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alters her gab es früher, als die Würde des Menschen noch durchaus antastbar
war, einen Brauch:
Der Kopf des Häuptlings
eines besiegten Stammes wurde auf einem Spieß herum getragen. Oder, noch
besser, ein ungefügiger Präsident eines anderen Staates wird zum Schwein
"stilisiert" und zu Weihnachten nach altstalinistischem Ritual geschlachtet.
Passt?
Aber natürlich!
Und vor seiner rituellen Ermordung wird das Land drei Tage lang zum Plündern
freigegeben. Ach was, machen S’
drei Jahre draus. Oder, noch besser, drei Jahrzehnte.
Hoch lebe die Revolution!
Schlagt den Kerl zusammen! Zerstört
alles, was ihr nicht
mitnehmen könnt. Jungs, wir haben drei Tage. Das ist schon seit dem
Frühmittelalter eine heilige Tradition aller mehr oder weniger heiligen
Raubzüge. Hoch lebe der wissenschaftliche
Sozialismus! Und als Ceausescu dann am ersten Weihnachtstag hinterlistig erschossen wurde, hieß
es: "Zu Weihnachten braten wir das Schwein."
Die Würde des Menschen? Nie
gehört.
Drei Jahrzehnte mussten vergehen, bis die rumänische
Öffentlichkeit doch wenigstens in etwa einsah, dass eine
derartige, offensichtlich zutiefst psychopathische und menschenverachtende Einstellung weder moralisch noch
heldenhaft oder gar demokratisch und rechtmäßig ist.
"Ja natürlich
hab ich geschossen. Schließlich
hatten wir eine Revolution.
Da ich ein Gewehr in der Hand hielt und da mir klar befohlen
wurde zu schießen (Von wem denn bloß? Er war ja Zivilist!),
hab ich geschossen.
Auf wen? Na ja, halt auf Terroristen und so. Auf die Terroristen, die ich jeweils vor
mir sah [i.e. auf unschuldige Passanten]. Wie bitte? Das sollen keine
Terroristen gewesen sein? Also für mich waren das Terroristen. Ähem
… Nein, Mensch, ich hab ganz bestimmt keine Unschuldigen erschossen. Ich
weiß ja schließlich, wie so ein Terrorist aussieht. Verwechslungen sind bei mir total ausgeschlossen. Und
ich wurde außerdem dann später nicht als Täter identifiziert. Was heißen
will, keiner hat mich dafür angezeigt, das ich auf ihn geschossen haben
soll.
Der perfekte Beweis meiner Unschuld."
Das war alles nach Ceausescus Flucht. Und die ganze Schuld wurde ihm
tunlichst
in die Schuhe geschoben. Die ausländischen Medien haben den Blödsinn
gedankenlos gekauft.
Stichwort Breaking News. Na ja, fake news.
"Alles ist jetzt Privateigentum. Jeder darf zugreifen.
Das Strafgesetz ist sooo! … von gestern. Und bitte sehr ab sofort keine
Grenzkontrolle. Es lebe die Demokratie. Jetzt wird alles aus dem Land
geschleppt, was in den LKW passt. Sooo! … von gestern! Scheiß-Diktator."
Bringt ihn um! Bringt ihn um! Bringt ihn schnell
um!
Im Fernsehen wurde gerade angekündigt, uns Revolutionären stehen dort, im
Fernsehturm,
reichlich
Granatwerfer zur Verfügung, die noch nicht eingesetzt wurden. Schnell hin
und damit auf die Nachbarhäuser schießen! Scheiß-Nachbarn.
Ach wie vergnügt ist doch das Ende des Staates!
Legen wir Feuer!
Diese Gesellschaftsordnung ist schlecht!
Jede
Gesellschaftsordnung ist schlecht! Und alles, was in den letzten paar
Jahrzehnten erwirtschaftet
wurde, ist natürlich ebenso schlecht und muss entweder zerstört oder geklaut
werden. Gesetzlosigkeit in orbe
ultima.
Vae victis! Mir ham g’siegt!
Die Sowjetunion hat uns ja militärische Hilfe zugesagt. Wurde im Fernsehen verkündet. Hurra!
Öffnet die Grenzen. Mir moch’n ein Export-Business! So … Alles auf den Lastwagen.
