde Langthaler habe ich doch getroffen und im Literaturhaus gibt es derzeit eine Ausstellung „MOMENTUM“ – Dichter in Szenen, wo vierundzwanzig Autoren, wie Anne Cotten, Ulrike Dreasner, Michaela Falkner, Robert Menasse, Ingo Schulze, Angelika Reitzer, Josef Winkler, Steffen Popp, Wilhelm Genanzino ect, die momentanen deutschen oder österreichischen Wunderkinder oder Literaturgötter, mit einem Portrait und einem Buch oder einem Text, dargestellt werden.
Im tschechischen Zentrum lesen am Montag übrigens zwei junge tschechische Autoren zum Thema Ankommen in der Sprache – eine literarische Begegnung zum Thema Entwurzelung und Schreiben, nämlich Rhea Krcmarova und Vaclav Grusa, ob das ein Verwandter von Jirsi Grusa ist?
2012-01-26
Johannes Urzidil-Lesebuch
Von Judith Gruber-Rizy habe ich die Einladung ins tschechische Zentrum zur Präsentation des Johannes Urzidils Lesebuch „HinterNational“ bekommen, der 1896 in Prag geboren wurde, in Rom 1970 gestorben ist und als jüngster Dichter des Prager Kreises um Max Brod, Franz Kafka und Franz Werfel gilt. Das habe ich wahrscheinlich schon in den Siebigerjahren gewußt, denn da habe ich mir einmal das Urzidil Buch „Goethe in Böhmen, in der Ausgabe von 1962, möglicherweise in einer Buchabverkaufskiste des Kaufhaus Steffels, beim Herzog oder sonstwo gekauft. Ob ich es wirklich gelesen habe, glaube ich zwar nicht, der Name hat sich mir aber eingeprägt und so bin ich gerne ins tschechische Zentrum gegangen, wo ich schon lange nicht war, ich glaube, seit Literaturgeflüster-Zeiten nicht, habe aber alle getroffen, die man dort treffen kann, Beppo Beyerl, Manfred Chobot, natürlich die Rizys und auch Rosa Neubauer, die ich vom Institut der Berggasse und von der Poet Night kenne und es passt auch gut, weil ich ja gerade einen Roman schreibe, der zumindestens teilweise in Prag spielt, so habe ich mir auch eine CD, das Programm vom „Nachtasyl“ und einen Stadtplan von dort mitgebracht.
Ich bin ein bißchen zu spät gekommen, so daß der neue Leiter schon bei seiner Eröffnung war, Auf den Sesseln lagen Prospekte vom deutschen Kulturforum östliches Europa, die glaube ich, das Buch herausgegeben haben, sowie der Verlagsprospekt und der Leiter oder eine Dame der Kulturinittiative erzählte noch, daß Johannes Urzidil derzeit in der Tschechei wieder aufgelegt wird, im deutschen Sprachraum aber vergriffen ist und um ein wenig vorzugreifen, sagte mir Judith Gruber-Rizy später beim Wein, daß sie, weil sie ja auch in OÖ nahe der tschechischen Grenze wohne, viel von Johannes Urzidil gelesen hat, ich nicht, habe ich geantwortet, bin aber durch meinen Bibliothekskatalog daraufgekommen, daß ich in Harland die „Verlorene Geliebte“ in einer Goldmann Ausgabe und „Das Glück der Gegenwart“, artemins, 1958 habe, ich bin ja eine Büchersammlerin und früher habe ich noch sehr viel gekauft, um aber wieder an den Anfang zurückzukommen, der Leiter lobte die Mulitmedia Show, die auch im Stifter Haus in Linz und im Stefan Zweig Centrum in Salzburg gezeigt werden wird und stellte die Buchautoren Klaus Johann und Vera Schneider vor. Am Lesetisch saß noch ein älterer Herr, Gerhard Trapp, ein Germanist, 1938 geboren, der in den Sechzigerjahren einen intensiven Briefwechsel mit Johannes Urzidil hatte und aus diesen Briefen Beispiele gab. Dann ging es los mit der Multimedia Show und zwar wurde auf diese Art und Weise in Ton und Bild Johannes Urzidils Leben sehr genau ausgeleuchtet, der der Sohn eines nationalen Deutschen und einer zum Katholizismus konvertierten Jüdin ist und außerdem ist er, was ich sehr interessant finde, ein autobiografischer Dichter und in dem Lesebuch scheint es auch sehr viele autobiografische Texte zu geben, die Vera Schneider vorlas, außerdem gab es Tonaufnahmen des Dichters, alte Ansichten und auch Filmaufnahmen des aten Prag. Die Mutter, die schon sieben Kinder aus einer anderen Ehe hatte, ist gestorben, als der Dichter vier Jahre alt war, der Vater hat dann eine Tschechin geheiratet, mit der er sehr oft gestritten hat, so ist das Paar mit dem kleinen Johannes nach Wien ins Schloß Schönbrunn und nach Salzburg auf die Festung gefahren und die Tonaufnahme erzählte von dem Streit der Beiden, den es dort gegeben hat.
