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Zwei Magier der Farben

Im Rahmen einer seit Februar laufenden Ausstellung präsentiert das Leopold
Museum 170 Exponate zweier herausragender österreichischer Künstler des 20.
Jahrhunderts: Friedensreich Hundertwasser und Egon Schiele. Das Bemerkenswerte daran:
Hundertwasser verband eine lebenslange geistige Beziehung zu seinem großen malenden
Vorbild, der eine Generation vor ihm lebte. Einige Gemeinsamkeiten im Werk der beiden
Künstler sind offensichtlich, manches erschließt sich erst auf den zweiten Blick.

Von Irina Wolf
(01. 07. 2020)

...



Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.



(c) leopoldmuseum.org

Egon Schiele:
"Selbstbildnis mit hoch-
gezogener nackter
Schulter
" (1912)


(c) leopoldmuseum.org

Friendsreich Hundertwasser:
"Selbstbildnis"
(Marrakesch, 1951)



Linktipp

www.leopoldmuseum.org

   Meine ausländischen Freunde lieben Hundertwasser. Es ist immer Liebe auf den ersten Blick. Ausschlaggebend dafür ist der Besuch der Müllverbrennungsanlage Spittelau. Die Farben und der Ideenreichtum des Wiener Wahrzeichens lösen eine derartige Begeisterung aus, dass diese Sehenswürdigkeit bei jedem Aufenthalt erneut aufgesucht wird. Das Bauwerk im 9. Bezirk ist eines der besten Beispiele von Hundertwassers ökologischen Visionen in einer städtischen Umgebung.

Genau diese Zukunftsvorstellungen für einen besseren Planeten habe ich in der vom Leopold Museum präsentierten Ausstellung "Hundertwasser – Schiele. Imagine Tomorrow" wiedergefunden. In knapp 200 Exponaten entsteht ein umfassendes Bild des Künstlers, dessen Todestag sich am 19. Februar 2020 zum zwanzigsten Mal jährte. Weniger bekannt ist seine tiefe Verehrung für Egon Schiele. Ihr widmet sich die Schau im Leopold Museum. Jeder der acht Säle ermöglicht einen anderen Blickwinkel auf den von Friedensreich Hundertwasser in die Welt gerufenen "Dialog" mit dem 1918 verstorbenen Schiele. Gleich im ersten Raum wird dies durch die Gegenüberstellung der Selbstbildnisse beider Ikonen der österreichischen Kunst ermöglicht. Im selben Zimmer thront imposant das restaurierte Schiff "Regensburg" als Beweis für das abenteuerliche Leben des 1928 als Friedrich Stowasser geborenen Künstlers (erst ab 1950 nannte er sich Hundertwasser). Ein echtes Highlight! Besticht der zweite Raum durch Fotografien, so beeindruckt der dritte vor allem durch die Vielfalt von Briefen, Notizen und Tagebüchern, die Hundertwasser verfasst hat. Darunter befindet sich auch der an seine Mutter gerichtete poetische Text "Ich liebe Schiele".

   Betrachtet man die sorgfältig ausgesuchten Bilder, könnte man meinen, dass den Erfinder der bunten Spirale nicht viel mit Egon Schiele verbindet. Hundertwassers knallbunte Farben stechen neben Schieles düsteren Malereien besonders hervor. Umso überraschender klingt folgende Aussage: "Mein Optimismus kommt von Klimt, aber die tiefe Magie der Farbe, die mich leitet, kommt von Schiele". Ein aufmerksamer Besucher kann doch manche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Malern erkennen. Auffallend sind insbesondere die Naturstudien und vor allem die schief aneinander gedrückten Fassaden der Häusersammlung.

Auch Hundertwassers radikal-protestierende Jahre werden in der Ausstellung berücksichtigt, sei es in der 1959 entstandenen Linie von Hamburg oder in der Nacktdemonstration von 1968 "gegen die Verbrechen der modernen Architektur". Da ist erneut der Bezug zu Schiele zu finden, diesmal zur 24-tägigen Gefängnisstrafe, die Schiele 1912 wegen des Vorwurfes des sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen absitzen musste.

   Die letzten Räume reflektieren die Beschäftigung des Ökopioniers Hundertwasser mit der Architektur. Modelle und Skulpturen zeugen von seiner Liebe zur Natur und der Suche nach der optimalen Mensch-Vegetation-Beziehung, eine Recherche, die auch Schieles Werk prägte. Schlussendlich vervollständigt ein Film über das Handwerk des farbenfrohen Künstlers, der das 20. Jahrhundert weit über die Grenzen Österreichs hinaus prägte, die Schau.

Die Ausstellung im Leopold Museum ist der beste Beweis für die Verbundenheit, die Hundertwasser ein Leben lang Schiele gegenüber empfand, obwohl er ihn nie persönlich kennenlernte.

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