Der ist übrigens ebenfalls geklaut. Ach, wie vergnügt ist doch das Ende des
Strafgesetzes!"
"Brav so", antworteten die Drahtzieher der Dezember-Morde.
"Stimmt.
Das Strafgesetz gilt nicht mehr. Es gilt nur das Naturgesetz. Ihr seid
allesamt Schweine."
Die überwältigende Mehrheit wählte im Mai 1990 wohlgemerkt keineswegs etwa die Kandidaten der frischen,
neu geschmiedeten, westlich orientierten Parteien (zum Beispiel die Liberalen oder die Bauernpartei, die in Anlehnung an
die Zwischenkriegszeit mit freilich recht fragwürdigen Argumenten von sich behaupteten,
"die historischen Parteien" zu
sein), sondern die alten kommunistischen Dinosaurier, die das Land auch nach den
Dezember-Morden im Würgegriff hielten.
Als Propagandamedium diente nach wie vor das Fernsehen.
Und, Hand aufs Herz: Die überwältigende Mehrheit hätte 1990 unter den Gegebenheiten (wirkungsvolle Propaganda der
hinterlistigen Neokommunisten und
– das wird oft außer Acht gelassen
– die durchaus berechtigte Angst der
benommenen Wählerschaft vor der dann ja in der Tat bald genug eingetretenen Arbeitslosigkeit,
Altersarmut, rasant wachsenden sozialen Ungerechtigkeit und allgemeinen
Korruption im katastrophalen Umfang) wahrscheinlich sogar den "verhassten" Ceausescu gewählt, wäre dieser nicht zu Weihnachten ermordet, sprich den
neuen Göttern geopfert worden, die, das kann man gar nicht oft genug sagen,
den alten Göttern verdammt ähnlich waren.
Oder verdammt nochmal! … I’ve seen the enemy: It’s us.Und wenn einer jetzt, dreißig Jahre später, feststellen darf,
in welch verheerendem Maße das Land gleich nach den Dezembermorden 1989
(und dann leider Gottes bis dato kontinuierlich) heruntergewirtschaftet wurde,
fällt es ja auf einmal gar nicht mehr so schwer, Verständnis für all die vielen
Nostalgiker aufzubringen.
In den Umfragen ist Ceausescu wieder "in". Mal als Zweiter nach König
Mihai, mal als Zweiter nach Brâncusi, dem begnadeten Bildhauer.
Eine Revolution kann man den Rumänen nicht zumuten, hatten Bush und Gorbachov auf Malta
richtig erkannt. Erst recht nicht jetzt, da doch die Staatsschulden beglichen wurden. Das muss man
von außen her in die Wege leiten.
Vor wenigen Tagen war Ceausescu auf dem Parteikongress im Amt bestätigt und anschließend von der Menge
bejubelt worden. Im kommunistischen Sinne, versteht sich. Alles auf Kommando. An sich
ekelhaft und blöd. Aber immerhin. Jubel ist Jubel.
Dieselbe Masse hat dem Präsidenten dann auch am 21. Dezember ergeben zugejubelt, bevor sie
(was mittlerweile belegt ist) mittels psycho-technologischer Terrormittel derart in Panik gebracht wurde, dass sie die Flucht ergriff.
Also kein spontaner Volksaufstand? Nein, natürlich nicht. Das wäre im sozialistischen Rumänien unmöglich
gewesen. Später wurde dann die Mär in die vier Winde gesät, "das Volk" habe sich gegen den
"verhassten" Diktator erhoben.
Genug mit dem ganzen Unabhängigkeits-Talk. Genug mit dem Blödsinn, dass große
Länder und kleine Länder je tatsächlich auf Augenhöhe verhandeln könnten.
Dass die internationale Wirtschaftsordnung je gerechter wird. Zuerst kommt
das Fressen, und dann kommt die Moral. Brecht aktuell. Dem großen Cousin im
Westen sollte es recht sein.
"Sorry, Nick. It’s not personal. It’s just business."
