"Where
we stand." Man schreibt das Jahr
2018. Eine Standortbestimmung im weitesten Sinne; vor allem natürlich in
politischer Hinsicht. Im englischen "Where we stand" steckt nämlich unter
anderem vor allem auch die Überlegung mit drin: "Wie stehen wir
dazu?"
Easy come, easy go. Dass
Obamas Rede im
Suhrkamp Verlag nicht gerade sinngemäß
adäquat übersetzt wurde, passt zum gegenwärtigen Trend, aus der
anspruchsvollen Tätigkeit des Übersetzers ein mechanisches Wörter-Pingpong
zu machen. Tischtennis für den eiligen Medienmenschen. Geil!
Fast würde einer da gleich
mal rhetorisch fragen: "Where have all the golfers gone?" Wo sind die
verlässlichen Übersetzer geblieben? Legen sie allesamt schon wieder mal
gerade eine kurze Pause ein? Oder wurden sie durch billige Copy-and-Paste
Toy Soldiers ersetzt?
Just a thought.
Schließlich wurde ja 2008
auch Obamas "Yes,
we can!" (und dann später sein "Yes, we did it!") von sämtlichen
(fast) guten Übersetzern und Medien-Haberern unter fährlässigem Ignorieren
der im gegebenen Kontext unverkennbaren konzessiven Bedeutung genau so in
die deutschsprachige Öffentlichkeit geschmissen, wie es die eben mal nicht
perfekten Übersetzungsprogramme ausgespuckt hatten.
Der Übersetzung auf den Zahn gefühlt
S. 35:
"Ich bin zufällig Demokrat."
I happen to be a democrat
,
das ist ein Ausdruck, den man nicht wörtlich übersetzen darf. Sonst
klingelt die Sprachpolizei an der Tür.
"Ich für meinen Teil bin
Demokrat" oder "Ich bin eben nun mal Demokrat". Ja. Das wär schon was.
Das würde passen.
S. 35:
"Denn tatsächlich gibt es nur einen echten Kontrollmechanis-mus für
schlechte Politik und Machtmissbrauch, und das sind Sie."
Na ja, "indeed" wird
oft fälschlicherweise unabhängig vom Kontext
durch "tatsächlich" übersetzt. In der Regel ist das
–wie
hier
–
falsch, wird dieses ausgesprochen fleißige Adverb im Englischen meistens
ja als Vehikel der Hervorhebung, der Unterstreichung, des Nachdrucks
gebraucht. Es gibt nämlich nur einen echten Kontrollmechanismus.
S. 47:
"Das Gemeinsame ist da draußen."
Fehlanzeige. Nix (bzw.
alles) ist draußen. Zieht einer die Tatsache in Betracht, dass sich
Obama während der Rede im Freien befand, wird die Untauglichkeit der vom
Suhrkamp vorgeschlagenen Hokuspokus-Google-Übersetzung schon auf den
ersten Blick offensichtlich.
"Out there", dieser
Phrase wird man im jeweiligen Kontext übrigens selten allein dadurch
gerecht, dass man einfach die Adverbien "da" und "draußen"
zusammenklebt. Und selbst wenn die Bedeutung im gegebenen Zusammenhang
mal in der Tat
–
anders als hier
–
strikt lokal ist, wird der Sinn der Phrase besser durch "da drüben"
wiedergegeben. Wohlgemerkt ist der Sprecher nämlich oft genug eh
nicht "drinnen", sondern seinerseits im Freien. Und umgekehrt
schließt "out there" keineswegs dasjenige aus, was sich in
geschlossenen Räumen, also "drinnen", befindet. Die Phrasen "Over there"
und "out there" unterscheiden sich vornehmlich durch das Ausmaß an
Bestimmung. "Over there" setzt eine ungleich schärfere
Bestimmung voraus.
Ergo: nicht "out there",
sondern
–
in diesem Kontext
–
"durchaus vorhanden". Fürwahr (indeed): Es gehr hier nicht
–
ganz im Sinne des Prinzips der Nichtlokalität, das im Deutschen etwa dem
Begriff "Dasein" obliegt, um eine Bereitschaft, um eine Verfügbarkeit,
ja um ein Zuhandensein des Zeugs.
S 53:
(...) "wenn euch also das, was gerade passiert, nicht gefällt(…)"
"Gerade", dieses Adverb
ist hier fehl am Platz. Es geht um eine Kontinuierlichkeit, die über die
Unmittelbarkeit des Augenblicks reicht.
