"Apfelstrudel,
Mozartkugeln, Wiener Schnitzel und Stanitzel, damit ist es nicht getan!",
hatte schon Bismarck mit seiner grundlegend klangvollen Gründerstimme
zu Ur-Urgroßvaters Zeiten grundsätzlich standesgemäß verbindlich
postuliert. "Euer Scheiß-Bund kann mir erspart bleiben!
Und der deutsche Norden braucht eh keinen österreichischen Kaiser.
Kein Servus und kein Ciao! Kein Gehn ma! Kein Habe die Ehre!
Es lebe die steifere Lebensweise! Von und zu! Von und zu! Links, zwo, drei,
vier! Von und zu!
[Anmerkung der Preußischen
Akademie für historische Lethargie: "Postfaktisches Zeug. To be taken
with a grain of salt."]
Krieg, nicht Frieden! Und
die deutsche Einheit! Ruckzuck soll das gehen! Icke hab eine großartige
Zukunft im Sinn. And, by the way, einen Anflug von sozialer Sicherheit in
unseren Landen. Von der Maas bis an die Memel! Nein doch, nicht soziale
Gerechtigkeit! Soziale Sicherheit. Für uns, nicht für euch. Stichwort
Beamtenrente. Möge ein deutscher Kaiser seinen Schatten über
sämtliche Stämme des Nordens werfen. Aber wohlgemerkt von Berlin aus! Um es
mit Tacitus zu sagen: Pickeleus habeus erit in orbe ultima! Kolonialläden in
jeder deutschen Stadt! Die rechtzeitige Nation! Antreten! Habachtstellung!
Stiff upper lip! Abtreten! Ruckzuck!"
Ja
doch! Die Pickelhaube als Symbol von oben auferlegter, altpreußisch
angelernter nationaler Gefühle. Und der Pickel-Haberer.
Pickeleus habereus. Winter is coming! Im Norden nichts
Geheueres. Wir schwören auf die neuen Geister. Und
sicherheitshalber auch gleich mal auf die alten. Die deutsche Einheit! Die
deutsche Einheit! Die deutsche Einheit!
– What do we want?
– Die deutsche Einheit!
– When do we want it!
– Now!
So war das. Wer über
hundertfünfzig ist, kann sich vielleicht noch daran erinnern. Ach, die
guten alten Zeiten! … Wobei sich das sogenannte nationale Gefühl,
gleichsam ein großdeutsches Ding an sich, wohlgemerkt zunächst auf die
preußische (zwecks Kriegsführung selbstredend intensiv von der
militaristischen Obrigkeit gepresste) Bevölkerung begrenzte, denn gegen die
anderen Staaten des Bundes wurde ja zunächst einmal zweckmäßig ins Feld
gerückt. Operation Bruderkrieg.
Kann schon mal passieren.
No hard feelings. Ave Caesar! Zu Befehl!Und dann, aber eben auch erst
dann, wenn der Krieg vorbei ist, wenn der Sieg beyond a reasonable
doubt voll und ganz unser ist, Vae victis, verflixt, wo steckt denn bloß
der Lorbeerkranz, "auf dem Schlachtfeld unbesiegt" sollte dann irgendwann
noch der Dings sagen, der sich freilich ebenda, auf dem Schlachtfeld, hatte
besiegen lassen, wie war denn gleich sein Name, ja
dann heißt es naturgemäß nichts wie "in vino veritas, in Kneipo
GroKotas" (Tacitus, De GroKotia, revidierte
Ausgabe). Die zwei Dinge unter dieselbe
Haube bringen: Bruderschaft und Volksgemeinschaft. Welch ein Unterfangen!
Die politischen Ambitionen
hatten Vorrang, und der Einzelne musste schon wieder mal total erschöpft und
bevormundet und übervorteilt und hintergangen und an allen Nahten blutend
auf den zeitweiligen europäischen Jagdgründen
hinterher hinken. No sweat.
Krieg für die Einheit!
Einheit durch Krieg! Ein geiler Imperativ für alle, die ihren Mann stehen
wollten, Unsinn, was sag ich denn hier, ein geiler Imperativ für alle, die
wollten, dass die anderen in ihrem Namen und im Dienste einer
überpersönlichen Begrifflichkeit ihren Mann stehen, die Pickelhaube als von
dichterischer Seite metaphorisch attestierter Blitzableiter aufm Deckel, den
Gänsemarsch im Blut und das Sauerkraut samt Bratwurst servierbereit in der
Laube.
Ein kühner Blick auf die
Nächste Seite des Geschichtsbuchs: Was sehen wir? Hoch oben in den erhabenen
Gefilden des unabdingbar-urtümlich-bodenständigen Deutschtums unsere noblen
Ideale rund um die seit Urzeiten von fleißigen Ahnen immerfort peinlichst
bewässerte Weltesche, dazu den Eschenbach (which comes in rather handy, as
we happen to be at the watering part) und den Aschenbach (kann man nichts
machen: ashes to ashes) im trauten mythologisch veranlagten Duo
deutschsprachiger Ausdrucksweise; Wolfram von Eschenbach und Gustav von
Aschenbach; ferner einen vorzüglich eingedeutschten Espresso Doppio, ach!
Mamma Mia, von der Etsch bis an den Belt, du schönes tausendjähriges
Römisches Reich Deutscher Nation, der schmeckt; es schlürfe ein jeder
im schönen Modus Konjunktiv, und jetzt noch einen tüchtigen Schluck für die
Heimat, das Reich Bismarcks komme, das traute Traumbild Germania, und unsere
Hände seien nicht müßig im Schoße, na ja, Hegel hat’s ein bisschen anders
ausgedrückt, apropos, da wir nun schon mal etwas weiter in die Vergangenheit
dringen, gut gemacht, Arminius, old sport, denen hamma’s gezeigt, und
unten, unten unten unten, na ja, ganz unten halt die Menschen; das gemeine
Volk; die Hungerleider; Kanonenfutter im Dienste einer Vision, im Dienste
einer Fiktion, im Dienste einer Nation.
Dulce et decorum est pro
patria mori. Klar? Hmm …
Jawohl! Kein Thema.
