
(c) Euranet Plus
Luana Pleşea
engl [at] rri.ro
Luana Pleşea hat einen
Master in Bildungsmanage-
ment und -auswertung an
der Universität Bukarest
(Fakultät für Psychologie und
Erziehungswissenschaften)
erworben sowie einen weite-
ren Studienabschluss an der
Fakultät für Journalistik und
Kommunikationswissen-
schaften derselben Universität.
Seit 16 Jahren ist sie dem
Journalismus bei Radio Roma-
nia Cultural verpflichtet. Sie
erstellt Radiosendungen, mo-
deriert Diskussionen im zeit-
genössischen Theater- und
Tanzbereich, nimmt an Thea-
ter- und Tanzfestivals sowie
an internationalen Konferenzen
teil. Ihre Artikel wurden in den
rumänischen Zeitschriften
"Time Out", Scena.ro und
DramArt veröffentlicht. Weite-
re Beiträge bzw. Interviews
sind in der italienischen
Theaterzeitschrift HYSTRIO
und in dem zweisprachigen
Sammelband "Teatrul.Ro -
30 New Names" erschienen.



(c) Matei Buta / Marius Mihai Ghita
Andrea Gavriliu |
Andrea
Gavriliu hat es geschafft, ihren Namen bereits in den ersten Jahren
ihrer Karriere bekanntzumachen. 1985 geboren, absolvierte sie 2008 die
"Babeş
Bolyai" Universität (UBB) in Klausenburg. Sie hat einen Master in
Choreografie an der Nationalen Universität für Theater- und Filmkunst in
Bukarest gemacht (2013). Ihre Abschlussarbeit, Zic Zac, eine
Theater-Tanz-Produktion, ist im In- und Ausland rasch bekannt geworden.
Derzeit ist sie außerordentliche Professorin an der Fakultät für Theater
und Film der UBB und Choreografin am Nationaltheater "Lucian Blaga" in
Klausenburg. Am meisten interessiert sie sich für "physisches" Theater.
LP:
Ich schlage vor, dass wir das Gespräch mit der jüngsten Phase deiner
Karriere beginnen. Wie und woran arbeitest du gerade?
Gavriliu:
Es ist eine schwierige Zeit, denn die Arbeits- und Lebensbedingungen in
Rumänien sind derzeit schlecht. Für mich ist es ein Aufwachen in die
Realität, nachdem ich seit einigen Jahren an zahlreichen Projekten
teilgenommen habe. Jetzt bin ich durch die Umstände gezwungen, einen
Schritt zurückzutreten. Das ist ein guter Zeitpunkt, um einen Blick
darauf zu werfen, was ich bisher gemacht habe, und über andere
Alternativen nachzudenken. Da ist zum Beispiel die kreative Seite, aber
auch die Effizienz. Was könnte ich tun, um meine Arbeit zu verbessern?
Ich habe eine Menge Produktionen außerhalb von Bukarest gemacht, die
überhaupt nicht in Bukarest gezeigt wurden. Man weiß nichts über ihre
Existenz und ehrlich gesagt, tut es mir leid. Die meisten von ihnen sind
in kleinen Städten entstanden, in denen es zu wenig Publikum gibt. Es
sind auch Theaterhäuser, in denen meine Kunst eher ungewöhnlich ist.
LP:
Werfen wir einen Blick zurück. Du sagst, der Tanz war deine erste
große Liebe, dann hast du aber mit dem Theater begonnen. Warum hast du
die Schauspielkunst gewählt?
