fix zone | mai 2013

neues aus literatur und kunst

Autor:
Frank Milautzcki
 

neues aus literatur und kunst

fix zone | mai 2013

illustration michael zauner


31.05.2013  |  Motive des Aufschubs   "Zaudern ist kein gebräuchlicher Begriff. Es ist ein Begriff der Romantik. Das Einzige, wo man ihn ständig findet, ist, wenn es um Angela Merkel geht. Aber die steht eigentlich für Alternativlosigkeit. Aber das Zaudern, wie die Ausstellung es versteht, ist genau das Gegenteil. Man hält inne an einem bestimmten Punkt, weil einem plötzlich klar wird, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt, sondern gleich ganz viele. Und deshalb muss man innehalten."
Dieser Moment der Muße, des Schwebens, hat also Methode; und das zum Thema einer Ausstellung zu machen, ist wirklich mal ein Einfall! … Die Kuratoren haben sich in der Werkauswahl für eine Art entschlossene Richtungslosigkeit entschieden: von allem etwas, aber wenn schon, dann nur das Beste. Literatur spielt eine Hauptrolle, also zum Beispiel der Text-Foto-Collagist und manische Selbstbeobachter Rolf Dieter Brinkmann (und Carlfriedrich Claus, Christian Morgenstern, die Zeitschrift Artic, die Gebrüder Grimm …- Anm. FM) Und, natürlich, zeitgenössische Video-Arbeiten, etwa von Runa Islam, die Momente der Leere in einem ziemlich nervenden Video kreiselnd aneinanderfügt - die "tote Zeit", in der sich die Handlung eines Films nicht weiterentwickelt.“ Christian Gampert im Deutschlandfunk über die aktuelle Ausstellung des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart.

Christian Morgenstern
Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst

Soll i aus meim Hause raus?
Soll i aus meim Hause nit raus?
Einen Schritt raus?
Lieber nit raus?
Hausenitraus –
Hauseraus
Hauseritraus
Hausenaus
Rauserauserauserause ...

(Die Schnecke verfängt sich in ihren eigenen Gedanken oder vielmehr diese gehen mit ihr dermaßen durch, daß sie die weitere Entscheidung der Frage verschieben muß.)

(1905)


31.05.2013  |  Poesiealben am Ausgang   Wenn man aktuell die Minipressen Messe in der Rheingoldhalle in Mainz verlässt kommt man an einem Verkaufsrondell direkt neben dem Ausgang nicht vorbei, in dem die alte DDR-Reihe Poesiealbum wiederauflebt. Die Lyrikreihe, begründet von Bernd Jentzsch, erschien monatlich zwischen 1967 und 1990 im Verlag Neues Leben Berlin und war eine preiswerte Möglichkeit, Poesie deutscher und internationaler Lyriker kennenzulernen. Internationale Dichter und junge Poeten der DDR wurden auf jeweils 32 Seiten vorgestellt. Das Spektrum reichte von Ovid, über Hồ Chí Minh, Edgar Allan Poe und Alexander Puschkin bis zu Bertolt Brecht, Erich Kästner und Stephan Hermlin. Es erschienen neben 15 Sonderheften 275 reguläre Hefte, wobei das letzte zu August von Platen vom August 1989, in dem die damalige Herausgeberin Dorothea Oehme aus ökonomischen Gründen das Ende der Reihe verkündete, nicht mehr ausgeliefert wurde. „Bücherpfarrer“ Martin Weskott rettete einige Exemplare von einer Leipziger Deponie, wohin die Auflage verkippt worden war. (wikipedia).
Bernd Jentzsch hat die Reihe im Märkischen Verlag im Herbst 2007 wiederbelebt und bedient in Mainz Interessierte am Rondell persönlich. Hefte von Jan Wagner, Günter Grass, Hans Sahl springen ins Auge – das aktuellste, die N° 306, featured Mario Wirz, in den Startlöchern ist ein Heft von Christiane Schulz.

 

30.05.2013  | Wiedergefunden ist sie – die Ewigkeit   Was ist Ewigkeit: ein Zustand ohne Ende oder ein unendliches Beginnen? Was bezeichnet der Mensch als "ewig", wenn nicht Augenblicke der Gnade, von denen man sich wünscht, sie würden nie vergehen? 
Lange war Ewigkeit ein theologischer Begriff, der dem Jenseits zugesprochen wurde. Der französische Dichter Arthur Rimbaud spricht in seinem Gedicht "Die Ewigkeit" jedoch von der Ewigkeit im Hier und Jetzt, bei uns auf Erden. Raphael Enthovens erklärt als Gast Jacques Darriulats in der arte-Sendung „Philosophie“ am Sonntag, den 02.06 um 13 Uhr (vorab auf dem angegebenen Link im Netz zu sehen) mit Hilfe von Aussagen Nietzsches, warum Ewigkeit nicht als Unsterblichkeit verstanden werden kann. 
Zusammen mit seinem Gastgeber ergründet Jacques Darriulat den komplexen Begriff "Ewigkeit" auch anhand von Gemälden und Fotografien. Außerdem beschäftigen sich die beiden Philosophen mit der Ewigkeit in einem Universum ohne Menschen? Beide kommen zu dem Schluss: Ewigkeit ist überall - im endlichen Großen wie im unendlich Kleinen.

 

30.05.2013  |  Anders in Mainz   Nur dem sichtbar, wer ein Auge dafür hat, das ist die Art in der sich Hendrik Liersch mit seiner Corvinus Presse bewegt – Formen und Inhalte, face und flow müssen stimmen, damit man sich wiederfindet und so gibt Liersch, seit Jahren schon, auf eine unspektakuläre Weise derart hochwertige poetische Kleinode heraus, daß man sich manchmal fragt: warum spielt er nicht die Trompete – die andern machens doch auch. Er machts aber nicht wie die andern.
Seine Corvinus Presse stellt ab heute auf der Mainzer Minipressen Messe aus und kann wieder einige hochinteressante Neuerscheinungen präsentieren. Unter anderem: Gedichte von Catherine Tahmin im Band „Ertrinkendes Schwimmbad“, die den Menschen hinsetzen wie eine Kugel, einen Golfball, der im Gras auf den Schlag wartet, er ist nicht der Regent, er ist ein Teil unter Dingen, dem die Zeit kommt, ein Aushalten, das zu Luft wird und an der Kälte des Fensters kondensiert. Die Gedichte von Catherine Tahmin sind Klarstellungen besonderer Art: Platz und Perspektive finden sich verändert, gegenübergestellt einer Welt, die nicht nur im Kopf da ist, irdisch ist der Mensch, was hilfreich ist und gut, das Edle hängt am Faden, wir sind zum Hampeln eingeladen. Even the mathematicians can't figure it out. Die Texte ranken, haben keine Seitenarme, dafür Windungen, die nichts verwinden, aber hervorspitzeln aus der Wahrheit der Farne.
Angereichert mit flüchtigen Zeichnungen von Guillermo Deissler, dem heute nur noch wenigen Insidern (und Büchersammlern) bekannten, 1995 zu früh verstorbenen Künstler und Herausgeber der Univers, einem Portfolio für intrernationale visuelle und experimentelle Poesie. Liersch hat die bislang unbekannten Zeichnungen aus nachgelassenen Skizzenbüchern extrahiert.
Catherine Tahmins Arbeiten erschienen bislang nur in amerikanischen Zeitschriften und sind hier erstmals auf Deutsch (das Buch ist zweisprachig englisch-deutsch ausgeführt) veröffentlicht, manchmal nicht immer auf den Punkt gelungen übersetzt von Mitch Cohen und Wolfgang Fehse.

Catherine Tahmin
Small Talk

Es regnet und das ist alles,
was wir wissen wollen.
Nicht die Stimmung,
die dieser besondere Regenfall mitbringt,
nicht eine Diskussion über Regen
als Allegorie.
Bloß die einfache Tatsache,
so einfach und schlicht
wie die Uhr an der Wand,
die Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch,
die Milch, die Eier
und ab und zu das Quietschen und Knallen
der Tür zur hinteren Veranda.
Was wir anfassen können, dem trauen wir,
allem, was um unseren kleinen Finger passt,
allem, was die Kellnerin
uns einpacken kann zum Mitnehmen.
Es mag klein sein,
doch entfacht es eine grimmige, unheimliche Magie.
Wenn es seine feste, winzige Handfläche
um das klaffende Maul
des Unerkennbaren schließt,
wird das kakophonische Tosen
des Unsagbaren zum Verstummen gebracht,
und dicht dahinter
folgend
werden die Dämonen
des Unmuts schläfrig
und beginnen plötzlich
zu gähnen.

 

29.05.2013  |  Monat der tschechischen Literatur   Dieser Juni gehört im Tschechischen Zentrum in München der Literatur, und zwar der Literatur in ihren verschiedenen Formen und Variationen: von Ausstellungen, über Lesungen bis hin zu Filmen. „Alle Schönheiten der Welt“ ist nicht nur ein Memoirenbuch von Jaroslav Seifert, sondern auch der Name einer Ausstellung über diesen tschechischen Dichter in Freiburg und Tübingen. „Via Hrabal“ heißt wiederum eine Fotoausstellung zum 99. Geburtstag des Erzählers Bohumil Hrabal in München. Aber auch gegenwärtige Autoren aus Tschechien stellen sich im Juni in München vor. Mehr Informationen im Interview mit der Leiterin des Tschechischen Zentrums in München, Zuzana Jürgens.

 

29.05.2013  |  Your Brain is Your Brain   „dein Gehirn macht dich glücklich“ oder „dein Darm denkt mit“: Diese Sätze erscheinen auf den ersten Blick absurd, wecken ein Lachen oder Kopfschütteln und machen neugierig. Sie gehören zur neuesten Arbeit des Künstlers Adib Fricke „Your Brain is Your Brain“, die auf 110 Plakatwänden mitten in Berlin installiert ist und die Passanten unmittelbar im Vorbeigehen berühren soll. Das Projekt, das in Kooperation mit dem Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité stattfindet, nimmt den Betrachter mit auf eine Gedankenreise in die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns. Durch die Zufälligkeit der ästhetischen Erfahrung vollziehen die Passanten, was der Künstler Fricke provoziert. Seine Sätze werden blitzartig aufgenommen, wirken nach, verselbständigen sich und lenken die Betrachter bewusst oder unbewusst auf die Funktionsweisen des eigenen Gehirns. Jedes Plakat verweist auf die Projekt-Webseite bedeutungslabor.com, auf der Interessierte kurze Texte von Neurowissenschaftlern finden, die die Sätze des Künstlers anhand aktueller Forschungsergebnisse kommentieren. Die zehn großflächigen Plakatmotive des Künstlers Adib Fricke sind von Dienstag, den 28. Mai bis Samstag, den 8. Juni in den Berliner Bezirken Mitte, Kreuzberg und Schöneberg zu sehen.


29.05.2013  |  „Ich bestehe aus Literatur“   Kein Jahr in Kafkas kurzem Leben ist durch autobiographische Zeugnisse besser dokumentiert als das Jahr 1913: Mehr als 130 Druckseiten an Tagebuchnotizen, dazu etwa 250 Briefe illustrieren sowohl Kafkas Alltag als auch seine innerpsychischen Kämpfe von Tag zu Tag, bisweilen sogar von Stunde zu Stunde. Dafür gab es Gründe, und der wichtigste Grund hieß Felice Bauer. Sie war die erste Frau, mit der Kafka sich ein Zusammenleben vorstellen konnte, die erste auch, die er als Inspiration erlebte und die an seinem nächtlichen Schreibtisch einen beispiellosen Schub literarischer Energien entfesselte. Kafka wusste plötzlich: Ich kann nicht nur schreiben, sondern ich »bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein«. Damit hatte er sich in eine lebenspraktische Falle manövriert. Denn wie sich die neu entdeckte schöpferische Intensität mit der ebenso ersehnten Ehe vereinbaren sollte, dafür konnte er weder unter seinen literarischen Vorbildern noch unter den Freunden irgendein brauchbares Vorbild entdecken. Es ging nicht gut aus, schon 1914 sollte Kafka mit seinem Roman »Der Process« eine verheerende Bilanz ziehen. 1913 aber war das Jahr, in dem er selbst diesen Prozess zu bestehen hatte― – dokumentiert in kunstvollen, traurigen, komischen und bewegenden Protokollen.
Ein Abend mit Reiner Stach und René Dumont im Literaturhaus München, 04.06. 20 Uhr.

 

28.05.2013 |  Trends in Mainz nebst Traditionen   Vom 30. Mai bis zum 2. Juni findet in Mainz die Minipressenmesse statt, 360 Aussteller aus mehr als 15 Ländern und 10.000 Besucher bilden den größten Handelsplatz für Kleinverlagsbücher und künstlerische Pressendrucke. Vier Tage lang wird den Besuchern hier angeboten, was in den Werkstätten an teilweise Jahrzehnte alten Druckpressen produziert wurde: rund 10.000 Titel, davon 1000 Neuerscheinungen. Das Treiben an diesem zentralen Treffpunkt ist immer wieder ein kulturelles Ereignis: über 30 Kultur- und Fachveranstaltungen informieren über neueste Ideen und Trends für das Verlegen von Literatur und Kunst.
Die geplante Lesung mit Autoren des Verlagshauses J. Frank  muss leider aus krankheitsbedingten Gründen ausfallen. (Anm. der Redaktion, 29.05.2013 JF)
 

28.05.2013  |  Verbotene Gedichte   Es gab Gedichte in der DDR, die es nicht geben durfte. Sie wurden nicht gedruckt, nicht gelesen, nicht vorgetragen. Offiziell wurden sie nicht einmal geschrieben. Es gab sie einfach nicht. Sabine Lange schrieb diese Texte in den 80ern, als sie Archivarin des Fallada-Nachlasses in Mecklenburg war. Wie Fallada, der sich hier vor den Nazis in Sicherheit brachte, verschanzte sich Sabine Lange in den mecklenburgischen Wäldern, um die DDR möglichst unbeschadet zu überstehen. Darüber schrieb sie ihren Roman „Schlüsselbund“, der Vorlage für das Drehbuch „Die Archivarin“ wurde. Der Nordkurier bezeichnet ihre Gedichte als „Beweisstücke“ eines einmaligen Nachwendevorganges in Deutschland, als sie sich weigerte, vor ehemaligen Stasi-Mitarbeitern daraus zu lesen. „Verschwiegene Gedichte“  ist ein lyrisches Werk über das „gefühlte Eingesperrtsein“, das „Stummsein“  in der Diktatur. Die Gedichte der Lyrikerin sind inzwischen von der Fallada-Biographin Jenny Williams und der Germanistin Grainne Toomey ins Englische übersetzt worden und als „Verschwiegene Gedichte“ in der Edition Rugerup erschienen. Die Autorinnen lesen am  1. Juni 2013, 20.00 Uhr im Zimmertheater Berlin-Steglitz,in deutsch und englisch.