Urzidil hat in Prag ein Gymnasium besucht, in das auf einmal ein Mädchen kam, so daß die Knaben einen Antifrauenbund gründeten, nur daß sich Johannes Urzidil bald in das Mädchen verliebte, was er auch in einer Erzählung schilderte, also sehr interessant aus dem Leben im vorigen Jahrhundert im bürgerlichen Prag zu erfahren.
Im ersten Weltkrieg wurde er eingezogen, begann aber auch zu studieren, lernte Kafka, Brod, Werfel und Willy Haas kennen, von dem ich einmal vor langen Zeiten den Hofmannsthal Briefwechsel gekauft habe und jetzt ein Buch im Bücherkasten gefunden habe, der erste Gedichtband entstand, es war der damaligen Mode entsprechend ein sehr expressionistischer und Gerhard Trapp las eine Briefstelle aus den Sechzigerjahren vor, in dem sich Urzidil davon nicht distanzierte, aber meinte, daß man mit achtundsechzig anders als mit achtzehn schreiben würde. Er hat dann für das Prager Tagblatt geschrieben, in der deutschen Gesandtschaft in Prag gearbeitet und eine Schriftstellerin geheiratet, die die Tochter eines Rabiners war, als die Nazis in Deutschland an die Macht kamen, hat er seinen Job verloren und als der Krieg begann, mußte er emigireren und kam nach Amerika, da gibt es auch einen berührenden Text, wo er mit gefälschten Papieren im Nachtzug sitzt und vorher hat er sich von einem Schulfreund verabschiedet, der ihm einen Zettel gegeben hat, wo drauf stand „Du sollst nicht schwätzen und abschreiben!“, in seiner Verwirrung zeigt er den den Grenzbeamten, der beginnt zu lachen und schaut die gefälschten Papiere nicht mehr an. 1932 hat er das Buch über „Goethe in Böhmen“ geschrieben, sowie ein Buch über Kafka und eines über Adalbert Stifter und in New York hat er als Lederwarenhersteller gearbeitet und schreibt, daß er sich über eine von ihm hergestellte Handarbeit genauso freut, wie über eines seiner Bücher in der Bibliothek des Gastgebers, wie wahr, trotzdem hat der weitergeschrieben, das „Prager Tryptichon“ beispielsweise oder den Roman „Das große Hallelujah“ oder später Erzählbände, er hat dann auch für den amerikanischen Sender gearbeitet und ist später regelmäßig nach Deutschland und nach Österreich gekommen und hat hier auch sehr oft gelesen. Das letzte Mal ein paar Tage vor seinem Tod, der in Rom erfolgte. Nach Prag ist er nie mehr zurückgegangen und hat sich in einen seiner Texte auch darüber mokiert, daß ihn alle, sogar die Nazis für sich vereinahmen wollten.
Ein sehr interessanter Abend und ein sehr interessantes Lesebuch, ich werde jetzt natürlich, wenn ich wieder in Harland bin nach den Urzidil-Büchern suchen und zumindestens hineinschauen.
Eine Website gibt es auch.