Gavriliu:
Aus mangelndem Selbstvertrauen. Ich war ungefähr sechzehn, als ich mich
entschlossen habe, Schauspielerin zu werden. Schauspiel war für mich
damals eine Gelegenheit, mich auf der Bühne zu bewegen. Die Tatsache,
dass ich kein Fachgymnasium absolviert habe, ließ mich glauben, nicht
zur Choreografie berufen zu sein, weil ich weder das Wissen noch die
notwendige Technik besaß. Also gab ich die Idee sehr schnell auf. Ich
ging zur Schauspielschule... Im dritten Studienjahr habe ich das Musical
West Side Story gemacht. Da war ich besonders im choreografischen
Teil involviert. Es hat mir gefallen und ich war gut. Mein Lehrer, Bács
Miklós, sagte mir nach einer Probe: "Wenn du die gleiche Energie und das
gleiche Selbstvertrauen, die du beim Tanzen entfaltest, auch in den
Schauspielszenen hättest, wäre es wunderbar". Das war frustrierend. Im
Laufe der Jahre wurde mir klar, dass es in der Tat um mangelndes
Selbstvertrauen ging.
LP:
Wann genau hast du beschlossen, dass du tanzen musst?
Gavriliu:
Ich habe das schon lange bevor ich den Beschluss fasste gefühlt. Ich
vertraute mir einfach nicht und ich neigte dazu, es zu verschieben. Ich
glaube, wenn es zum damaligen Zeitpunkt bessere Gehälter in der
Theaterszene gegeben hätte als heutzutage, wäre es vielleicht in Ordnung
gewesen. Dazu kam mein überschäumendes Temperament. Ich wollte tanzen!
Jede szenische Idee, die ich hatte, egal an welchem Projekt ich als
Schauspielerin arbeitete, enthielt Bewegung.
LP:
War Radu Afrim der erste Regisseur, der dieses überschäumende
Temperament entdeckte?
Gavriliu:
Ja. Das war 2009, als ich
Herr Paul machte. Es war ein zweiter Hinweis, genauso offensichtlich
wie die Aussage von Herrn Bács. Ich spielte einen stummen Charakter in
einem Theaterstück, drückte mich nur körperlich aus. Und ich war gut.
Das musste mir niemand sagen. Das wusste ich. Außerdem war Afrim der
erste Regisseur, der mich eingeladen hat, Choreografie für seine
Produktionen zu machen. Und mir wurde klar, dass ich das gerne mache.
LP:
Du sagst, dass du das "physische Theater" in Rumänien bekanntmachen
willst. Was bedeutet physisches Theater?
Gavriliu:
Im physischen Theater werden Ideen, Themen, Botschaften und Geschichten,
unabhängig von ihrer Komplexität, physisch behandelt. In dem Sinne, dass
das choreografische Material nicht unbedingt Tanz ist. Stattdessen ist
es wichtig, dass die Bewegung, die auf der Bühne stattfindet, die beste
Variante ist. Eine sehr raffinierte Art von Körperlichkeit, sehr gut
choreografiert, virtuos und genau. Aber es muss etwas sein, das von der
Persönlichkeit des Darstellers ausgeht. Deshalb verlassen sich die
Ensembles des physischen Theaters nicht so sehr auf die makellose
Technik des Performers, sondern viel mehr auf seine Art des
Körpereinsatzes.
LP:
Was du ja gerne machst.
Gavriliu:
Das Problem ist der große Unterschied zwischen dem, was ich versuche zu
machen und dem, was die Profis von physischen Gruppen im Ausland tun.
Sie haben in der Regel vier bis sechs Monate Zeit, um an einem solchen Projekt
mitzuwirken, sodass jeder aktiv am Entstehungsprozess teilnehmen kann.
Im Allgemeinen haben wir in Rumänien einen Monat Zeit. Das macht es
manchmal unmöglich für den Projektinitiator, die Themen gründlich
aufzugreifen, um die Menschen, mit denen er arbeitet, zu
berücksichtigen. Bei meinen letzten Produktionen hatte ich am ersten
Probentag siebzig Prozent der Choreografie fertig. Die hatte ich bereits im
Wohnzimmer definiert.
LP:
Wie wählst du die Themen aus? Aktuelle Themen und Menschen der Gegenwart
scheinen dir ein besonderes Anliegen zu sein.