 

28.05.2013  |  Modern sind dünne Serifen   Neu auf youtube eine sehr schön gemachte Geschichte der Typographie,eine Animation mit 291 Papierbuchstaben, festgehalten in 2454 Einzelbildern während 140 Stunden Arbeit - von Ben Barrett-Forrest.

 

26.05.2013  |  Heimliche Helden, die schreiben   Bereits in der Auslieferung, weil am 28.05. bei Luchterhand erscheinend, ein neues Buch von Ulrike Draesner: Heimliche Helden. Essays.
Präzise, überraschende und respektvoll perfide Porträts großer Autoren – aus weiblicher Sicht. Die Klassiker der Literatur: In der erdrückenden Mehrzahl sind sie männlich. Eine Ödnis für Leserinnen? Keineswegs! Die virtuose Leserin Ulrike Draesner präsentiert uns ihre ganz eigene Ruhmeshalle männlicher Autoren: präzise, überraschende und respektvoll perfide Porträts von Helden wie Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Karl Valentin und vielen anderen.
Männer haben es schwer. Denn sie müssen Helden sein. Nicht wenige der »klassisch« gewordenen Autoren haben sich in kriegerischen, heldischen Rollen versucht. Aber hat das Schreiben nicht per se etwas Unheroisches, ja Subversives? Ulrike Draesner spürt den Ursprüngen der Idee vom Helden nach, sie zeigt Schriftsteller in ihren heldischen und hinreißend unheldischen Posen und erzählt mit stupendem Wissen und großer Originalität von ihren Leseabenteuern. Und wie schon bei den Essays zu den »Schönen Frauen«, wo sich Flaubert unter die Autorinnen gemogelt hat, darf sich mit Tania Blixen auch eine Autorin zu den heimlichen Helden gesellen. Das Buch besprechen wir in Kürze auf Fixpoetry.

 

26.05.2013  | Sprache im digitalen Zeitalter   Das Literarische Colloquium Berlin wird 50 - und Ulrich Rüdenauer blickt nach vorn- am 28.05.2013 19.30 Uhr im Deutschlandradio Kultur.
Als das Literarische Colloquium Berlin 1963 von Walter Höllerer aus der Taufe gehoben wurde, war diese Institution ein Unikum: Ein Ort, an dem die Grenzen zwischen Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft sich auflösen sollten. Inzwischen hat das Haus am Wannsee Konkurrenz bekommen: Nicht zuletzt die vielfältigen Initiativen von Walter Höllerer haben dafür gesorgt, dass hierzulande eine literarische Infrastruktur geschaffen wurde, die europaweit ihresgleichen sucht. Jede mittelgroße Stadt veranstaltet heute Literaturfestivals, jede größere unterhält ein Literaturhaus. Doch die Lese- und Rezeptionsbedingungen von Literatur wandeln sich in digitalen Zeiten.
Welche Rolle spielt also das LCB unter diesen veränderten Bedingungen? Was kann es gerade im literarisch überlaufenen Berlin an Besonderem und Neuem aufbieten? Oder lebt es doch eher von der Aura, die es sich in den 60er- und 70er-Jahren erworben hat? Und wie stellen sich die Macher und Wegbegleiter die Zukunft des Literarischen Colloquiums vor?

 

26.05.2013  |  Tausend im Monat   „Übersetzen ist kein Honiglecken.“ Wenn man Martin Pollack zuhört, kann man nachdenklich werden. Pollack ist eine feste Institution in der Übersetzerbranche und Kurator des tranzyt-Programms auf der Leipziger Buchmesse. „Es gilt als ausgemacht, dass Übersetzer arme Schweine und getretene Kreaturen sind“, meint der Österreicher, der auch auf dem Podium am liebsten steht - auch wenn seine Kollegen gerade sitzen. Grund für das Lamento – das branchenunüblich mit optimistischen Tönen versetzt wurde – ist vor allem die Bezahlung. Von leistungsbezogener Vergütung sei man noch meilenweit entfernt, klagten die Übersetzer vergangenen Freitag. Eine Position, die auch vom Verband der Übersetzer (VdÜ) ins Feld geführt wird – und mit Zahlen untermauert wurde: Im Schnitt verdient ein gut ausgelasteter Übersetzer nach Abzug seiner Kosten 1.000 Euro im Monat, rechnet der Verband vor.“ Kai Mühleck im boersenblatt über ein Deutsch-Polnisches Übersetzersymposium in Krakau.

 

26.05.2013  |  Zittern zwischen Möglichkeiten   Die neuste Ausgabe von »Viceversa«, dem Jahrbuch der Schweizer Literaturen (seit 2013 im Rotpunktverlag), widmet Leta Semadeni, die nach mehreren Lyrikbänden zum ersten Mal an einem Roman arbeitet, ein Porträt. Im Gespräch mit Angelika Overath erzählt sie dort von ihrer Kindheit in Scuol, ihren Aufenthalten in Südamerika, Italien und Frankreich und ihrem Entschluss, freie Schriftstellerin zu werden.
In Zürich unterhalten sich nun am Freitag, den 31. Mai 2013, 19.30 Uhr die beiden im Unterengadin lebenden Schriftstellerinnen im Literaturhaus am Limmatquai über das Entstehen ihrer Texte, über das »Zittern zwischen zwei sprachlichen Möglichkeiten« beim Übersetzen - und tragen ausgewählte Passagen aus ihrem Werk vor.
Leta Semadini, 1944 in Scuol geboren, schreibt vorwiegend Gedichte, auf Romanisch oder Deutsch, die sie selbst in die jeweils andere Sprache überträgt. Deutsch, so sagt sie, sei ihre erste Liebe gewesen.
Angelika Overath hingegen ist 1957 in Karlsruhe geboren und hat mehrere Romane und Reportagen (u.a. »Nahe Tage«, 2005, »Flughafenfische«, 2009, »Alle Farben des Schnees. Senter Tagebuch«, 2010 und »Fliessendes Land«, 2012) in ihrer Muttersprache veröffentlicht. Neuerdings schreibt sie auch Gedichte auf Romanisch.

 

26.05.2013  |  Aktion vor hundert Jahren   Blättert man in alten expressionistischen Zeitschriften, finden sich viele heute vergessene oder eigentlich schon immer unbekannt gebliebene Namen. „Hans Baas“ beispielweise. Vor fast genau hundert Jahren erschien sein Gedicht „Die Baenke“ in der „Aktion“,  Ausgabe vom 7. Mai. Zwischen 1912 und 1913 veröffentlichte er drei Gedichte in Franz Pfemferts Blatt. Daneben ist auch eine seltsam verklärte Kritik bekannt, die Hans Baas im November für Hans Leybolds „Revolution“ zur Uraufführung des ariosophischen „Rastaquärs“ in Köln schrieb (auf die sich späterhin einmal Hugo Ball und Hans Leybold in einem ihrer Ha Hu Baley-Gedichte kritisch beziehen) - mehr ist nicht erhalten und über Baas selbst so gut wie nichts (außer dem hier recherchierten) bekannt.
Paul Raabe, der wohl beste Kenner des Expressionismus, mutmaßte, Hans Baas könne Student in München gewesen sein. Das bestätigte sich. Er stammte aus Mainz, war als Student der romanischen Philologie in München eingeschrieben. Ein enger, ja der Freund von Baas war der ein Jahr jüngere Schriftsteller Carl Christian Bry alias Carl Decke, der ebenso in München studierte ( bei Georg Simmel und Max Dessoir). Baas zog 1914 in den Krieg und fiel schließlich am 14.12.1917 in Frankreich bei den Kämpfen im Gebiet zwischen La Bassée und Neuve-Chapelle.

Es  existierte wohl ein Nachlass. Baas (1891-1917) war in München verlobt und seine Freundin bewahrte seine Gedichte auf, sie heiratete schließlich den überlebenden aber schon kranken Freund Carl Christian Bry (1892-1926) und sechs Jahre nach dessen Tod den Verleger Edmund Gans. Frau Helene Gans übergab schließlich 1976 den Nachlass von Carl Christian Bry an Martin Gregor-Dellin (1926-1988), als der eine Neuausgabe des Bry’schen Werks „Verkappte Religionen“ anstrengte. Ob in dem Paket auch die Gedichte von Hans Baas enthalten waren? Der Nachlass von Martin Gregor-Dellin jedenfalls (und mit ihm der Krypto-Nachlass von Carl Christian Bry? Und darin der Nachlass von Hans Baas?) wanderte ins Deutsche Literatur-Archiv nach Marbach, worunter sich unter der Nummer HS000458049 auch ein Konvolut handschriftlicher Gedichte befindet (die man mal in Augenschein nehmen könnte).

Hans Baas
Die Baenke

Nun sind im Sonnenschein des Nachmittags
Viel Leute in Alleen zusammengedrängt.
Auf Bänken, Hände überm Bauch verschränkt,
Sitzen Gestalten bürgerlichen Schlags.

Zufrieden mit dem Grunde ihres Wesens
Hören sie gern, wie die Isar tost und rauscht,
Und tragen Spuren vielen Zeitunglesens
In Mienen, die verblasen und zerbauscht.

In: Die Aktion, 7.Mai 1913

 

26.05.2013  |  Mit Ohrlöffelchen und Dreckapotheke   Die neue Ausstellung «Dreck» im Tiroler Volkskunstmuseum befasst sich mit einem allzu oft verdrängten Thema unserer Zeit. So sind Dreck und Kot zwar ungeliebte und kaum beachtete Teile unseres Alltags, gleichzeitig bilden sie aber einen wichtigen Aspekt der Kulturgeschichte. Dreck wird in der historisch-volkskundlichen Schau als vielschichtiges Phänomen betrachtet und von verschiedenen Seiten beleuchtet.
Die Ausstellung macht u. a. deutlich, dass Dreck einmal eine Frage von Ansehen und Image bzw. etwas Wertvolles war. Vom 24. Mai bis 3. November gibt sie mit höchst unterschiedlichen Gegenständen wie Flohfallen, Ohrlöffelchen und Dreckapotheke überraschende Einblicke in die «Kehr-Seiten» der Kultur sowie in Reinlichkeit, Sauberkeit und Hygiene. Die in der Schau gezeigten Objekte sind höchst unterschiedlich. Zu sehen sind u. a. Geräte zum Misten und Düngen, Instrumente aus der Medizin oder ein Bett, dessen Himmel herabfallende Wanzen abhalten sollte; eine etwa hundert Jahre alte Waschmaschine, ein Putzlappen aus dem 18. Jahrhundert, ein Tischbesen aus dem 17. Jahrhundert und andere, zum Teil kuriose Gegenstände wie Ohrlöffelchen und Flohfallen. Eine Arbeit von Lois Weinberger zeigt auf, dass Dreck und Sauberkeit auch immer wieder Thema der Kunst sind.

 

25.05.2013  |  It’s tea  time   Zu den sonntäglichen TeaTimeLesungen im Literaturhaus Hamburg werden vorwiegend Lyriker und Lyrikerinnen eingeladen. Die Lyrikerin Doris Runge, die im holsteinischen Cismar lebt, wird am Sonntag, 26.05.13, um 17.30 Uhr im Literaturzentrum im Literaturhaus Hamburg aus ihrem neuen Gedichtband "zwischen tür und engel" (DVA) lesen.
Das genaue Hinschauen, das Beobachten scheinbar beiläufiger Vorgänge ist bei ihr Programm, genauso wie die Reduktion auf das absolut Notwendige. Jetzt liegt – ausgewählt und mit einem Nachwort von Heinrich Detering – ein Band mit ihren schönsten und wichtigsten Arbeiten aus drei Jahrzehnten vor, ergänzt durch neue und bisher unveröffentlichte Texte. „Den größten Beziehungsreichtum auf kleinstem Raum zu erzeugen, mit den sparsamsten Mitteln das Geheimnis auf der Oberfläche zu verbergen: das ist die Kunst von Doris Runges Versen. Das macht ihren Zauber aus, ihre asketische Sinnlichkeit und eine schwebende Ironie, die nicht zu fassen ist.“ (Heinrich Detering). Leseprobe


25.05.2013  |  Die schönsten deutschen Bücher   In dem Wettbewerb »Die schönsten deutschen Bücher« der Stiftung Buchkunst wählten zwei Expertenjurys in einem aufwändigen Verfahren aus insgesamt 723 eingesandten Titeln die 25 schönsten deutschen Bücher 2013, jeweils fünf aus den fünf Kategorien »Allgemeine Literatur«, »Wissenschaftliche Bücher, Schulbücher, Lehrbücher«, »Ratgeber, Sachbücher«, »Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge« und »Kinderbücher, Jugendbücher«.
Ende Mai wählt eine weitere Jury aus diesen 25 schönsten Büchern nochmals einen einzigen Titel, der den mit 10.000 Euro dotierten »Preis der Stiftung Buchkunst« erhält und somit Deutschlands schönstes Buch des Jahres 2013 ist. In der Gruppe „Allgemeine Literatur“ vertreten ist Hendrik Jacksons Gedichtband „Im Licht der Prophezeiungen“ aus dem kookbooks Verlag.

 

24.05.2013  |  Romantische Vorstöße   „Die Romantik in den Künsten von heute“ ist das Thema eines Festivalkongresses, der vom 24. bis 26. Mai im Frankfurter Kunstverein und im Museum Wiesbaden stattfindet. Renommierte Künstler aller Sparten sprechen über ihre Wahrnehmung der Romantik. Mit dem Format eines Festivalkongress folgen wir der romantischen Vereinigung aller Künste und laden zum „Symphilosophieren“ ein. Im Zentrum der Gespräche stehen Topoi der Romantik, die auf Kontinuitäten und Brüche hin diskutiert werden. Wir wollen keine verkappten Romantiker enttarnen, sondern wünschen uns radikale, auch wilde Interpretationen einer Epoche, die extreme Vorstöße in die Moderne wagte.
Neben den Diskussionen gibt es Lesungen, Filme, Konzerte und Performances und dies alles an einem Tag von 14 Uhr bis open end am 25. Mai im Frankfurter Kunstverein.
Zu Gast sind rund 70 Mitwirkende, darunter Ann Cotten, Monika Rinck, Oleg Jurjew, Uwe Kolbe, Tom Schulz, Ilma Rakusa u.v.a.m. und als special guests: Adam Green und Thomas Meinecke (26. Mai). Ausführliches Festivalprogramm unter Kulturportal Frankfurt.