2012-01-25
Leidenschaft
Jetzt wieder ein bißchen Lyrik, nämlich Dietmar Füssels „Leidenschaft“ – Lateinamerikanische Liebesgedichte, die ich bei seinem monatlichen Gewinnspiel gewonnen habe. Das heißt, ich habe das Buch, glaube ich, nicht gewonnen, weil ich, als es verlost wurde, nicht mitgespielt habe, dafür habe ich aber ein „Log“ gewonnen, daß ich schon hatte, so habe ich es dann bei der Dicht-Fest-Veranstaltung mit Dietmar Füssel getauscht, denn ich bin oder war eine sehr regelmäßige Gewinnspielteilnehmerin, so daß ich schon sehr viele seiner Bücher gewonnen, gelesen und auch hier besprochen habe und Dietmar Füssel als einen konsequenten regelmäßigen Schreiber, der es in allen Literatursparten versucht, mit seinen Gewinnspielen und seiner monatlich aktualisierten Webseite von seinem Schreiben erzählt, den ich durch den Max von der Grün Preis der AK Linz, den er einmal gewonnen hat, kennenlernte, einordne.
Der 1958 Geborene lebt als Schriftsteller, Bibliothekar, Läufer und Lebenskünstler in Ried im Innkreis, hat eine Freundin namens Moni, der die leidenschaftlichen Liebesgedichte auch gewidmet sind.
Illustriert ist das Buch von Elisabeth Bernauer, ich habe das Exemplar Nummer fünfunddreißig, handschriftlich eingetragen, bekommen und der Vorbemerkung ist zu entnehmen, daß Dietmar Füssel angeregt von lateinamerikanischen Liebesliedern, die Leidenschaftlichen Liebesgedichte in deutscher Sprache schrieb. „Es sind keine Übersetzungen sondern der Versuch, den Stolz, die Anmut und die Leidenschaftlichkeit nachzuempfinden.“
Es gibt sechs Teile „Liebe, Leidenschaft, Liebeskummer, Hass, La Llorona, Abschied“
Hier ein paar Beispiele aus allen Abteilungen:
Liebe
„So wie du bist“
So wie dein Haar ist
habe ich es mir immer gewünscht
Ich liebe dein Haar
weil es ist wie es ist.
Lass es schön sein
zwischen Abend und Tag
lass es schön sein
in der einzigen Nacht
lass es schön sein
Leidenschaft
Kein anderer Mann
soll sagen können
er hätte dich mehr verehrt
als ich
kein anderer Man
soll sagen können
er hätte dich mehr gestreichelt
als ich
kein anderer Mann
bei meinem Leben
keiner
Liebeskummer
Wolke gib dem Südwind
der dich ziehen läßt am Himmel
eine Botschaft mit an ihm
dem mein Herz gehört
sag ihr sie möge nicht kommen
sag ihr dass es vorbei ist
und da mein Herz einer anderen gehört
hat ihres für mich keinen Wert
Hass
Ich wünsche dir ein langes Leben,
obwohl du mich verlassen hast.
Der Schlag soll dich treffen, doch nicht töten
Er soll dich in den Rollstuhl zwingen
Sie wird sich natürlich nicht um dich kümmern
Du kommst in ein Pflegeheim
Dort sollst du noch dreißig Jahre leben
von allen vergessen, von keinem besucht
Ich wünsche dir ein langes Leben
von Krankheit, Schmerz und Reue.
La Llorona ist eine lateinamerikanische Legende von einer weinenden Frau, die ihre Kinder aus verschmähter Liebe tötete und von Gott verdammt wurde, bis in alle Ewigkeit nach ihnen zu suchen.
Meine Kinder
sind schuld daran
dass er mich
nicht mehr liebt
Ich wünschte
sie wären tot
Und zum Abschied
gibt es ein Rezept für Ropa Vieja das ist ein kubanischer Rindfleischeintopf
rope Vieja
sagte sie
und polierte
ihr Hörgerät
Und hier ein Video zur Buchentstehung mit viel Musik und Kubaimpressionen
2012-01-24
Perspektive und Performanz
Da ist mir in meinem Bemühen das literarische Leben Wien unter Dreißig möglichst lückenlos zu erfassen, offensichtlich etwas entgangen, nämlich „Die junge Literaturwerkstatt Wien“, die es unter der Leitung von Semier Insaif offenbar schon seit 1999 in der Galerie Wort und Bild in der Garnisongasse gibt. Da die auch ihre Lesungen in der Gesellschaft für Literatur haben, bin ich aber daraufgekommen, daß da heute Laura Freudenthaler, Nadine Kegele, Elisabeth Klar und Kathrin Primetzhofer lesen. Bis auf Nadine Kegele lauter unbekannte Namen. Nadine Kegele kenne ich vom letzten Volksstimmefest und dann war sie auch in der Alten Schmiede bei einer von Angelika Reitzer moderierten Textvorstellungen. Sehr viel junge Leute in der Gesellschaft für Literatur, ein paar Gesichter, glaube ich, schon einmal gesehen zu haben, Gustav Ernst und Manfred Müller im Vorraum, ein alter Herr, der öfter zu den Veranstaltungen der Gesellschaft der Literatur geht und Nadine Kegeles Chef, auf den sie öfter hinwies, das hat sie, glaube ich, auch schon in der Alten Schmiede so getan.