Gavriliu:
Ich bringe gerne Lebenslagen auf die Bühne, in denen sich jeder
wiederfinden kann. Die Form hebt dabei meine Sichtweise der Situation
hervor. Ich neige dazu, bestimmte Verhaltensweisen zu verhöhnen. Aber
ich beziehe gerne meine Phantasien ein, um zu versuchen, eine Atmosphäre
zu schaffen, die über die Realität hinausgeht.
LP:
Hast du ein gewisses Arbeitsritual? Welches sind die Herausforderungen
in diesem Prozess?
Gavriliu:
Das Wichtigste ist es, die Leute kennenzulernen, mit denen ich arbeiten
werde. Die Idee basiert meistens auf den "Körpern", die mir zur
Verfügung stehen. Ich widme auch dem Training Zeit, das vom
tatsächlichen Aufbau getrennt ist, um ein möglichst "waches" Team zu
haben. Das ist eine Herausforderung, da einige Schauspieler nicht daran
gewöhnt sind, körperlich viel zu trainieren. Eine weitere
Herausforderung besteht darin, sie aus kreativer Sicht zu "verführen",
sie zu überzeugen, meiner Idee zu vertrauen und sich sogar an
Vorschlägen jeglicher Art zu beteiligen.
LP:
Katastrophe (Cataclism), produziert von Unteatru, ist dein
zweites Solo. Wieso diese Notwendigkeit, etwas sagen zu müssen, was kein
anderer Körper sagen kann als deiner?
Gavriliu:
Oft habe ich Ideen, die ich aus einer Art Selbstsucht mit meinem Körper
verwirklichen möchte. Ich wollte unbedingt, dass dieses Projekt in
Bukarest stattfindet, damit seine Sichtbarkeitschancen erhöht werden.
Und weil ich im unabhängigen Theater keine Einschränkungen
berücksichtigen muss. Das ist ein großer Vorteil. Katastrophe "spricht"
über Manipulation. Ich hatte das Bedürfnis, überhaupt nicht zu sprechen,
weil ich nichts zu sagen habe, nur etwas auszudrücken. Auch weil ich
Aufnahmen von "berühmten" Stimmen verwende, die über Manipulationen von
sehr großen Proportionen sprechen, die jeder kennt, aber die keiner
ändern kann.
LP:
Wie baust du deine Bewegungen auf? Womit fängst du an?
Gavriliu:
In Katastrophe habe ich versucht. mich mehr auf die Konzentration, den
Instinkt und die Absicht meiner Kommunikation zu verlassen. Genauer
gesagt, ich verlasse mich mehrmals auf Improvisation, aber auf
strukturierte Improvisation. Die Bewegungen sollten das Ergebnis von
Gedanken und Absichten sein, die ich mit meinem Körper kommunizieren
möchte. Bisher war Musik der Hauptmotor der Bewegungen. Diesmal habe ich
versucht, mich nicht so viel der Musik zu unterwerfen. Dann spielen
natürlich die Aufzeichnungen und ihr Inhalt eine wichtige Rolle.
LP:
Du kämpfst für eine wichtigere Rolle des Choreografen im Aufbau einer
Theaterproduktion. Was hat sich geändert, seitdem du an rumänischen
Theatern arbeitest?
Gavriliu:
In den letzten Jahren hatte ich die Möglichkeit, an Theaterproduktionen,
die eine wichtige choreografische Komponente beinhalten, zu arbeiten.
Das Dramatheater ist in Rumänien tief verwurzelt, es hat Tradition. In
den Programmheften von Festivals stehen Titel und Autor der Produktion,
Regie, Bühnenbild und Kostüme. Und aus. Und wenn es um eine Produktion
geht, in der der Tanz im Überfluss vorhanden ist, ist das wirklich
empörend. Allerdings spüre ich, dass in den letzten Jahren dem Tanz mehr
Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es sind kleine Schritte, aber sie finden
statt.
Aus dem Rumänischen von Irina Wolf
(Auszug aus dem Originaltext in rumänischer Sprache,
Teil des Sammelbandes Teatrul.ro 30-Noi nume/Theatre.ro 30 New Entres)
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