Okay,
Bulle … Na ja. Also fix is bekanntlich nix. Aber die g’schätzten drei grünen
Haberer from outer space, die sich noch einige Zeit in der näheren Umgebung
der "Area" zu schaffen machten, moch’n ma amoa’s Licht an,
leuchte, mein Stern, leuchte, bevor sie sich dann wieder, bye, bye,
earthlings, God bless! and take care, auf ihr schickes Raumschiff beamen
ließen, meinten, die Schrift sei echt.
"Wahrlich! Schriftos
echtos!" Und neben dem Brief stand seltsamerweise eine Flasche Rotwein anno
1989. Revolution pur! Entkorken wir sie doch gemeinsam!
Für freie Wahrheit, geile
Demokratie und virtuelle Wirklichkeit!
Am zum Teil fiktiven Wesen soll die ganze Welt genesen!
Denn schon die alten
Haberer sagten:
"Oisa wiss’n ’S wos? In vino veritas!"
Gutachten des geschätzten Harvard-Haberers
Also
jetzt mal unter uns: Es hat keinen Sinn, das länger zu verschweigen: Der
Genosse ist wieder "in". Ich hab die Dracula-Bulle durchaus
studiert (mit heißem Bemühen), seinen hochgelahrten klassisch-romantischen
Vampiren-Brief, in dem doch zugleich so viel Sturm und Drang mit drin
steckt. Der redliche Toronto-Scout leistete volle Arbeit. Und die
g’schätzten drei grünen Haberer from outer space haben recht: Die Bulle ist
authentisch. Meine Frau meint das übrigens auch. Und sie kommt aus Kentucky.
Jetzt unterrichtet sie ebenfalls an der Harvard. Toll, nicht?
Dreißig Jahre nach
Tian’anmen meldet sich also ausnahmsweise endlich mal der gute selige
Diktator Nicolae Ceausescu aus seinem selbstverschuldeten Exil in den Wirren
des Dark Web zum Wort. Manche sagen ja, er habe sich in Wirklichkeit
eigentlich die ganze Zeit bei den alten Nazis on the dark side of the
moon aufgehalten.
Die spinnen natürlich.
Andere behaupten, die
Amerikaner standen 1989 immer noch hinter ihrem Ceausescu und versuchten
sogar, ihn im Dezember aus den Händen der pro-sowjetischen Putschisten zu
befreien. Mit gut sechshundert Kampfhubschraubern. Hip, hip! … Ma man!
Alles für "unseren Mann in Bukarest"!
Die spinnen auch.
Und andere wiederum sagen,
das sei nun alles wurschtegal. Besonders die Wiener. Namentlich die Wiener
Polizei, die im Dezember 1989 so freundlich war, prompt zu bestätigen, dass
sich der selige Bruder des Diktators, Marin Ceausescu, das Oberhaupt der
Rumänischen Wirtschaftsmission in Wien, an Ort und Stelle, also in der
schönen Schattenstadt der Spione, mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit wohl selbst erhängt haben wird. Denn es wollte sich eben
kein geständiger Mörder einfinden, so Kripo-Inspektor von und zu Hanswurst.
Na von mir aus Augen zu. Aber ohne von und ohne zu.
Und
nach Mördern suchen tun ma net. Und die Geldspur hamma leider angesichts der
international gebotenen, tja, also angesichts der … Wos? Welche
Geldspur? Wos? Wos?
"Es gab keine Geldspur. Es
gibt keine Geldspur." Und schon wurden die Ermittlungen eingestellt. Im
Dickicht dichten die Dichter. Sie verarbeiten, sie retuschieren, sie
überliefern die Mär, das Märchen vom spontanen Volksaufstand. Eine neue
Geschichtsschreibung, ja, warum nicht, eine bessere Geschichtsschreibung,
Freunde, will ich euch dichten!
"Hü-hott!", weiß es der
Fiaker auf den Punkt zu bringen. "Mir müssen uns nur arrangieren."
Dem g’schätzten Räuber
Hotzenplotz soll’s recht sein. Er ist mit von der Partie, komme, was
wolle. Freiheit und Demokratie!, beteuert er lautstark. Sein großer Sack
steht wie immer bereit.
Das Motto? "Die
unsichtbare Hand!" Er macht es sich auf der Landstraße bequem, während das
Land naturgemäß in die Sackgasse mündet. It’s the economy, stupid!, greift
der g’schätzte Herr Räuber Hotzenplotz Billy Clintons Spruch wohlgemerkt
out of context auf. Ein kleiner Schritt für den Unternehmer, ein großer
Quantensprung fürs Unternehmen. Dulce et decorum est pro … Pro, pro, pro.
