Die
seit Wochen in ihren Wohnungen wegen der Pandemie verharrenden Akteure
teilten ihre Sorgen, Ängste und Gedanken der Schriftstellerin Lavinia
Branişte mit, die daraus einen hochaktuellen, poetischen Text entwickelte.
Die sechs Monologe werden aber nicht linear umgesetzt, die Geschichten
greifen vielmehr ineinander, verflechten sich. Dazu kommen wuchtige Sounds
von Eduard Gabia und hypnotische Videos von Dan Basu. Das Ergebnis wird
gekonnt zusammengesetzt von Bobi Pricop.
Dennoch ist Exeunt
keine gefilmte Performance. Lediglich die Stimmen der Darsteller sind im
Voraus aufgezeichnet worden. Während die Schauspieler live in ihren
Wohnungen auftreten, werden die Bilder und die Musik in Echtzeit am Computer
verarbeitet und gemischt. Das ist das Besondere an diesem künstlerischen
Produkt. Der Ansatz der Akteure ist ganz unterschiedlich. Manche rufen ihre
Silvesterpartys oder Spaziergänge am Meeresstrand in Erinnerung, andere
wiederum vertreiben sich das Warten mit Kochrezepten. Dass Süßigkeiten gegen
Nervosität helfen, ist bekannt. Kein Wunder, dass einer der Schauspieler
eine ganze Tafel Schokolade genießt.
Beeindruckend
fand ich die Geschichte von Lucia Mărneanu, die sich durch Schminken vor dem
Spiegel allmählich in ihre Großmutter verwandelt. Die Sehnsucht nach dem
älteren Familienmitglied ist groß. Während Mărneanu ihren Körper zum Einsatz
bringt, bedient sich ein anderer Künstler eines klugen Raummodells, um die
bedrückende Isolation zum Ausdruck zu bringen. In einem aus Pappe
selbstgebauten Zimmermodell "schläft" auf einem Doppelbett eine einsame
Zahnbürste. Sogar die Wandbilder in diesem Miniaturraum sind leer. Wie in
Zeitlupe taucht von oben eine Menschenhand auf, streichelt und umarmt die
Zahnbürste, um sich letztendlich an ihre Seite zu legen. Solche poetischen
Bilder unterstreichen den lyrischen Charakter des Textes.
Enthält der erste Teil der
Produktion mehrere audiovisuelle Metaphern, liefert der zweite Einblicke in
die "neue Realität" nach Corona. Einer nach dem anderen verlassen die
Schauspieler ihre Wohnungen, um die Stadt zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu
erkunden. Auf den menschenleeren Straßen fängt die Videokamera jedes Detail
ein: einen Ölfleck auf dem Asphalt, den Regenbogen am Himmel. Im Hintergrund
ist nichts als Vogelgezwitscher zu hören. Am Ende treffen die Darsteller im
Hof des "Reaktor"-Theatergebäudes aufeinander. Alle tragen einen
Mund-Nasen-Schutz. Der 2014 in Klausenburg gegründete "Erfindungs- und
Experimentier-Reaktor" ist eine Spielstätte der alternativen Theaterszene,
die jährlich spannende Projekte bietet. So auch das Projekt "Posthumane
performative Ansätze", das die Folgewirkungen des verstärkten elektronischen
Kommunizierens auf uns und unsere Welt untersuchen will. In dessen Rahmen
ist auch Exeunt entstanden.
Frisch
und anregend, so wirkt der vom Regisseur Bobi Pricop vorgeschlagene Ansatz
auf mich. Exeunt ist eine performative Hybride. Hologramme verdoppeln
die Körper der Schauspieler. Gelegentlich schweben Darsteller in der Luft
oder "stehen" mit dem Kopf nach unten. Bildreich, bunt und fantasievoll
präsentiert sich die Produktion. Ist das Raummodell anfangs in einem
düsteren Licht gehalten, wechselt es später zu einem freundlichen Rosa.
Allmählich entsteht Bewegung im "Zimmer", die Möbel werden von der
Menschenhand durcheinandergewirbelt. Kurz vor dem Verlassen der Wohnung
kehrt die Zahnbürste zu ihrer üblichen Verwendung zurück: Der Schauspieler
bürstet sich damit die Zähne – die Einsamkeit ist durchbrochen. Eine
Rückkehr zu den herkömmlichen Ritualen in der Theaterbranche wird aber wohl
noch auf sich warten lassen.