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Essay
Abschiede oder Willkommensgruß - Sprachräume von Frank Milautzcki
Für Sebastian Kiefer bedeutet die Modernisierung der Literatur „zuallererst ein Springquell der Gestaltungslust …, ein Jungbrunnen der Magie“ - er denkt das eigentlich der Gegenwart Eigentümliche der Moderne zu. Eine Lesart, die sich womöglich nur im Begriff unterscheidet.
Wenn es heute eine Literaturgattung gibt, die Kiefers Ideal der Verkörperung nahekommt oder bereits umsetzt (zu diesem Schluß kommt auch er selbst), ist es die Lyrik. Sehr viele Akteure sind heute weiter als der Betrieb. Glaubt man einigen Statements bspw. in der lyrikzeitung geht es einfach darum ein gutes Gedicht zu schreiben und um nichts weiter. Wie das auch immer aussieht, auf welche Weise es interessant und spannend ist, das spielt zwar eine Rolle, aber es spielt eben nur eine Rolle. Das aufwendige theoretische Untermauern ist ein fast schon unzeitgemäßes Bemühen um ein Stützgerüst für die eigene Behauptung. Niemand will noch Mauern. Es geht um das Gedicht, das so oder so ausfallen, so oder so ge- oder mißfallen kann. Die verwirklichte Gebärde des Gedichtes wird mitgelesen, so oder so, und ein poetologischer Rettungsversuch scheitert ohnehin am nackten Fakt des Gesagten. Das Gedicht ist kein Text, der Moderne verkörpert, sondern Sprachvergewisserung, die in der Moderne geschieht. Dabei auch wie ein Körper aussehen kann – es ist erlaubt, was authentisch gelingt. Eben weil sich die Aspekte der Welt nicht erschöpfen, kontextabhängig sind, und die Sicht auf Dinge nur aspektweise gelingt (im Sinne der dem Blick zugrundeliegenden Fragen), gelingen Gedichte aspektweise. Das wird von einigen Lyrikern heute sehr deutlich gesehen. Das Gedicht als Sprachraum ist ein Ereignis, das in den eigenen Moment findet und in das der eigene Moment findet. Mehr identische Verkörperung von Moderne geht nicht. Ich kenne keine andere Vorschrift dafür, als gegenwärtig zu sein.
Klingenberg, 15.02.2012