 

24.05.2013  |  Lyrikertreffen Münster   Jetzt ist es bereits das elfte Mal, dass im Rahmen des Lyrikertreffens, das auf eine Tradition von mehr als drei Jahrzehnten zurückblickt, ein Gedichtband und dessen Übersetzung ausgezeichnet werden. Der im letzten Jahr erfolgten „Globalisierung“ des „Preises der Stadt Münster für Internationale Poesie“ entsprechen die diesjährigen Preisträger aufs Vorzüglichste: Ausgezeichnet werden der 1930 auf der karibischen Insel St. Lucia geborene, im Jahr 1992 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete Derek Walcott (der nicht selbst anreisen kann) sowie der 1938 geborene Anglist, Romanist und Übersetzer Werner von Koppenfels – zwei Autoren, die beide auf ein reiches literarisches bzw. philologisches und übersetzerisches Lebenswerk zurückblicken. Die Laudatio auf die beiden Preisträger wird der seinerseits vielfach ausgezeichnete Lyriker und Erzähler Marcel Beyer halten.
Das Treffen eröffnet am Freitagnachmittag Kurt Drawert, der „über das Wagnis und das Handwerk des Schreibens“ sprechen wird. Im Laufe des Samstags gibt es eine multimediale Veranstaltung „in memoriam“ Thomas Kling (1957 – 2005), eine weitere – mit Wolfgang Kubin – zur chinesischen Lyrik und schließlich ein Werkstattgespräch zu den diesjährigen Poesiepreisträgern.
Zwei thematische Stränge bestimmen sowohl das Vorfeld als auch das Lyrikertreffen selber. Im kommenden Jahr wird der Mauerfall ein Vierteljahrhundert her sein. Diesen Umstand reflektiert das Programm POETRY, das mit facettenreichen Veranstaltungen ... Ein weiterer thematischer Strang wird durch die chinesische Lyrik bestimmt, Gedichte aus einem Land, das nicht nur zur führenden Wirtschaftsmacht herangewachsen ist, sondern auch als – umstrittene – Kulturnation zusehends Aufmerksamkeit findet.
Unabhängig von diesen eher thematischen Strängen gibt es Beispiele für das, was mit „Gedankenlyrik“ nur unzureichend erfasst ist, etwa bei Ursula Krechel und Nora Bossong, für fast schon Altmeisterliches bei dem erst 50-jährigen Durs Grünbein, aber auch für schwerelose Artistik, so bei Olga Martynova und Jan Wagner, dessen virtuoses Spiel mit drei verschiedenen lyrischen Subjekten in der Tradition des großen portugiesischen Dichters Fernando Pessoa steht. Und es ist eine Autorin dabei, die sich einen Namen gemacht hat in der Slam Poetry und jetzt die Verbindung zwischen dem Programm POETRY und dem Lyrikertreffen gleichsam verkörpert: Nora Gomringer.

 

23.05. 2013  |  Risse im Bunker   Noch ein (Geheim-)Tip für Freitag, 24. Mai 2013: die Präsentation der Literaturzeitschrift Risse im Kulturkombinat Bunker in Rostock. Das Erscheinen der neuen (der 30.!!!) RISSE-Ausgabe wird mit Autorenlesungen von Claudia Bauske, Anja Kootz und Rolf Redlin gefeiert. Um 20 Uhr geht's los, Eintritt frei, Spenden sind willkommen.

 

23.05.2013  |  Hermetisch ist (k)ein Möbel   „Wozu ein Zauberwort, wenn es doch jederzeit Flugreisen zu Spottpreisen gibt. Die Welt hatte sich geöffnet. Wozu noch Poesie? Wozu? Natürlich: um Räume zu öffnen. Aber eben auch, um solche geöffneten Räume wieder vor anderen zu verschließen …“ Martin Lüdke erinnert an die 30. Preisverleihung des Jungen Literaturforums Hessen – Thüringen, es gibt einen Zusammenschnitt als Video und Texte zum Nachlesen und allerlei mehr, offene Gedanken zu hermetischen Texten und Erinnerungen an die Arbeit als Juror: „Von den insgesamt 655 eingesandten Beiträgen segelt tatsächlich ein großer Teil unter der ästhetisch markierten Wahrnehmungsgrenze problemlos hindurch und zeigt auf diese Weise wie weit sich Ausdrucksbedürfnisse und Ausdrucksfähigkeiten voneinander entfernen können….“ Was dennoch als preiswürdig befunden wurde ist auf Faust-Kultur nachzulesen.

 

22.05.2013  |  Verlegerabend mit Passagen   Peter Engelmann (Philosoph, Herausgeber der französischen Philosophen der Postmoderne und der Dekonstruktion und Leiter des Passagen Verlags) und René Aguigah (Journalist, Leiter der Abteilung "Kultur und Gesellschaft" bei Deutschlandradio Kultur) treffen sicham 23.05.2013, 19:00 Uhr - 20:00 Uhr im Institut français Berlin, Salle Boris Vian, 4. Etage, Kurfürstendamm 211, Berlin, um über den Passagen Verlag zu reden.
Seit 25 Jahren ist der Passagen Verlag für erfolgreiche Bücher aus den Bereichen Kunst, Literatur, Philosophie und Essay bekannt. Er hat sich inzwischen mit einer Backlist von mehr als 800 Titeln im gesamten deutschen Sprachraum profiliert und so in den letzten Jahren mit den Publikationen von international bedeutenden Autorinnen und Autoren und deren kultur- und gesellschaftskritischen Diskursen und Meinungen zu einem international offenen und politisch weitsichtigen Klima beigetragen. Als erstes Verlagsprogramm im deutschsprachigen Raum hat sich der Passagen Verlag mit der systematischen und umfassenden Übersetzung von Schlüsseltexten zu Postmoderne und Dekonstruktion der Erneuerung kritischer Philosophie verpflichtet.
„Wer etwas Sinnvolles über die Postmoderne, von Autoren wie Jacques Derrida oder Jacques Rancière lesen will, muss nach den Büchern Peter Engelmanns greifen.“  Ronald Pohl, Der Standard.

 

22.03.2013  |  Autorenwerkstatt „Das zweite Buch“   Das zweite Buch gilt als das am schwersten zu schreibende. Im Herbst 2013 richtet das LCB erstmals eine Autorenwerkstatt aus, zu der deutschsprachige Autorinnen und Autoren eingeladen sind, die bereits ihren literarischen Erstling (keine Anthologiebeiträge) veröffentlicht haben. Die Treffen unter Leitung von Ulrike Draesner und Thorsten Dönges finden am 20.-22. September, 18.-20. Oktober, 8.-10. November und 13.-15. Dezember 2013 statt und bieten die Möglichkeit, mit den anderen Stipendiaten und ausgewählten Referenten an einem eingereichten Text zu arbeiten.
Die Teilnahme ist mit einem Stipendium in Höhe von 1.500 € verbunden. Eingereicht werden können Prosatexte jeder Form (Roman, Erzählung, Novelle, Kurzprosa). Die Bewerbungsunterlagen (eine etwa 30-50 Seiten umfassende Arbeitsprobe des Prosaprojekts; Lebenslauf mit E-Mail-Adresse; Exposé) sind bis zum 15. Juni 2013 (Poststempel) in zweifacher Ausfertigung beim LCB, Stichwort Autorenwerkstatt, einzureichen.

 

22.03.2013 Bedrohte Sprachen   "Warum die Vielfalt stirbt – und wie Forscher kulturelles Wissen vor dem Vergessen retten", lautet der Untertitel einer 28-seitigen Broschüre über bedrohte Sprachen, die ab sofort als PDF-Download verfügbar ist. Das Heft korrespondiert mit einer internationalen Tagung zur "Dokumentation bedrohter Sprachen", die die VolkswagenStiftung vom 5. – 7. Juni 2013 in Hannover veranstaltet.
In der Broschüre, die als Beihefter von Spektrum der Wissenschaft erscheint, ziehen Wissenschaftsjournalist(inn)en und Sprachforscher(innen) eine Bilanz der Förderinitiative "Dokumentation bedrohter Sprachen" (DobeS). Mit 28 Mio. Euro hat die VolkswagenStiftung seit 1999 Projekte in 71 Regionen auf allen Kontinenten unterstützt. 100 Sprachen wurden seither wissenschaftlich dokumentiert und vor dem Vergessen gerettet. Drei davon findet man als Hörbeispiel auf der Seite des obigen links. Eine Übersicht bietet die Karte am Ende der Broschüre.

 

21.03.2013  |  Mit Frauenbildern bilden   Mit etwa 150 gezeigten Porträts breitet die Sammlung Klöcker Frauenbilder aus mehr als sechs Jahrzehnten Kunstgeschichte der Nachkriegszeit und Gegenwart vor den Besucher/innen aus. In großer Vielfalt zeigt die Sammlung unterschiedlichste Blicke auf Frauen, beleuchtet männliche und weibliche Sichtweisen, intime und öffentliche Momente, spiegelt Beobachtung, Bewunderung, Erhöhung und Erotik.
Präsentiert werden die ausgestellten Arbeiten im LehmbruckMuseum unter Rückgriff auf Adelbert von Chamissos neunteiligen Gedichtzyklus “Frauen-Liebe und Leben”, vertont von Robert Schumann unter dem Titel “Frauenliebe und -leben”. Dieser Gedicht- und Liederzyklus ist es, der die gezeigten Porträts ordnet, ohne sie jedoch in ein enges Korsett zu zwängen. In ihm wird aus Sicht der Romantik der Lebensweg einer Frau von der ersten Liebe bis zu ihrem Tod nachempfunden. Entlang dieser neun Gedichte reiht sich die Sammlung auf und setzt den zeitgenössischen Kontrapunkt.
Zur Ausstellung ist ein wunderbarer Katalog, angereichert mit vielschichtigem Textmaterial (Gedichte, Lieder, Ausschnitte aus essayistischen, literarischen, wissenschaftlichen Texten. Roland Barthes kommt hier ebenso zu Wort wie Ingeborg Bachmann, Simone de Beauvoir oder die Bee Gees) bei Hatje Cantz erschienen.

 

21.03.2013  |  ABC des Lesens   Anfang des Jahres in der Übersetzung von Eva Hesse (erstmals 1957 und dann alle Jahre wieder bei suhrkamp) in einer Neuausgabe bei Arche erschienen, ist Ezra Pounds ABC des Lesens das Buch der Woche auf dem Büchermarkt des Deutschlandfunks.
"In der ersten Phase des Schreibens sieht man den Schriftsteller stets etwas wie etwas anderes machen, das er gehört oder gelesen hat. Die meisten Schriftsteller kommen nie über diese Stufe hinaus." Und: "Ein Meister erfindet einen Dreh oder ein Verfahren, das einen besonderen Zweck oder eine begrenzte Reihe von Funktionen erfüllt. Dann kommt der Flachkopf von Pädagoge oder Theoretiker und erklärt das Verfahren zum Gesetz oder zur Regel."
Alte Sätze, die heute nicht weniger angebracht sind als 1934, und für deren argumentative Aufbereitung man bei den Betroffenen heute noch Schelte bekommt: man solle darüber lieber schweigen. Es nimmt wohl einen Teil des Zaubers, in dem man sich wähnt. Daß viele Lyriker sich heute durch einen inneren Dschungel von Ge- und Verboten manövrieren (müssen), um zu gültigen Sätzen zu kommen, statt befreit und wirklich zeitgerecht zu dichten, ist ein peinliches Detail wie eine krumme Nase, über die man nicht spricht. Eine realere Gefahr ist laut Pound der Gelehrte: "Der Dozent ist eine Gefahr. Der Dozent ist einer, der eine Stunde lang reden muss."

 

21.05.2013  |  Baden im Hörbaren und Irren im Garten   Auressio - so heißt der Ort im Tessin, in dessen Nähe der Schweizer Einsiedler Armand Schulthess gelebt hat. Die junge Künstlerin Ingeborg Lüscher erlebt Schulthess wie ein scheues Tier, als sie erstmalig sein Terrain erkundet. Auf dem Steilgelände seines Areals verknotet Schulthess Zweige zu Geländern und baut aus Sperrmüll, Baumstämmen und Altreifen abenteuerliche Stege und Aussichtspunkte. Dazwischen hängt er Hunderte von Schrifttafeln und Gegenstände in die Bäume seines Kastanienwalds und offeriert dem unerbetenen Besucher sein enzyklopädisches Wissen, genauer, ein einzigartiges Ordnungssystem des Weltwissens in einer Art Freiluft-Enzyklopädie. Als Schulthess 1972 starb, wurde sein wildwuchernder Garten des Wissens plattgewalzt. Mit Peter Moritz Pickshaus suchte Lüscher im Jahr 2007 noch einmal das Areal auf, wo sich einst der Wunderwald des Armand Schulthess befand. Das Hörspiel Auressio fokussiert die Begegnung zwischen ihr und Schulthess. Es lief am 10.05. im Bayerischen Rundfunk und kann nachgehört werden: der Hörspielpool des Bayerischen Rundfunks hält die Sendungen der vergangenen Monate zum Onlinehören bereit. Bei einem flüchtigen Scroll gefunden bspw. Hörspiele von Michael Lentz, Valère Novarina, John Giorno, Dietmar Dath, Hartmut Geerken u.v.a. Interessante mehr.

 

20.05.13  |  Stimmbänder   In der Nacht vom 23. auf den 24.05. um 0:05 Uhr präsentiert die Reihe: "Die zweite Stimme" im Deutschlandradio Grenzen und Möglichkeiten des Vokalapparates in drei künstlerischen Positionen von Franz Mon, Keiji Haino und Jochen Gerz.
Franz Mon ist seit 50 Jahren ein zentraler Vertreter der konkreten Poesie in Deutschland. Beim ROT-Festival im Frankfurter Mousonturm zeigte er 2011, dass seine Sprachkompositionen nichts von ihrer spielerischen Energie eingebüßt haben. Ebenfalls beim ROT-Festival stand der japanische Noise-Musiker Keiji Haino auf der Bühne. In seinen Stimmperformances bewegt er sich zwischen Sprache und Schrei. Ähnlich radikal agiert Jochen Gerz in seiner Videoperformance "Rufen bis zur Erschöpfung" aus dem Jahr 1972. Wie weit trägt die Stimme? Wann wird sie versagen?