Am Vortragstisch lagen vier Manuskripten, dann kamen die Herren Müller und Insaif und setzten sich, das ist ungewöhnlich in die erste Reihe, während die jungen Frauen am Podium Platz nahmen und kommentarlos zu lesen begannen. Die vom Publikum aus gesehen linkeste tat es und las von einer Yolanda, die Briefe schrieb, die mit Rosenöl besprüht waren, sich dann auf eine Announce eines Heinrichs eines studierten Akademikers zu melden schien, ja ein Roland kam auch noch vor, der sich für Saufen, Fußball und Frauen interessierte. Dann gab es zu einen Bruch, denn die Frau auf der rechten Seite las zwei Sätze, bevor es mit Yolanda wieder weiterging, die zweite Frau von links setzte dann mit der Figur des Heinrichs fort, der schien sich mit Yolanda zu treffen, die schwanger und mit kurzem Röckchen am Bahnhof spazieren ging und Heinrich suchte eine Partnerin für kulturelle Interessen, hatte aber offensichtliche eine Sekretärin namens Dominiquee, diesen Satz las dann Nadine Kegele, die einzige Autorin, die ich zu diesem Zeitpunkt kannte und deren Textteil war auch sehr interessant. Denn da wechselten die Identitäten und brachten etwas Verwirrung, weil es zuerst um die rotgeschminkte Sekretärin mit Stöckelschuhen und eine Buchlesende Frau ging, dann wurde ein männlicher Dominique daraus und es kam zu einer fast Vergewaltigung, relativiert wieder von der zweiten Leserin, die immer von Perspekitiven und falschen Rollenzuteilungen las, die vierte Leserin hatte dann einen anderen Textstil, denn sie las von der heilen Familie, zwei Schwestern und einem Bruder, einer Mutter die alles richtig macht und einer Großmutter der alle Männer gestorben sind, der Bruder war der Sonnenschein, die Schwestern gehen zum Therapeuten.
Danach trat Semier Insaif auf, stellte die Autorinnen in falscher Reihenfolge und mehreren Wiederholungen vor und sagte dem Publikum, daß es Fragen stellen soll.
Das wollte dann auch wissen, wie die Texte entstanden sind und was die junge Literaturwerkstatt ist und erzählte etwas von seinen Hörerfahrungen und Semier Insaif erklärte, daß man sich in der Literaturwerkstatt monatlich trifft und Texte bespricht und daß es für diese Lesung das Thema „Perspektive und Performanz“ gab, das erklärte schon die junge Frau von der ich inzwischen herausbekam, daß sie Elisabeth Klar heißt. Jeder hat einen Textteil zu Figuren geschrieben, die vorher festgelegt wurden, dann wurde hinein und hinausgestrichen und um Madame Bovary und männliche Perspektive ging es irgendwie auch noch. Fragen wurden dann gestellt, wie kann man das Veröffentlichen und auf Gustav Ernsts „Kolik“ verwiesen und diskutiert, wie fühlt man sich, wenn andere in den Text eingreifen, ist das eine Erweiterung oder eine Bedrohung und es war ein spannender Abend mit vielen Fragezeichen, die das Internet aufzulösen hilft, denn da kann man ja nach Hause gehen und die „junge Textwerkstatt Wien“ nachgooglen, ein paar Texte, Bilder, Fotos dabei finden. Wenn man dann zu Laura Freudenthaler geht, erfährt man, daß es schon zumindest einmal eine Hörerfahrung gab, denn die 1984 in Salzburg geborene, hatte einen Text in der ORF Sommerreihe Wörtersee und Kathrin Primetzhofer, das ist auch sehr interessant, ist Kunsttherapeutin und Legasthenietrainerin und 1980 geboren, genau wie Nadine Kegele, die Germanistin, Literaturrezensentin, Nachtsekretärin ist und derzeit einen Roman „Wegen eines schadhaften Zuges schreibt“ und Elisabeth Klar wurde 1986 in Wien geboren, hat zahlreiche Veröffentlichungen und schon verschiedene Preise gewonnen.