Ach was! Dulce et decorum est. Mein Privateigentum ist mein Heiligtum, klar?
Wie bitte? Wo ich das geklaut habe? Das ist eine private Information. Meine
ureigene Privatsphäre. Menschenrechte! Comprende? Die Deutschen haben
gesagt, meine Menschenrechte seien heilig. Und jetzt fahr ich übrigens mal
nach Deutschland. Da ist gut sein!
Der
Hotzenplotz hat nach der Wende hüben wie drüben Geschäfte gemacht. Er mag
die Freizügigkeit. Er mag die österreichischen Absatzmärkte für sein
walachisches Holz. Er mag die nach der Wende tunlichst geschaffene Wüste in
Oltenien, auch Olteniens Sahara genannt. Er mag seinen in redlicher
Gaunerarbeit erworbenen Reichtum. Und er mag natürlich die Korruption. Ohne
Korruption kein Business. Ohne Business keine Freiheit. Ohne Freiheit kein
BMW. Ohne BMW keine GmbH. Keine Demokratie, keine Haberer-Orgie.
The Wealth of Nations.
"This is the end", singt
der Minnesänger. "Und am End’, am End’, am End’ … ja am End’ is olles
wurschtegal. Puff! Vorbei. Verpfuscht. In die Geschichtsbücher verbannt. The
end. The end. The end."
"Fürwahr! This is the end,
beautiful friend! Aber nicht für mich!", frohlockt Dr. Hotzenplotz. "Für
mich beginnt jetzt das schöne Leben, die Freie Marktwirtschaft, die geile
Demokratie, das Big Business des kleinen Mannes an der Hecke. Wegelagerer,
das war ja früher mal ein respektierter Beruf. In meiner Kultur ganz normal.
Was soll denn jetzt auf einmal so falsch daran sein? Es nimmt sich halt ein
jeder, was er kann. Das ist die unsichtbare Hand. Adam Smith. It’s the
economy. This is the way the world works. Außerdem braucht Europa eine
stattliche Wüste. In jedem noch so kleinen Sandkörnchen der neu
gezeitigten Rumänischen Sahara wird das ganze Kontinuum des Daseins aus den
Angeln gehoben. Klar? Business! Business! Business!"
"The end. The end. The
end. Ach wie vergnügt ist doch mein Ende …" Zeit zum Sterben? Der
Minnesänger hat eben keinen Sinn für die global markets und die neuen
Haberer.
"Wo
ist denn mein Bewässerungssystem?", will nun auf einmal Seine Exzellenz der
Selige Diktator erstaunlicherweise wissen.
"Geklaut, Boss. Nach Ihrem
Tod. Sorry, Genosse Diktator. Sämtliche Röhre. Wie alles andere auch. Wir
sagen aber gern, dass Sie es gewesen seien, der sich damit aus dem Staub
gemacht habe. Im wörtlichen Sinne. Denn jetzt gibt es hierzulande Staub in
Hülle und Fülle. Stichwort Sahara. Rumäniens Sahara. Rumänien als Sahara.
Regime change. Tja, die grüne Seite eines Verfassungssystems. You know,
Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Malta!"
"Ach so! Passt. Hmm …
Alles runtergewirtschaftet? Das ist ja noch schlimmer als in meinem
Albtraum. Whatever. Ich bin eh längst tot. Ihr könnt mir ruhig alles in die
Schuhe schieben."
Für einen, der sich
dreißig Jahre lang als gottverdammter Zombie auf der dunklen Seite des
Mondes aufgehalten hat, scheint der selige Erz-Diktator der tristen Figur ja
trotz allem, was man ihm nachdichtete, seine Fassung eigentlich recht gut
bewahrt zu haben.
Thirty years a zombie. Das
passt nicht nur zu ihm, dem im Hinterhof der Geschichte offensichtlich aus
Überlegungen der großen Weltpolitik heraus ermordeten rumänischen
Staatspräsidenten, sondern für viele, die damals daran glauben mussten, ja
es passt zur Geschichte jener Zeit im weitesten Sinne und auch zur
ausgesprochen prekären "kreativen" Geschichtsschreibung der Wende. Dabei ist
und bleibt die Vergangenheitsbewältigung an sich in rumänischen Landen
höchst unerwünscht. Ihr naht euch wieder, unbegreifliche Geister …
Dracula-Bulle des Erz-Haberers
Ich
bin ein Ober-Vampir aus dem adligen Geschlecht des Dracula. Das will ich ja
gerne zugeben. Blutrünstig war ich jedoch nie. Ich hab immer mit unserem
guten heimischen Rotwein vorlieb genommen. And now let’s talk business.