 

20.05.2013  |  Virtuos bis ins Gebälk   „Keiner der nachbarocken Dichter hat das Virtuose der deutschen Lyrik so rehabilitiert wie er. Keiner konnte wie er das Zwingende von Anklängen, Übergängen, Enjambements so geschmeidig handhaben, ja, niemandem waren Wörter so Geschmeide wie ihm. Zudem war er ein Meister einer Vokalmusik, bei der jeder Vokal Teil eines Mehrklangs ist, man achte nur darauf, wie in den ersten Versen unseres Gedichts die o-, ö- und ü-Laute die Glockenidee verkörpern.“  Jochen Jung in der Frankfurter Anthologie über Rainer Maria Rilkes Gedicht Wie die Vögel .

Rainer Maria Rilke
Wie die Vögel

Wie die Vögel, welche an den großen
Glocken wohnen in den Glockenstühlen,
plötzlich von erdröhnenden Gefühlen
in die Morgenluft gestoßen
und verdrängt in ihre Flüge
Namenszüge
ihrer schönen
Schrecken um die Türme schreiben:

können wir bei diesem Tönen
nicht in unsern Herzen bleiben

(1914)

 

20.05.2013  |  Immer dieses Internet!   Nachlese zur re:publica 13: „Der Kulturwissenschaftler Diederichsen hat zu den aktuellen Fragen, die auf der Republica diskutiert werden, fast immer ein Zitat aus früheren Zeiten parat. Zum Thema Crowdsourcing fällt ihm ein, dass schon der Beat-Autor Allen Ginsberg geschrieben habe: „Wann kann ich im Supermarkt mit meinem guten Aussehen einkaufen?“ Das passt zum Phänomen, dass man „in der Welt da draußen“ immer mehr auffallen müsse, um gegen die Vielzahl an medialen Kanälen, die zu uns nach Hause strömten, bestehen zu können.“ Stuttgarter Zeitung.  Diederichsens Grundaussage: das Internet ist nicht der Erneuerer und Erzeuger der Dinge, sondern ihr Verstärker, ein Kanal in dem Inhalte einen feldhaften Charakter bekommen, auf dem man seine Haus und Macken hegen und pflegen kann.
U.a. dieses Gespräch zwischen Mercedes Bunz und Diedrich Diederichsen ist nun auf einem eigenen youtube-Kanal zu entdecken.

 

20.05.2013  |  „Worte nicht in giftige Buchstaben einwickeln“   Zum anstehenden 100. Geburtstag der Künstlerin und Lyrikerin Meret Oppenheim öffnet dieses Buch (gerade erschienen im Verlag Scheidegger & Spiess) mit Briefen und einem ganz persönlichen Album die Tür zu ihrer Gedankenwelt und ihrem Freundeskreis.
Meret Oppenheims bekannteste Werke gehören zum Kanon der europäischen Kunst des 20. Jahrhunderts, allen voran die Pelztasse Déjeuner en fourrure, die seit 1936 im MoMA ausgestellt ist. Wie ihre ebenso wichtigen lyrischen Texte und ihre Traumaufzeichnungen ist auch das bislang unveröffentlichte Album «Von der Kindheit bis 1943» sowohl eigenständige Ausdrucksform als auch Quelle zum Verständnis ihres Werks.
Das visuelle Zentrum dieses umfangreichen Bands bildet das Faksimile des 92-seitigen Albums, in dem die 45-jährige Künstlerin eine von Hand geschriebene, gezeichnete und mit eingeklebten Bildern ergänzte Autobiografie collagiert hat. Darum herum werden über 1000 unveröffentlichte Dokumente aus sieben Jahrzehnten im Originalwortlaut wiedergegeben: die Briefe an die Mutter, den Vater und den Ehemann, die Korrespondenz mit Künstlern wie Max Ernst, Marcel Duchamp, Leonor Fini, Intellektuellen wie André Breton und André Pieyre de Mandiargues und mit Kuratoren wie Franz Meyer, Bice Curiger oder Jean-Christophe Ammann. Diese Dokumente waren bislang unter Verschluss und geben jetzt einen aussergewöhnlich persönlichen Einblick in Meret Oppenheims Leben und Schaffen.
Aktuell zu sehen eine erste posthume Retrospektive des Werks von Meret Oppenheim im Bank Austria Kunstforum.

 

20.05.2013  |  All im Zufall   Welche Rolle spielt der Zufall in der Kunst? Wann wird der Zufall als willkommener ‚Gehilfe‘ genutzt, der für Künstlerin bzw. Künstler Entscheidungen in der Komposition und in den Bilddetails trifft, der konstruiert, zerstört und transformiert?
"Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will." Anatole France. Die Einbeziehung des Zufalls in den Prozess der Werkentstehung ist ein wiederkehrendes Konzept der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. In der Ausstellung Purer Zufall. Unvorhersehbares von Marcel Duchamp bis Gerhard Richter (vom 15.05. bis 15.09. im Sprengel Museum  Hannover) wird den vielfältigen Strategien von Künstlerinnen und Künstlern nachgegangen, die in besonderem Maße mit dem Zufall operiert haben. Das Unvorhersehbare und Unplanbare wird zur zweiten schöpferischen Instanz, wenn in einer bestimmten Phase des Werkprozesses die Kontrolle über den weiteren Fortgang abgegeben und damit die konventionelle Vorstellung von der Rolle der Künstlerin/des Künstlers hinterfragt wird. Das unwiederholbare Ergebnis des Zufalls durch den bewussten Rückzug ist stets eine Überraschung.

 

19.05.2013  |  Das wahre Bild der Zukunft findet sich im Scheitern der Gegenwart   „An diesem Punkt, wo die Logik der Gegenwart ins Stocken gerät, in der Sackgasse landet und brüchig wird, entdeckt Marx überraschenderweise den Entwurf einer veränderten Zukunft. Das wahre Bild der Zukunft ist das Scheitern der Gegenwart.“  Terry Eagleton in seinem Buch Warum Marx recht hat. Ich würde den letzten Satz leicht verändert übersetzen: „Das wahre Bild der Zukunft findet sich im Scheitern der Gegenwart“. Ähnlich wie man aus Knochen liest, nur daß die Knochen heute komplexe Fakten wie dahinsterbende Umwelten, aussterbende Arten und endliche Ressourcen sind, die man anschauen muß mit Lupen, die wir noch gar nicht haben. (Kollaps oder Evolution – fragt uns Rebecca Costa).
Terry Eagleton gilt als der führende Literaturtheoretiker und Literaturkritiker Großbritanniens. Die Tageszeitung The Independent bezeichnete ihn 2007 als «the most influential academic critic». Er war jetzt zu Gast in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin, wozu ein Video erschienen ist.

 

19.05.2013  |  Kein Licht ohne Fenster   „Das portugiesische Wort Claraboia heißt so viel wie Dachfenster. Das Licht, das hier einfällt, beleuchtet Verhältnisse, Leben und Alltag der Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Lissabon des Jahres 1953. Es herrscht Diktatur, Lissabon ist eine „traurige Stadt“, Armut herrscht, die Zustände sind hoffnungslos. Claraboia ist Saramagos zweiter Roman, und er ist ein junger Mann um die 30, als er Anfang der 50er das 300 Seiten starke Manuskript einreicht. Jahrzehnte später wird sich der Verlag bei ihm melden und vom Auffinden eines „verschollenen Buches“ sprechen.“ Osnabrücker Zeitung. Und Saramagos wird einer Veröffentlichung nicht zustimmen. Jetzt, drei Jahre nach seinem Tod, ist das verschollene Buch des Nobelpreisträgers José Saramagos (1922–2010) erschienen.

 

19.05.2013  |  Tusche als Bleibe   Eine neue Sonderausstellung «Bedřich Fritta. Zeichnungen aus dem Ghetto Theresienstadt» im Jüdischen Museum in Berlin zeigt Werke des Grafikers Bedřich Fritta (1906–1944), die zwischen 1942 und 1944 im Ghetto Theresienstadt entstanden sind. Die nördlich von Prag gelegene Festung Theresienstadt diente seit Ende 1941 als Ghetto, in dem etwa 140.000 Juden aus Mittel- und Westeuropa vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager des Ostens interniert wurden. Der Weltöffentlichkeit, vor allem dem Internationalen Roten Kreuz, sollte das Bild einer normalen Kleinstadt vorgegaukelt werden, in der Juden zwar isoliert, aber unter annehmbaren Bedingungen lebten. Die inhaftierten Künstler mussten unter anderem auch Propagandamaterial herstellen und zu dieser Illusion beitragen. In ihren heimlich angefertigten Zeichnungen hielten sie jedoch das Elend des Ghettoalltags fest.
Der Großteil der über einhundert großformatigen Tuschezeichnungen und Skizzen Bedřich Frittas blieb in einem Versteck erhalten. Sie sind heute im Besitz des Sohnes des Künstlers.

 

18.05.2013  |  What are you waiting for?   Vor  40 Jahren war Rolf Dieter Brinkmann Stipendant in der Villa Massimo, seinen Aufenthalt verarbeitete er in "Rom, Blicke"… »Die bisher übliche Addition von Wörtern« könne, so Rolf Dieter Brinkmann 1969, das nicht mehr zu fassen bekommen, worum es ihm geht, nämlich eine literarische Schreibweise zu entwickeln, die »tagtäglich zu machender sinnlicher Erfahrung« entspricht. Um dieser Erfahrung, die im Umgang mit oder auch nur der Präsenz von Maschinen, Werbung, Kino usw. besteht und die in Wörtern gar nicht aufgehen könne, gerecht zu werden, arbeitet er mit vorgefundenem Material - Zeitungsausschnitten, Postkarten, Eintrittskarten - sowie selbst angefertigten Fotografien, die er mit dem Geschriebenen, in das wiederum Slogans und Zitate eingegangen sind, kombiniert (siehe »Westwärts 1&2«, Reinbek 1975 und die postum erschienen Materialbände, z.B. »Rom, Blicke«, Reinbek 1979). Dabei tritt das fotografische Verfahren des Snapshot nicht nur ergänzend zum Schreibprozess, sondern leitet diesen an: »Vorstellungen projizieren«, augenblickliche Eindrücke fixieren, »auszugehen von dem, was ist«. Medien Kunst Netz

 

18.05.2013  |  Umwälzungen im Literaturbetrieb?   „Die Literatur von morgen findet da statt, wo sie auch heute stattfindet. Nämlich im Kopf des Lesers“, sagt der künftige Hanser-Verlagsleiter Jo Lendle. Am 24. und 25. Mai werden auf einer Konferenz an der Universität Hildesheim neue Formen der Literaturvermittlung diskutiert und entwickelt. Rund 200 Autoren, Literaturvermittler, Journalisten und Experten aus Verlagen und Agenturen sprechen über die Umwälzungen im Literaturbetrieb. Statt Frontalvorträge stehen Gespräche und Zusammenarbeit im Vordergrund.
Konzipiert wurde Literaturfutur von 30 Studierenden der Universität Hildesheim, die sich mit Kreativem Schreiben, Kulturjournalismus und Kulturwissenschaften befassen.

 

18.05.2013  |  Sinn und Form   Das diesjährige Heft 3 der Zweimonatsschrift Sinn und Form ist erschienen mit Beiträgen u.a. von  Imre Kertész, Henning Ritter, Christoph Meckel, Oliver Sacks, Marianne Glaßer, Gedichte von Hans Thill, Thomas Böhme und Renate Schmidgall, einem Essay von Kurt Drawert  u.v.a.m.

 

17.05.2013  |  Giftige Schmetterlinge   „Bittet man irgendeinen Armenier, von der Literatur seines Landes zu erzählen, wird er in neun von zehn Fällen sehr weit ausholen und mit der Entstehung des armenischen Alphabets im 5. Jahrhundert beginnen. Je weiter man in die Gegenwart kommt, wird der Gesprächspartner paradoxerweise nicht mehr genau wissen, von wem, von welchen Namen und Strömungen er berichten soll.“ Armenien ist das aktuelle Thema des Onlinemagazins für internationale Literatur Transcript.
Dortselbst zu finden: von Herbert Maurer frisch übersetzte armenische Poesie von Arpi Voskanian, Tatev Chakhchakhyan & Marine Petrossian.

 

17.05.2013  |  Keine Vorschriften, keine Grenzen   Die Literaturgeschichte Schwedens gedenkt heute des einflußreichen schwedischen Arbeiterdichters Gustav Hedenvind-Eriksson (17.05.1880 - 17.04.1967), von dem in deutscher Übersetzung bislang noch kein Buch vorliegt.
„Mit 15 verließ Gustav Hedenvind-Eriksson die Geduld und es kam zu einer schlagkräftigen Auseinandersetzung mit seinem Vater. Gustav gewann den Kampf, packte seine Sachen und verließ den Hof um in den Folgejahren seinen Unterhalt als Waldarbeiter, Seemann, Bergmann und Eisenbahnarbeiter zu verdienen. Hedenvind-Eriksson bereiste bei diesen Arbeiten nicht nur den nördlichen Teil Skandinaviens, sondern auch die USA und den Kongo … Gustav Hedenvind-Eriksson schrieb Arbeiterliteratur bevor diese als literarische Gattung etabliert war. Ein Pionier als literarischer Sprecher der Arbeiter Schwedens, der eine ganze Schicht an Literaten beeinflusste. Sein Stil war einfach, denn er hatte nie eine literarische Ausbildung erhalten, sondern kam als Autodidakt zum Schreiben und verkehrte die erste Hälfte seines Lebens unter Arbeitern und Bauern, die sein Denken und Schaffen beeinflussten.
Literaturwissenschaftler kritisieren oft, dass Gustav Hedenvind-Eriksson ständig Stilbrüche begeht, keine klare literarische Linie geht und vergessen dabei, dass ein Teil dieser Brüche vom Autor bewusst begangen wurden, denn für ihn musste ein Gedicht nicht den Regeln der gebildeten Elite folgen und ein Buch nicht den Vorschriften der Svenska Akademien, sondern es sollte die Persönlichkeit des Autors beinhalten ohne von künstlich gesetzten Grenzen eingefangen zu werden.“

 

16.05.2013  |  Falls wir das haben   „Die Szenerie schält sich nicht aus der Sprachform, bleibt einfach in der Sprache sitzen. Nach dem Lied ist vor dem Lied, auch der Regen wird besungen, in Wirklichkeit fällt er gar nicht. Etwas wie ein Naturgedicht. Ein Zitat, das sich selbst zitiert werden hört. Von wem? Von allen, von uns, den mit nackten Beinen am Fluss Herumlungernden. So ist das mit den Zeichen, sie fangen im Gedicht an, von sich selbst zu wissen, sie ahnen etwas von ihrer ab- und mitgerissenen Konstitution. Grinsende Ufer, haltloses Gebröckel. Und das lässt sie etwas nervös werden und straucheln, entschieden zum Liedversatzstück, in Sekundenbruchteilen. Zitieren und Singen, Lungern und Gedichteschreiben – uns geht es so gut heute.“ Marcus Roloff aktuell über ein Gedicht von Björn Kuhligk im Neuen Wort Schatz 3.