Interessant was es so alles an neuer junger Literatur in Wien, auch ohne die Herren Hakel und Weigl aus den Fünfzigerjahren gibt, weil ja irgendwie die Vergleiche zu den Fünzigerjahren naheliegen, damals waren es die jungen Frauen Hertha Kräftner, Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, etc, heute lesen die Fräuleinwunder im Kolik Slam, bei den Lockstoffen, bei den Poetry Slams oder wenn man sie läßt, studieren sie Sprachkunst und lesen beim Bachmannpreis. Meine These ist ja, daß Gustav Ernst mit seinem „Kolik“ ein heutiger Förderer ist und weiters interessant, daß man eine literarische Lesung durchaus spannend gestalten und, daß man auch im Team schreiben kann, allerdings heißt das vielleicht auch, daß Literatur die Performance braucht um überhaupt erst Aufmerksamkeit zu finden und weil ich schon bei der jungen österreichischen Literatur, die diesmal wahrscheinlich zufällig, aus reiner Frauenpower bestand, bin, diese Wochen geht es weiter mit der jungen Literatur, gibts am Freitag ja wieder eine „Studentenlesung“ und am 2.2. einen Kolik Slam mit Anna Weidenholzer, Philipp Weiss und Nadja Spiegel, kann ich gleich eine Information weitergeben, die Christoph Kepplinger an mich schickte. Es gibt nämlich einen Literaturpreis für unter Dreißigjährige, den ich der Einfachheit verlinke, schade, daß ich mich daran nicht mehr beteiligen kann, aber ich nehme ohnedies schon lang nicht mehr an Literaturausschreibungen teil und noch ein paar Worte zu Semier Insaif, den GAV Kollegen, den ich schon lange kenne und der auch im Organistationsteam des Siemens Literaturpreises war, bei „Rund um die Burg“ hat er gelesen hat und beim Fest für Ernst Jandl vor einem Jahr, Buchveröffentlichungen hat er auch und er ist auch, glaube ich, soetwas wie Lebensberater oder Kunsttherapeut.
2012-01-23
Jachymov
„Jachymov“ der biografische Roman von Josef Haslinger über den tschechischen Eishockyspieler Bohumil Modry, der 1950 mit seiner ganzen Mannschaft verhaftet wurde, in das Uranbergwerk in Jachymov verlegt wurde, wo er mit bloßen Händen Uran schürfen mußte, fünf Jahre später amnestiert wurde und neunzehnhundertdreiundsechzig noch nicht einmal siebenundvierzigjährig an Leukämie starb, beginnt ganz anders als erwartet, was aber auch nicht verwunderlich ist, ist der 1955 in Zwettl geborene Autor ja seit 1996 Professor am Literaturinstitut in Leipzig und daher Spezialist im spannenden Romanschreiben und ein Realist ist er auch, war er doch Redaktuer im Wespennest, als ich noch meine Texte hinschickte und Generalsekretär der GAV, als ich dort aufgenommen wurde, hat „Opernball“, „Vaterspiel“ und 1980 als erste Veröffentlichung den Erzählband der „Konviktskaktus.“ geschrieben.
Es beginnt also mit einer phantastischen Geschichte, eine Propellermaschine landet auf der Sandpiste, die Ich-Erzählerin steigt aus „Taxi Mam!“, sagt eine unzuverläßige Gestalt, es kommt zu einer Flucht und zu zwei Männern, die über ihren Vater reden.