Helmut Schmidt, den ich
gern zu meinen Freunden zähle, hat für das von der chinesischen Volksarmee
im Juni 1989 unter den Demonstranten prompt angerichtete Massaker
Verständnis gezeigt. Die Demonstranten hätten schließlich, so Altkanzler und
Elder Statesman Schmidt, die Autorität der Staatsgewalt
herausgefordert. Den Soldaten stand halt nichts als scharfe Munition zur
Verfügung. Und … na ja.
Jenes Massaker war also,
wie man Schmidts öffentlichen Bemerkungen zur Causa Tian’anmen entnehmen
durfte, lediglich eine Frage der Logistik. Der moralische Aspekt musste den
Kürzeren ziehen. Eine sehr diktaturfreundliche Standortbestimmung. Darauf
werde ich noch bald genug in eigener Sache zu sprechen kommen.
Und da haben sie, die
chinesischen Soldaten, naturgemäß auf die Demonstranten geschossen, erklärte
Schmidt auch im Fernsehinterview. Gutheißen konnte er das Massaker zwar
nicht, doch man müsse die ganze Angelegenheit im Kontext der spezifischen kulturellen und
sozialpolitischen chinesischen Gegebenheiten differenziert betrachten.
Offenbar ging ihnen die
Munition erst recht spät aus.
Anders gesagt, was die
Chinesen machen, ist ihre Sache. Wir dürfen uns nicht anmaßen, ihnen zu
sagen, was sie tun und lassen sollten bzw. was moralisch sei und was nicht.
Und wenn sie nun viertausend oder auch mal hunderttausend Demonstranten
einfach über den Haufen schießen, dann ist das an sich weder gut noch
schlecht. Wir betrachten das Massaker differenziert. Die Staatsgewalt könne
unmöglich das Gesicht verlieren, so Helmut. China ist China. Das hat einer
angeblich mal richtig zu begreifen. Kultur! Kultur! Kapiert?
Klar. Differenziert.
Kapiert. Passt. Einen schönen Tag noch! Und Rumänien ist Rumänien.
Schließlich haben wir
Europäer es ebenfalls öfters genauso getrieben. Ich meine, früher. Vor den
Menschenrechten. Und mir ham uns nie geniert.
Blicke ich jetzt zurück,
so ist mir alles sonnenklar. Ich war damals ja schon seit fast
fünfundzwanzig Jahren an der Macht. Und auf eins verstand ich mich,
um es mal mit Wilhelm dem Zweiten zu sagen: aufs Regieren. Wir denken hier
oben natürlich wesentlich anders als ihr da unten. Und es stimmt, dass ich
den Diktator-Job bald mal meinem Sohn vererben wollte. Als aufgeklärter
Despot hat einer eben Sonderrechte. Und jetzt zitiere ich bitte schön
Friedrich den Großen: Räsoniert, so viel ihr wollt, aber gehorcht! Zitat zu
Ende. Aufklärung, Jungs! Auf, auf!
Das ist nun mal so. Das
war schon immer so. Das wird auch immer so bleiben. Bis dass der Tod uns …
Ach was! Der Tod kann mich mal!
Meine Frau hat sich
unbedingt als große Wissenschaftlerin feiern lassen wollen. Ich nicht. Nun
gut, ein Diplom vom Bukarester Polytechnikum hab ich mir freilich zustecken
lassen, aber das war’s dann schon wieder. Ich hab ja nie etwa groß
behauptet, ich sei Ingenieur von Beruf oder so. Magister. Oder Doktor gar.
Irre!
Nein, ganz im Gegenteil.
Ich war schon immer ein political animal. Politics junkie würde man
heute wohl dazu sagen.
Als mich mal in den späten
Achtzigern der Dings fragte, wie hieß er denn gleich, der von der britischen
Zeitung, ob es stimme, dass ich beruflicher Revolutionär sei, hab ich das
eingeräumt. Die Revolution war, ist und bleibt mein Beruf. Meine Berufung.
