Sebastian Haffner: Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick (Sachbuch) |
Sebastian Haffner: Von Bismarck zu Hitler |
Inhaltsangabe:
Der deutsche Nationalismus, der vor und in den Befreiungskriegen gegen Napoleon entstand, krankte schon zu Beginn an einer "ungeheuren Selbstüberhebung und Selbstanbetung" und zugleich an dem furchtbaren Hass gegen die Franzosen, der zum Beispiel in einem Kleist-Zitat zum Ausdruck kommt: "Schlagt sie tot! Das Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht." (Seite 25) Einerseits wollte man die verhasste Franzosenherrschaft abschütteln, andererseits wirkte Napoleons Stärke auch als Vorbild. Aber die Deutschen, methodisch, wie sie nun einmal sind, sagten sich, dass eine deutsche Weltmachtstellung mit dem Bau einer deutschen Flotte, mit deutscher "Seegeltung" beginnen müsste. Was ja logisch schien. Wenn man eine Weltmacht werden wollte, wenn man bei dem kolonialen Wettlauf mithalten und vorankommen wollte, dann brauchte man zunächst einmal das Instrument dazu, nämlich eine bedeutende Flotte, die die Übersee-Erwerbungen erst ermöglichen und später verteidigen würde. Nicht weniger logisch war aber, dass man sich mit dieser Flottenpolitik unvermeidlich in eine neue Gegnerschaft zu England begab [...] (Seite 93f)
Theobald von Bethmann Hollweg, der Fürst von Bülow 1909 als Reichskanzler ablöste, war überzeugt, dass ein Krieg unvermeidlich sein würde. Gewinnen ließe er sich seiner Meinung nach, wenn England neutral bliebe,
Für die Masse der wenig informierten Deutschen stellten sich die Ereignisse aus dem rein zeitlichen Verlauf so dar: Wir standen im Begriff, den Krieg zu gewinnen, da kamen die Schlaumeier an die Regierung, die schon immer nur einen Verständigungsfrieden gewollt hatten, dann wurde das Handtuch geworfen, dann kam eine Revolution, und dann wurde ein Waffenstillstand abgeschlossen, der uns kampfunfähig machte. (Seite 167) Die Sozialdemokraten waren nicht nur bereit "in die Bresche zu springen" (Seite 206), sondern Friedrich Ebert versuchte im November 1918 sogar, ungeachtet des republikanischen Programms seiner Partei die Monarchie zu retten (Sebastian Haffner: Die deutsche Revolution 1918/19). Als das misslang, wollten die Sozialdemokraten sozusagen die Monarchie als Republik weiterführen. (Seite 206) Obwohl Friedrich Ebert das Deutsche Reich und die herrschenden Klassen vor der kommunistischen Revolution bewahrt hatte, erhielt er niemals die Unterstützung der Armee, der Beamten und der Wirtschaft. Im Großen und Ganzen war es so, dass Weimar nur die Republik der Arbeiter war – soweit sie nicht Kommunisten wurden [...] (Seite 208) Adolf Hitler redete den gedemütigten und Not leidenden Deutschen schließlich ein, das Deutsche Reich wieder groß machen zu können. Reichspräsident Hindenburg ernannte ihn am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler, nicht zuletzt auf Anraten Franz von Papens, der das Amt des Vizekanzlers übernahm.
Papen sah Hitler aus der Herrenperspektive. Für ihn war Hitler ein begabter Plebejer, ein Aufsteiger, der froh sein würde, sozusagen als Hospitant zum "Kabinett der Barone" zugelassen zu werden. Er hatte kein Verständnis für Hitlers sehr viel größere Pläne und seinen sehr viel höheren Ehrgeiz. (Seite 228)
Aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte Hitler eine Lehre gezogen: Das Deutsche Reich konnte den Krieg im Osten gewinnen, musste im Westen jedoch ein Eingreifen Englands verhindern. Fortan klammerte er sich an die Hoffnung, England werde einen deutschen Sieg über das bolschewistische Russland nicht verhindern wollen – aber er schreckte auch vor einem Vabanquespiel nicht zurück (Seite 300). "Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug ist, sein Blut für die Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen, stärkeren Macht vernichtet werden. Ich werde dem deutschen Volk keine Träne nachweinen." (Seite 300) Als die deutsche Niederlage nicht mehr zu verhindern war, radikalisierte er diese Auffassung noch weiter:
Wenn er Deutschland schon nicht nur Weltmacht, zu der Weltmacht ausbauen konnte, dann war er bereit, dafür wenigstens die größte Katastrophe der deutschen Geschichte angerichtet zu haben. (Seite 300) |
Buchbesprechung:Die Geschichte des "Dritten Reiches" auf ganzen 43 Seiten: Da kann man doch nur ein paar Zusammenhänge oberflächlich aufzeigen! Nicht so, wenn Sebastian Haffner schreibt. Dieser brillante Denker – ein zum Historiker mutierter Journalist –, meißelt die grundlegenden Entwicklungslinien heraus, und zwar für jeden verständlich und zugleich gespickt mit Fragen und Antworten aus ganz neuen Perspektiven. "Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick" enthält auf 300 Seiten weit mehr kluge und originelle Gedanken über die deutsche Geschichte zwischen 1871 und 1945 als der eine oder andere dicke Wälzer. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2004 |
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