Man kennt sich nicht recht aus, hat man doch schon vorher in den Medien, viel über den neuen Haslinger-Roman gehört und ich habe im Sommer davon gefahren, als wir von Polen zurück durch die Tschechei fuhren, schon Ö1 empfangen konnten und das Buch spielt auch dort, beziehungsweise in Jachymov, Karlsbad, Prag, was ich jetzt brauchen kann und natürlich auch in Wien. In einer Verlegerwohnung und bei einem versoffenen Arzt in der Klagbaumgasse, denn der Verleger Anselm Findeisen, der von der DDR 1972 oder 1973 nach Wien kam, hat Morbus Bechterew und Dr. Wachsmann emfiehlt die Kur in Jachymov. Aber das kommt erst später, vorher kommt noch was von Briefen einer Tänzerin und einem Manuskript, bevor Anselm Findeisen, am 26. Oktober in seinen Verlag geht und erst nach und nach draufkommt, weil niemnand kommt, daß ja Nationalfeiertag ist, also beschließt er an Kleinhaugsdorf und den vietnamesischen Verkaufsständen vorbei, nach Jachymov ins Erzgebierge zu fahren, geht ins Grandhotel und trifft dort einen „Struweelpeter“, beziehungsweise, eine ältere Frau, später auch, als die Tänzerin bezeichnet. Damit geht es mir ein bißchen ambivalent, denn das tue ich manchmal auch in meinen Texten, da gibt es ja immer wieder einen „Anzugmann“ und in „Der Frau auf der Bank“ auch eine „Brillenschlange“, aber das wurde mir beim Probelesen in der Schreibfabrik kritisiert und ich dachte sofort schuldbewußt „So darf man nicht schreiben, das ist herablassend!“
Josef Haslinger darf offenbar und es kommt viel später in der Geschichte auch noch die „goldene Adele“ im Cafe Schwarzenberg vor, aber da hat Anselm Findeisen schon das Manuskript in Händen und verliert es erst wieder. Im Grand Hotel trifft er erst eine Frau, die sich ihm als die Tochter jenes Bohumil Modry vorstellt, der fünf Jahre dort interniert war, wo es jetzt die Heilquellen gibt, die Anselm Findeisen Linderung bringen. Das kommt aber auch erst später, denn der Roman geht nicht chronologisch voran. Man gewöhnt sich aber daran und lernt ein bißchen was vom Memoirschreiben oder der literarischen Fiktion.
Es gibt also zwei Handlungsstränge, die erfundene, des kranken Verlegers, der aus der DDR geflüchtet ist und die wirkliche des besten Eishockyspielers der Tschechoslowakei, der auch Architektur oder Bautechnik studierte und eigentlich schon als Torwart ausgestiegen war, als er verhaftet wurde und das wird wahrscheinlich sehr authentisch in dem Manuskript erzählt, daß die Tänzerin auf des Verlegers Aufforderung schließlich schreibt und das in Wahrheit von Josef Haslinger geschrieben wurde, der es von Blanca Modra erzählt bekommen hat, die am Burgtheater Tänzerin und Choreographin war. Und es ist eine sehr spannende Doppelgeschichte in der man ein Stück der tschechischen Vergangenheit erfährt, von der man keine Ahnung hatte, als es noch den eisernen Vorhang gab.
Josef Haslinger scheint sehr genau und gründlich recherchiert zu haben, hat bei den tschechischen Namen die korrekten Apostrophe und hat auch am blauen Sofa in Frankfurt davon erzählt und zwar um zehn Uhr Morgens, so daß ich den live stream versäumte und das Video erst gestern nachhörte, da erfuhr man auch, was ich schon beim Shortcuts Festival von Robert Huez hörte, daß Josef Haslinger vor kurzem einen Literaturpreis gewonnen hat, der aus hundertelf Flaschen Wein besteht und Stadtschreiber von Mainz war er auch. Ich kenne ihn schon lange, seit den frühen Achtzigerjahren, als ich meine Texte noch zum Wespennest schickte, als ich dann in der GAV war, hat er auch die „U-Bahngeschichten“ dort veröffentlicht und in der „ROTWEISSBUCH“-Österreichanthologie gibt es einen Satz aus „Zwischen Hütteldorf und Heiligenstadt“, ich sehe ihn auch immer, zum Beispiel bei den Literaturhaus Festivals und als der Alfred das „Vaterspiel“ bei einer Lesung kaufte und es signieren ließ, hat er ihm auch die „Wiener Verhältnisse“ gegeben, die damals als mein erstes Digibuch erschienen sind.
Es gibt also Paralellen zwischen mir und dem ebenfalls realistischen Autor, zum Beispiel, daß ich gerade auch über Prag recherchierte und da gestern ein Video gefunden habe, daß er offenbar in seiner Funktion als Mainzer Stadtschreiber drehte, das „Nachtasyl“ heißt und um ein Wiener Lokal geht, in dem die Exiltschechen und auch Vaclav Havel verkehrten.