Jetzt mögt ihr euch gleich
fragen, was damals denn noch eigentlich im guten Rumänien zu revolutionieren
gewesen sei. Eine Antwort geb ich euch nicht. Das ist mein Recht als
Staatsoberhaupt. Soweit ihr aber die Volksversammlung einberuft, steh ich
euch jederzeit gern Rede und Antwort. So … Man schreibt also das Jahr 1989.
Rewind:
Volksversammlung? Okay.
Putschisten? Not okay.
Dieser verflixte Gorbachov
behauptet, er wolle den Kommunismus retten. Ich glaube nicht, dass er den
Kommunismus retten wird. Ich glaube, er wird ihn unwillkürlich zerstören.
Und dann kommt wieder der primitive Kapitalismus. Und alle leben auf Pump,
bis die Blase platzt. Und dann kommt die Krise und alle klagen und besinnen
sich auf meinen Sparkurs. Gürtel fest!
Das bewegte mich damals.
Ich hab die
Auslandsschulden beglichen. Als Einziger weit und breit, ja, als einziger
Schuldner überhaupt. Der Protest der Scheiß-Wucherer war gewaltig. Die
Lehmann Brothers, die Panama Brothers, die Loan Shark Brothers, die
Alligator Brothers und die Cayman Brothers haben gleich allesamt geschrien,
dann können sie ja gleich dicht machen mit ihrem Big Toxic Assets Business.
Ihre faulen Papiere, hab ich ihnen ihnen darauf entgegnet, können sie von
mir aus selber fressen. Ich
falle auf euern Blödsinn nicht rein!
Und sieh einer an! Ich war
jetzt nicht mehr "Ceausescu: our man in Bucharest", sondern der blutrünstige
Diktator, der keinen Respekt vor dem Wucherkapitalismus und der alten
internationalen Wirtschaftsordnung hat. Der blutlechzende Vampir. Der
Erzfeind.
Aber ich kriegte mein
Vaterland aus der Zinszange raus. Wie bitte? Ich sei es ja schließlich auch
gewesen, der den Schuldenberg anhäufte? Mag sein, aber davon sprechen wir
jetzt nicht. Warum nicht? Dazu äußere ich mich bitte sehr nur vor der
Volksversammlung.
Jetzt werden sich viele
denken, dies sei hundsgemein von mir. Das machen wir aber eben alle so. Wir
Politiker. Wir Staatsmänner. Wir sind ja keine Lämmer. Wir sind Wölfe.
Steppenwölfe. Werwölfe. Vampire und Haberer san ma. Oder Kröten. Doch dazu
sag ich vorerst nichts mehr.
Auf einmal haben alle
meine ausländischen Freunde, von den Amerikanern bis zur gnädigen Genossin
Frau Queen, behauptet, ich sei wahnsinnig. Erstens gehe es eben mal nicht
ohne die Ausbeutung der Entwicklungsländer und der Dritten Welt, und
zweitens wolle mir niemand den Garaus machen. Das habe mein
Nachrichtendienst falsch abgelauscht, Ehrenwort, und auf Malta habe es
lediglich (jeweils im Flüsterton, versteht sich) geheißen, den neuen,
frischen, so sehr wohltuenden Fahrwind der Demokratie und Neuverschuldung
bereite man von Ungarn aus.
Also nicht den Garaus
machen, sondern etwas von Ungarn aus machen wollten sie. Nur, was?
Vielleicht wollten sie mir ja von Ungarn aus der Garaus machen.
"Bald wird mein liebes
Land endlich in der Tat unabhängig und souverän, verdammt nochmal! Was den
Kerlen freilich nicht ins Konzept passt. Deswegen wollen sie mich ja auch
umlegen." Das dachte ich mir im Dezember 1989. Und am ersten Weihnachtstag
haben sie mich dann auch wirklich gekillt. Als Strafe und Demütigung für
mein ganzes Volk. Und damit ich nicht auspacke.
Nicht nur mich. Gut
tausend weitere Menschen haben sie erschossen, da sie nun schon mal so
richtig in Schwung gekommen waren. The killer instinct. Für die hundert, die
während meiner Herrschaft getötet wurden, muss ich wohl oder übel die
geschichtliche Verantwortung übernehmen, wiewohl mich jedoch wohlgemerkt ein
gewiefter Anwalt bestimmt aus der Schlinge rauskriegen würde. Ich hab ja
befohlen, auf die Beine zu schießen. Und mein Befehl hatte gelautet, die
Soldaten sollen jeweils nur dann schießen, wenn sie angegriffen werden.
