Allah und der Astronaut

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Allah und der Astronaut

Von Eduard Kaeser, 15.02.2014

Warum fliegen Muslime nicht zum Mond?

In einem früheren Artikel (24.12.2013) habe ich mich über den „faulen Frieden“ zwischen Wissenschaft und Religion geäussert. Ich bezog mich dabei auf den „westlichen“ Kulturkreis. Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger aber erscheint heute die Debatte über die Kluft zwischen westlicher und islamischer Auffassung von Wissen.

Die Legende vom ersten Mondfahrer

Über Neil Armstrong, den ersten Menschen auf dem Mond, erzählt man sich unter Muslimen eine hübsche Legende. Als er seinen Fuss auf den Mondboden setzte, vernahm er Stimmen, aber er verstand sie nicht. Dann jedoch, ein paar Monate später, hörte der Astronaut während eines Besuchs in Kairo die Gebetsrufer von den Minaretten. Armstrong, der kein Arabisch verstand, fragte die Leute, was die Worte bedeuteten: „Gott ist grösser, unvergleichlich gross“, erklärten sie ihm, ,,ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt ausser dem einen Gott …“ Und Armstrong erkannte, dass dies die Stimmen waren, die er auf dem Mond gehört hatte, und er wurde Muslim. Der erste Mensch auf dem Mond war ein Muslim!

Der Geist der Forschung

Si non è vero è ben trovato. -  Die Anekdote bringt einen Aspekt des tiefen Hiatus’ zwischen „westlichem“ und „östlichem“ Geist zum Ausdruck, der im Grunde viel irritierender ist als jener zwischen den „zwei Kulturen“. 2009 feierte man im Westen den 40. Jahrestag der Mondlandung – im Osten blieb es still. Das nahm Abdel-Moneim Said, Direktor des Al-Ahram Centre for Political and Strategic Studies in Kairo, zum Anlass, die selbstkritische Frage zu stellen, warum dieser „giant leap for mankind“ in der arabischen Welt derart wenig Widerhall fand und findet. Seine Antwort: Weil es der arabischen (muslimischen) Mentalität an jenem „Geist des Forschens“ gebricht, der die wissenschaftliche Neugier auf Touren brachte. Nun wird allerdings unter muslimischen Intellektuellen – vor allem im Westen – schon seit langem das Bedürfnis einer „Renaissance“ des Islam im Geiste seines rationalistischen Erbes geäussert. In den 1980er Jahren stiess etwa der pakistanisch-britische Publizist Ziauddin Sardar eine Diskussion an, wie die muslimische Gesellschaft und Kultur im Geiste des Forschens reformiert werden könnte.

Pseudowissenschaftliche Koranblüten

Ein islamischer Sonderweg der Wissenschaft also? Zur Beantwortung dieser Frage kann es heute nicht mehr genügen, auf das „Goldene Zeitalter“ von Bagdad oder Andalusien im frühen Mittelalter zu verweisen. Die Frage ist vielmehr, wie sich der moderne Forschungsgeist mit dem Koran verträgt. Denn dieser enthält nach traditioneller Auffassung alles Wissen, das Gott dem Propheten und damit den Menschen offenbart hat. Also braucht man gar nicht nach Neuem zu forschen, sondern nur das Alte richtig zu deuten. Eine solche Haltung treibt heute bizarre Blüten in einem pseudo- und populärwissenschaftlichen Genre der Koraninterpretation. Spiegelverkehrt zu einer Tendenz im Westen, Wissenschaft als eine Art Ersatzreligion zu betrachten, sehen Muslime die Religion als eine Art Ersatzwissenschaft. Es gibt Bücher mit Titeln wie „Scientific Miracles in the Prophetic Sunnah“. Immer wieder hört man von „erstaunlichen Übereinstim­mungen“ zwischen Koran und moderner Wissenschaft, von „Vorwegnahmen“ wissenschaftlicher Erkenntnisse in der heiligen Schrift. Ein pakistanischer Neuropsychiater zum Beispiel bringt es zustande, im Koran moderne Heilmittel für Diabetes, Tuberkulose, Magengeschwüre, Arthritis, hohen Blutdruck, Asthma, Durchfall und Lähmungen zu finden. Zu einigen Diskussionen Anlass gab etwa auch der Versuch des Physikers Mansour Hassab-Elabny aus Kairo, aus Mondumlaufbahn und –zeit mittels Koranversen die Lichtgeschwindigkeit zu „berechnen“. Das Resultat war erstaunlich genau.