Einer
grandiosen Vison, die sich allmählich aus den vielen "Kleinen von den
meinen" zu "einem Teil von jener Kraft" entwickeln sollte, um es mit
einem überdurchschnittlich begabten Dichterkollegen zu sagen, der in jeder
deutschen Stadt eine Straße sein eigen nennt. Ach! Könnt’ ich doch …
Antwort des Erdgeistes: "Du kannst mir mal."
Erdgeist ab.
Uns allen: dem deutschen
Volke, der deutschen Cloud und unserer digitalen deutschen Wolke. Mitsamt
bestirntem Himmel, versteht sich. Nur, wenn die Cloud zu dicht ist, kann
einer die schönen Sterne gar nicht mehr so gut sehen, was uns jedoch weiter
nichts ausmacht, denn man darf sie ja immerhin erahnen.
Stellt sich nur noch die
eine Frage: Wem gleichen wir? Oder: Wo zum Teufel steckt denn bloß
der Geist, den wir verstehen? Und handelt es sich dabei überhaupt um einen
deutschsprachigen Geist?
Mit Pickelhaube gegen Berg
und Tal. Anzuschauen überall. "Unser Bismarck hat das Zeug dazu, verdammt
nochmal!", eruierte Seine Majestät der König von Preußen, ein gewisser
Willi, der sich sehr, sehr gerne hätte zum "Kaiser von Deutschland" ernennen
lassen, was ihm ein handfester Begriff gewesen wäre, ein Titel, mit dem es
sich prächtig den Ku’damm entlang stolzieren ließe.
Zeitgemäße Aktualisierung der Preußischen Akademie
für historische Lethargie: "hätte entlang stolzieren lassen".
Bei
Königgrätz hab es bekanntlich gewisse Meinungsverschiedenheiten. Klartext:
Bruderkrieg. Aber nicht böse gemeint. Als Nächstes ging es dem Franzosen an
den Kragen, dem Pro-Macron-Menschen avant la lettre. Und puff! Weg war der
König von Frankreich. In Ketten. In Ketten made in Prussia. Und dann hieß es
nichts wie Ausschau nach brauchbaren Kolonien halten. Die allermeisten waren
freilich bereits vergeben, deren Völker längst unterjocht, niedergemetzelt
und unter Heranziehung verschiedener Folterwerkzeuge "zivilisiert". Doch was
soll’s. Der Fortschritt lässt sich nie aufhalten.
Den bayerischen
König-Wurschtl hamma darauf tunlichst mit ein paar Millionen geschmiert,
denn er war gerade mal wieder knapp bei Kasse, Stichwort Neuschwanstein &
Co, und das war’s dann schon wieder. Der Titel fiel uns (was hier heißen
will: euch) problemlos anheim. Deutscher Kaiser. Freilich hatte sich
Willi wie gesagt eigentlich mehr gewünscht: "Kaiser von Deutschland" oder
so.
Oh well, it is what it is.
Britischer Hausphilosoph ab.
Aber jetzt sind wir
– wenigstens in der EU
– allesamt sozusagen
Brüder und Schwestern, das hab ich höchstpersönlich im Fernsehen gehört, es
wird wie verrückt um die Wette gejubelt und gejodelt und getanzt und
gefeiert und demokratisiert und europäisiert, was das Zeug hält, weswegen
ich nach reifem Überlegen (und dem einschlägigen Genuss ein paar EU-konform
belegter Brötchen) den fundierten Entschluss gefasst habe, mit meinem
Bruder, den es bekanntlich einst aus dem vielgeliebten trauten Österreich
weit weg ins ferne Süddeutschland verschlagen hatte, unverzüglich Frieden zu
schließen. Im Biergarten. Am Tatort der Geschichte. Selbstredend bei einer
anständigen Schlachtplatte. Als innigstes Andenken an die vielen mehr oder
weniger heiligen Schlachthöfe der Geschichte. Und an den Zeitgeist, der sich
dahinter versteckt, der dahinter in Deckung geht, um zu sein: um zu werden.
Als erstes und letztes Ding der Entfaltung. Denn der Zeitgeist ist und
bleibt Österreicher. Dixit! In orbe ultima! Ich und du, Müllers Kuh. Da kann
der Hegel noch
so viel ausschweifen. Dass ma gescheit san, wissen ma selber.
Oans
muss i hier dabei unverzüglich in den Raum stellen: I hob nix gegen manen na
Germering umg'zogenen Bruder (ursprünglich hatte ich "ungezogenen"
geschrieben, was freilich ebenfalls wenigstens in etwa seine Richtigkeit
gehabt hätte, denn mein g'schätzter bayerischer Bruader ist, wenn
man’s recht bedenkt, in Hinblick auf manche bei den Oberen Zehntausend in
der Regel eigentlich so durch und durch obligaten gesellschaftlichen
Umgangsformen eben so ungezogen wie ich, was mit dem im Linzer Becken
– wo mir aufg'wachsen
san
– vorherrschenden
Haberer-Klima zusammenhängen muss). Er putzt sich erwiesenermaßen jeden Tag
die Zähne (dental records available upon request), mäht, wiewohl jetzt wie
gesagt Bayer, mit geradezu schwäbischer Besessenheit trotz der zahlreichen
ihm kraft des stillen Gesetzes der unsichtbaren Hand auferlegten Geschäfte
des Alltags immerhin fast zweimal die Woche seinen aus irgendwelchen Gründen
ewig-kunterbunten Rasen, rast jeweils sowohl vorher als auch
nachher unentwegt
– dienstlich, versteht
sich
– durchs halbe
Bundesland und leistet auch sonst einen kaum übersehbaren Beitrag zur
wirtschaftlichen Weiterentwicklung des irgendwie zeitlos
anmutenden Ballungsraums München und der vielen zeitweiligen Jagdgründe, die
sich rundherum ballen und ballern, um es kurz zu halten. Ja, also Tatsache
ist, mein bayerischer Bruder kann sich blicken lassen.
Und eines meiner
grundlegenden FB-Axiome besagt sowieso: The Greater München Area kann ich
leiden; kann jeder leiden; muss jeder leiden können. Like. Like. Like.
Liken können.
Alles, was
zum oberdeutschen Revier gehört, ist ja, so ein weiteres grundlegendes Axiom
der oberösterreichischen Sorte, an sich ganz in Ordnung. An allen Ecken und
Enden waschechte Hoamat.
Ich und
Mark!
Wir zwei! O mei!
Da lässt sich einer vieles gefallen.