Bemerkenswerterweise ist Ceausescu (aus seiner Sicht) für die Freiheit, die Unabhängigkeit und die Souveränität Rumäniens gestorben,
nicht aber für die Demokratie. Gerade darin zeigt sich denn auch vielleicht
am besten sein ausgesprochen unzeitgemäßes Selbstverständnis:
anhand der Tatsache, dass er das zeitgenössische Narrativ der internationalen Ordnung
selbst dann noch gegen den Strich bürsten wollte, als dies
nirgends (also selbst im Westen nicht)mehr Mode war, ja als dies gar nicht mehr machbar erschien und ihn
weder in Washington, DC noch in London, Paris oder Berlin irgend jemand mehr
dafür bejubelte und beklatschte.
Irgendwie trabte seine antisowjetische, patriotische Rosinante
weiterhin zielbestrebt und unbeirrt auf die Windmühlen zu, die es in Wirklichkeit kaum
mehr gab, ja die es, so hieß es nun im Nachhinein, eigentlich wohl kaum je gegeben habe.
All die Glorie, all die Anerkennung der Siebziger: hin. Die wohlklingende Utopie einer gerechteren internationalen Wirtschaftsordnung:
hin. Hin auch die Illusion, dass in dieser unserer Welt der Big Players die
"Kleinen von den meinen" (Mephisto, Faust I) noch was zu sagen
hätten. Dass sie der weltweiten Akkumulation von Reichtum und Macht entgegen wirken könnten.
Jetzt galt nur noch das Eine: Der Diktator hat seine Schuldigkeit getan. Der Diktator
muss sterben.
Dass sich die Massen gegen den Diktator erheben, war also ausgeschlossen.
Sie mussten angestachelt, organisiert und dann geführt werden. Sie
mussten auch kapieren, dass die Sowjetunion bereit war, einzumarschieren
(na ja, bereit war sie schon seit 1968; dies schien lediglich der passende
Augenblick zu sein). Wie viele tausend gutgebaute sowjetische "Touristen"
mit im Spiel waren, ist umstritten. An der Grenze manövrierten jedenfalls die
"brüderlichen" Militäreinheiten. Sie
hatten zwanzig Jahre lang gewartet. No pressure.
Gorbachov hörte sich in in Achtzigern eigentlich verdammt offen und progressiv an.
Und die Sackgasse, in der seine Vision 1991 enden sollte, war für die
meisten noch nicht sichtbar (wohl aber für den widerspenstigen rumänischen Staatspräsidenten).
Gorbachov wollte nun den Sozialismus reformieren. Einen neuen, einen besseren Sozialismus, Freunde,
wollte er nun dichten. Aus dunklen Thesen und Dogmen die lichte
Wirklichkeit beschwören.
Im Nachhinein wissen wir natürlich, dass sein Versuch dann bald scheiterte und
er seinerseits das Opfer eines militärischen Staatsstreichs werden sollte.
Freilich wurde Gorbachov aber im Unterschied zu seinem rumänischen
Amtskollegen nicht ermordet.
Dafür, dass er nicht an eine Rettung des Sozialismus durch Gorbachovs Reformen
glaubte, wurde Ceausescu übrigens weltweit als allergrößter Depp abgestempelt. Und die
neokommunistischen oder eben auch quasi-liberalen Regierungen, die dann nach Ceausescus
Ermordung die Geschicke der Nation leiteten, waren bis auf den heutigen Tag
ausnahmslos so erbärmlich (und haben das Land durch Habsucht, Feigheit und Inkompetenz so sehr
ruiniert), dass Ceausescu ja schon fast als Prophet gelten dürfte. Seine
Warnungen hatten den Nagel auf den Kopf getroffen.
Nicolae Ceausescus Sozialismus und sein Bestreben nach Unabhängigkeit und
Souveränität seien, so Iliescu nach dem leider am ersten Weihnachtstag des Jahres 1989 an Ceausescu und seiner
Gemahlin verübten Meuchelmord in Targoviste, nicht wissenschaftlich gewesen.
Mehr noch, Ceausescu, das verräterische Schwein (Ist er auch wirklich tot? Ja dann wollen wir mal …),
habe nichts mit dem wahrhaften Kommunismus (also mit dem Oberkommando der UdSSR) am Hut gehabt.
Ein anti-sowjetisches Schwein. Auf den Spieß damit!
Das war sehr wissenschaftlich! Der echte Sozialismus.