Zwei unverträgliche Konzepte des Wissens

Dass es sich hier um Holzwege des Anschlusses an die wissenschaftliche Moderne handelt, erkennen kritische muslimische Intellektuelle selbst. Letzlich stehen sie vor dem Dilemma: Eine „islamisierte“ Wissenschaft ist keine Wissenschaft; und insofern sie eine Wissenschaft ist, ist sie nicht islamisch (das gleiche Problem haben übrigens auch „theistische“ Evolutionsbiologen). Zwei unverträgliche Konzepte des Wissens stehen sich gegenüber. Das eine (traditionelle) beruht auf der Gewissheit durch Offenbarung, das andere (moderne) auf der Revidierbarkeit durch Erfahrung. Der islamische „Wisser“ (alim) ist wesentlich ein religiöser Gelehrter, der sich natürlich auch mit Wissenschaft, Philosophie oder Literatur abgibt. Aber der erkenntnistheoretische Bruch zwischen beiden Konzepten in der Moderne kann nicht radikal genug eingeschätzt werden. Kern der Moderne ist ein Wissenskonzept, das die Fraglichkeit all dessen, was man weiss, nie aufgibt. Als müssig erweist sich deshalb auch die Diskussion darüber, ob und inwieweit der Westen dem islamischen Forschergeist des Mittelalters dieses oder jenes verdankt, solange man nicht den entscheidenden Geisteswandel in Betracht zieht, der sich im 17. Jahrhundert in Europa ereignete: die Säkularisierung des Weltrahmens. Ein „Bildungsdschi­had“ in der islamischen Kultur wird deshalb solange nicht Platz greifen, als er nicht diese fundamentale konzeptuelle Kluft überschreitet – und damit implizite den Absolutheitsanspruch des Korans ins Visier nimmt.

Wissenschaft und Technik mit „muslimischem Gesicht“

Man könnte natürlich die Frage, warum Muslime nicht zum Mond fliegen, umkehren: Warum fliegen eigentlich Nicht-Muslime zum Mond? Warum hat die NASA derart viel Geld und Geist in ein Projekt gesteckt, das im Grunde den gewöhnlichen Amerikaner ebenso wenig interessiert wie den Muslim? Warum sollte man Forschungsprioritäten statt auf den Weltraum nicht gezielt auf lokale Probleme der Erde richten, z.B. auf erneuerbare Energien oder die Bewältigung von Krankheiten? Solche Fragen liefern seit dreissig Jahren Zündstoff für die Diskussion über eine adaptierte Technologie und Wissenschaft mit „muslimischem Gesicht“. In islamischen Gesellschaften finden sich meist wertvolle und unausgeschöpfte Ressourcen an lokalem Wissen und Können, die nur darauf warten, entdeckt und entfaltet zu werden: Expertise in Medizin, Agrikultur, Urbanistik, Architektur, in der Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen, Bewässerungssystemen. Gerade hier wäre eine Rückbesinnung auf alte Traditionen womöglich höchst bereichernd und nachhaltig. Und vor allem:  emanzipierend.

Die Realität

Das klingt zumindest als Vision gut. Einstweilen aber sieht die Realität anders aus: statt „indigene“ Technikentwicklung Projekte, die auf internationales Prestige und politischen Poker abzielen, wie etwa Biotechnologie oder Nuklearforschung. Der Bau von Masdar City, einer kohlendioxidneutralen Modellstadt in Abu Dabi, ist nicht von Ideen des Koran, sondern des WWF (und gewiss auch der Tourismusindustrie) inspiriert. Die „Knowledge Villages“ und  „Education Cities“, die mit Ölmilliarden in den arabischen Wüstensand gesetzt werden, sind Fassaden westlicher Forschungsinteressen.