Zum Wohl! Auf dass er unser Markgraf sei! Wie Rüdiger.
Na ja, Rudi und sein Ger. Sehr urtümlich. Sehr bodenständig.
Und es geht uns,
Privatsphäre-Affäre und Börsensturz und Wiedererholung und ewiges
korporativistisches Schmusen hin und her, immer noch leidlich. Auf Facebook
sehen nämlich alle Biergärten gleich aus. Grüß Gott, Bavaria! Grüß Gott,
Austria! Und den lieben Kaiser ham / ma auf Instagram.
Aber
mein Salzburg geb ich nicht her! Got it? Und möge mein allerdings nun
schon seit geraumer Zeit von Gottes Gnaden bayerischer König und Bruder
noch so wettern, dass er sich partout sein Land und seine Leute zurück
holen werde
– wobei er es, so will
mir fast scheinen, unverschämterweise nicht nur auf das Erzbistum Salzburg
und auf unser heimatliches Land ob der Enns, sondern zugleich auf sämtliche
nach dem k. und k. Schrumpfungsprozess übrig gebliebenen österreichischen
Jagdgründe bis hin ins entlegene Burgenland abgesehen hat; genau: total
unanständig; weder dulce noch decorum; recht hoams.
"Do setz di nieder!", sagt
der Bayer
– beispielhaft beiläufig
– bei sich. Schon von
alters her. Dass hiermit in dieser dialektal-dialektisch geprägten
Angelegenheit baiuwarischer Gesetztheit aus altösterreichischer Perspektive
heraus gleichsam von Amtes wegen förmlich Einspruch erhoben werden darf
und muss, liegt auf der Hand. Und dass der, sagen wir mal, bequem in
seinem gesamtdeutschen Richterstuhl in irgendeiner musikalischen
Millionenstadt an der blauen Donau sitzende Richter den Einspruch zulässt,
mag zum Teil daran liegen, dass jedes Exemplar der Subspezies Homo sapiens
sapiens mutmaßlich den Ritterstuhl der Vernunft in sich trägt, wie einer
meiner Freunde es unlängst auf begrifflicher Ebene total wasserdicht und
auch sonst jedenfalls erkenntnistheoretisch betrachtet recht gescheit
formulierte. Oder ins Bayerisch-Österreichische umgedreht: Der Richterstuhl
des Tischlers ist in seiner Zunft aufgeschlagen (frei nach Manuel Kanterle,
unsere Zeitrechnung). "Des Schreiners", sagt der g’schätzte deutsche Doktor
von und zu. "Des Schreiners." Und wir wollen das vorerst mal trotz eines
gewissen in gastronomischen, völkerrechtlichen und erkenntnistheoretischen
Angelegenheiten prinzipiell immer angebrachten Vorbehalts gerne gelten
lassen.
Nur, von und zu wos?
Na ja, von und zu irgendwas. Irgendwos.
"In
der Zunft" kann dabei ein Stuhl natürlich ebensowenig aufgeschlagen sein wie
"in der Vernunft", weswegen wir sicherheitshalber gleich einmal davon
ausgehen werden, dass der Philosoph (nennen wir ihn "unseren Manuel") es
schon wieder mal vorzüglich metaphorisch gemeint hat; wie sonst? Ebenso
metaphorisch wie "da Bayer", wenn dieser durch seine schlichte,
rechtschaffene Formulierung des philosophischen Setzungsvermögens in ein
paar wenigen grenzüberschreitenden Zügen einer intrinsischen Aufklärung der
Sinne die sogenannte Selbstsetzung des Daseins beschwört.
Einschlägiger philosophischer Kram
–
direkt vom Ethik-Krämer:
Schuster, bleib bei deinen Leisten! Right or wrong?
Bayer, bleib bei deiner Bratwurst!
Und bei deinem vollen Maß. Oans, zwoa, b’suffa!
Roter Bruder, bleib auf deinen Jagdgründen. Or else.
Preußischer Bruder, jag die Hunde
wieder in die Marschhöfe zurück!
Lass den Kaiser schaffen!
Genauer gesagt, lass den Kaiser schaffen lassen! In orbe weit und
breit. Da bin ich ganz unbiegsam, ganz steif, verstockt und … ja fast
preußisch. Die Krümmung der Donau im Sinn. Lentos. Kulturstadt mit groß
entfaltetem lichtem Segen und vielen dunklen Schatten. Das Salz in der
Kammer; gut verstaut. Gut und Habe Richtung Füchslein. Von Herrn Rabe. "Lass
uns nach Salzburg entfliehn! Es finden sich dort …" Ach was, Old Reineke.
Halt’s Maul! Zurück in deine Ecke! Und es war nicht Salzburg, sondern
Schwaben.
"Links, zwo, drei,
vier! In orbe ultima san mir! …"
[Gänsemarsch Richtung Marschhöfe]
Wos
is, des is. Wos net is, des is net.
Kurz und bündig. Über Dome, Berg und Tal. Hochdeutsch wie dialektal. Von der
schlichten Gelegenheitsphilosophie des fiktiven Privatgelehrten mit ganz
besonders beschränkter Haftung, der einer, Hand aufs Herz, doch unter
anderen Umständen durchaus hätte sein können, wenn, ja wennja wennja wennja
wenn, ins konkrete praktische Leben oberdeutscher Ausdrucksweise mit all
seinem O mei! und recht viel Tanaradei: zu allem, was der Fall
ist. Hier, auf österreichischem Grund und Boden, nicht im fernen Ideenreich
des Königsberger Dings an sich (Akte Ostpreußen, Kaliningrad
– nicht antasten; highly
classified).
Passt?
Jawohl!
Als Substrat des konkreten Daseins und
des praktischen Denkens diene uns ein anständiger Kaiserschmarrn. Das ist
vernünftig. Friedfertig. Gesamtdeutsch. Europäisch. Indeed partout souverän.
Europa, des is … des is …
Des is, wos des is! And
nothing else.
Zwischenmeldung:
Ich kann an dieser bedeutungsvollen
Stelle nicht umhin, es mal in aller Prägnanz als eine Art Prolegomena
bayerisch-österreichischer Art und Weise einzugestehen: Die Streitaxt wurde
erneut ausgegraben.