Unter uns: Ich bin kein
Heiliger. Und dass ich nach so vielen Jahren voller Schmeicheleien von Seiten
meiner eifrigen Lakaien a bisserl an Größenwahn litt, kann man mir nicht
verdenken. Aber wer behauptet, ich sei noch härter
gewesen,
als die Zeiten, die ich erlebte, hat keine Ahnung von Duden und Blasen. Die
Untertanen hatten’s im Schnitt besser, als ich noch lebte. Fragt sie doch!
Fragt die Untertanen. Statistisch betrachtet schneide ich mittlerweile
nämlich schon wieder verdammt gut ab.
Was gab’s denn vor uns?
Demokratie? Damit ich nicht lache! Die gute Zwischenkriegszeit war in
Wirklichkeit sehr ungerecht. Wollte sich die brutal und skrupellos
unterdrückte Arbeiterklasse organisieren und etwa streiken, so eröffnete die
Polizei kurzerhand das Feuer. Nur wenige Jahre zuvor wurde ein
Bauernaufstand aufs Unmenschlichste niedergemetzelt. Menschenrechte?
Nie gehört. Ich saß im Knast und träumte gemeinsam mit ein paar weiteren
politischen Poeten von einer gerechten Welt. Und in Leinwand eingebunden?
Der Kommune Mitgliedsbuch.
Wer mir das Buch gegeben
hatte und warum ich überhaupt dort herumstand, gehört nicht hierher. Mit
Recht und Gerechtigkeit ist das ja immer so ‘ne Sache. Nach den
schrecklichen Fünfzigern, in denen überall im Ostblock der stalinistische
bzw. post-stalinistische Terror wucherte, kamen die hoffnungsvollen
Sechziger. Und ab 1965 hatte Gott sei Dank ich das Sagen. Ich leitete in
Sachen "kapitalistisches Ausland" trotz des ausdrücklichen Verbots der
Russen sofort meine Annäherungspolitik ein. Dialog, das war mein Leitwort.
Ich hab Weltpolitik gemacht. Ich war, international betrachtet, engagiert
und innovativ. Zu Hause erstarrte meine Ideologie allerdings nach und nach
zum gängigen Afterdienst des kommunistischen Mittelalters.
Sorry. Aber ich hab dann
in den Achtzigern die Blase klar gesehen. Die westlichen Banker Brothers
sagten, ich sei total geisteskrank. Sie sagten, der Scheiß-Diktator (also
ich) habe die Auslandsschulden seines Landes beglichen, was ja wahr ist,
wozu er auf Sparkurs gegangen sei, was ebenfalls wahr ist, und auf Sparkurs
gehen, das sei an sich schon eine riesige Schweinerei, wo doch jeder Mann,
jede Frau, jede GmbH und jeder Staat in der Konsumgesellschaft dem Prinzip
der Toxic Assets Shark Brothers gemäß verpflichtet sei, in aller Ewigkeit
Zinsen und Zinseszinsen auf einen kontinuierlich anwachsenden Schuldenberg
zu zahlen, was nun aber nicht wahr ist. Ich hab die Toxic Assets Shark
Brothers und ihre verflixte Faultier-Papier-Körperschaft von Anfang an als
Gefahr für die Weltwirtschaft empfunden. Es regnete nur so mit Krediten und
Leerverkäufen. Die Zinszange klapperte feuertrunken. Wie eine
Klapperschlange klapperte sie.
Und später, als die Blase,
die ich voraussah, platzte und die Krise, die ich kommen sah, tatsächlich
kam, sagten sie von den Griechen, die Faulenzer mögen gefälligst auf
Sparkurs gehen, um doch wenigstens einen wenn schon noch so winzigen
Teil der Zinseszinsen zahlen zu können.
Denn, so hieß es auf
einmal, ohne Sparkurs tut sich nix. "Und mir ham scho’ immer g’sogt:
Sparkurs! Sparkurs! Sparkurs!" Ach was! Leck mi!
Alle
Wirtschaftswissenschaftler und Staatsmänner machten sich daran, meine Thesen
aus den Achtzigern zu zitieren, ja viele lernten sie sogar auswendig, ohne
freilich die Quelle anzugeben. "Dann also wie gesagt: Sparkurs! Aber ein
bisschen dalli bitte! Ja, die Italiener auch! Pronto! Andiamo! Andiamo!
Wird’s bald! … Schneller! … Und die Spanier! Und die Iren! Go, go, go! Ale,
ale, ale! … Sonst kommt die Frau Bundeskanzlerin mit der Knute, ihr
depperten Haberer!"