Der westliche Sonderweg

Die Frage nach einem islamischen Sonderweg wirft ein Licht zurück auf den westlichen. Diskurs bestimmende Philosophen wie Jürgen Habermas haben bekanntlich ein „postsäkulares“ Zeitalter ausgerufen. Seit einem halben Jahrhundert unterzieht sich der Westen einer fundamentalen Selbstkritik, um nicht zu sagen: einer Selbstka­steiung der Vernunft. Ich denke hier an Max Horkheimers und Theodor Adornos „Dialektik der Aufklärung“, welche unter anderem den zweiten Weltkrieg als Kulmination dessen zeichnete, was wissenschaftlich-technische Rationalität „im Keim enthält“. An die Stelle einer solch exaltierten Wissenschaftskritik muss heute ein Reflexiv-Werden von Wissenschaft und Technik treten, korrespondierend zum „Reflexiv-Werden des Religiösen“, das nach Bassam Tibi die Moderne charakterisiert. Eines wird man indes bei aller Reflexivität sagen können, ohne die islamische Vernunft zu schmälern: der westliche Weg der wissenschaftlichen Rationalität ist ein einmaliger Sonderweg.

Lokale und globale Probleme

Die Überbrückung der Kluft zwischen den kurz skizzierten Wissenskonzepten ist nicht möglich. Aber vielleicht sollte man das auch nicht zu sehr dramatisieren. Statt über westliche und islamische Sonderwege zu diskutieren erschiene es angezeigter, sich Gedanken zu machen über gemeinsame Probleme. Wie der prominente iranische Philosoph Abdulkarim Soroush schreibt: „Wir Muslime haben zwei Arten von Problemen: Lokale und universelle, die die ganze Menschheit betreffen. Deshalb bin ich der Meinung, dass Muslime gewisse Probleme als globale betrachten und sie auf dieser Ebene angehen sollten, um lokal ernten zu können, was sie universell gesät haben. Wir sollten darin besser werden, verschiedene Wahrheitsansprüche in Einklang zu bringen.“

Es gibt nicht „die“ Vernunft, sondern kosmopolitische Zivilisiertheit

Kluge Worte - dornig daran ist nur, dass das Projekt, verschiedene Wahrheitsansprüche in Einklang zu bringen, nicht mehr an „die“ Vernunft als universelle Berufungsinstanz appellieren kann. Die Postmoderne hat diese Idee verabschiedet – und eine Leerstelle hinterlassen. Die Welt ist in Stücken. Und genau das lässt die gegenwärtige Lage so grotesk erscheinen. Viele der akuten Probleme – Klima, Umwelt, Energieversorgung, Armut, Gesundheit, Ernährung - verlangen nach einer „globalen“ Vernunft. Aber der politische Diskurs ist geprägt vom „Lokalismus“ der Kulturen: vom Anspruch auf kulturelle Sonderwege und Identitäten. Hier ist ein Memento dringend angebracht: Jede Kultur, die diesen Namen verdient, entwickelt Kompetenzen, sich von ihren Partikularitäten zu lösen, sozusagen aus sich selber, über sich selber hinaus zu steigen: Kompetenzen kosmopolitischer Zivilisiertheit. So gesehen, müssten wir aber alle – ob im Zeichen der Mondfahrt oder der Mondsichel - erst noch zivilisiert werden. 

@cathari:
>"Wann verstehen wir beispielsweise die morphogenetischen Zusammenhänge? Das kollektive Bewusstsein?"

Die grundlegende Frage scheint mir nicht das wann, sondern vielmehr das ob: Nämlich ob es diese Effekte tatsächlich gibt?

Wenn es sie denn gibt, dann ist unsere gegenwärtige Wissenschaft auf einem Auge blind.

@irgendeiner-16.02.2014 21:16
Tausende von Jahren mussten vergehen bis wir die elektromagnetischen Wellen entdeckten. Wir waren halt noch nicht so weit. Hätte vor kurzem Napoleon Bonaparte ein Handy gehabt…wer weiss? Ich sage ihnen, die kürzeste zeitliche Einheit die es gibt heisst GEGENWART. …es grüsst cathari

@cathari:

Sie sind ja offenbar überzeugt dass es die genannten Effekte gibt. Allein die Tatsache dass gewisse physikalische Sachverhalte erst kürzlich entdeckt wurden macht diese aber nicht wahrscheinlicher.

Worauf gründen Sie Ihre Sicherheit und wie könnte man denn überhaupt vorgehen, um dies zu beweisen?