16.05.2013  |   Woerdz bei Flatz   Das FLATZ Museum in Dornbirn ist ein außergewöhnlicher Ort in der Vorarlberger Museumslandschaft. Neben den Werken von FLATZ und der seit April laufenden Sonderausstellung mit über 40 Original-Werken des amerikanischen Fotografen Weegee (1899-1968) (berühmt für seine Tatortfotografien in der Boulevardpresse) soll auch die Literatur im FLATZ Museum ihren Platz haben. Und Lyrik ist wohl jene Gattung, die als Sprachkunst der bildenden Kunst, der Performance und der Musik am nächsten steht. Die Jacob-Grimm- und Joachim-Ringelnatz-Preisträgerin Nora Gomringer («Mein Gedicht fragt nicht lange») wird am 16. Mai um 20 Uhr für einen spannenden Lyrikabend von der A-cappella-Formation «Wortart Ensemble» aus Dresden begleitet.
Das Anfang 2008 gegründete Wortart Ensemble folgt dem Konzept, deutsche zeitgenössische Lyrik zu vertonen. Elemente aus Klassik, Jazz und Pop fließen ebenso in die Musik ein, wie die musikalische Biografie jedes einzelnen Ensemblemitgliedes.

 

16.05.2013  |  Auch wenn ich allein bin, bin ich jemand anders   „Ein Buch ist immer auch etwas Verschlüsseltes, eine Maske, die man sich aufsetzen kann, um nackt, aber unerkannt durch ein volles Fußballstadion zu laufen“. Immer wieder werde sie gerade im Hinblick auf den Debütroman nach autobiographischen Aspekten gefragt. „Gewisse Zusammenhänge zu leugnen wäre Unsinn, natürlich fließen gesammelte Erfahrungen, Lebensumstände und Impulse mit in die Geschichte ein“. Jenny Erpenbeck als Poetikprofessorin 2013 an der Universität Bamberg.

 

15.05.2013  |  Maschine rennt und brennt im Leporello   Vor hundert Jahren erschien Die Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn und der kleinen Jehanne von Frankreich, ein Gedicht über Reisen auf der Erde, aber auch im Kopf (Zusammen mit der Künstlerin Sonia Delaunay publiziert Cendrars das erste »livre simultané«: ein Buch, das keines ist, sondern ein zwei Meter langer Leporello, über dessen Fläche ein langes, ungestümes Prosagedicht und leuchtende Farbmodulationen Literatur und Malerei simultan zusammenführen.). Mit der Aufnahme in die prestigeträchtige Buchreihe Bibliothèque de la Pléiade findet Blaise Cendrars nun seinen Platz in der Weltliteratur.
Cendrars wurde 1887 in La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg geboren. Mit 17 büxte er daheim aus. Später erzählt er, dass er auch den Westen hätte wählen können, er sich aber wie in einem Glücksspiel für den Osten entschieden habe. Er reiste bis ans äusserste Ende Russlands, nach Wladiwostok. Später zog es den Vielschreiber in die abgelegenen Winkel dieser Welt. Vom 1961 in Paris Verstorbenen bleiben seine Bücher, seine Fotografien – und seine Stimme. Isabell Eichenberger erinnert heute an ihn. „Alles Leben ist bloß ein Gedicht, eine Regung. Ich bin nur Wort und Sprache, eine Tiefe im denkbar ursprünglichsten, mystischsten, lebendigsten Sinne“, schrieb er 1913. Seine gesammelten Gedichte erschienen 2004 im Basler Lenos Verlag unter dem Titel „Ich bin der Andere“.

 

15.05.2013  |  Technical Memorandum   Neu zu sehen im Digital Arts Museum DAM in Frankfurt am Main: Plotter Drawings from the 1960s. Und auf der webiste dortselbst bald nachzulesen der Essay von A. Michael Noll „Technical Memorandum“, den er im Jahre 1962 zu seiner Computer-Kunstarbeit in den Bell Laboratories verfasste.

 

15.05.2013  |  Eingeläutet   Nominiert für den Bachmann-Preis sind die beiden Österreicherinnen Nadine Kegele und Cordula Simon, der in Wien lebende Burgschauspieler Joachim Meyerhoff, die Deutschen Larissa Boehning, Hannah Dübgen, Roman Ehrlich, Verena Günter, Benjamin Maack, Nikola Anne Mehlhorn, Anousch Mueller und Philipp Schönthaler. Dazu kommt für Deutschland noch der aus Brasilien stammende Ze do Rock und die in der Ukraine geborene Katja Petrowskaja. Für die Schweiz nominiert ist der gebürtige Münchner Heinz Helle, der in Biel lebt.
Die Klagenfurter Rede zur Literatur hält am 3. Juli bei der Eröffnung Michael Köhlmeier. Gelesen und debattiert wird von 4. bis 6. Juli, der Bachmann-Preis und die anderen Auszeichnungen werden am 7. Juli vergeben.

 

15.05.2013  |  Wir alle sind Kunden   Die Buchpremiere der neuen Reihe "Naturkunden" (herausgegeben und gestaltet von Judith Schalansky) im Verlag Matthes & Seitz steht an. Lothar Müller wird den Abend moderieren und mit Judith Schalansky und Andreas Rötzer über die verschiedenen Titel der Reihe sprechen. Vorgestellt werden folgende Titel:
Cord Riechelmann. Krähen. Ein Portrait.
John Muir. Die Berge Kaliforniens.
Jürgen Goldstein. Die Entdeckung der Natur.
Korbinian Aigner. Äpfel und Birnen. Das Gesamtwerk.

Die Veranstaltung findet am 16.05. 2013 um 20.00 Uhr in der Felix Jud Buchhandlung in Hamburg statt.  Da die Plätze begrenzt sind, wird um Anmeldung gebeten.
Nähere Information zur Anmeldung und Details zur Veranstaltung findet man hier.

 

14.05.2013  |  Weiter geht es mit Lyrik   In einer Reihe von Benefiz-Lyriklesungen, die dieses Jahr in verschiedenen Hamburger Buchhandlungen zugunsten von Hinz & Kunzt stattfinden, wird Julietta Fix am Freitag, den 17.05. bei Cohen & Dobernigg von 16:00 bis ca. 18:00 Uhr Lyrik lesen. Die Autorin und Betreiberin des Lyrik-Portals und –Verlags Fixpoetry wird jedem, der möchte, ganz persönlich ein Gedicht vortragen. Eine Voranmeldung für diese Veranstaltung ist nicht nötig. Einfach vorbeikommen, eine Spende in Höhe von €1 (oder mehr…) in die Hinz & Kunzt-Spendendose werfen, und entweder ein selbst ausgewähltes oder ein Überraschungsgedicht von Julietta Fix persönlich vorgetragen bekommen.
Wer die wundervoll lesende JF zuvor online testhören möchte, höre hier hin.

 

14.05.2013  |  Klassiker Liebe und Tod   Endlich ist Gaito Gasdanow, der mit Nabokov, Proust und Camus verglichen wurde, auch bei uns zu greifbar. Das Phantom des Alexander Wolf, im Original 1947 erschienen, ist einer der großen Romane der Weltliteratur. Das Museum Folkwang und die Literaturzeitschrift schreibheft helfen beim Wiederentdecken. Am Freitag, 17. Mai 2013, 20.00 Uhr im Museum Folkwang, Karl Ernst Osthaus-Saal.
"Von allen meinen Erinnerungen war die bedrückendste die an den einzigen Mord, den ich begangen habe." Der Erzähler erinnert sich an ein tragisches Erlebnis im russischen Bürgerkrieg, als er in der Steppe einen Reiter auf einem weißen Pferd niederschoß. Jahre später, im Pariser Exil, findet er diesen Vorfall in einem englischen Buch ganz genau beschrieben. Seine Bemühungen, den Autor persönlich kennenzulernen, bleiben zunächst erfolglos. Stattdessen begegnet er bei einem Boxkampf, über den er als Journalist berichten soll, Jelena, einer rätselhaften schönen Frau, in die er sich auf der Stelle verliebt. Eines Tages erzählt sie ihm von ihrem früheren Geliebten, der überzeugt war, bald sterben zu müssen, weil er dem Tod schon einmal entronnen war. Da sie seinen verzweifelten Fatalismus nicht ertrug, verließ sie ihn. Doch seine Drohung, er werde sie niemals gehen lassen, verfolgt sie noch immer. (Buch Rezension auf Fixpoetry)

 

14.05.2013  |  Bilderweben, die im Kopf wilder beben   Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth wandelt am Donnerstag, den 16.05. um 19.30 Uhr im Deutschlandradio auf den Spuren von Arthur Jacobs und Raoul Schrott. In der Sendung »Die Poesie der Nervennetze -Wie Gehirn und Gedicht zusammenspielen“ versucht er Zusammenhänge zu finden und darzustellen, die von den Naturwissenschaften gestützt werden.

Christian Morgenstern
Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wisst ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im Stillen:
Das raffinierte Tier
tat’s um des Reimes willen.

 Aus: Galgenlieder (1905)

 

14.05.2013   |   »Dichter säen, Eroberer pflanzen; und die Erde erbt alles.«   Oswald Egger begibt sich auf Lesetour. Mit und als Lenz, als Ossian des Südens und mit diesem, wie Linz und Lunz, die beiden Lenzfiguren, geht Oswald Egger auf eigenen Pfaden durchs Gebirg und an die Grenzen der Sprache sowie hinaus über die Schelmgrenzen des Verstandes. Oswald Eggers Instrument für dieses Genre der Geländesondierung in areale Areale ist seine Sprache, die Erdsprache, Tirade, anerkannt durch ein selbstsprechendes Erdrecht, und, im Tretrad der Rede, diese kopflos durchmusternd, ihr ununterredetes Gespräch: Steinbruch, Geröll und prosodischer Gesang, Traktat, Explikation und Luftgeistersprache.
Oswald Egger liest am Mittwoch, 15. Mai, 20 Uhr im Großen Saal im Literaturhaus Berlin aus seinem soeben erschienenen Prosabuch »Euer Lenz«.

 

13.05.2013  |  "Schatz. Liebesgedichte"   Günter Herburger,Romancier, Lyriker und Kinderbuchautor, liest aus seinem 2010 erschienenen Gedichtband "Ein Loch in der Landschaft" (A 1 Verlag, München) und noch ungedruckte Texte aus der Sammlung "Schatz. Liebesgedichte" am Mittwoch, 15. Mai, 19.00 Uhr bei freiem Eintritt in der 16. Folge der Lesereihe „Lyrik im Café“, die seit September 2011 monatlich an jedem dritten Mittwoch im Kulturcafé Chavis, Detlev-Bremer-Str. 41 in Hamburg stattfindet. Moderation: Peter Engel
Günter Herburger wurde 1932 in Isny im Allgäu geboren und lebt jetzt nach 30 Jahren Abwesenheit wieder als freier Schriftsteller in Berlin. Er studierte Sanskrit und Philosophie in München und Paris und erhielt für sein literarisches Schaffen etliche Preise, so zuletzt den Johann Friedrich von Cotta-Literaturpreis und den Lübecker Literaturpreis "Von Autoren für Autoren“. Dem frühen Gedichtband "Operette" von 1973 folgten weitere wie "Orchidee" (1979), "Das Lager" (1982), "Kinderreich Passmore" (1986), "Der Kuss" (2009) und „Ein Loch in der Landschaft“ (2010). Herburger bestritt wiederholt Marathonläufe, in Großstädten und in verwunschenen Landschaften, und hat von dieser ungewöhnlichen Seite seiner Biographie in seinem 1988 erschienenen Band "Lauf und Wahn" berichtet.

 

13.05.2013  |  Fremdes nah im Schatten   Margret Kreidl und Petra Ganglbauer über Leben und Werk der Autorin Veza Canetti am Mittwoch, den 15. Mai 2013 um 19.30 Uhr im Literaturhaus Mattersburg.
"Die Gegend war fremd. Und je fremder sie wurde, desto geborgener fühlte sich Eva....",Zitat aus "Die Schildkröten" von Veza Canetti. In diesem Roman zeichnet die Autorin bewegend unsentimental die Flucht des jüdischen Ehepaares Andreas und Eva Kain aus Österreich nach dem Anschluß.  Andreas und Eva gelingt die Ausreise nach England. 
Anlässlich ihres 50.Todestages wird im Literaturhaus Mattersburg der lange verschwiegenen Dichterin Veza Canetti (1897-1963) gedacht. Sie starb in ihrem Londoner Exil. Ihre erstaunliche Literatur wurde erst ab 1990 nach und nach wiederentdeckt. Lange stand die Autorin im Schatten ihres berühmten Ehemannes Elias Canetti. Die Autorinnen Petra Ganglbauer und Margret Kreidl bieten Zugänge zu Leben und Werk von Veza Canetti, dabei werden auch ausgewählte Texte der Autorin vorgetragen.

 

13.05.2013  |  Flugschrift draußen   Ein Zeitschriftenprojekt des Autors Dieter Sperl in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wien und unterstützt vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. Grafische Umsetzung der einzelnen Ausgaben: Dominik Hruza.
flugschrift publiziert vorzugsweise Texte einer AutorInnenschaft im Grenzbereich zwischen Literatur, Kunst und Theorie, die Selbstreflexion - Konstruktion und Dekonstruktion polyloger Weltreferenzen - im Kontext einer sich ständig verändernden hypertrophen Sprach-Wirklichkeit als Notwendigkeit erachtet und ist ausschließlich einem Autor/einer Autorin/einer AutorInnengruppe gewidmet. Die AutorInnen werden eingeladen, eine Ausgabe nach ihren Vorstellungen zu gestalten. flugschrift erscheint in einem Format, das größtmöglichen gestalterischen Spielraum bietet – vom Plakat bis zum 16-seitigen Heft.
Eben ist die Ausgabe von und mit Petra CoronatosFLUGSCHRIFT #4 ( 2013 ) – erschienen , womit sich prima vista ein schöner Kontrast zwischen Schwarz / Weiss und einer umwerfend multikolor dargestellten mikroskopischen Welt der visuellen Renderings aus der Bio- Logik ergibt.