Den Griechen wollten die
TeuTo Brothers als Strafe dafür, dass sie nun, in den späten Nullerjahren,
meinen genialen April-Thesen (sorry, Bescheidenheit ist ja nicht mein Ding;
ich leide wie gesagt schon seit den frühen Siebzigern an Größenwahn) aus den
späten Achtzigern nicht Folge leisteten, sondern ganz im
frühkapitalistischen Geiste dem 15. Imperativ der Ludwig Brothers fronten,
ja, nach mir die Geldschwemme, zunächst das Pantheon und dann
wenigstens zwei, drei mittelgroße Inseln beschlagnahmen, worauf die Griechen
erwiderten, dass sie dann aber, da es offensichtlich hart auf hart ginge,
Entschädigungen für die von den ja nicht ganz so menschenfreundlichen TeuTo Brothers während des Zweiten Weltkriegs verübten Gräueltaten
verlangen. Dabei waren das aber gar nicht die TeuTo Brothers, sondern die
TeuTo Cousins.
Frau Merkels Bild haben
die Griechen dann (natürlich mit Schnurrbart) retuschiert, so dass sie nun
leider Gottes wie Herr Hitler aussah.
Ich fand das alles
geschmacklos.
Aber dann hat sich Frau
Merkel das internationale Image wieder bald aufpolieren lassen, indem sie
eine Million Zuwanderer ins Land ließ. Ja, zusätzlich. Das war nett von ihr.
Freilich gibt es derzeit so ungefähr eine halbe Milliarde Menschen, die gern
nach Deutschland ziehen würden.
Von wegen keine
Obergrenze! In Kabul allein haben sich 2015 gleich mal eine Million Afghanen
schnellstens einen Pass ausstellen lassen. Richtung Almania! … Passt.
Abzocke! Nein, inwiefern bzw. ob sie überhaupt die westliche Kultur gelten
lassen wollen, haben sie nicht gesagt. Ich bin in dieser Hinsicht, das
nebenbei, ganz der Meinung meines Freundes Helmut Schmidt.
Dass die CDU Merkel nun
wegen ihrer dilettantischen Flüchtlingspolitik fallen ließ, bedauere ich
zutiefst, besonders weil wir ja beide den größten Teil unseres Lebens im
Kommunismus verbrachten und somit sozusagen einen gewissen gemeinsamen
Ossi-Hintergrund aufweisen, was ich allerdings keineswegs abwertend meine.
Und einen gemeinsamen Erwartungshorizont haben wir auch. Einen gemeinsamen
rückblickenden Erwartungshorizont.
"Die Lage ist beschissen",
sagte Schmidt im einschlägigen Interview. Und ich kann ihm wie gesagt
nur beistimmen. Politiker mit Diktatur-Hintergrund halten sich gut im
Sattel.
Freilich war es blöd, dass
ich 1989 versuchte, mich mit den restlichen drei verbliebenen
Dinosaurier-Kommunisten der alten Garde zusammenzutun, worüber sich dann
später nach meiner Ermordung alle lustig machten, doch aus meiner
Perspektive betrachtet erschien das im gegebenen Kontext als durchaus
folgerichtig. Und ich war wohlgemerkt immer noch ganz derselbe. Zugegeben,
etwas unzeitgemäß, doch immerhin.
Derselbe Mann. Dasselbe
Gedankengut. Dieselben Ideale. Dieselben Charakterschwächen und
Charakterstärken, ja dieselben gottverdammten Ängste, Wahlverwandtschaften
und inneren Veranlagungen. Da hab ich mich naturgemäß unwirsch
gefragt: "What the hell’s going on? Warum hat mich das Abendland auf einmal
nicht mehr lieb? What’s up?"
Genau. Ich hab mir die
Frage bezeichnenderweise auf gut Englisch gestellt. Nicht auf Russisch.