Wird wahrscheinlich in die „Wiedergeborene“ kommen und von dem dritten Haslinger-Roman nehme ich mir, glaube ich, das genaue Schreiben mit und das Stück Geschichte von dem, was in meiner frühen Kindheit hinter dem eisernen Vorhang passierte, ist natürlich auch sehr interessant, obwohl ich mich fürs Eishockeyspielen ja nicht sehr interessiere.
Und während ich das schrieb, gab es in den Tonspuren eine Sendung über „Die Rezensenten – vom Ende und Unsinn der Literaturkritik“ in der Sigrid Löffler beispielsweise auch über das Internet, wo jeder seine Meinung über Bücher schreiben und öffentlich lesen kann, stöhnte und etwa „Wenn es halbwegs verständlich ist, sollen das diese Leute tun, aber Rezensionen sind das nicht!“, sagte.
2012-01-22
Rote Lilo trifft Wolfsmann
„Rote Lilo trifft Wolfsmann“ – Literatur der Arbeitswelt, herausgegeben von Petra Öllinger und Georg Schober, ist die erste Anthologie, die auf Grund eines Wettbewerbes des „Duftende Doppelpunkts“, 2006, entstand. Denn da feierte der duftende Doppelpunkt seinen ersten Geburtstag, deshalb wurde der zweistufige Wettbewerb veranstaltet. Thema war die Arbeitswelt und den Gewinnern wurden in einer zweiten Stufe, ein sogenannter Tutor, beispielsweise El Awadalla, Armin Baumgartner, Traude Korosa, Gerald Grassl, Raimund Bahr, der mit seiner Edition Art und Science auch der Verleger ist, um nur die zu nennen, die kenne, beigestellt, so daß noch einmal Texte entstanden, die in der Anthologie enthalten sind.
Erfahren habe ich davon im Frühling voriges Jahr, denn da wurde noch einmal ein solcher Wettbewerb ausgeschrieben, bzw. eine zweite Anthologie vorbereitet und mit einem mehrwöchigen, gar nicht so leichten Gewinnspiel mit Fragen zur Literatur der Arbeitswelt beworben und dabei habe ich das Buch gewonnen.
Literatur der Arbeitswelt, das hat ja eine eigene Geschichte und darüber habe ich auch schon öfter geschrieben, bzw. wird das in dem Buch, nach dem Vorwort auch erwähnt und da wird als Beispiel der Deutsche Günter Wallraff genannt, es gibt aber natürlich auch Max von der Grün etc und eine berühmte Fischer Taschenbuchreihe und für Österreich werden die Namen Scharang, Turrini, Innerhofer, Wolfsgruber, also Literaten, die in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts bekannt wurden, genannt. Es gibt oder gab den steirischen Werkkreis der Arbeitswelt, den ich durch den Arbeitskreis schreibender Frauen kennenlernte und die Gruppe um Gerald Grassl, die die „Tarantl“ herausgibt, beim Volksstimmefest und der KritLIt auftritt etc. Es gab auch den Luitpold Sternpreis und eine Schreibwerkstatt der Gewerkschaft unter Eveline Haas, die ich einige Jahre besuchte und wo ich auch Petra Öllinger kennenlernte, mit ihr habe ich auch in einer oder einigen Anthologien einen gemeinsamen Text, habe im Frühling bei dem Gewinnspiel eifrig mitgemacht und bin auch zur der Präsentation der zweiten Anthologie im Mai in die Arbeiterkammer, gegangen und habe jetzt die „Rote Lilo“ gelesen, die viele interessante Texte enthält, die überraschen, weil sie lange nicht so realistisch sind, wie ich eigentlich dachte, sondern viele sogar einen surrealistischen Einschlag haben.