 

12.05.2013  |  Die exakte Geschwindigkeit von Nordhausen lässt sich nicht bestimmen. Weltall Erde Mensch - ein Hörspiel von Luise Voigt.
Nordhausen ist ein kleiner Punkt im Weltall. Er bewegt sich mit rasender Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn - sofern man die Ellipsengesetze nicht kennt.  Die exakte Geschwindigkeit von Nordhausen lässt sich allerdings nicht feststellen, außer man könnte von einem festen Bezugspunkt im All ausgehen. Doch den gibt es im Grunde genommen nicht. Regie: die Autorin. Komposition: Björn Deigner. Zu hören am 14.05. im Deutschlandfunk um 20:10 Uhr, ca. 55'.


12.05.2013  |  Maschinensehen - Feldforschung in den Räumen bildgebender Technologien   Das »Raumschiff Erde« ist heute ausgestattet mit einer Unzahl von Sensoren – ob in Form von Satelliten im All oder Sonarmessgeräten in den Ozeanen. Die wenigsten davon sind klassische »Kameraaugen«, wie man sie aus der analogen Fotografie kennt. Dennoch produzieren sie Bilder: Die durch diese Sensoren gewonnenen Massen an Messdaten werden visualisiert, um von Menschen überhaupt interpretiert werden zu können.
Derartige Vermessungen und Visualisierungen nehmen eine folgenreiche Rolle in den Kontroll- und Entscheidungsprozessen der Wissenschaft, der Politik, des Militärs, der Wirtschaft, der Medizin und der Polizei ein. Die neuen Praktiken der zwei- und dreidimensionalen Kartographierung produzieren Karten in Form von Pixeln und Voxeln, die frei transformierbar und weltweit abrufbar sind. Sie verändern dabei nicht allein den Umfang der Erkenntnis und Überwachung der Welt, sondern eröffnen einen neuen, weltumspannenden Handlungsraum.
„Prophetische Texte über die jeweilige Technologie als solche ob Fernsehen, Computer oder Internet –, in denen, wie Hans Magnus Enzensberger es formulierte, aus den «Eingeweiden der technischen Zivilisation» wahlweise der Untergang der Kultur oder die Ankunft eines irdischen Paradieses gelesen werden, haben an Anziehungskraft verloren. An ihre Stelle traten Detailstudien konkreter Situationen, die Maschinen und technische Verfahren nicht künstlich isoliert betrachten, sondern in ihrer Verwobenheit in der Welt, etwa mit Wirtschaft, Recht, Politik, Industrie, aber auch mit Kunst und Literatur.“ (Margit Rosen, Kuratorin, ZKM)
Selbstschau und Schauselbst. Wie wir heute Bilder machen und was wir in ihnen sehen.
Eine Ausstellung noch bis 19. Mai im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.

 

12.05.2013  |  Pop-Up Showroom in Hamburg   Der Kunstbuchverlag Hatje Cantz ist vom 14. bis 16. Mai 2013 zu Gast in der Hamburger Speicherstadt.
Drei Tage Kunst, Fotografie und Architektur in exklusiver Vielfalt: In Büchern stöbern, mit Künstlern und Kuratoren ins Gespräch kommen, Lesungen, Bücher signieren lassen und vieles mehr möchten in einem  temporären Pop-Up Showroom in Hamburg. Neben kunstvollen Büchern und einem spannenden Programm werden auch ausgewählte Arbeiten einzelner Künstler gezeigt. Speicherstadt "Block R", St. Annenufer 3, 20457 Hamburg. Dienstag, 14.5.2013, bis Donnerstag, 16.5.2013, täglich von 11-21 Uhr.


12.05.2013  |  Das amortisiert sich nicht   Wie alles anfing: Für die taz ist es 2003 die „spektakulärste“, für das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel die „erfrischendste“ Verlagsgründung der letzten Jahre. Denis Scheck bescheinigt in ARD-Druckfrisch „nicht nur gute, sondern auch schöne Bücher in so liebevoll zeitgemäßer Ästhetik, dass man sie jederzeit auch einfach als Kunstobjekte verschenken kann“. Eine begeisterte NZZ formuliert: „Die Utopie eines jungen, innovativen Literaturverlags, die Daniela Seel jetzt realisiert hat, hielten die präpotenten Experten für völlig blauäuig. Nun zeigt uns eine dreissigjährige Verlegerin, dass literarische Leidenschaft eben doch Berge versetzen kann.“ Die Berliner Morgenpost sieht „eine Kampfansage an das literarische Fertiggericht“. Und die Qvest ruft die Dichter-Verlegerin in einem legendär gewordenen, wenngleich zweifelhaften Vergleich gar zur „Ché Guevara der deutschen Verlagswirtschaft“ aus.
Und heute? 55 Bücher ‒ und etliche Auszeichnungen für Autor_innen, Verlag und nicht zuletzt für Art Director Andreas Töpfer ‒ nach Gründung schreibt die Literaturwerkstatt Berlin auf ihrer Website: „Die wichtigsten Lyrikverlage in Deutschland, womit fängt man an? In diesem Fall ist die Antwort leicht, denn was täten wir ohne kookbooks? Seit genau 10 Jahren ist dieser Verlag eine poetische Fundgrube ohne Vergleich und die Liste der Autoren, die hier ihre Heimat und Zuflucht gefunden haben, liest sich wie ein Lexikoneintrag ‚Deutsche Lyrik des 21. Jh.‛, verfasst im Jahre 2050. Jede Lyrikbibliothek ohne kookbooks ist eine traurige Sache.“
Doch die Bedingungen für unabhängiges Publizieren und Poesie als Lebensform sind keineswegs leichter geworden, seit kookbooks im Mai 2003 aus dem Künstler_innennetzwerk KOOK heraus gegründet wurde. Immer am Rand des Prekären oder darüber hinaus verstehen wir kookbooks 2013 mehr denn je als notwendiges Institut zur Dichter_innenselbstverteidigung. Was unter anderem meint, dass die Beteiligten zwar entschieden dafür leben, aber kaum davon, denn – DAS AMORTISIERT SICH NICHT.
10 Jahre kookbooks – Labor für Poesie als Lebensform. Das Geburtstagsfest: Lesungen, Konzerte, Performances, Bildkunst, Tanz, Büffet am Dienstag, 14. Mai 2013, 19.00 Uhr, Theaterdiscounter Berlin in der Klosterstraße. Mit Jan Böttcher, Daniel Falb, Alexander Gumz, Martina Hefter, Johannes Jansen, Tristan Marquardt, Pierangelo Maset, Steffen Popp, Karla Reimert, Monika Rinck, Annika Scheffel, Friederike Scheffler, Sabine Scho, Tom Schulz, Daniela Seel, Ulf Stolterfoht, Andreas Töpfer, Mathias Traxler, Linus Westheuser, Ron Winkler, Uljana Wolf und Special Guests.

 

12.05.2013  |  Geraffte Welt - Twittern als Inszenierung   Sascha Michel, Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, führt derzeit eine Studie über das Twitterverhalten von Politikern durch. Im Rahmen dieser Studie äußern sich Spitzenpolitiker verschiedener Parteien über die Funktion von Twitter für den politischen Alltag, legen ihre Twittermotive offen und reflektieren kritisch die grundsätzliche Bedeutung dieses sozialen Mediums für die Politik.
So erläutert zum Beispiel Sebastian Nerz, stellvertretender Bundesvorsitzende der Piratenpartei, in einem Interview seine Gründe, sich bis auf weiteres aus Twitter zu verabschieden. Für ihn trage Twitter eher dazu bei, Konflikte zu verstärken, was auf die selektive mediale Berichterstattung komplexer Vorgänge und das hohe Inszenierungspotential dieser Plattform zurückzuführen sei…
Das lesenswerte Interview mit Sebastian Nerz wurde gerade im Internet veröffentlicht.

 

12.05.2013  |  Bright Star - Meine Liebe. Ewig.   London, 1818: Der Dichter John Keats und seine Nachbarin Fanny Brawne verlieben sich. Doch Keats hat nicht die Mittel, um für eine Hochzeit aufzukommen. Noch dazu begegnet sein Mentor, Mr. Brown, Johns Angebeteter mit Verachtung und Eifersucht, aus Angst, sie könne seine dichterische Kreativität behindern. Oft muss sich das junge Paar trennen. Brown und Fannys Mutter hoffen, sie so voneinander lösen zu können. Die auferlegten Beschränkungen ihrer Liebe, scheinen diese allerdings zu intensivieren, doch dann erkrankt Keats an Tuberkulose. - Andrew Motions 1997 erschienene Biografie inspirierte Jane Campion zu ihrem Kostümfilm über den romantischen Dichter John Keats, der heute in einem Atemzug mit Lord Byron und Percy Bysshe Shelley genannt wird.  Die australisch-französische-britische Filmproduktion von 2009 ist  zu sehen am Sonntag um 20:15 Uhr auf arte.

 

11.05.2013  |  Europa erfindet die Zigeuner   Lesung und Gespräch mit Klaus-Michael Bogdal am Sonntag, den 12.05. um 11 Uhr im Kommunalen Kino im Alten Wiehrebahnhof in Freiburg.
Die Geschichte der Roma ist die Geschichte einer Ausgrenzung über 600 Jahre hinweg.Wie es möglich wurde, daß sich jahrhundertealter Hass zwischen Faszination und Verachtung bis heute halten konnte, analysiert der Literaturwissenschaftler Klaus-Michael Bogdal zum ersten Mal im europäischen Vergleich. Anhand von historischen und literarischen Quellen veranschaulicht der Autor, wie die Europäer stets die größtmögliche Distanz zum verachteten Volk am unteren Ende der Gesellschaftsskala suchten. Keine der unterschiedlichen Gesellschafts- und Machtordnungen, in denen sie lebten, ließ und läßt eine endgültige Ankunft in Europa zu. Ohne einen schützenden Ort sind die Roma seit ihrer Einwanderung vor 600 Jahren ständigen Verfolgungen und Ausgrenzungen ausgesetzt: in den Imaginationen der Kunst ebenso wie in der politischen Realität.

 

11.05.2013  |  "Vermittler mit Eigensinn"   In der Reihe Klassiker der Gegenwartslyrik im Gespräch: Harald Hartung.
Harald Hartung ist ein Klassiker der Gegenwartslyrik, ein Anti-Pathetiker und Verfechter von Formbewusstsein und dichterischem Handwerk. Am 12.2.2013  sprach er mit Jan Wagner in der Literaturwerkstatt Berlin über sein Werk. 80 Jahre ist er nun alt und hält Rückschau in seinem aktuellen Buch „Der Tag vor dem Abend“.

 

11.05.2013  |  Mühlen der Choreographien der Schöpfer   Das Jahr der Suppe. Das Atmosphäre im Büro ist angespannt. Namen müssen erdacht werden und die Klimaanlage funktioniert nicht wie sie soll. Im Badeparadies herrscht ein enthusiastisches, ja erregtes Klima, vor allem in den Rutschen. Bis der Bademeister in Schwierigkeiten gerät. Er wird verhört von Ertrunkenen und persönlichen Coaches. Der Bademeister versucht sich zu konzentrieren. Aber das Niveau ist gesackt. Das Böse ist geschehen. In "der Soft-Slalom" richtet Paul Bogaert den Fokus auf den diplomierten Arbeiter in seiner erhitzten Glocke, der bei jedem kleinen Scheiß auf Abruf von hier nach da sputet, in der "possierlichen Langes-Schöpfnetz-Choreographie". "Der Soft-Slalom" ist ein langes, eng gefügtes Gedicht, bequem aufgeteilt in lauter einzelne Gedichte, die sich dann aber wiederzu einem ungeheuren, krakenarmigen Ganzen gruppieren. Herausgegeben und übersetzt von Christian Filips.

 

11.05.2013  |  Ostafrikanisches Versepos   Dr. Clarissa Vierke, Afrikanistin an der Universität Bayreuth, erhält den diesjährigen Heinz Maier-Leibnitz-Preis.Der seit 1978 jährlich verliehene, mit 20.000 Euro dotierte Preis gilt als der bedeutendste Preis für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland, er ist nach dem Physiker und ehemaligen DFG-Vorsitzenden Professor Heinz Maier-Leibnitz benannt. Mit der Auszeichnung von Clarissa Vierke wird der Preis erstmals in seiner Geschichte für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Afrikastudien verliehen.
Einen besonderen Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeiten bilden Texte, die in Swahili –  der jahrhundertealten ostafrikanischen Handels- und Kultursprache – verfasst und in arabischer Sprache niedergeschrieben wurden. Ein Beispiel dafür ist das im 19. Jahrhundert entstandene Versepos „Utendi wa Haudaji“, die „Dichtung von der Kamelsänfte“, die Clarissa Vierke in ihrer Dissertation erstmals umfassend analysiert hat. Die als Buch veröffentlichte Forschungsarbeit enthält eine textkritische Edition und einen exegetischen Teil, der die Textdramaturgie, die Metrik und die ungewöhnliche poetische Sprache dieser Dichtung in ihrem literaturgeschichtlichen Kontext behandelt.

 

11.05.2013  |  Ich kann alles - ich bin der Eidechsenkönig   Die Lange Nacht von Jim Morrison und den Doors kurz nach Mitternacht und Datumswechsel vom 10. zum 11. Mai ab 0:05 Uhr im Deutschlandradio.
Mit ihrer Mischung aus Jazz und Rock waren die Doors eine der schillerndsten Bands der 60er-Jahre. Und doch waren sie nichts ohne ihren Sänger. Jim Morrison begriff sich als Dichter, seine Texte als Poesie. Und er hatte sich einem ehrgeizigen Projekt verschrieben: Er wollte den Indianer in sich erwecken, sich dem Unbewussten öffnen, zwischen der Welt des Realen und der des Imaginären pendeln. Er sah sich als Schamanen, der die Rockgemeinde auf eine Reise in dieses andere Universum führt - 'Break on through to the other side' - wie es in einem seiner Songs heißt. Vier Jahre dauert die Karriere der Doors, vom ersten Album im Jahr 1967 bis zu Morrisons Tod in der Badewanne einer Pariser Mietwohnung. Vier Jahre, in denen die Doors großartige Songs einspielten, zahlreiche Skandale auslösten und zuletzt immer mehr zerfielen: in die Musiker auf der einen Seite und auf der anderen Seite Jim Morrison, der das Scheitern seiner Mission begriff und verzweifelt versuchte, aus der Vermarktungsmaschine des Rockgeschäfts auszusteigen. Ein Radioessay von Tom Noga. Regie: Sabine Fringes.