Nun
gut, ausgegraben ist viel gesagt. Mein Bruder hat sie eigentlich
zufälligerweise beim fünfjährigen Ausmisten gefunden. Wie sie überhaupt erst
in den erlauchten brüderlichen Hinterhof gelangte, dürfte im Moment wohl
kaum so ohne Weiteres nachvollziehbar sein. Schon seit drei Wochen schwingt
er sie nun jedes Mal vor dem Rasieren, indes er immer auch mal gerne mit dem
auf einem überdurchschnittlich umsatzstarken Flohmarkt in Neumarkt preiswert
erstandenen Swiss Army Taschenmesser an seinen Fingernägeln hantiert, Hurra
Helvetia, Alle für einen, einer für alle, wobei man naturgemäß gleich an die
tadellos gepflegten Klauen des Adlers denken muss, der nach ein paar
Jahrzehnten Urlaub nun schließlich seit der sogenannten Wende wieder auf
unserer (okay, auf eurer) good old Quadriga herumlungern darf, die übrigens
irgendwann im Laufe der Geschichte ihrerseits von den Stämmen jenseits des
"Vater Rhein" als Mitbringsel verschleppt und dann irgendwann auch wieder
tadellos heldenhaft zurück ergattert wurde.
Schwamm drüber.
Water under the bridge.
Ein nicht ganz so großer,
dabei jedoch bemerkenswert imperialistisch gesinnter Korporal korsischen
Schlages hatte sie, die Streitaxt, vor gut 200 Jahren denkbar
irgendwo zwischen Passau und Reichenau begraben. Und seit jenem Tag anno
1806 ist Salzburg wieder bei Österreich, Gott erhalte Kurz, den Kanzler. Er
hat’s gut gemeint. Das gesamte Sein österreichischer Gemütsauffassung in
einem überregionalen Instagram der Sinne geistig festzuhalten, dazu gehört
schon was. Right?
Right!
Ferner: Volk, begnadet für
das Schöne. Zitat zu Ende.
Kaiser und Kanzler over and out.
Nota bene: Das Volk als
Gesamtheit der Einwohner, und nicht als Volksgemeinschaft. Einverstanden?
Einverstanden! Denn das heißen wir heutzutage EU! Da hat jeder Platz. Auch
du!
Ja,
die Nationalhymne geht weiter, aber durch die leisetreterisch getätigte
Substantivierung des im eigentlichen Kontext dieses unser vielgeliebtes
Vaterland beschreibenden Adjektivs "schön" wollen wir (das heißt hier
ich: Pluralis Majestatis; und mach Er’s Maul wieder zu, s'il vous plaît)
einen entschiedenen Schritt Richtung Europa wagen. Genauer gesagt, einen
Schritt mit’m Pferdi oder eben einen Meter mit’m Wagen, je nachdem. Weit weg
vom engen mindset des Nationalen. Hin zum grenzübergreifenden
Gedankengut gesamteuropäischer Demokratie, gesamteuropäischer Souveränität.
Vive l’Europe! Und ich bin
es, der’s gesagt hat!
Ich! Ich! Ich! Demokratie!
Frisch rasiert bin i a. Passt?
Denn das Schöne hamma in
uns. Und um uns herum. Und über uns. Es ist der gesamtösterreichische Geist
(Größe: XXL), in dem die deutsche Seele ihren tieferen, europäischen Grund
findet, was übrigens auch meinem zum Bayer mutierten Bruder voll und ganz
einleuchtet. Denn schließlich kommt es nicht von ungefähr, dass das deutsche
Nationalepos von einem Österreicher verfasst wurde. Ganz nebenbei: Schon im
meines Erachtens sehr gut gelungenen Nibelungenlied heißt es, dass die
Bayern ausgesprochene Haberer gewesen seien, mehr noch, Wegelagerer, ja,
Räuber und Banditen. Doch die Burgunden-Wurschtl hatten Glück und wurden von
den Bayern "selten angerannt"; "selten" bedeutet hier "überhaupt nicht" und
"angerannt" bedeutet natürlich "überfallen". Typisch bayerisches Tun und
Treiben.
Nun gut, Markgraf Rüdiger
stand ja auch noch jederzeit in totaler Einsatzbereitschaft. Mit all seinen
Mannen. Nur so, für den Fall der Fälle. Zum Beispiel, wenn die Bayern
gekommen wären. Des woa unser Mark,
da Graf. Zuckersüß.
Gefällt mir. Gefällt mir.
Gefällt mir.
Und
dass die Deutschen unsere alte Nationalhymne geklaut bzw. entwendet oder,
noch besser, sich
– ganz im Schillerschen
Sinne
– angeeignet haben, Su
casa es mi casa, wollen wir dem großen deutschen Bruder im fernen nördlichen
Plattland erst recht nicht verdenken, denn es wird ja schließlich unter
anderem gerade dadurch weiterhin mehr oder weniger ausdrücklich unserem
guten alten Kaiser Franz (bzw. unserem guten jungen Kanzler Kurz, derzeit
Kaiser von Wien, Rom und Bruxelles) gefront. Die deutschen Stämme brauchten
schon immer eine Vaterfigur. Make no mistake, diese Vaterfigur war, ist und
bleibt mit Verlaub unser Kaiser und Kanzler. Denn in der Kürze liegt die
Würze.
Schon gut, schon gut. Und
euer Rhein, den der Pro-Macron-Mensch freilich für sich beansprucht: "C’est
a moi! A moi! A moi! A moi!" Na ja.
Demokratie hin und her,
einer muss immer entscheiden, wo’s lang geht. Und wie aus der Deutschen
Nationalhymne ersichtlich, is des good old Franz.
Nur, warum war denn der
Krieg überhaupt nötig? Wäre Freud noch da, so könnten wir ihn mal kurz
fragen. Aber Freud ist jetzt weg. Wie soll einer da noch ausmachen, wo Es,
Ich, Bruder-Ich, Super-Ich und Über-Ich in Reih und Glied marschieren
können, ohne den historischen Staub am Straßenrand der Geschichte allzu sehr
aufzuwirbeln, und zwar auch dann, wenn es schon lange nicht mehr geregnet
hat?How should one go about it?
Am
besten, wir halten uns an Mythen. Zum Beispiel an die alten germanischen
Heldeng’schichten. An die Götter. An die Lagerfeuer im nahen Indianerdorf,
an Kafkas K, an Karl Mays guten alten Shatterhand und an Alex von Humboldt,
die drei berühmten Vermesser dieser Welt, an Meier Helmbrechts vermessenen
Paris (gemeint ist hier also der Mann, nicht die Stadt; just saying) und
seiner auch sonst bedeutungsstrotzenden Haube (die wohlgemerkt keine
Pickelhaube war), mit einer kurzen rede sleht and on and on we go.