S. 54:
" (...) tut, was sie in Philadelphia und Boston gerade getan haben."
Sie? Das ist im Deutschen
zu vage. Im Englischen wird dieses Personalpronomen (3. Pers. Pl.) oft
ganz anders verwendet. Ganz davon zu schweigen, dass die Stellung
unseres guten alten Adverbs "gerade" (das hier sowieso fehl am Platz
ist) aus irgendwelchen außensprachlichen Gründen missriet. Gute
Übersetzung für "they" in diesem Kontext: "die Leute"
"Do what they just did in
Philadelphia and Boston." Das Pronomen "they" übersetzt man (wenn es,
wie hier, ja keineswegs etwa als Personalpronomen, sondern vielmehr als
Indefinitpronomen verwendet wird) nicht durch das Personalpronomen
"sie". Das ist aber wirklich Translation 101 bzw. der gesunde
Menschenverstand. Also: Tut es den Leuten in Philadelphia gleich, die
kürzlich [dies und das getan haben]. Denn "just" übersetzt man
wohlgemerkt ebenfalls nicht blindlings (etwas durch "gerade"), sondern
kontextgerecht.
S. 54:
"Die Jugendlichen (in Parkland) arbeiten daran, die Leute umzustimmen."
Nein, sie arbeiten nicht
daran. Sie bemühen sich um etwas. Das sehr produktive englische Verb "to
work" wird allzuoft durch die unbedachtsame Heranziehung der ersten von
den Wörterbüchern angebotenen deutschen Entsprechung ("arbeiten")
verunglimpft. Im gegebenen Zusammenhang trifft dabei Folgendes zu:
Die Jugendlichen engagieren sich dafür, die Leute umzustimmen, sie sind
daran bestrebt, sie wirken darauf hin.
S. 55:
"(...) all die Geschichten von Belästigungen und sexuellen Urbegriffen, die von so vielen Frauen geteilt wurden (…)"
Es wurden keine
"Geschichten geteilt", sondern die Frauen haben über die
Belästigungen Zeugnis abgelegt. Hört sich doch viel seriöser und
sinnvoller an. Wir geben hier ja nicht irgendwelche "Geschichten" zum
Besten, die die Frauen lediglich "teilen".
S. 57:
"Dann passiert Wandel. Dann passiert Hoffnung."
Blödsinn. Wandel passiert nicht. Wandel tritt ein. Hoffnung passiert
auch nicht. Um diese Sprachfehler zu beheben, sind Grundschullehrer
gefragt.
S. 57:
"jedes bisschen an Grausamkeit, Traurigkeit, Armut und Krankheit"
Eg gibt kein "bisschen
an". Weg mit der Präposition! Sonst will ich mein Geld zurück.
S. 57:
"Ihr könnt die Generation sein, die in einem kritischen Moment aufgestanden
ist (...)"
Nicht "aufgestanden". Auf
gut Deutsch heißt es [gegen etwas] aufbegehren, [jemandem] die
Stirn bieten, [zu einer Sache] Stellung nehmen.
"Und ich werde euch
begleiten, bei jedem einzigen Schritt des Wegs". Auch blöd. Hier hätte
es natürlich "auf Schritt und Tritt" heißen sollen.
S. 58:
"Ich glaube, ihr werdet dabei helfen, uns in die richtige Richtung
zu führen."
Hier fehlt der Agent
(eine Nominalgruppe oder ein Pronomen). Fehlerhafter Satzbau. Im
Deutschen in dieser Form unzulässig. Der Satz muss also umgeschrieben
werden.
S. 58:
"Sagt mir nicht, Wandel sei unmöglich. Kein anderer Politiker in den letzten
Jahrzehnten (...)"
Was an dieser
Formulierung nicht passt? Wenn die Nominalgruppe "kein
anderer Politiker" das Subjekt des Satzes ausmacht, muss an zweiter
Stelle das finite Verb folgen. Oder meinetwegen rückt die Zeitergänzung
an Platz Nr. 1, und das Subjekt darf Platz Nr. 3 drei belegen. Darüber
hat sich offensichtlich vor der Veröffentlichung des Textes kein
Verantwortlicher Gedanken gemacht. Yes, we can?
Alles geht.
Und so ist denn Obamas
schöne Rede leider Gottes auf Schritt und Tritt durch die fahrlässige
Übersetzung des Suhrkamp Verlags in aller Eile verunglimpft worden.