Der pure, der wahrhafte, der eigentliche wissenschaftliche Sozialismus.
"Genossen!" So begann Iliescus sogenanntes postkommunistisches bzw.
neokommunistisches Zeitalter. Die Revolution war
– aus seiner Sicht
– vollbracht. In den ersten Tagen und Wochen der Neuen Ordnung
(also nach der Ermordung der Staatspräsidenten) telefonierte Iliescu jeweils
dreimal täglich mit Gorbachov. Und dann teilte er dem Rat der Nationalen
Rettung (dessen Namen übrigens die Russen erfunden hatten) immer mit:
"Gorbachov will dies und das und dies und das."
"Zeter und Mord, Genozid, Fluchtversuch" und dergleichen mehr. Straßenkämpfe
im widerspenstigen Rumänien, Ermordung des Staatspräsidenten und die Machtübergabe
an eine sowjetisch-hörige Regierung. Super!
Was für eine ausgeklügelte Staatsstreich-Kabale!
Und wenn nicht gleich alles klappt, sollten sogenannte "Revolutionäre" im Namen des Volkes prompt
um eine sowjetische militärische Intervention ersuchen. Das haben sie auch.
Malta. Interessensphären. Regime change. "Okay. Von mir aus kannst du mit Rumänien machen, was du willst", hatte Bush
auf Malta gesagt. "Passt. Und du hast freie Hand in Panama", erwiderte
Gorbachov.
"Wow! Sehr nett", freute sich Bush der Ältere. "Aber mit Genossen Nicolae Ceausescu haben wir früher immer gut zusammengearbeitet. Bitte nicht
umbringen. Und seinen Bruder Marin auch nicht. Der ist jetzt in Wien. Dem haben wir ja für
den Fall der Fälle Asyl zugesichert. Dieses Versprechen muss auch eingehalten werden."
Eine Frage der Realpolitik.
"Aber natürlich! Großes Bärenehrenwort, Kumpel! Das wird ein ganz sauberer Staatsstreich. Präsident Ceausescu und sein
Bruder Marin lassen wir ungeschoren, egal, wie groß das damit verbundene Risiko nun eben mal ist, dass die Kerle
dann auspacken und unsere gesetzwidrige Einmischung in Rumänien auffliegt.
Genosse Bush, Sie müssen dabei freilich auch bedenken, dass mir die KGB und vor allem eben auch die GRU im Nacken stehen.
Die verflixten altstalinistischen Geheimdienste sind unglaublich eigenwillig. Versuche ich sie zu zügeln, dann
leiten die Kerle übernächstes Jahr vielleicht sogar einen Staatsstreich bei mir zu
Hause in die Wege.
Und dann muss ich dran glauben. Schließlich bereitet die GRU diese
heldenhafte Aktion gegen Rumänien schon seit zwanzig Jahren vor. Dies ist
der Augenblick der Rache. Klar, für 1968. Und für die ganze
Unabhängigkeitspolitik der Rumänen. Die Lage ist schwierig. Ich bin ja ganz
Feuer und Flamme für meine Perestroika und für internationale
Zusammenarbeit, den Geheimdiensten hingegen passt das nicht so recht ins
Konzept."
Darauf Bush: "Hmm … Na dann gut, Genosse. Tu Er, was Er
nicht lassen kann. Jedem sein eigener Spielplatz. And off to Panama I go!
Ta-ta! My Panama! Vor uns papers. Hinter uns papers. Verdammt! Überall
papers. They’re going tu bury us in paperwork. Ich eil’!"
Um künftigen Ermittlungen vorzubeugen, ging’s gleich mal mit der Schmähkampagne gegen den Diktator los. Und mit dem systematischen Terror gegen sein Volk,
das ihm treu geblieben war. Dabei wurden gern mal auch die primitiven Instinkte der
übelsten Sorte in den Reihen des "Volkes" geweckt und befürwortet, ja vor allem durch das in jenen Tagen
(und, wenn auch nicht im gleichen Maße, in den folgenden Jahren) intensiv missbrauchte Instrument des Rumänischen Fernsehens
systematisch gefördert und gefordert. Wer damals jemanden loswerden wollte,
richtete einfach den Zeigefinger auf ihn, und die Soldaten der Rumänischen
Volksarmee, an deren Händen noch das Blut ihrer Opfer aus Timisoara und
Bukarest klebte, schlugen den vermeintlichen Terroristen gerne nieder. Oder
sie schossen den "Scheiß-Terroristen" kurz über den Haufen: "Seht ihr? Wir
stehen von nun an wirklich auf der Seite des Volkes. Tod den Terroristen!"
