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Hundertvierzehn | Extra
Galoppierender Wahnsinn

Ein Abschiedsgruß und Literatur im Ausdauerlauf. Der russische Autor Sergej Lebedew ist zu Gast auf der Frankfurter Buchmesse. In seiner Kolumne auf hundertvierzehn.de berichtet er täglich von Erlebtem und Erlesenem.

 
Sergej Lebedew

Sergej Lebedews Zeitung, für die er in den letzten Jahren schrieb, wurde während des Ukrainekonflikts verboten. Lange Zeit fand sich kein russischer Verlag für ›Menschen im August‹, die deutsche Ausgabe ist die Weltpremiere, nun wird der Roman im Januar 2016 doch in Russland veröffentlicht.
Zuletzt erschien sein Roman ›Der Himmel auf ihren Schultern‹. Sergej Lebedew wurde 1981 in Moskau geboren, wo er zurzeit lebt.

Ich stehe im Flur und binde mir einen Schal um – in Moskau ist der erste Schnee gefallen. Ein Abschiedsgruß an mich. Er will noch etwas sagen, schweigt, dann fällt der erste Satz:
»Sei vorsichtig da in Frankfurt. Schön vorsichtig.«
»Was soll denn schon passieren?«, frage ich.
»Was schon«, antwortet er und ist sofort beleidigt. »Das kannst du dir doch denken. Du weißt doch, wie die allgemeine Lage ist …«
Ich kenne sie seit meiner sowjetischen Kindheit, diese nichtssagenden Sätze.
»Was für eine allgemeine Lage?«, frage ich.
»Hör doch auf!« Er wird laut. »Hör auf! Man wird dich sicher herausfordern, politische Äußerungen zu machen.«
»Jetzt sag bloß noch, dass mich die CIA anwerben wird!«, witzele ich.
»Vielleicht sogar das!« Kein Humor auf der Gegenseite. »Du darfst nicht so vertrauensselig sein!«

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… Kann die Literatur etwas gegen diese schleichende Paranoia ausrichten, die ganz langsam selbst in die klügsten Köpfe meiner Mitbürger dringt? Gegen das Bild aus dem Kalten Krieg, das Bild eines Landes, das von Feinden umgeben ist, die nichts anderes im Sinn haben, als ihm Schaden zuzufügen?
Diese Frage stelle ich mir in Frankfurt. Kann ein oder können viele Bücher diesen galoppierenden Wahnsinn stoppen? Brauchen wir etwa wirklich einen neuen ›Archipel Gulag‹ oder etwas in der Art? Wo überhaupt hat die Literatur ihren Platz in einem Land, das wie ein Kranker fiebert und unter Wahnvorstellungen leidet?
Und wenn ich die gigantischen Hallen durchlaufe und Tausende von Büchern um mich habe, dann weiß ich auf einmal, dass man von der Literatur wahrscheinlich keine schnellen und konkreten Reaktionen erwarten darf.
Es reicht, dass es sie gibt, Tausende von Büchern, in denen sich die Vielfalt dieser Welt zeigt. Die Literatur verliert im Sprint, aber sie gewinnt im Ausdauerlauf. So wie sie in der Sowjetunion gewann, wo in deren letzten Jahren niemand mehr die Klassiker des sozialistischen Realismus las, sondern die vergessenen, verbotenen, ausländischen Bücher und damit zur großen, weiten Welt und allgemeinen Werten zurückkehrte.
Ich hoffe nur, dass es diesmal schneller geht.

Aus dem Russischen von Franziska Zwerg

Menschen im August

Russland im August 1991: ein Putsch bringt das Land zum Beben, Gorbatschow wird abgesetzt, Jelzin übernimmt die Macht und Putin kann kaum erwarten, der Nächste zu sein. Das Land zerfällt. Nichts ist mehr, wie es Jahrzehnte lang war. Die einen verscherbeln Bodenschätze und Panzer und werden Multimillionäre, die anderen versinken in bitterer Armut. In dieser Zeit des totalen Umbruchs entdeckt der Ich-Erzähler das Tagebuch seiner Großmutter und erkennt, dass das Schweigen über die Vergangenheit gebrochen werden muss, wenn Russland eine Zukunft haben will. Ein hochaktueller, ein spannender Roman über ein Land, das schon lange keine Weltmacht mehr ist.

Mehr Infos auf fischerverlage.de
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Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag GmbH
Frankfurt am Main 2020
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