Ach! Ich kann mich noch
bestens darauf besinnen! Als ich zum zweiten oder dritten Mal als geladener
Gast im Weißen Haus vorstellig wurde (ich war übrigens, was jetzt weitgehend
vertuscht wird, der erste kommunistische Staatschef, der sich von den
Amerikanern einladen ließ, wie ich denn auch wohlgemerkt der erste
kommunistische Staatschef war, der klugerweise diplomatische
Beziehungen zu Israel und zur BRD aufnahm, worüber die Russen so richtig in
Rage gerieten, bevor es mir dann schließlich nach und nach der gesamte
Ostblock gleich tat), sagte ich meinem Freund Jimmy, dass ich es gut finde,
dass große und kleine Länder jetzt auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch
kommen, selbst wenn sie, wie in unserem Fall, doch sehr verschiedene
Gesellschaftsordnungen aufweisen. Jimmy Carter bot mir damals an, die
rumänische Wirtschaft an der Börse zu listen. Ich hab mich dann die ganze
Nacht mit meiner Frau darüber unterhalten. Da unsere Wirtschaft jedoch auf
dem freien global market angesichts der offensichtlichen
Rückständigkeit des gesamten Ostblocks im Vergleich zum Westblock kaum
konkurrenzfähig war, ließ ich bis zuletzt schweren Herzens davon ab. Ich hab
mir die Entscheidung keineswegs leicht gemacht, doch, na ja, die
Verhältnisse, die waren halt nicht so. Really. Da hat der Brecht recht.
Vielleicht hätte ich ja,
geostrategische Überlegungen hin und her, auf Jimmys Angebot eingehen
sollen. Das ist heutzutage aber leicht gesagt. Ich war jedenfalls (auf
Einladung dreier amerikanischer Präsidenten) insgesamt viermal in den
Staaten. Und dort hab ich mich auch wirklich mit allen getroffen, die was zu
sagen hatten. Und auf unbequeme Frage der Journalisten ließ ich mich auch
ein. Wie viele Neukönige haben mir das nachmachen können?
Also auf dem Mond läuft
nach wie vor alles bestens, doch bei euch, auf Erden, ist, wie ich sehe,
schon wieder mal die Hölle los. Wie dem auch sei: Das schafft ihr schon,
Genossen! Oder vielleicht auch nicht.
Was auf jeden Fall bleibt,
sind die Ideale. Gute Ideale. Meine Ideale. Vorzüglich virtuell. Es
lebe das freie, souveräne und unabhängige Rumänien! Es lebe die Utopie! Es
lebe die dunkle Seite des Mondes! Und die drei g’schätzten grünen Haberer
aus dem erhabenen Reich des Konjunktivs!
Vom heutigen Standpunkt
heraus betrachtet sieht es übrigens ganz so aus, als habe sich seit den
Achtzigern die Ungleichheit weltweit verdreifacht. Die reichsten 400
Amerikaner verfügen über mehr Kohle als die ärmsten hundertfünfzig
Millionen. Das hat ein Berkeley-Wirtschaftsexperte kürzlich berechnet. Ich
wittere förmlich den nächsten Crash.
Die jetzige Situation
ähnelt derjenigen der Zwanziger. Ja, der Situation vor der Great Depression.
Na ja, egal. Wie gesagt, ihr schafft das schon. Und ich flieg also jetzt mal
wieder kurz zurück zur dunklen Seite des Mondes. Adolf von Bayern und
Leopold von Belgien haben zu einem mörderischen Fest eingeladen. Dieses Jahr
ist es schon zum dritten Mal Halloween. Friedrich der Große hält die Rede.
Und ein paar Päpste und Gegenpäpste sprechen uns allesamt heilig. Sich
selber übrigens auch.
De Gaulle und viele seiner
kolonialen Mittäter sowie auch ein Haufen Engländer werden anwesend sein.
Und Stalin und seine Mannen. Und Petain. Und Kim. Und der gute alte Etzel…
Ach, die Liste ist echt lang! Lauter schwere Burschen.
Ich bin dort oben auf dem
Mond eigentlich der Einzige, der hier unten auf Erden keinen Mord begangen
hat. Die Klub-Mitgliedschaft verdanke ich allein den Fake News, mit denen
mich die Lügenpresse nach dem Staatsstreich bedachte.
Wer nicht klein beigibt,
wird dämonisiert. Ist ja klar. Ein Neffe von Goebbels hat mich gleich zum
blutrüstigen Monster verklärt, als ich behauptete, die Würde Rumäniens sei
unantastbar. Ach ja, Goebbels ist jetzt übrigens auch auf dem Mond. Er
arbeitet immer noch. Als Special Consultant in Dark Matters.
"Wenn wir die Rumänen
international isolieren und dann durch massive Einschüchterung dazu bringen,
die Ehre ihres Staatspräsidenten wie die Schweine, die sie ja sind, zu
besudeln, dann ist endlich auch der ganze Unabhängigkeits-Talk Schnee von
gestern. Ist der rumänische Staat erst einmal enthauptet, haben wir mit den
zurückgebliebenen 23 Millionen Deppen leichtes Spiel. Wir lassen uns einfach
als neue Götter anbeten. Das Land wird geplündert, die Bevölkerung
versklavt." Und so weiter.