Ein gewisser Gelu-Voican Voiculescu, ein abenteuerlich wirkender Kraftkerl, der Ende
Dezember zunächst immer mit seinem Che-Guevara-Gehabe hinter dem Ehemaligen
Hohen Tier Ion Iliescu stand, den die guten sowjetischen "Genossen und Freunde"
nach der Evakuierung ("Alles wird gut, Genosse Präsident! Wir tun Ihnen ja nichts …") des unbequemen
und unfügsamen Präsidenten Nicolae Ceausescu angesichts der Tatsache, dass er, Iliescu, ihnen, den
sowjetischen Drahtziehern, Gefolgschaft geschworen hatte, freundlicherweise mit den rumänischen Landen
belehnten, war sozusagen als von den miesen Putschisten erkorener Todesengel
gemeinsam mit dem aus grotesk lächerlichen Hampelmännern bestehenden
und mit einem herrischen, ja ausgesprochen erniedrigenden Peitschenhieb herbei gezauberten
"Richterausschuss" (dessen Mitglieder dann tatsächlich allesamt auf das Kommando der
"Emanation der Revolution" alle
zehn Seiten des Protokolls der sogenannten Gerichtsverhandlung in blanko
unterschrieben und dann auch nie gelesen haben; das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen; wer wird denn
so! … blöd sein; Meister Mephisto hat’s ihnen gedankt: "Und jetzt die Seele, bitte schön!
Den Verstand hab ich ja schon …") nach Targoviste entsandt worden.
Die rumänische Stichfrage der Wende: San ma deppert oder san ma blöd?
Aber er trinkt jeden Tag frisches Blut. Und wenn er mal nicht ganz so gut
drauf ist, vergiftet er in der Regel das Trinkwasser oder jagt Staudämme in die Luft.
Ist das nicht offensichtlich? Schaut ihn euch doch mal an. Er sieht ja genau
so aus wie Caligula. Anno 1968: allein gegen die Sowjetunion und deren
Satellitenstaaten? Ist ja klar: ein feiges Schwein.
"Ich will, dass ihr sowohl den Staatspräsidenten als auch seine Frau in einer Viertelstunde zum Tode verurteilt!",
befahl der Ur-Putschist Voiculescu dem eingeschüchterten Lakaien-Richter-Ausschuss. Die Lakaien nickten
ängstlich.
Der Staatspräsident sollte umgebracht werden. Egal unter welchem Vorwand.
"Wir hatten uns auch überlegt, einfach zu sagen, er sei beim Fluchtversuch
erschossen worden."
Die Hampelmänner zitterten vor Angst. In Voiculescus herrischem Befehl spürten sie die kriminellen Triebe der Putschisten, ihre
Skrupellosigkeit, ihre garantierte und im Fernsehen verkündete sowjetische Rückendeckung.
"Die Schweine befinden sich jetzt in unserer Macht", sprach Voiculescu auf
die gefügigen Hampelmänner mit Richterrobe ein. "Denkt gar nicht erst daran, wer sie sind und was sie darstellen. Behandelt sie einfach wie
gemeine Verbrecher. Und wenn jeder von euch diese zehn Seiten hier in blanko unterschreibt (nee,
das sind nur so … halt zehn Seiten, die wir dann noch bald genug voll schreiben werden, alles hat seine
Richtigkeit, stoi paroi, macht euch keine Gedanken, ihr feigen untertänigen Depppen, räsoniert so viel ihr wollt, doch gehorcht;
euer Präsident hat nicht gehorcht; unterschreibt einfach brav, das könnt ihr doch, oder?)
lassen wir euch laufen
– und, soweit euch die neuen Götter günstig gesinnt sein
sollten, werdet ihr vielleicht sogar mit ein Stückchen Rumänien belehnt."