Da die sich beteiligten Autoren sowohl aus Österreich, Deutschland und aus der Schweiz und auch aus allen Berufsgruppen kommen, kenne ich nur wenige von ihnen, eigentlich eher die schon erwähnten Tutoren. Susanne Gregor ist mir aber bekannt, hat sie auch bei Christa Stippingers Exil-Ausschreibung gewonnen und jetzt einen Roman herausgegeben, der auf meiner Leseliste steht. Ihr Text „Maschinenlärm“ ist, entnehme ich der Biographie, ihre erste Veröffentlichung. Dann ist mir noch Christoph Aistleitner bekannt, denn der war auf der Long- oder auch Shortlist des letzten FM4-Wettbewerbs, die anderen Autoren kannte ich eher nicht, die Texte waren aber sehr interessant. So beginnt es mit der „Abmachung“ von Andreas Montalvo. Da steht, während die hungrigen Leute nach Hause zu dem guten Essen eilen, ein kleiner Bub auf einer Straßenkreuzung und jongliert den ganzen Tag, um für seine Familie Geld zu verdienen, während die anderen Kinder in die Schule gehen. Er muß sich anstrengen, denn wenn er nichts verdient, bekommt er am Abend nichts zu essen, es gelingt auch, er fährt mit der U-Bahn heim, verfährt sich aber, wird überfallen und ausgeraubt, der Vater holt ihn ab, findet ihn zerlumpt und tröstet ihn, heute gilt die Abmachung nicht. Eigentlich ein eher ungwöhnlicher Text zur Arbeitswelt.
„Leise“ von Silke Rath, ist das auch, wenn auch auf eine andere Art. Da sitzt ein Fahrer in seiner U-Bahn oder S-Bahnkabine und denkt vor sich hin, er hat nicht viel zu tun, denn die Züge fahren fast automatisch, sprechen darf man mit dem Fahrer nicht, so hört er den Gesprächen zu und verlernt dabei fast das Sprechen. Und „Enge“ von Esther Schmidt erinnert fast an Kafkas „Verwandlung“. Da arbeitet einer Tagaus Tagein und die Decke fällt ihm buchstäblich auf den Kopf, so daß er schließlich mit dem Computer schon unterm Schreibtisch sitzt und keiner merkt es, keiner hilft ihm, bis ihm die Arbeit ganz erdrückt. So kann man die Arbeitswelt auch beschreiben.
Von Christoph Aistleitner ist der „Wolfsmann“, da geht es um Freisetzung, die kommt auch in anderen Texten vor und da tritt dann eine entlassene Krankenschwester schon manchmal in ein Plakat, um sich um verlassene Kinder zu kümmern.
„Maschinenlärm“ von Susanne Gregor aus der Slowakei schildert den Arbeitsalltag eines jungen Mädchens in einer Fabrik und am Fließband, sie muß immer bis dreihundertvierzig zählen und zu Mittag setzt sich in der Kantine ein Mann an ihren Tisch und ihre Familie wirft ihr einen Liebhaber vor. Und Marcela Vsetickova ist Bibliothekarin, das heißt, sie hat studiert und muß daher nicht, wie die Melker um 3.30, sondern erst um vier Uhr aufstehen und braucht ihre Stunden, bis sie an ihren Arbeitsplatz in die Bibliothek von Olomouc kommt und ist schon erschöpft, bevor sie zu arbeiten beginnt.
Die Tutoren haben auch ihre Texte, so beschreibt Gerald Grassl beispielsweise den Beruf „Schreib-Arbeiter“ und Traude Korosa bringt einen Auszug „Aus einer Troubadora Arbeitswelt“, hat Irmtraud Morgner in den Siebzigerjahren in der DDR nicht auch soetwas versucht? Und auch Raimund Bahr schildert das Leben eines Postbeamten höchst surrealistisch, da fährt einer mit einem Aufzug und man darf nicht selbst die Knöpfe drücken und ein anderer überfällt sogar seinen Arbeitsplatz. Und „Die Virginity-Show“ von Awadalla habe ich schon einmal gehört, hat sie die ja einmal bei einer Lesung im Uhudler vorgetragen.
Ein sehr interessantes Buch mit vielen kurzen Texten, die einen die Arbeitswelt in vielen Aspekten näherbringt und sehr zu empfehlen, wenn man ein bißchen über den Tellerrand des Literaturbetriebs hinausschauen und erfahren will, daß viel mehr Leute schreiben, als man denkt, wenn man sich nur für den Mainstream interessiert. Es gibt, wie erwähnt inzwischen eine zweite Anthologie, die auch auf der KritLit im November präsentiert wurde und die Buchmesse der Gewerkschaft wird es, wie mir Herr Blaha, als ich ihm das letzte Mal sah, sagte, nicht mehr geben. Was sehr schade ist, so daß ich die, die sich für die Literatur der Arbeitswelt interessieren, nur auf Anthologien des duftenden Doppelpunkts verweisen kann.