Uni Schwerpunkt
Der glückliche Bummelstudent und der erfolgreiche Studienabbrecher

AFEU: Erzähle uns kurz deine Geschichte: Warum brauchst du länger/studierst du nicht mehr?
Barbara Denicolo: Ich habe 2006 maturiert, danach nicht gewusst, was ich tun soll und die Weihnachtszeit über gearbeitet. Dann wollte ich im Sommersemester mit Psychologie einsteigen, musste aber bis auf den Herbst warten, weil ich eine Aufnahmeprüfung gemacht habe. Also habe ich mal Geschichte inskribiert. Ich bin dann bei diesem Fach hängen geblieben, obwohl ich Psychologie begonnen habe. Zwischen drin habe ich ein Semester alles hingeschmissen, wollte auch nicht mehr nach Innsbruck zurück. Dann habe ich ein Semester unterrichtet habe aber mein Studium wiederaufgenommen. Seit damals arbeite ich eigentlich immer nebenher, mal mehr mal weniger, was sich natürlich auf die Anzahl der Kurse auswirkt.
Jetzt studiere ich noch Geschichte und Latein auf Lehramt und stehe vor der Diplomarbeit, zudem möchte ich noch das Doktorat in Geschichte machen. Ich hatte eigentlich das Ziel, bis dreißig fertig zu sein, aber daraus wird wohl nichts werden. Es dauert ja grundsätzlich immer alles länger als ich mir das so denke. Wie lange ich noch effektiv brauchen werde, weiß ich nicht, da ich nicht weiß welche Jobs mir inzwischen angeboten werden, bzw. welche Projekte ich haben werde.
Zudem leide ich leider an Aufschieberitis, die wirklich großen Sachen, wie Diplomarbeiten und Dissertation schiebe ich vor mir her, ich nehme alle möglichen Arbeiten an, besuche Weiterbildungen und Unikurse, die ich eigentlich nicht brauche, oder spiele mehr Theater oder mache wieder mehr Musik. Die wirklich wichtigen Sachen machen mir Angst. Meine Diplomarbeit dauerte über zwei Jahre, ich machte sie dann nur in einem Semester schnell fertig, weil ich sonst aus dem Diplomstudium geflogen wäre.
Ich werde keines meiner Studien in Mindeststudienzeit abschließen. Warum? Weil ich meine Fächer liebe. Ich besuche alle Kurse selbst und habe (leider) sehr hohe Ansprüche an mich selbst. Ich habe daher immer die maximale Arbeit.
Ich habe eigentlich mehr Noten, als ich brauche, z. B. Exkursionen. Manche Kurse habe ich auch ohne Zeugnis besucht. Einfach so, weil sie mich interessieren. Ich habe meine Wahlfächer und Ergänzungsprüfungen aus Deutsch und Geographie nicht so gewählt, dass ich möglichst wenig Arbeit habe, sondern nach Interesse und mein Profil zu schärfen.
Ich habe eine sehr aufwändige Diplomarbeit geschrieben, weil ich einfach sehr gewissenhaft bin und weil es mich interessiert hat. Auch im Bewusstsein, dass andere den gleichen Titel kassieren, wenn sie nur drei Monate dafür arbeiten. Aber solche Sachen kann ich mit mir auch nicht vereinbaren.
Ich bin viel freiwillig und ehrenamtlich tätig, auch weil ich schlecht Nein sagen kann, aber auch weil ich vielseitig interessiert bin.
Im Grunde gefällt es mir so wie es ist: Schon früh war mir nur studieren zu wenig, ich wollte arbeiten, nebenher andere Dinge machen. Und jetzt ist es umgekehrt. Ich kann es mir nicht vorstellen NUR zu arbeiten, ohne ständig Neue dinge zu lernen, mich an der Uni weiterzuentwickeln usw. Auch wenn das heißt, dass ich unterm Strich weit mehr als eine 40 Stunden woche habe und viel von meiner Freizeit darin aufgeht. Aber was tut man nicht alles für die Geschichte und das Mittelalter, wenn man davon begeistert ist.
AFEU: Mancher würde sagen, du Versager, du hast es wohl zu nichts gebracht. Fühlst du dich als Versager?
Barbara Denicolo: Manchmal fühle ich mich so, weil andere schon den Doktor haben und ich nicht einmal angefangen. Ich fühle mich als Versagerin, weil ich mich oft ablenken lasse und nicht fokussieren kann. Andere finden das nicht so. Aber gerade im akademischen Haifischbecken bekomme ich die zusätzlichen Jahre bereits manmchmal zu spüren.Zudem besorgt es mich schon, dass mir am Ende die Sozialversicherungsjahre fehlen werden.
AFEU: Wie sieht dein Alltag aus? Was machst du mit der ganzen Zeit?
Barbara Denicolo: Er ist voll. Ich habe keine Zeit.
AFEU: Was würdest du jemanden raten, der so schnell wie möglich die Phase seines Studiums hinter sich bringen will, weil er/sie meint, das Leben fängt erst mit dem ersten 40-Stunden Job an?
Barbara Denicolo: Jedem das Seine. Dieser Weg hat auch seine Vorteile, ganz klar. Ich vermisse diesen geregelten Alltag und die Sicherheit, die Möglichkeit sich irgendwo einmal für ein paar Jahre niederzulassen, längerfristig zu planen. Ich fühle mich noch nicht am Ende meines Weges, ich kann noch nicht genug.
Andererseits lerne ich gerne und ich muss auch meine Bedürfnisse stillen, meinen Wissensdurst meine Neugier. Wenn ich könnte, wenn ich die finaziellen Möglichkeiten hätte und die Sicherheit, was Pension Versicherung usw. betrifft, würde ich mein ganzes Leben studieren. Ich hätte noch so viele Studiengänge die mich interessieren würden…