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Ob es wohl einen Zusammenhang gibt zwischen Orgasmus und Umweltschutz? Oder
Von
Irina Wolf |
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Ausgangspunkt für Grubers neueste Produktion ist einmal mehr der aufkommende Rechtsradikalismus in Österreich und in Europa. Die Idee, das Konzept und die Inszenierung stammen von ihm selbst, den Text hat der Theatermacher wie immer mit dem gesamten Ensemble entwickelt. Denn die Schauspieler (Michaela Bilgeri, Mari Fliri, Andreas Jähnert, Thomas Kolle, Fabian Schiffkorn und Benjamin Vanyek – allesamt einfach großartig!) verkörpern keine Rollen. Sie beginnen bei sich, bei den eigenen Unfähigkeiten. Wie üblich wird auch in dieser Produktion über Belangloses gesprochen, über die Vorliebe für Vollmilch-Schokolade (einzigartig dazu Benjamin Vanyek!), über Masturbation, aber auch über fragwürdige Wohnverhältnisse und Delogierung. Der ebenfalls durch Recherchen entstandene Text (den dramaturgischen Blick darauf hat Martin Ojster geworfen) spricht über alles und irgendwie auch an allem vorbei, enthält einige Spitzen gegen die österreichische Regierung und ein paar Andeutungen auf das Ibiza-Video. Martin Grubers Stücke haben Leichtigkeit, gleichzeitig aber viel Tiefe. Mit Witz, einer großen Portion Humor und Selbstironie setzt der Regisseur den so entstandenen Text auf der Bühne um. Schon von Beginn an erläutert Michaela Bilgeri die Bandbreite der teils wild zusammengeworfenen Themen: "Umweltschutz ist ein Riesenthema bei uns. Soziale Gerechtigkeit ist ein Riesenthema bei uns. Afrika ist ein Riesenthema bei uns. Selbstbefriedigung ist ein Riesenthema bei uns." Erst dann kommen die weiteren fünf Darsteller auf die Bühne. Sie tragen alle vergilbte weiße Kleidung. Klopft einer von ihnen Thomas Kolle auf den Rücken, wird eine Staubwolke aufgewirbelt. Mit ziemlich doofen Blicken schnappen sie sich je einen Autoreifen von einem Stapel. "Obi und aufi" – Fabian Schiffkorns Befehle bestimmen das Tempo der sinnlosen, aber perfekt synchronisierten Choreographie, in der die Reifen mal auf den Boden abgelegt, mal wieder aufgehoben werden. Raffiniert wechseln sich die Bewegungen mit geballter Wortflut und fesselnden Musiknummern ab (Musik: Kristian Muser, Sounddesign: Thomas Bechter). Sensationell dazu Pete Simpsons aufwühlende Stimme. Bei allem Klamauk wird es am Ende doch noch poetisch. Das
Licht wird langsam gedimmt und es wird dunkler im Saal. Die Blätter von zwei
auf Videowänden projizierten Bäumen beginnen abzufallen (Video: Bildwerk X
Valence). Textpassagen, Choreographie, Musik und Videoinstallationen: In
perfekt abgestimmter aktionstheater-ensemble-Manier lassen all diese
Elemente den Abend äußerst kurzweilig vergehen. Martin Gruber gelingt es
auch diesmal auf gewohnt verspielte Weise, mit ganz alltäglichen Geschichten
den Finger in die Wunde zu legen. Zuckerspiegel senken ist ein Riesenthema
bei uns! |