 

10.05.2013  |  Stichtag der Barbarei   Die Nationalsozialisten nannten es eine "Aktion wider den undeutschen Geist": Am 10. Mai 1933 fanden, angeführt und angefacht von Studenten, in über 20 deutschen Universitätsstätten öffentliche Bücherverbrennungen statt. Inszeniert wie ein kultisch-ritueller Akt flogen zehntausende Bücher jüdischer, marxistischer und pazifistischer Autoren auf die Scheiterhaufen.

 

10.05.2013  |  Requiem für alle Utopien   Neue Musik in Köln – und im Deutschlandradio Kultur, am Freitag 10.05. um 20:03 Uhr als Aufzeichnung vom Festival Acht Brücken. Ein nicht unwichtiger Schwerpunkt liegt in Köln schon immer auf der Musik der einheimischen Moderne, die nun als Aufzeichnung im Radio zu hören ist. Da ist zunächst das immer bekenntnisreiche Schaffen von Bernd Alois Zimmermann, dessen "Requiem für einen jungen Dichter" als sein Schwanengesang gilt. Die Zahl der Mitwirkenden übersteigt dabei das, was ein normaler Konzertbetrieb leisten kann.
So ist die Aufführung im Rahmen von Acht Brücken nicht nur verdienstvoll, sondern ein wichtiger Beitrag zum Thema des Festivals - denn elektronische Zuspiele vor allem dokumentarischer Art überlappen sich in Zimmermanns Requiem in vielfältiger Weise. Die akustische Verwirrung, die dieses Werk stiftet, korrespondiert hervorragend mit dem emotionalen Anspruch, den der Komponist erfüllen wollte - die Verzweiflung über Verbrechen und Ungerechtigkeiten mit seiner Musik bis zum Unerträglichen zu reizen, also Unruhe zu stiften.

 

10.05.2013  |  Heimsuchung - Unsichere Räume in der Kunst der Gegenwart   Der heute im Kunstmuseum Bonn eröffneten Ausstellung «Heimsuchung» (vom 9. Mai bis 25. August) geht es um den Übergang von einem ehemals bedrohlichen Außen in ein bedrohliches Innen, und die Parallelisierung von destabilisierten Subjekten und unsicheren Räumen. «Heimsuchung» thematisiert schon in seinem Titel die paradoxe Ambivalenz des Themas: Die Suche nach dem Zuhause, die – im zunehmenden Wissen um seine Brüchigkeit – in die Bedrohlichkeit, die latente Unheimlichkeit dieser nur mehr vordergründig schützenden Heimstätten umschlägt. Das Ich, das sich ohnehin systematisch nur noch als ein Anderer denken kann, erlebt die Orte, die seine Behausung darstellen, zunehmend im Modus ihrer psychischen Aufladung, als Manifestationen einer mentalen Destabilisierung.
Für die fragil gewordene Welt mit ihrem permanenten Ineinander von subjektiv verunsichertem Innen und unkontrollierbarem Außen entwirft die Kunst klaustrophobe, disfunktionale, latent oder offen unheimliche Bilder, die Raum vorwiegend als «cause of mental disorder» begreifen.

 

09.05.2013  |  Celan und Trakl - Texte als Konzept   Recht neu auf Youtube sind durch den Komponisten Johannes Kreidler nach verschiedenen Vorschriften „vertonte Gedichte“ (er bedient sich dabei ausschließlich materieller textualer Aspekte = Struktur pur).
"Zeitgehöft" - 697 Gedichte von Paul Celan werden durch einen Sonifizierungsalgorithmus vertont. Jedem Buchstaben ist eine per Zufall bestimmte Tonhöhe zugeordnet. Zwischen jedem Gedicht ist eine halbsekündige Pause. Am Steinspiel: Ada Lovelace.
Der Herbst des Einsamen“ – 180 Gedichte von Georg Trakl als Binärcode, auf der Geige gespielt. Die Gedichte liegen als Binärcode vor. Auf der Geige wird der Ton „d“ entweder auf der leeren Seite (0) oder mit dem 1. Finger gegriffen (1) gespielt. Claude Shannon spielt die Violine.
Johannes Kreidler über das geflügelte Wort „Anything goes“:  „Weil die Digitalisierung ein Massenphänomen ist, heißt für mich mit dieser Technologie zu komponieren, gesellschaftlich aufgeweckt und thematisch bezogen zu komponieren. Das „Anything“ ist kein Selbstzweck, sondern ein riesiges Repertoire, aus dem ich aus inhaltlichen Gründen wähle, ob die Klarinette in pianopianissimo-Septolen oder einen Drumloop – jedenfalls kann beides Neue Musik sein. Der Kunstcharakter liegt für mich nicht mehr definitorisch an der klanglichen Oberfläche und in der strukturellen Tiefe, sondern wesentlich in Konzepten und Semantiken.“

 

09.05.2013  |  Wahrheit auf der Straße   Noch drei Tage ist die Truth Box der Berlin-Stipendiatin Meriam Bousselmi in Berlin aufgestellt:09. & 10..05.2013, 15 - 19 Uhr  in den Prinzessinnengärten am Moritzplatz in Kreuzberg und am 11.05.2013, 15 - 19 Uhr an der Akademie der Künste, Pariser Platz (Foyer) - eine Art Beichtstuhl, im öffentlichen Raum aufgestellt. Alternierend treten Schauspieler  in den Rollen verschiedener Sünder auf. Der Vortrag ihrer Bekenntnisse erfolgt aus wechselnden sozialen Perspektiven (aus Sicht eines Schriftstellers, einer Vergewaltigerin, eines Rechtsanwalts, einer Mutter usw.). Der zufällig in das Stück hineingezogene Teilnehmer von der Straße sieht sich plötzlich in der privilegierten Rolle, Geheimnisse oder Selbstzweifel eines Fremden überantwortet zu bekommen. Vertraulich bekannte Geständnisse werden so zur ‚res publica‘. Reflexion und Austausch können neu erfahren werden und an die Tradition der Agora erinnern, an öffentlich geführte Dialoge in wechselnden Rollen von Sprecher und Zuhörer.
Meriam Bousselmis Arbeiten basieren oft auf einer feinsinnigen, konsequenten Textarbeit. 2007 erhielt  sie den Literaturpreis des Arab Fund for Art and Culture für das Buch Brouillon de vie.

 

09.05.2013  |  Trotzige Dichter
Bert Brecht
Die Bücherverbrennung

Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen
Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
Ochsen gezwungen wurden. Karren mit Büchern
Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine
Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch:
Verbrennt mich!  

Das Gedicht nimmt Bezug auf Oskar Maria Graf, der sich in dem Aufruf »Verbrennt mich« - gedruckt in der Wiener Arbeiterzeitung unmittelbar nach der Bücherverbrennung vom 10.05.1933 zu den verfolgten Autoren bekannte

 

09.05.2013  |  Lesezeichen   Die Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz errichten ein Erinnerungsmal auf dem Marktplatz in Bonn. “Im vorhandenen Pflaster des Platzes werden Bronze-Bücher der von den Nationalsozialisten verbrannten Ausgaben verlegt. Die Buchrücken schließen mit der Pflasterung ab. Auf ihnen sind Titel und Autoren der verbrannten Bücher zu lesen. Die zunächst zufällig auftauchenden Lesezeichen im Platz verdichten sich an der Stelle vor der Rathaustreppe wo am 10. Mai 1933 die Bücher verbrannt wurden. Dort ist in Form einer Büchertruhe ein wetterfester Archiv-Behälter eingelassen. Seine Inschrift benennt das Ereignis und die Autoren der verbrannten Bücher. In diesem Archiv werden reale Bücher aus der Bibliothek verbrannter Bücher aufbewahrt.”

 

09.05.2013  |  Die Quellen sprechen   Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 - 1945 - Eine dokumentarische Höredition.
Teil 1: Deutsches Reich 1933 - 1937 Schauspieler und Zeitzeugen lesen Hunderte von ausgewählten Dokumenten - verfasst von Tätern, Opfern und Beobachtern. Zeitungsberichte, Hilferufe, Verordnungen und Befehle, Privatbriefe und Tagebuchaufzeichnungen. Die Höredition entsteht im Zeitraum von 2013 bis 2017 in mehreren räumlich und zeitlich gegliederten Staffeln. Sie folgt in ihrer Auswahl einem aktuellen Forschungs- und Editionsprojekt, das viele Dokumente erstmals zugänglich macht und das im Oldenbourg Verlag erscheint. Die Höredition wird am 11.05.2013 um 20:05Uhr im Deutschlandfunk und bereits parallel im Internet präsentiert, wo alle Dokumente der dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht werden: www.die-quellen-sprechen.de. Bearbeitung des Hörspiels am 11.05.: Wolf Gruner, Susanne Heim, Andrea Löw, Klaus-Peter Friedrich Regie: Ulrich Gerhardt Mit Bibiana Beglau, Matthias Brandt und den Zeitzeugen Ursula Beyrodt, Henra Brandt, Ernst Grube, Anita Lasker-Wallfisch, Max Mannheimer. Länge: ca. 95'


09.05.2013  |  Ein Pfäffchen und ein Herd   Soeben zuendegegangen sind die Kurzfilmtage in Oberhausen. Dort vergeben wird seit 1999 auch ein Festivalpreis für Musikvideos – dieses Jahr mit durchaus poetischen Einschlag:  „Ich hab mir ausgedacht Du wirst ein Vogel sein Wir bauen uns ein Pferd, aus Knochen und aus Stein Ich wurde ausgedacht Du wirst ein Knochen sein wir bauen uns ein Pferd, aus Vögeln und aus Stein.“ Zu den Jury-Favoriten gehörten ganz klar Die Vögel mit dem Video zu ihrem Song Fratzengulasch. Die MuVi-Preisträger (ausgewählt aus 226 Einreichungen) aber sind: Heike Aumüller für Therapeutikon (The Schwarzenbach) (mit einem Text von Dietmar Dath), Heinz Emigholz für Moth Race (Kreidler), Željko Vidović für Palimpsest (Smog).
The Schwarzenbach ist eine Kollaboration des Dichters Dietmar Dath mit den Musikern vom Kammerflimmer Kollektief, benannt nach der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach. Die Platte heißt „Farnschiffe“ - elf Stücke, mal intime, mal verknallte, mal verbissene und mal relaxte Songs zwischen gesprochenem Text, gesungenem Lied und selbständig in allen Farben blühender Musik.

 

09.05.2013  |  Gesang ist schamloser als das gesprochene Wort   „Sprache scheint auf Kommunikation ausgerichtet zu sein, während es sich beim Gesang in erster Linie um reinen Ausdruck handelt. Wer singt, bedient sich einer Ursprache, die älter ist als das gesprochene Wort. Im Chaos des Alltags bietet der Gesang dem Menschen die Möglichkeit, sich einige Minuten lang auf seine nie ganz verstummende innere Melodie zu besinnen. Ist Singen ein Schutz gegen Desillusionierung und Verbitterung? Und warum sind schiefe Töne so schwer zu ertragen?
Anknüpfend an den französischen Philosophen Clément Rosset und dessen "Regime der Leidenschaften und andere Texte" (2002), ergründen Raphaël Enthoven und sein Gast Vincent Delecroix, inwiefern das Singen eine menschliche Erfüllung und ein Mittel gegen den Schmerz darstellt. Sie zitieren den französischen Philosophen und Musikwissenschaftler Vladimir Jankélévitch, nach dem jemand, der mit sich selbst spricht, als Irrer wahrgenommen wird, wohingegen jemand, der für sich allein singt, als lebensfroher Mensch gilt. Der Gesang wird als reiner Ausdruck empfunden, Sprache immer als Kommunikation.“ Am Sonntag, den 12.05. um 13 Uhr auf arte.

 

08.05.2013  |  Internationales Dokumentarfilmfestival   Heute eröffnet das DOK.Fest in München. Im 28. Jahr bringt das Festival einen Rückblick auf die wichtigsten Dokumentar-Filme des Jahres, begleitet Filmografien renommierter Filmemacher/innen, unterstützt Filmemacher/innen aus so genannten "low production countries", sorgt für nachhaltige Verbindungen zwischen Etablierten und Nachwuchs - und arbeitet vor allem an einer möglichst großen Breitenwirkung für den künstlerischen Dokumentarfilm.
Alle Filme auf einen Blick. U.a. ein Film über den bulgarischen Schriftsteller Georgi Markow und den Regenschirmmord (Markow wurde am 7. September 1978 auf der Waterloo Bridge in London Opfer des Regenschirmattentats, indem man ihm mit einem Regenschirm eine imprägnierte kleine Kugel, die sich an dessen Spitze befand, in den Schenkel stach. Die Kugel aus Platin/Iridium hatte einen Durchmesser von 2 mm und war mit 40 Mikrogramm des Giftes Rizin präpariert. Markow überlebte diesen Mordanschlag nicht und starb nach drei Tagen mit Fieber und Hypotonie an Herzversagen.)

 

08.05.2013  |  Weed Smokers Dream   Drogenlieder der 20er-Jahre zu hören im Deutschlandradio am 09.05.2013 um 18:05Uhr. Moderation: Veronika Schreiegg.
In den 20er-Jahren ist das Rauchen von Marihuana weder verpönt noch illegal. Für viele Musiker gehörten Drogen zum täglichen Leben, vor allem für die Jazz- und Bluesmusiker aus New Orleans.
Lieder wie  ‘Weed Smokers Dream’, 'Cocaine Habit', 'Knocking myself out' und 'Who put the benzedrine in Mrs. Murphys Ovaltine?' entstehen.


08.05.2013  |  morgenmantelkapriolen   Seit sie 1968 mit zwei Bänden debütierte, hat Annemarie Zornack kontinuierlich Lyriksammlungen veröffentlicht - unter anderem im Claassen Verlag, in der Eremiten-Presse und bei Wallstein. Die Autorin fand rasch Anerkennung. Bei der Kritik. Beim Lesepublikum. Auch bei Größen der schreibenden Zunft wie Günter Eich oder Ernst Jünger. Karl Krolow sagte in einer Rezension: »Annemarie Zornacks grazile, graziöse, von zarten Einfällen lebende Texte sind luftig wie lyrische Wimpel … Gedichte feinster Art … Es ist eine bestimmte Lebenslust darin, die die Worte – ich möchte sagen – tänzerisch werden läßt … zärtliche lyrische Offerten, die nie zu verbalen Anstrengungen entarten … Angesichts einiger Strapazen, die sich Lyrik bei uns nennen, sind solche Gedichte schierer Genuß. Man atmet danach erheblich leichter.«
Man hat Zornacks Versen attestiert, daß sie gleichsam mit einem Kopfsprung begännen und sich umstandslos in die Welt ihrer Themen stürzen. Realität und Traum, auch Alptraum sind Aggregatzustände ein und desselben Bewußtseins, und einem Abgleiten vom Gefühl ins Gefühlige wird durch Ironie, assoziative Übersprünge und harte Schnitte entgegengewirkt. Eine Auswahl ihrer Gedichte erscheint nun im Verlag Ralf Liebe unter dem Titel „morgenmantelkapriolen“.