@Irgendeiner 17:02:2014 19:14
Sehen Sie, wir waren in unserem Zuhause im Wallis als unser Vater unerwarteter Weise im Spital starb. Hatten keine Ahnung als plötzlich am Abend im ganzen Haus der Strom ausfiel. Fünf Sekunden dunkel (totales Black Out) nur bei uns. In alle Nachbarhäusern brannte jedoch Licht. Drei Minuten später kam der Anruf aus dem Spital. Niemand auch keiner vom Elektrizitätswerk konnte uns das später erklären. Die Bibel sagt: Das schlimmste Vergehen ist eines gegen den heiligen Geist, den Geist der als Modul alle Schwingungen ordnet, zB. auch im Mikrokosmos. Materie an sich gibt es nicht. Nicht in der Art wie wir sie erfahren. Es ist ihre Eigenart Mimikry artig sich zu wandeln und durch unsere momentane Unfähigkeit sie zu durschauen geniesst sie ihre Stellung der zeitlich begrenzt Dominanz. Alles schwingt, alles ist Schwingung…cathari

Die Vielfalt der Wirklichkeiten.....könnten uns eines Tages verwirren!
Ursprung von allem, auch der Juden, Christen, Moslems usw.
Unser Horizont ist beschränkt, wir sind betriebsblind durch Fixierung. Drinnen wie draussen wartet geduldig noch Abenteuer durch Öffnung zu ungewohntem, Andersartigkeit, noch unvorstellbarem. Aus Singularität wurde explosionsartig Vielfalt! Raum und Zeit untrennbar verbunden. Die Zeit verändert den Raum und im Raum enthaltenes, gleichzeitig unsere Wahrnehmung, eine beständige Hypothese der Wirklichkeit. Subjektives empfinden der Gegenwart ist immer jener flüchtige Augenblick der schon längst der Vergangenheit angehört. Will man es allzu genau wissen, steht einem die Unschärferelation im Weg. Nach dem Urknall war eine Zeit lang die Energiedichte von Strahlung und Materie ungefähr gleich, danach bestimmte massiv die Materie die Dynamik des Universums. Es war das Ende der strahlungsdominierten Zeit und der Beginn der materiedominierten Ära . Bis heute bleibt die Frage offen ob Gravitation von Materie ausgeht oder eventuell von äusseren überlichtschnellen Energien, statischem Druck, Strahlung oder Feldern. Elektromagnetische Strahlung stellt jedoch den Hauptanteil der Energiedichte im Kosmos dar. Einem vielfältig gepulsten Universum. Die Lichtgeschwindigkeit ist in einem Diamanten weniger als halb so gross wie in Luft oder im Vakuum. Aha!? Sind die schwarzen Löcher möglicherweise eine Art Gleichrichter? Am Anfang war das „WORT“, aber geschrieben steht jedoch Logos und aus der Singularität kam ein Lichtblitz. Dieses Licht schuf sich Raum! Die Raumdehnung war jedoch zu langsam für die lichtschnellen Photonen die sich an der Peripherie des sich dehnenden Raumes möglicherweise einrollten. Spin, eingerollte Energien die sich zu Atomkernen aufwickelten. Das Wasserstoffatom war geboren. Der erste Schritt, von da an war Evolution angesagt. Aus dem für unsere Erkenntnisse absoluten Nichts dem Nada, welches ja falsch verstandenes ist, gebar aus der Ewigkeit (der Unendlichkeit) und jenem Licht- Impuls, dem sogenannten Wort, sprich Logos, sich eine kreative göttliche Schöpfung. Eine die sich nun in Jahrmilliarden entfalten konnte. Wenn ihr denkt ihr seid alleine, so täuscht ihr euch. Wir suchen vielleicht auf den falschen Frequenzen, auf den uns bekannten sind wir erreichbar. Andere leben möglicherweise in völlig anderen Wirklichkeiten. Wir müssten die Suche neu erfinden und uns mehr öffnen für neues und ungewohntes. Erst vor kurzer Zeit 1808 entdeckte Maxwell die elektromagnetischen Wellen. 1923 begann in Deutschland der erste Rundfunk mit ca. 500 Hörer/innen. Keine hundert Jahre her! Wann verstehen wir beispielsweise die morphogenetischen Zusammenhänge? Das kollektive Bewusstsein? Ein Quantum Licht, ein Quantum Glück, ein Quantum Liebe….Shalom…. cathari

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