Wobei "sleht" aber nicht "schlecht" bedeutet, sondern "schlicht".
Klartext: Daz maere iuch
niht betriuget.
Neudeutsch: No kidding.
Anhörung des Großen Affen: "Don’t try to kid me, man cub!"
Bruderherz! I wanna talk
like you, I wanna walk like you, I wanna be like you!
Blitz und Donner. Oder lieber doch
Donner und Blitz? Wollen wir wirklich wie die Deutschen sprechen, wie die
Deutschen des Weges wandeln, wie die Deutschen san? Die Antwort lautet: Hmm
…
Aber ich hab meinen
wackeren bayerischen Bruder jedenfalls immer sehr bewundert, als wir noch
beide Österreicher waren. True Austrians. As Austrian as Austrian gets.
Mehr noch, er war mein g’schätzter Lehrer in Sachen Streiche-Begehen, in
Sachen Schleichen-Spielen, in Sachen Dem-Haberer-Entkommen, in Sachen
Den-Kern-der-Sache-Ergründen, wenn immer es mal darauf ankam (und es kam,
Hand aufs Herz, doch eher oft darauf an, wenn man’s recht bedenkt).
Heimatkunde wäre in diesem Zusammenhang wohl das passende Wort. Ich hab ihm
auch immer alles geglaubt, was er während unserer glorreichen Kindheit in
Oberösterreich in groben Zügen oder eben mit vielen feinen Details an die
Wand malte, wenn wir nur so gemeinsam dem Sinn des Daseins
nachgingen, um in Erfahrung zu bringen, warum und wie sich auf dieser Welt
(und gegebenenfalls auch auf der nächsten) wo was um was dreht, denn in
seinen aus einem Teil Fakten und aus einem Teil Faken
bestehenden, ungeniert in die Wirklichkeit unseres schlichten
Lausejungen-Alltags hingezauberten Geschichten, in seiner ungebändigten
Neugier, in seiner ureigentlichen Abenteuerlust steckte so viel
Wahrhaftigkeit mit drin, dass es der nicht-fingierte Ablauf der jeweiligen
Ereignisse nie und nimmer damit hätte aufnehmen können. Vom bereits
erwähnten, durchaus g’schätzten Nibelungendichter, dem sozusagen schon vor
geraumer Zeit die erste gescheite Dichtung auf oberdeutschem Grund und Boden
gelungen war, bis zu Alexandre Dumas, Victor Hugo, Karl May, Mark Twain,
Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald sollte sich später noch ein starker
Bogen spannen: der Bogen meines Bruders. Unser Bogen. Und irgendwann
wurde mir klar: Er hat ihn mir geliehen. Damit ich das, was ich zu sagen
habe, auch schreiben kann. Auf dass ich es weit in die kleine Ewigkeit
unseres rückblickenden Erwartungshorizonts zu schießen vermöge. In orbe
ultima, wie es der andere Besitzer des Bogens formulieren würde
(nennen wir ihn Parallelbesitzer oder Gegenbesitzer), hätte er
sein Vehikel der poetischen Kommunikation nicht übermäßig verziert und somit
frühzeitig mundtot gemacht. Good old Lessing war mit dabei und hat’s
bezeugt.
Fast
will ich jetzt schon glauben, mich ganz genau daran erinnern zu können, wie
wir beide back in the day die Zweite Lautverschiebung in Gang
brachten. Freilich war mein Bruder damals wie gesagt ebenfalls Österreicher,
voll und ganz Österreicher und nichts als Österreicher. Und München ist
bekanntlich ein kleineres Innsbruck, ein Almost-Innsbruck, ein
Versuch Richtung Tirol. Streng genommen fehlen da ja eigentlich nur die
Berge.
Und jenes gewisse Etwas,
dessen unsereiner, das redliche deutschsprachige Fußvolk österreichischer
Ausdrucksweise von Wien bis Bregenz (okay, vielleicht nicht bis Bregenz, das
wäre jetzt wohl vielleicht doch einigermaßen überzogen, denn Vorarlberg ist
eben nun mal Vorarlberg; also von Wien bis Bozen; Servus und Ciao!),
teilweise auf begrifflicher Ebene, teilweise in den höheren Sphären des
Gemüts, wohin uns das Ewig-Österreichische mal kurz hinan zieht, um
es mit einem meiner Cousins zu sagen, so durch und durch gewahr wird, wenn
der Adler, dem wir fronen, mit einer kaum spürbaren Bewegung seiner
Schwingen die vier Winde teilt, von denen sämtliche Nachrichten getrieben
werden, und eine weiterreichende Entfaltung der Dinge bewerkstelligt, deren
wir allesamt teilhaftig werden; und ganz unten, wo wir Menschen sind,
zwitschert die Nachtigall ein letztes Tweet, schmeißt uns der Bundeskanzler
ein letztes Instagram zu, geht der Haberer seinen mal total grandiosen, mal
total dubiosen Geschäften nach. So isses.
So und nicht anders. In
mir stecken jetzt, das sei hier in einem winzigen Augenblick
transatlantischer Beichte gestanden, Poseidon, der Heilige Oberhäuptling
aller Wassermänner und Oberpriester sämtlicher Salzwasser unseres prächtigen
Planeten, ein geradezu mythischer Doppelagent, dem später der Name Neptun
zugerichtet werden sollte, war es, der mir die Beichte abnahm, ein Haufen
deutschsprachiger Schriftsteller, die den Rahmen des Österreichischen
sprengen, von den französischsprachigen, den englischsprachigen (und den
paar Russen) ganz zu schweigen, und mein Österreich-Diskurs mag wohl, was
ich an dieser Stelle meines Bruderzwist-Reports offen zugebe, durchaus etwas
allzu Folkloristisches an sich haben, nur steht es eben nun mal von alters
her einem jeden offen, die Welt durch die Linsen seiner Kindheit zu sehen,
und meine ersten Erinnerungen sind, daran kann kein im Nachhinein
gezeitigter bzw. gefakter Pinselstrich was ändern, in rotweißrot gefärbt.