Das hat sich die ganze Bande zu Herzen genommen. Allen voran der
"Anwalt". Das Einzige, an das er während
der Diktatoren-Beschimpfung dachte, war, den neuen Herren und Gebietern untertänigst zu Diensten zu
sein. Als kleines Dankeschön wurde ihm dann ein Knochen zugeworfen: ein
Generalrock.
Im Jahre 1968, als Ceausescu es wagte, ganz allein der Tschechoslowakei beizustehen,
sind fünf Kolonnen in das "brüderliche Land" eingefallen: die sowjetische, die bulgarische, die ungarische, die polnische und
freilich auch die ostdeutsche. Fünfhunderttausend Mann stark.
Die Amerikaner jedoch, so das Gerücht, wollten 1989 Ceausescu retten. Dessen Bruder Marin, der als Chef der rumänischen Wirtschaftsmission
in Wien jahrelang streng geheime gemeinsame militärische Projekte mit den Amerikanern
abgewickelt hatte, war von Seiten der Amerikaner für den Fall, dass die
Russen davon erfahren, mitsamt seiner Familie Asyl zugesichert worden. Doch dazu sollte es nicht kommen. Marin verunglückte
Ende Dezember wohl an derselben Krankheit wie sein Bruder Nicolae: Kabale. Nein, kein Spur Liebe. Nur
Kabale.
"Nicht ihr seid es, die uns eine Ehre erweisen, sondern
wir, die wir extra aus Bukarest her geflogen sind, erweisen euch [dem
Diktatoren-Ehepaar] die Ehre unserer Anwesenheit."
So begann Ceausescus "Anwalt" seinen Blödsinn von einer Hasstirade. Nichts für ungut, aber am 25. Dezember
ist wohl tatsächlich der übelste Abschaum der Bukarester Rechtsanwaltskammer am Tatort Targoviste eingeflogen, um der Ermordung des Staatspräsidenten
einen wenn noch so dünnen, einen wenn noch so unglaubwürdigen Hauch von Legalität anzudichten.
Ceausescu lag ja 1989 schon seit geraumer Zeit falsch, darüber ist man sich einig, doch das
Wenige, was er in Targoviste vor der Kamera sagte, war schlüssig und folgerichtig. Seine Peiniger hingegen drückten sich weder schlüssig
noch folgerichtig aus. Eine Rechtfertigung für den politischen Mord lieferten sie erst recht nicht. Dazu hätten sie den Mut aufbringen müssen, sich ihres
Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen.
Ion Iliescu, der nun als aufgeklärter Despot im Sinne der Perestroika über die
rumänischen Untertanen herrschen sollte, beschuldigte Ceausescu vor laufender Kamera,
"den wissenschaftlichen Sozialismus" verraten zu haben, wohingegen er, Herr Ion Iliescu,
"gerade mit Gorbachov
telefoniert" habe, der "sehr schöne Dinge" über das sagte, was "wir" jetzt unternehmen (Projekt Meuchelmord:
erfolgreich abgeschlossen; Projekt Staatsterror und Diversion: in Gang) "und
auch sehr geschickt auf gewisse Provozierungen regiert hat. Sie haben ja
gehört, was Genosse Ceausescu beim Prozess gesagt hat. Dass hier
irgendwelche internationale Spionageagenturen verwickelt gewesen seien. Weiß
der Kuckuck, was für Agenturen das gewesen sein sollen …"
Als höchste Motivation, sich für die Ermordung des Staatspräsidenten hinzugeben,
wurde dem Hinrichtungskommando laut einem seiner Mitglieder gesagt, gut sechshundert US-Kampfhubschrauber der sechsten, im Mittelmeer stationierten
amerikanischen Flotte befänden sich auf Kurs, um Ceausescu und seiner Frau das Leben zu retten.
"Wir", das
waren also die Putschisten, handeln aus sowjetischem Befehl. Und die Amerikaner stehen wohl wie immer hinter Ceausescu.
So die Mär. Und die hat als psychologisches Druckmittel durchaus gewirkt, gab doch das
Killerkommando (laut Fernsehinterview) aus genau diesem Grund superschnell Feuer.
"Bringen
wir den Genossen schnell um, bevor die Amis kommen." Eventuell könne man dann ja auch sagen, er habe sich selbst erschossen. Schweine tun das
oft. |