Siegfried Lenz: Deutschstunde (Roman) |
Kritik: Am Beispiel eines Dorfpolizisten, der glaubt, ohne Rücksicht auf Elternliebe, Freundschaft und Individualität seine Pflicht tun zu müssen, prangert Siegfried Lenz die unreflektierte Autoritätsgläubigkeit eines Mitläufers an. "Deutschstunde" ein Plädoyer für das Gewissen, die Eigenverantwortung und die kritische Hinterfragung von Autoritäten. ![]() |
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Siegfried Lenz: |
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Inhalt: Der beflissene Dorfpolizist Jens Ole Jepsen setzt das 1943 von den Nationalsozialisten gegen den Kunstmaler Max Ludwig Nansen verhängte Berufsverbot durch, obwohl dieser bis zu diesem Augenblick sein Freund gewesen war. Auch nach dem Krieg hält er die Verfolgung des Künstlers für seine Pflicht. Sein jüngerer Sohn stellt sich allerdings auf die Seite des Verfolgten ... ![]() |
Deutschstunde Erstausgabe: Hoffmann und Campe 1968 Süddeutsche Zeitung / Bibliothek, Band 28, München 2004 |
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Siegfried Lenz: Deutschstunde |
Inhaltsangabe:Siggi Jepsen, Jahrgang 1933, befindet sich 1954 in einem Internat für schwer erziehbare bzw. straffällig gewordene Jugendliche auf einer Elbeinsel bei Hamburg. Eines Tages schreibt die Klasse einen Deutschaufsatz über "Die Freuden der Pflicht". Siggi fühlt sich von den auf ihn einstürmenden Erinnerungen so überwältigt, dass er nicht weiß, wo er anfangen soll und trotz größter Anstrengung keine Zeile zu Papier bringt. [Der Deutschlehrer] Julius Korbjuhn konnte meine Schwierigkeiten nicht einsehen, glaubte mir nicht die Qual des Beginnens, konnte sich einfach nicht vorstellen, dass der Anker der Erinnerung nirgendwo fasste, die Kette straffte, sondern nur rasselnd und polternd, bestenfalls Schlamm aufwirbelnd über den tiefen Grund zog, sodass keine Ruhe eintrat, kein Stillstand, der nötig ist, um ein Netz über Vergangenes zu werfen.
Damit Siggi den versäumten Aufsatz nachholt, wird er allein in einem Zimmer eingesperrt. Aus einem inneren Zwang heraus schreibt er nun ein Heft nach dem anderen voll.
"[...] ich frage nicht, was einer gewinnt dabei, wenn einer seine Pflicht tut, ob es einem nützt oder so. Wo kämen wir hin, wenn wir uns bei allem fragten: und was kommt danach? Seine Pflicht, die kann man doch nicht nach Laune tun [...]" Für Max Ludwig Nansen war blinde, unkritische Pflichterfüllung ein Gräuel; als Richtschnur eines Handelns akzeptierte er nur sein Gewissen.
"[...] es kotzt mich an, wenn ihr von Pflicht redet."
Nicht erst durch den Verstoß gegen das Malverbot entwickelte Nansen sich zum Opponenten gegen das Hitler-Regime. Anfangs war er zwar von der Bewegung mitgerissen worden, aber schon im Jahr nach Hitlers Machtergreifung hatte er sich gegen den Verlust der individuellen Freiheit in diesem Staat aufgelehnt und einen Posten an der staatlichen Kunstschule abgelehnt – wegen einer angeblichen Braunallergie. Nansen konnte nicht mit dem Malen aufhören, denn es war seine Berufung. Jepsen, der durch die Auseinandersetzung immer stärker die totalitäre Ideologie der Nationalsozialisten verinnerlichte, zeigte ihn wegen des Verstoßes gegen das Malverbot an. Die Gestapo holte Nansen daraufhin ab, aber er kam einige Tage später wieder zurück. |
Buchbesprechung:
Am Beispiel eines Dorfpolizisten, der glaubt, ohne Rücksicht auf Elternliebe, Freundschaft und Individualität seine Pflicht tun zu müssen und dadurch zum willfährigen Werkzeug der Nationalsozialisten wird, prangert Siegfried Lenz die unreflektierte Autoritätsgläubigkeit eines Mitläufers an.
Deutschstunde - Regie: Peter Beauvais - Drehbuch: Diethard Klante - Kamera: Jost Vacano - Schnitt: Barbara Herrmann - Darsteller: Jens Weisser (Siggi mit 19), Andreas Poliza (Siggi mit 10), Wolfgang Büttner (Max Nansen), Arno Assmann (Jens Jepsen), Irmgard Först (Gudrun Jepsen), Edda Seippel (Ditte Nansen) u. a. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2004
Siegfried Lenz (Kurzbiografie) |