So
ticke ich. So hab ich schon immer getickt. Auch dann, als mein Lebenspfad
durch die unwillkürlich hinreißenden Schluchten der Karpaten bzw. durch die
geheimnisvoll ausgedehnten Wälder der kanadischen Wildnis führte.
Ein Laufbursche ereilt uns
aus dem fernen Indianer-Dickicht ewiger Eintracht und Bruderschaft. Mein
g’schätzter Bruder aus Newmarket, Ontario hat ein Totem niedergekritzelt. "I
hob g'heat, dass zwischen dem Stamm der Bayern und dem Stamm der Salzburger
scho’ wieder die Streitaxt ausgegraben wurde. Kopf hoch! Ich steh hinter
euch! True patriot love in all thy sons command! PS: And in all thy
daughters, too." Middle English.
"Was will denn das
heißen?", frag ich den Laufburschen (eigentlich ist es ein Schwimmbursche,
na ja; egal). "Hinter wem steht unser Bruder? Hinter Österreich oder hinter
Bayern? Hinter uns oder hinter denen? Mir ham ja anen Bruderzwist. Und warum
trägst du keine Schwimmweste?"
"In Habsburg?", fragt der Bua.
"In Salzburg. In und um Salzburg."
"Aha. Alles klar", sagt der Bua.
"Ja wos denn? Wos is klar?"
"Woas i net", sagt der Bua. Und weg isser. Mitsamt der unsichtbaren
Schwimmweste. Sein Kanu? Unsichtbar am Horizont. Ich ruf wohl am besten mal
kurz den Aschenbach und die Bachmann an. Oder ich schick den beiden eine
WhatsApp.
– Hey, guys! What’s up?
– Nix is up. Und mir san
net z’Haus.
True patriot love. Null zu
null. Unentschieden. Es kommen härtere Tage.
Fassen
wir’s zusammen. Aus Kanada dürfte also wohl kein Schulterschluss für das
vielgeliebte Vaterland zu erwarten sein. Wenigstens deckt die vage, allzu
vage kanadisch-brüderliche Formulierung prinzipiell patriotischer und dabei
in der unscharfen Formulierung altkanadischer Gemeinplätze wohlgemerkt
allgemein-gültiger humanistischer Grundeinstellung auch den Bayern
keineswegs den Rücken. Ergo: Alles in Stellung! Wir weichen keinen Schritt!
Die Kanadier stehen
– wenigstens irgendwie
im geistigen Sinne
– hinter uns! Biberfelle
und Roggenfleisch für jedermann! O, Austria, we stand on guard for thee!
On guard?
Ob ich mir nicht einen
neuen Medizinbeutel beschaffen sollte? Mit Edelweiß, Mozartkugeln und einer
coolen Falco-CD? Ob das helfen würde? Rock me, Amadeus!
You bet!
Das wollen wir nur immer hoffen!
Mein Entschluss ist
endgültig. Unanfechtbar. Kategorisch und imperativ. Ich stehe so lange am
Neutor (Salzburg) Wache, bis mein ganz bestimmt bald über die Reichenhaller
Straße in voller Montur auf seinem Bio-Gaul angerittener bzw. in seinem
umweltverschmutzenden Opel direkt aus Bad Reichenhall vorgefahrener
bayerisch-brüderlicher Widersacher wieder abzieht. Und ist er nicht willig,
so brauch ich Gewalt. Auf Oberdeutsch: Or else.
In
ein paar Runden krieg ich ihn mit ein bisschen Glück bestimmt unter den
Tisch, und dann treib ich ihm den ganzen Blödsinn wieder aus. So wie der
gute Figl seinerseits dem Russen, wie hieß der Dings denn gleich, den
Staatsvertrag bei ein paar Runden Vodka tunlichst abgequatscht hat
– oder wie wir
Bleichgesichter den "kanadischen Indianern" das Land abgekauft haben, auf
dem sich heute der Ballungsraum Toronto befindet. Geheimakte
The Toronto Purchase.
Unantastbar.
Auf einmal kommt mir der
rettende Gedanke: Frieden, nicht Krieg. Bratwurst und
Mozartkugeln schließen einander nicht aus, haben einander nie
ausgeschlossen. Sie san komplementär
– aber so ganz ohne Classe
élitaire.
Die ist nämlich weit weg. In der fernen Schweiz, wo man immerhin auch
recht viel jodelt. Da wagt sich aber kein Bayer hin.
"Ich hab’s! Trinken wir
Bruderschaft!" Ach ja, stimmt. Mir san scho’ Brüder. Nun gut, dann rauchen
wir eben den Frieden-Tschick.
Schon wieder? Ja, schon
wieder. Aber nicht im Haus. Auf dem Balkon. Tür zu, bitte.
Ein edler Tropfen kann
nicht schaden, entkommt es uns mit philosophischer, ja, was sag ich denn
hier, mit geradezu kantischer Verbindlichkeit. Doppelt destilliert: einmal
österreichisch und einmal bayerisch. Mein Bruder ist jetzt bereits ganz in
Gedanken versunken. "200 Jahre Salzburg bei Österreich!", postulierte ich
noch mit allerletzten Kräften, bevor auch ich
– in orbe ultima
– fast tot umfalle. Das ergibt
einen kolossalen Kater! Genau, was wir vorhatten. Etwas Kolossales hamma vor
g’habt!
So
… Vorbei ist vorbei. War aber für eine gute Sache. Für die Hoamat. Fürs
vielgeliebte Vaterland. Denn der lateinische Haberer, der Habereus bereus,
hatte a priori recht: Dulce et decorum est pro patria saufi. Und das
Innviertel geb ich auch nicht her. Schärding ist und bleibt mitsamt seiner
unverkennbar vorbildlichen Gemütlichkeit ein mit allen Wassern des Inn
gewaschenes österreichisches Richtbild par excellence. Like I’m telling you:
A.E.I.O.U.
Denn es mag zwar durchaus
stimmen, dass die Salzach seine österreichischen Wasser den benachbarten
Bayern hinzu führt, wo sie immerhin der brave und fleißige Inn auffängt. Um
sie darauf gleich wieder ins vielgeliebte Österreich zu retten, stoßen wir
drauf an, zum Wohl, aber, und das gehört hier naturgemäß zur Sache, der Inn
mündet in die Donau, und die Donau ist, Schwarzwälder Kirschtorte hin und
her, ein österreichischer Strom, ja der österreichische Strom, und
dadurch zugleich der europäische Strom par excellence.
