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Wiederfund (9): Die Lust am Würdigen sieht ganz unwürdig aus


Es gibt so Bücher, auf die sollte man eigentlich gar nicht hinweisen. So würdig sie sind, so unwürdig ist das eigene Lesen und schon gar die reichlich verspätete Freude darüber, denn zum einen sollte man sie eh längst kennen, und außerdem steckt für den, der´s hört, im Jubelruf des begeisterten Lesers immer auch ein bisschen bildungshubernder Stolz. Aber für mich ist es diesmal sozusagen ein Wiederfund der dritten Art. Es ist nämlich das bisher einzige Buch, das ich komplett vergessen hatte!
Ich sehe noch den fensterlosen Seminarraum, in dem sich das morgengraue Grüppchen zur Lektüre von Musils Mann ohne Eigenschaften versammelte (um acht Uhr morgens), habe die Stimme des Tutors im Ohr, auch an die Gesichter einiger Kommilitonen erinnere ich mich, es gab die üblichen er- und gezwungenen Referate und Semesterarbeiten, man sollte meinen, ich wäre gar nicht umhin gekommen, wenigstens ein paar Brocken aufzuschnappen. Doch als ich den ersten Band nach mehr als zwanzig Jahren erneut zur Hand nahm, zeugten nur der abgegriffene Umschlag und ein paar eselsohrige Seiten davon, dass ich das Buch kennen müsste, und auch beim Wiederlesen stellte sich kein Gefühl des Wiedererkennens ein, keines des Textes jedenfalls.
Was ist geschehen bzw. nicht geschehen, damals? War ich gelangweilt, ließ mir das Buch etwa zu viel nicht-narrativen Platz mitten im Erzählten? Fand ich nichts daran, weil ich mich nicht wiederfand darin? Hatte ich andere Erwartungen, solche, die sich mehr an eine bestimmte Handlung und deren Protagonisten hängen als an die dem Ganzen zugrundeliegenden Fragen? Aber ist die Wahrscheinlichkeit des Wiedererkennens nicht desto höher, je mehr nicht-narrativen Platz ein Werk lässt und je allgemeiner das eigene Herangehen an es gefasst ist? War ich einfach zu jung, könnte es sein, dass das Individuelle in einem umso stärker „verallgemeinert“, je dichter das mehr oder minder unbeschriebene Blatt, das man einmal war, sich mit Eigenem füllt? Oder wollte ich diesem Werk vielleicht irgendetwas abringen, es „mit Gewinn“ lesen, „es schaffen“, und scheiterte deshalb, wie ein Bergsteiger, der irgendeine Leistung erbringen will und an der Landschaft vorbeischnauft?
Wie dem auch sei, jetzt lese ich es bei geschlossener Tür, für alle Fälle. Keine Ahnung, ob ich dabei grimassiere, gestikuliere oder vor mich hinmurmle, aber manchmal finde ich mich mitten im Raum wieder, nach wer weiß wievielen Metern, aufgeschreckt von meinem Lachen. Wie gesagt, gerade die lustvolle Lektüre hat die Tendenz, im Erscheinungsbild unwürdig zu sein und im Kern nicht-gravitätisch, schwerelos.
Und wie sollte es auch anders sein, liest man etwa vom Abenteuer des Generals mit dem schlichten Gemüt, Stumm von Bordwehr, der auf der Suche nach einer großen Idee – irgendeiner großen Idee, bittesehr, am besten freilich der größten! - ausgerechnet im Bibliotheksdiener die bestinformierte Instanz antrifft, und zwar nicht, weil der alles gelesen hätte, sondern weil er seit Jahrzehnten den distinguierten Bildunsgbeflissenen zugehört hat, die über der Fülle des von ihm bescheiden herangeschleppten Ideenstoffs zumindest etwas ratlos geworden sind? Oder von der fin-de-siècle-göttlichen, ebenso fleischigen wie vermeintlich vergeistigten Diotima, in deren Salon man hinsichtlich dieser Idee zu keinem Ergebnis kommt, außer dem der Vertagung? Oder von dem Pädagogen Lindner, der die Überwindung all jener Leidenschaften, für die ihm die Begabung fehlt, in seinen (spärlichen) Wasch- und Gymnastikriten zu erblicken geneigt ist? Ich spare mir Zitate, denn aus dem funkelnden Gewimmel von lauter Sternsekunden partout eine herausgreifen zu wollen - so verrückt bin ich auch wieder nicht.

17.11.2008 18:00:38 

Wildern


Eines Nachts warfst du die Bärenhaut ab.
Ich versuchte gerade Fichtenduft – es gab
keine Pilze, bloß die üblichen weißlichen
Kellerkinder - als ich es hörte, an einem Tisch
ganz hinten zwischen fremden Mänteln tafelnd.

Friedlich sei die gewesen: Ist sie deshalb jetzt hier,
nach Art eines Mooshelms zusammengerollt,
ein Nanometer im Quadrat, in dem ein zweiter
Bär immerzu einen Lachs fängt? Daneben du,
daneben ich, ahnungslos, dass es sie gibt

in der verführten Wirklichkeit. Erzähl mir nur
nichts. Die Abwesenheit in diesem Anzug
ist eines, eines ist abseits und erledigt
selig das Gedicht, die Schiebung der Fibern
mit ihrem allgegenwärtigen Zucker, als wäre es

das Nächste. Wir tauschten die Plätze, nun
sah ich auf die verhängte Tür. Kein Durchgang,
Pelze, Fichte. Auf der Rückseite stand
Willkommen. Ein andermal zeige ich dir
eine Stelle, blau von Täublingen, versprochen.


"die imaginäre natur der identität"

24.11.2008 17:41:50 


blitze2

(...)
wir knallen voran

Ulrike Draesner: enteisent


Allen Poesieverrückten ein glückliches neues Jahr!

31.12.2008 12:57:51 

Limits are


lands

: landscape

(oder: Kniende Berge)

08.01.2009 12:57:16 


lim2

: illuminated

15.01.2009 13:26:18 


shape1

: shape

22.01.2009 13:00:01 


limi4

: guarding the islands

29.01.2009 10:30:43 


lim5b

: the sage-meadows around

05.02.2009 12:38:30 

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