Meine
ausländischen Freunde lieben Hundertwasser. Es ist immer Liebe auf den
ersten Blick. Ausschlaggebend dafür ist der Besuch der
Müllverbrennungsanlage Spittelau. Die Farben und der Ideenreichtum des
Wiener Wahrzeichens lösen eine derartige Begeisterung aus, dass diese
Sehenswürdigkeit bei jedem Aufenthalt erneut aufgesucht wird. Das Bauwerk im
9. Bezirk ist eines der besten Beispiele von Hundertwassers ökologischen
Visionen in einer städtischen Umgebung.
Genau diese
Zukunftsvorstellungen für einen besseren Planeten habe ich in der vom
Leopold Museum präsentierten Ausstellung "Hundertwasser – Schiele. Imagine
Tomorrow" wiedergefunden. In knapp 200 Exponaten entsteht ein umfassendes
Bild des Künstlers, dessen Todestag sich am 19. Februar 2020 zum zwanzigsten
Mal jährte. Weniger bekannt ist seine tiefe Verehrung für Egon Schiele. Ihr
widmet sich die Schau im Leopold Museum. Jeder der acht Säle ermöglicht
einen anderen Blickwinkel auf den von Friedensreich Hundertwasser in die
Welt gerufenen "Dialog" mit dem 1918 verstorbenen Schiele. Gleich im ersten
Raum wird dies durch die Gegenüberstellung der Selbstbildnisse beider Ikonen
der österreichischen Kunst ermöglicht. Im selben Zimmer thront imposant das
restaurierte Schiff "Regensburg" als Beweis für das abenteuerliche Leben des
1928 als Friedrich Stowasser geborenen Künstlers (erst ab 1950 nannte er
sich Hundertwasser). Ein echtes Highlight! Besticht der zweite Raum durch
Fotografien, so beeindruckt der dritte vor allem durch die Vielfalt von
Briefen, Notizen und Tagebüchern, die Hundertwasser verfasst hat. Darunter
befindet sich auch der an seine Mutter gerichtete poetische Text "Ich liebe
Schiele".
Betrachtet
man die sorgfältig ausgesuchten Bilder, könnte man meinen, dass den Erfinder
der bunten Spirale nicht viel mit Egon Schiele verbindet. Hundertwassers
knallbunte Farben stechen neben Schieles düsteren Malereien besonders
hervor. Umso überraschender klingt folgende Aussage: "Mein Optimismus kommt
von Klimt, aber die tiefe Magie der Farbe, die mich leitet, kommt von
Schiele". Ein aufmerksamer Besucher kann doch manche Ähnlichkeiten zwischen
den beiden Malern erkennen. Auffallend sind insbesondere die Naturstudien
und vor allem die schief aneinander gedrückten Fassaden der Häusersammlung.
Auch Hundertwassers
radikal-protestierende Jahre werden in der Ausstellung berücksichtigt, sei
es in der 1959 entstandenen Linie von Hamburg oder in der
Nacktdemonstration von 1968 "gegen die Verbrechen der modernen Architektur".
Da ist erneut der Bezug zu Schiele zu finden, diesmal zur 24-tägigen
Gefängnisstrafe, die Schiele 1912 wegen des Vorwurfes des sexuellen
Missbrauchs einer Minderjährigen absitzen musste.
Die
letzten Räume reflektieren die Beschäftigung des Ökopioniers Hundertwasser
mit der Architektur. Modelle und Skulpturen zeugen von seiner Liebe zur
Natur und der Suche nach der optimalen Mensch-Vegetation-Beziehung, eine
Recherche, die auch Schieles Werk prägte. Schlussendlich vervollständigt ein
Film über das Handwerk des farbenfrohen Künstlers, der das 20. Jahrhundert
weit über die Grenzen Österreichs hinaus prägte, die Schau.
Die Ausstellung im Leopold
Museum ist der beste Beweis für die Verbundenheit, die Hundertwasser ein
Leben lang Schiele gegenüber empfand, obwohl er ihn nie persönlich kennenlernte.