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Riesenschildkröten auf der Lipscani-Straße!

Uns wird man aber bestens vernehmen:
Theater! Theater! Theater!
The real thing!
Katharsis auf der Straße! Klar! Ringsherum!
Groß und Klein stimmt da mit ein.

Von Vasile V. Poenaru
(05. 10. 2017)

...



Vasile V. Poenaru
bardaspoe [at] rogers.com

geboren 1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in
Toronto.



(c) Vasile V. Poenaru

Akrobatisch. Zum Teil
wie erratisch. Multimedial.
Total digital. Ja! Sie haben
es erraten. Straßenerleb-
nisse für den kleinen
Mann.



(c) Vasile V. Poenaru

Ein jeder wird Teil
der Handlung, besser, ein
jeder wird der Handlung
teilhaftig.



(c) Vasile V. Poenaru

"Natur! Natur! Nichts so
Natur als Shakespeares
Menschen und Rumäniens
Seele!"
(Präsident Johannis
und Wolfi von Ghetto)

   "Theater! Theater! Nichts so Theater als Rumäniens Hauptstadt!", soll Goethe mal entzückt bekundet haben, als der Sturm des Charakterlichen schon wieder mal so richtig in ihm tobte und freilich gerade keiner da war, der es auch hätte hören können.

Drei Männer an einem Tisch. An einem Ort. An einem Lagerfeuer. Zu einem schwankenden Zeitpunkt, der sich immer wieder ganz poetisch naht. Und theatralisch natürlich auch. Action and attraction. Im Mundwinkel je einen Tschick. Kein einziges Wort auf den Lippen. Einfach drei ausdrucksstarke Männer. Oder drei Frauen. Oder …

Drei Menschenkinder. Drei Saurier. Was sie sagen, ist unwesentlich. Was sie tun, darauf kommt es an, wie ein weiser Krieger meiner Bekanntschaft einst murmelte, während er die Welt modellierte.

"Die ganze Stadt ein Theater. Überall das pure Skelett dramatischer Handlung."

Ach, könnt' ich doch auf Bergeshöhen …
Der Dichter hat recht! The place to be? Bukarest, Rumänische Tiefebene.

And the show goes on and on. Durchaus erschwinglich
da’s ja eh nichts kostet. Akrobatisch. Zum Teil wie erratisch. Multimedial. Total digital. Ja! Sie haben es erraten. Straßenerlebnisse für den kleinen Mann.

Städtisches, Allzustädtisches spielt sich vor vielen hungrigen Augen ab. Stimmt. Kein Anlass, jetzt gleich extra nach Bukarest zu fliegen. Aber wenn einer wohlgemerkt schon mal kurz da ist, lohnt es sich, die Augen offen zu halten und die Sinne durch die Action plätschern zu lassen. Durch dieses bewegte Stadtbild, das gerne unser sein will, soweit es passt.

Moch'n ma’s! Gehn ma! Ja. Passt. Super.

   Tatsache ist, im Juli findet in Bukarest schon seit fast zehn Jahren ein hinreißendes internationales Straßentheater-Festival statt, das weit über die Mauern und die Zäune der führenden Kneipen bekannt ist. Dieses Jahr machen sich Truppen aus Frankreich, Kolumbien, Italien, Deutschland, aus den Niederlanden, aus Österreich, Spanien und Rumänien in der rumänischen Hauptstadt breit. Zahlreiche Veranstaltungen bescheren dem walachischen Hochsommer einen gemütlich und ansprechend inszenierten Mehrwert an Charme, an Bildhaftigkeit, an bewegter wie bewegender Emotion. Ein jeder wird Teil der Handlung, besser, ein jeder wird der Handlung teilhaftig.

Artige Dinosaurier, die gerne mal mitten in der Menschenmenge auf dem Platz der Universität naschen, wackere Riesenschildkröten-Ninja auf der Lipscani-Straße, die Pfeife im Mundwinkel, unsagbar reizende Tänzerinnen auf nicht minder unsagbar imponierenden Stelzen, das sengende Rot ihrer Kleider im trübsel’gen Abendlicht. Zitate aus Confucius parat. Just in case.

Irgendwo ganz in der Nähe die BCR (Banca Comercială Română), Teil der Erste Group. Gleich daneben darf man bei Second Cup seinen zweiten Braunen schlürfen. Kaiserlich. Ain't it? Auf dem Platz wiehert ein Pferdi. Der Reiter heißt Michael. Michael der Tapfere. Er hat seine eigene Seite im G'schichtsbuch. Und sein eigenes Schwert.

Theaterdämmerung. Die seelische Reinigung kann überall da zügig vonstatten gehen, wo städtisches Leben voll und ganz zum Ausdruck kommen will.

   Aristoteles hätte seine Freude gehabt. Ort der Handlung: hier. Zeit der Handlung: jetzt. Einheit der Handlung: ja. Der schöne Mondschein sieht sich das Ganze im Mondlicht an, und ganz am Ende erscheint uns dann sozusagen über Büchern und Papier der lustige Stadtgeist der Gemeinde Bukarest, den wir ausnahmsweise Europa-Zeitgeist nennen wollen. Ihm wird wohl schon wieder gerade a bisserl musikalisch zumute sein.

Jedenfalls scheint hier am Rande der Union etwas geboren zu werden. No kidding. Gar nicht so weit weg, im schönen Parcul Tineretului, liegen die Biester auf der Lauer. Natur! Natur! It's the nature of the beast! Ein Rudel Wölfe hält Ausschau nach Touristen. Doch die Wölfe beißen nicht. Lupus Homini Freundi. Sie wedeln mit dem Schwanz. Denn das ist Bukarest. Und ein wahrhaftes Theaterfestival gilt für alle.
 

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