Ins Bayerisch-Brüderliche
übersetzt: Zwar ist mein Bruder jetzt mal kurz drüben, doch sein Herz
(wohlgemerkt ein zutiefst oberösterreichisches Bruderherz) hat nie aufgehört
zu ticken. Oder um es mit dem Medizinmann zu sagen: Sein erster Linzer
Doppellutscher ist nie völlig geschmolzen. Ein wenn noch so winziger
Teil davon hält dem teutonisch geprägten Wärmetod des Gefühls nach wie vor
stand.
Und
jetzt, da ich meinen Rausch wieder einigermaßen unter Berücksichtigung
europäischer Regelungen, Normen und Werte ausgeschlafen hab, schließe ich
unverzüglich einen bis aufs Weitere entsprechend verbindlichen Vertrag mit
meinem Bruder vom
– nun auf einmal nicht mehr
ganz so feindlich gesinnten
– bayerischen Stamm der
Germeringer ab.
"San ma wieda guat?" (# 1
Absatz 1 Satz 1 BRO)
"San ma wieda guat!" (# 1 Absatz 1 Satz 2 BRO)
Von Fragezeichen zu
Rufzeichen erstreckt sich unsere kaiserlich-königliche interkulturelle
Vergangenheit, in der natürlich auch gleich mal vom Anbeginn des Daseins,
ach was, vom Anbeginn des gesamten Seins die Zukunft mit verwoben steckt.
Handschlag drauf! Und eine dicke Rauchwolke der Verständigung. Unsere gute
alte oberösterreichische Friedenspfeife. Mit Heimatliebe gestopft. Bio-Tabak
von heimischen Trafikanten. Keine gottverdammte Schmuggelware aus den
Niederlanden. Und auch nicht aus Lower Saxony oder Upper Canada. Zu zweit
lässt sich ein jedweder Traum in brauchbare Wirklichkeit umwandeln.
So haben wir, mein aus der
irgendwie immer noch recht idyllisch anmutenden Urtümlichkeit
oberösterreichischen Seins im Laufe der Historie für das Leben zum Stamm der
Bayern übergelaufener Bruder und ich, der selbst in der Ferne der lieb
gewonnenen Stürme und brausenden Wogen des Lake Ontario stets Bodenständige,
es schon immer gehalten; von klein auf. Und Kleinmünchen (Linz an der Donau;
Stichworte: Mühlbach und Traun) ist
– genauso wie Innsbruck
– nicht kleiner als München;
ist es nie gewesen.
– Was san ma?
– San ma wieder guat!
– Wann san ma’s!
– Now!
Kein
Wunder, dass unsere Kindheit im breiteren Wirkungsfeld des Salzkammerguts
immer noch wie ein zum Teil ernsthaftes und zum Teil spielerisches Echo
der Zeiten, die nach wie vor in der Bilanz des Weltalls im Großen wie im
Kleinen zuallererst zählen und dabei rotweißrote Urtöne der Zeitlosigkeit
setzen, bis ans Ende der Sagbarkeit in unserer inwendigen Ohrmuschel
widerhallt, mehr Wirklichkeit einheimsen will, dem einst Erlebten oder
Erträumten immerfort eine jeweils neue, frische Wendung gibt und sich kraft
ihrer unwahrscheinlichen Diskursivität gleichsam immer wieder in großen
Sätzen ins Mythisch-Märchenhafte rettet. Weit über den Zeitraum hinweg, der
ihr ursprünglich beschieden gewesen war.
Kein Wunder, dass sie noch
da ist. Da, wo wir sind. Dass ihr gleichsam kein Verfallsdatum
anhaftet, wie der Dichter dichten würde, wenn er jetzt noch bei Sinnen wär.
Dass wir dasjenige, was der Fall war und ist, immer auch loud and
clear auszusprechen wagen. Und dass wir's sogar einigermaßen fehlerfrei
niederschreiben können, wenn’s denn unbedingt sein muss. Mit
altösterreichischer Tinte und mittelhochdeutschen Zitaten, den Bogen unseres
vergrößernd rückblickenden Erwartungshorizonts aus einem bedeutungsvollen
Ballungspunkt des Seins heraus gespannt. No kidding.
Und dass wir auch im
Verschweigen der Dinge, die man nicht so einfach in Worte fassen darf
und/oder kann, einer gewissen Beredsamkeit keineswegs entbehren. Trotz des
blöderweise zunehmenden Unbehagens in Politik und Kultur, trotz der großen
europäischen Fragezeichen an allen Ecken und Enden einer
neuen bisweilen grundsätzlich verwirrenden Völkerwanderung, wo dein sanfter
Flügel weilt.
dein Flügel weilt dein Flügel weilt dein Flügel weilt
Debug the system.
Hol’n ma das Ungeziefer
raus aus dem Programm.
Right! Dazu brauchen wir zuerst mal ein Programm.
Am besten ein gesamteuropäisches, wenn ich mich nicht irre.
Denn der sanfte Flügel unseres Adlers weilt über Berg und Tal.
Anzuschauen überall. Vive la France!
Oisa servus to y’all.
And off I go to higher grounds. Mitten rein ins Hochdeutsche. Dem Bayer
ist es recht.
Feuertrunken
san ma. Geist und Seele in der Tasche. Euro, Schilling. Taler, Kronen,
Kreuzer, Heller
– und behelligen lassen wir uns
auf keinen Fall! Wie brachte es denn gleich der Dings ins Reine, der Dings
an sich? "Habe den Mut, feuertrunken zu sein! Habe den Mut, dich deiner
inneren Glut anzuvertrauen. Habe den Mut, dich deines eigenen Feuerzeugs zu
bedienen, ohne irgendeinen Passanten um Feuer
– na ja, streng genommen um
Feuer und um einen Tschick
– bitten zu müssen, wenn du
deine brüderliche Friedenspfeife anzündest."
Muot, dasbedeutete früher
Seele. Alles klar.
Ach! Sturm und Drang und
Bum und Bang!, sag ich doch immer. Sturm und Drang und Geist und Seele und
Besitz und Bildung! Und Freiheit und Demokratie und Souveränität soweit der
Blick reicht! Aber ganz gemütlich, das kommt: ganz köstlich kaiserlich.