"Denkt gar nicht erst
daran, was das Amt des Staatspräsidenten repräsentiert", sprach Goebbels
Neffe auf die Lakaien ein, die er gegen mich und mein Amt hetzte.
"Meuchelmord? Supercool! Der Kerl ist vogelfrei. Bringt ihn einfach um. Ihr
seid ja eh allesamt nichts als mörderische Schweine. Und euer Land wird nie
souverän sein. Wir machen eine schöne Sahara draus. Freiheit und Demokratie,
ihr lumpigen Penner! Was das zu heißen hat, bestimmen wir."
Ach, der Goebbels spinnt,
dachte ich mir. Meine Landsleute können unmöglich so blöd sein, auf die
Masche reinzufallen. Na ja, die Landsleute haben mich überrascht. Sie sind
darauf reingefallen. "Stupid people", sagte Silviu Brucan, einer der
Putsch-Drahtzieher mit begrenzter Haftung und unbegrenzter Moskau-Deckung in
einem Fernsehinterview. Eine Deppen-Nation.
Interessensphären, sag ich
doch immer. Interessensphären. Und in erster Linie war das ja alles nur die
Retourkutsche für 1968. "Euer Einmarsch in die Tschechoslowakei ist so was
von verkehrt!", hab ich den Russen vorenthalten. Mir fehlte nicht der Mut,
mich meines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Können
die jetzigen Hampelmänner das von sich behaupten?
Natürlich reicht es aber
langfristig nie, sich lediglich auf seinen eigenen Verstand zu verlassen.
Dies war mein Hauptproblem. Im Nachhinein sonnenklar. Doch ich will jetzt
nicht gleich den ganzen Tag lang klagen wie der g’schätzte Nibelungendichter
in seinem nebligen Nibelungen-Dickicht. Denn ich bin ja wie gesagt kein
historischer Poet, sondern eben ein politischer Poet. Und Regieren geht vor
Studieren. Und machmal sind die eigenen Gedanken eben auch mal mittelmäßig
oder sogar total beschissen. Der Einzelne kann nichts dafür. Ich wasche
meine Hände in Unschuld.
Brrr! … Kein Warmwasser?
Haben die Russen schon wieder unsere Gasvorkommen angezapft?
Aber hallo! 1968! Ich als
Erz-Haberer aller Rumänen hoch im Sattel! Als Erz-Haberer der freien Welt!
Der russischen Übermacht zu Trotz. Für mein vielgeliebtes Vaterland! Für die
Arbeitsmänner der Tschechoslowakei. Für Meinungsfreiheit und sozialistische
Vielfalt. Ein Athlet der Unabhängigkeit und Souveränität! Indeed zu Schutz
und Trutze. "President Ceausescu, you rock! The free world owes you a great
debt of gratitude."
My pleasure. My pleasure.
Noch ein Foto? Gern! Like me on Facebook!
Instagram!
O mei! … Die haben mich wirklich mal alle lieb gehabt!
Jenes Kapitel steht. Und
meine Auslandspolitik bis in die späten Siebziger, nein, bis in die frühen
Achtziger. Im internationalen Spiel hab ich fleißig mitgemischt. Die
g’schätzten grünen Haberer from outer space wissen Bescheid. Und
die höheren Wesen von Alpha Centauri, die wir ahnen. Nur das zählt. Sind jene
Wesen bei mir (aber ja doch, Genosse Haberer), geh ich mit Freuden
zum Sterben und zu meiner Ruh. Und ich will immer noch meine
Volksversammlung.
Wie bitte? One to beam up?
I’m coming. I’m coming … Abrakadabra-Haberer!
Der Weltraum ist geil. Und
edel und gerecht. Und alle Genossen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel
weilt. Wie ich schon good old Jimmy sagte: auf Augenhöhe. Back in the day.
Herr Ober! Wenn ich bitten darf … Oder ist das jetzt alles nur ein Traum?
Trauert immer nur brav um
mich weiter, liebe Genossen und Freunde. Ich hab einen Blick in die
Glaskugel gewagt: Es kommen härtere Tage. Und falls euch das immer noch nicht
klar sein sollte: Diese Loan-Shark-Zinszange ist eine falsche Schlange.
And off to the moon I go!