Der Kaiser und Kanzler ist
vorbei stolziert. Er hat uns zugewinkt. Servus, Majestät! Ave, Cäsar!
Ich denke, er mag unser Instagram.
Ave, Landsleute! Nur immer weiter so! Salzburg bei Österreich!
"Erbauliche Weltanschauung
deutschsprachiger Ausdrucksweise, auf dich ist Verlass, egal in welchem
EU-Stamm einer sein nobles Dasein fristet! Vive l’Autriche! Vive l’Europe!
Vive le Salzburg libre!" Wie um die Gewogenheit einer großartigen
oberdeutschen Perspektive hemmungsloser Brüderlichkeit am
bayerisch-salzbürgerlichen (okay, salzburgischem) Tatort unter geschmeidiger
Heranziehung eines Dings der praktischen Vernunft zu untermauern, holt mein
Bruder sein neues, kostbares Feuerzeug zum Vorschein. "Oben auf der
Zugspitze für ein Heidengeld erstanden."
"Toll", sag ich. "Zeig
mal."
"Da." Mein Bruder reicht mir das Prachtstück von einem Feuerzeug. Es ist
kunstvoll verziert. Wie Lessings Bogen. Potentielle Energie als Ballungsraum
des Seins.
"Sammlerwert", fügt er
noch gelassen hinzu. "Ich verwende es nicht. Sonst wär ja bald alles hin.
Aber ich könnte es jederzeit verwenden, wenn ich es nur wollte."
Alles
klar. Wenn, ja wenn. Mein Bruder lässt das Feuerzeug wieder in einer seiner
zahlreichen Seitentaschen verschwinden; nicht einmal Old Shatterhand hatte
mehr Seitentaschen, das sei nebenbei erwähnt. Ich muss tief einatmen.
Wer ist hier der erfahrene Westman? Wer das Greenhorn? An der Frage
wollen wir zunächst mal sozusagen locker festhalten. Sie kann dem Feuerzeug
Gesellschaft leisten.
Zweckmäßige
Verstau-Optionen für aufschlussreiche Seitenansichten. Zurück in den
allumfassenden Zustand des Möglichkeitsmenschen, den Zustand des
Aufgehobenseins.
Und er tut gut daran, wenn
ich mich nicht irre. Zündkraft intakt. Die Worte, auf die es ankommt, werden
nie zur Gänze ausgesprochen. Was vom Satz übrig bleibt, klebt an
schwerelosen Semen. Weder die schwache Wechselwirkung noch die starke
Wechselwirkung kann ihnen was anhaben.
Bedeutungsvoll schweigen:
nicht jedermanns Sache. Zuneigung. Abneigung. Anziehung. Abstoßung. Eine
Gestalt löst sich aus dem dürftigen Kaum-Sein jenseits der Hecke. Es ist der
Haberer. Der Haberer. Ein ferner Cousin des Doppelgängers. Der
Haberer par excellence.
Dem
Haberer ist was eingefallen. Er pirscht sich an den Horizont heran. Dieser
weicht aus, jener setzt ihm nach. Der Horizont blickt zurück, verdammt, ich
hatte ihm doch gesagt, er soll nicht zurück blicken, Stichwort
Erstarrung-Gefahr, warum tut er es bloß, naja, egal, auf jeden Fall blickt
er zurück und wartet eine Weile lang auf den Welt-Haberer. Es handelt sich,
das wird mir erst jetzt doch wenigstens einigermaßen klar, um den
rückblickenden Erwartungshorizont. Metaphorisch bis in die Mark.
Der Philosoph ist freilich
schon längst schlafen gegangen. Aber wir mögen uns immer nur ruhig daran
versuchen, die Prägnanz der semantischen Spannungskraft einer Metapher mit
der (allerdings nicht immer gegebenen) Bedachtsamkeit des Erwachsenen auf
die ewigen Jagdgründe der Kindheit zu retten, wo ein schlichtes trautes
Narrativ der Zugehörigkeit in einer kleinen Patsche aus Raum und Zeit
jeweils brav darauf wartet, immer wieder neu geformt zu werden. And that’s
the way it is.
Sammlerwert. Das Wort
trifft den Nagel auf den Kopf. Das ist es, was die eine
bayerisch-österreichische Geschichte (sowie auch die ihr zugrundeliegenden
vielen persönlichen brüderlich-österreichischen Geschichten) ausmacht, aus
der sich unser europäischer Diskurs deutschsprachiger Ausdrucksweise ergibt.
Sammlerwert. Eine paradigmatische Aufhebung dessen, was wir erlebt haben und
der Dinge, die noch auf uns zukommen, die noch in uns stecken, die schon
immer in uns gesteckt haben. Lausejungen-Identität als EU-Narrativ. Spitze!
Und
das Gute dabei: Jetzt hamma kaanen Bruderzwist mehr. No discord
whatsoever. Jedenfalls net um Salzburg. Only twist in my sobriety,
wie schon die Minnesängerin vor gar nicht so langer Zeit vollkommen richtig
festgestellt hatte. Ein Berufskollege der verunsichernden Sorte durfte
darauf die bunt bemalten tapferen Krieger vom Nachbarstamm der Bayern mit
spezifisch österreichischen Ausdrücken unter Beschuss nehmen. "B’soffen. Mit
einer Kiste Bier." Drüben werden sie als spezifisch bayerisch aufgefasst.
Aber klar! Der Doppelgänger. Der Andere. Der Haberer.
Das nenn ich gute
Kulturpolitik! EU-weit ever after identitätsstiftend.
Wer ma san? Oder: Wer
mir san? Dies ist die Frage.
Tja, wer sollen wir schon sein? Immer noch die selben, give or take.
Und es gibt nichts Faules im Land ob der Enns. Und im Erzbistum Salzburg
erst recht nicht.
Der Bayer hat sich wieder
hin gesetzt. In seinem Biergarten ist er der König. Lassen wir diesen
alten bayerischen Brauch gelten. No contest.
Aber eben auch nur
in seinem Biergarten.
Nicht auf unserer Festung.
Howgh! Die Streitaxt wurde
begraben.
So wie es ist, wird’s wohl auch bleiben.
In orbe ultima.I.O.U.Auf gut Kanadisch: I owe you.
Bruderherz, i schuld dir wos.
Oisa gehn ma.
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