 

08.05.2013  |  Parcours der Antithetik   „Zentrales Thema der Ausstellung Porter/Re-porter und des Begleithefts Anti-porter ist die fruchtbare Wechselbeziehung zwischen res publica und res privata im künstlerischen Feld, zwischen gesellschaftlichem Engagement und hermetischer Rückzugsbewegung, populären und kryptischen Darstellungsweisen. Der Ausstellungsparcours führt Werke des stilbildenden Paten politisch-interventionistischer Kunst, des Dichters und Holzstechers William James Linton (1812–1897) mit Grafiken des Erfinders der investigativen Sozialreportage, des Kupferstechers und Gegenwartsarchäologen John Thomas Smith (1766–1833). Die beiden ganz unterschiedlichen gesellschaftsbezogenen Werkansätze verbindet ein produktives, antithetisches Verhältnis zur verschlossenen und in sich gekehrten Kunst des republikanischen Lastenträgerbiertrinkers und Türöffners William Blake (1757–1827).“ Alexander Roob über seine aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart.

 

08.05.2013  |  Weltzugehörig und blue   Reisefreiheit, kulturelle Vielfalt, Autonomie der Kulturszene und nicht zuletzt Rock ’n’ Roll – das schien für die heutige Generation 50+ in Titos Jugoslawien das große Versprechen der Weltzugehörigkeit zu sein. Das Lebensgefühl der damaligen Protagonisten war eine Mischung aus Zuversicht, Übermut und Rebellion. Der beste Ausdruck dieses Lebensgefühls waren sicherlich die Rockmusik und die Lyrik – insbesondere die frühe Lyrik von Zvonko Karanović. Die urbane Abwendung von jeglicher Provinzialität wurde vollzogen, programmatisch und praktisch, in der Lyrik und im Lebensstil.
Danach kam die Ernüchterung – im zerfallenden Land organisierten sich politisch und kulturell die Mehrheiten um die rückwärtsgewandten Utopien – die große Zukunft lag für sie in der ruhmreichen, ethnisch definierten Vergangenheit. Zvonko Karanović lehnte es ab, in diesem Massenchor mitzusingen, und folgte seiner eigenen Stimme. So blieb seine Lyrik im Jahrzehnt der Zerfallkriege notgedrungen marginalisiert. Er blieb ein Weltbürger aus Niš, der seine Seelenverwandtschaft mit Leuten wie Jack Kerouac oder Allen Ginsberg, Ralf Dieter Brinkmann oder Luis Buñuel, David Lynch oder Leonard Cohen offen zeigt.
Im Klagenfurter Drava Verlag ist eine Auswahl seiner Gedichte zweisprachig (serbisch und deutsch) erschienen: „Burn, baby, burn!“, übersetzt von Matthias Jacob und Alida Bremer.

Dream No 33

Deine Tochter wird Salome heißen
sie wird schwarze Augen haben
unersättlich wie der Hunger
das Brautkleid aus Eidechsenhaut
eine Haarsträhne deines Liebhabers
sie wird hellseherisch sein
sie wird den Tod im Flugzeug auf der Linie
Oslo-Kandahar wählen
dein Sohn wird Sebastian heißen
er wird in seine Schwester
verliebt sein
er wird den Zauberberg finden
die Wiege & das Kaleidoskop
das geheime Tagebuch der Salome
wird er als die neue Bibel
drucken lassen
er wird dich im Rollstuhl schieben
in der goldenen Dämmerung
des Sanatoriums
du wirst die schwarze Seide
bis zum Ende des Lebens
nicht ablegen
und der Wind wird
deine einzige Gesellschaft sein
dein einziger Trost

 

07.05.2013 ON-TYPE: Texte zur Typografie   Eine interaktive Schau vom 8. Mai bis 5. August 2013 im Bauhaus-Archiv Berlin.
Schriftzeichen sind in unserer Kultur allgegenwärtig. Sie erschließen das Universum des geschriebenen Worts und geben Orientierung im Alltag. Die ihrem Erscheinungsbild innewohnende, eigene Aussage wird jedoch oft nur unterbewusst wahrgenommen. „ON–TYPE: Texte zur Typografie“ vermittelt die Faszination der Schriftgestaltung und zeigt Klassiker der Typografiegeschichte des 20. Jahrhunderts sowie aktuelle Beispiele. Die Ausstellung versammelt Thesen, Manifeste und Standortbestimmungen zur Typografie des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, präsentiert Schriftmuster und Typo-Insider-Magazine und geht auf zentrale Protagonisten und wichtige Diskurse der Typografiegeschichte zur Lesbarkeit, Kleinschreibung oder zu den Folgen der Digitalisierung ein. „ON–TYPE: Texte zur Typografie“ ist eine Ausstellung des Fachbereichs Gestaltung der Fachhochschule Mainz in Kooperation mit dem Gutenberg-Museum Mainz sowie dem Bauhaus-Archiv Berlin.
 


07.05.2013   |  Beachtung verdienen - einen Preis bekommen   „Der Schriftsteller Jürgen K. Hultenreich erhält in diesem Jahr die Kester-Haeusler-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung. Der mit 5000 Euro dotierte Preis soll am 10. Mai im Deutschen Literaturarchiv Marbach verliehen werden, teilte die Stiftung in Weimar mit. Der 1948 in Erfurt geborene Autor zeichne sich durch eine unverwechselbare literarische Stimme aus, die innerhalb der deutschen Literatur mehr Beachtung verdiene, begründet die Jury ihre Wahl. Sein außergewöhnliches Erzähltalent habe Hultenreich unter anderem in dem Roman „Die Schillergruft“ bewiesen. Die Parabel über eine kranke Gesellschaft sei einer der bedeutendsten Romane über die DDR-Gesellschaft.
Als 17-Jähriger war Hultenreich wegen Fluchtversuchs aus der DDR verhaftet worden. Als er sich vor Gericht mit Schiller-Zitaten verteidigte, ließ ihn die Staatsanwältin nach Stiftungsangaben in eine Psychiatrie einweisen. In einer zweiten Verhandlung wurde er zu einer zweieinhalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
1985 musste er nach Sendung des Dokumentarfilms „Der Weg aus der Ordnung“ über Untergrundautoren im Sender Freies Berlin die DDR innerhalb weniger Stunden verlassen. Seitdem lebt er in Berlin-Wedding.“ meldete der Focus.
Zuletzt erschien - realtiv entlegen -  ein Band mit Aphorismen „Versager enden scheintot“.

 

07.05.2013  |  Philippika gegen den aktuellen Lärmbetrieb   „Was einmal Kultur war, ist heute Spektakel, ein kunterbunter Amüsierbetrieb, leerer Lärm. Doch wie ist es dazu gekommen? Und was können wir dagegen tun? In seiner fulminanten Gegenwartsanalyse zeichnet Mario Vargas Llosa einige der tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nach und findet Gegengift in überraschend vitalen Tugenden.
Der totale Boulevard, die Dreistigkeit der Politik, die frivole Banalisierung nahezu aller Lebensbereiche – Kultur wird heute systematisch verramscht. Und zwar als Folge eines Prinzips, über das weltweit Einigkeit zu herrschen scheint: dass Unterhaltung und Spaß unser allerhöchstes Gut zu sein hätten. Pointiert, leidenschaftlich und ohne Scheu vor hartkantigen Überzeugungen setzt sich der Nobelpreisträger und Weltbürger mit den vielgestaltigen Manifestationen dieser Tendenz auseinander – wachen Blickes streift er durch die Galerien und Museen, liest die Bücher und Illustrierten, sieht Fernsehen und Serien, schaut den Politikern auf die Finger. Und Vargas Llosa sondiert die Möglichkeitsbedingungen einer alternativen Haltung. Gegen das Primat der gängigen globalen Zerstreuungskultur setzt er so Anspruch und Wertebewusstsein, gegen die grassierende Beliebigkeit eine Idee des Kanons, gegen die ideologischen Formatierungen durch »political correctness« ermutigt er zu Reflexion und geistiger Autonomie.“ suhrkamp.

 

07.05.2013  |  Meta-Kubismus in der Hamburger Kunsthall  „Ahrimans Zeichensystem ist hermetisch aufgebaut, in sich schlüssig. Folgt man den Zeichnungen in ihrer festgelegten Reihenfolge, geben sie ihre innere Struktur und Logik Preis, doch weisen sie auch darüber hinaus? Am Ende bleibt den BetrachterInnen nur die tiefe Sehnsucht, die scheinbar unüberschaubare Fülle zu erklären. Es ist dieser Wunsch, welchen Ahriman mit der Serie "Etüden transzendentaler Obdachlosigkeit" beschreibt und damit auch gleichzeitig sein künstlerisches Vorgehen offenlegt.“ – Gemalte Philosophie ist der Begriff, den man Nader Ahrimans Bilder überstülpt. Text spielt in allen Arbeiten eine wichtige Rolle: Taucht er in den Zeichnungen sowohl als inhaltliches als auch gestalterisches Element auf, so fungiert er bei den Malereien als sinnspielender Titel. Noch bis Ende Juni in der Hamburger Kunsthalle.

 

07.05.2013  |  Abschlusslesung der Bayerischen Akademie des Schreibens: Romane   Die Bayerische Akademie des Schreibens bietet Seminare zum literarischen Schreiben an sechs bayerischen Universitäten an; sie arbeitet im Literaturhaus mit jungen Autoren in Seminaren zu verschiedenen Gattungen und sie begleitet sie weiter mit Workshops, auch beim zweiten oder dritten Buch. Ein gestaffeltes Seminarprogramm, die bayerische Version der Schreibausbildung und einer praktischen Autorenförderung. Die Abschlusslesung ist für die Autoren der erste Schritt in die Öffentlichkeit, nach insgesamt drei Seminarteilen und einem Jahr heftigster Arbeit und Diskussionen über den Roman.
Gleich für dieses erste Seminar der Bayerischen Akademie konnten die Lektorin Lina Muzur (Carl Hanser Verlag) und der Autor Thomas Lehr als Seminarleiter gewonnen werden. Zehn fast fertige Romane werden vorgestellt werden, die ein bemerkenswertes Mosaik unserer Gegenwart ergeben. Die Fragen nach Leben und Glück, verhandelt unter den besonderen Perspektiven von Menschen, die abgestiegen sind, ausgestiegen, die Wissenschaft betreiben, ihr Weltbild aus Fotos zusammensetzen, von Frauen, die nach einer Lebensform in Absetzung zu ihren Müttern suchen oder die hier und jetzt von der Vergangenheit eingeholt werden, der privaten wie politischen. Einen solchen Reichtum von Perspektiven, Erfahrungen und Rollen zu versammeln, das kann (fast nur) der Roman.
Di, 7. Mai 2013, 19.30 Uhr im Literaturhaus München. Sneak-Preview mit Kristine Bilkau, Verena Boos, Benedikt Feiten, Isabel Flynn, Julia Kandzora, Markus Ostermair, Barbara Schibli, Christian Strauch, Eva Troelenberg und Anja Zeltner.

 

06.05.2013  |  Ankunft eines weiteren Tages   Eine südafrikanische Dichtergeneration zwischen Aufbruch und Ernüchterung, zwischen Gewinnen und Verlusten. Seismographen eines gesellschaftlichen Umbruchs, der Identitäten und Prägungen auf den Kopf stellt. Indira Wussow hat unter dem Titel Ankunft eines weiteren Tages eine Anthologie zeitgenössischer südafrikanischer Lyrik herausgegeben. Sylvia Geist hat es übersetzt. Die Suche nach eigener Identität, das Gefühl von Isolation und Fremdheit, die Intimität des Privaten als Rückzug vor dem Ungefähren eines nur rudimentär ausgehandeltem Gesamten, verbinden sich hier mit den großen politischen und gesellschaftlichen Themen und beleuchten so wichtige Themen wie Besitz und Verlust, Freiheit und Ohnmacht, Gewalt und Glück. Acht unterschiedliche Stimmen bilden ein eindrucksvolles Klanggewebe und zeugen von der Stärke südafrikanischer Lyrik und ihrem rebellischen Geist in schwierigen Zeiten.
Mit Gedichten von: Gabeba Baderoon, Vonani Bila, Rustum Kozain, Kgafela oa Magogodi, Mbali Kgosidintsi, Charl-Pierre Naudé, Karin Schimke und Phillippa Yaa de Villiers. Inclusive CD.


06.05.2013  |  Bambi und die Relativitätstheorie   Die «Relativitätstheorie» von Albert Einstein gehörte ebenso wie «Bambi» von Felix Salten zu jenen Büchern von über 350 Autoren, die auf den Scheiterhaufen der Nationalsozialisten verbrannten. Am 10. Mai vor achtzig Jahren inszenierte die Deutsche Studentenschaft Bücherverbrennungen als Höhepunkte großangelegter «Aktion(en) wider den undeutschen Geist.»
Werke von Anna Seghers, Lion Feuchtwanger, Vicki Baum, Erich Kästner, Alfred Kerr, Erich Maria Remarque wurden ebenso ins Feuer geworfen wie wissenschaftliche Werke und politische Publizistik. Jüdische, marxistische und pazifistische Autoren traf das Verdikt des «unerwünschten und schädlichen Schrifttums». Die Flammen vernichteten viel. In den Privatbibliotheken der Emigranten blieben diese Schätze erhalten. Sie sind noch heute ein Fundus für manch' spektakulären Ankauf von Bibliotheken.
Der Amerikaner George Warburg, der seine Kindheit in Deutschland verbrachte und mit seinen Eltern rechtzeitig das Land verlassen hatte, begann vor 25 Jahren diese Literatur zusammenzutragen. Seine auf über 400 Bücher angewachsene Sammlung, meist Erstausgaben, übereignete er großzügig dem Jüdischen Museum Berlin.
Die Sammlung George Warburg ist repräsentativ für die verfemte Literatur der NS-Zeit, die nach 1933 systematisch vernichtet wurde. Mit dieser kleinen Kabinett-Ausstellung wird die Sammlung in einer Auswahl vorgestellt. Sie ist ein Beitrag zum Berliner Themenjahr «Zerstörte Vielfalt - 1933-1938», an dem sich das Jüdische Museum Berlin auch mit dem Online-Projekt «1933 - der Anfang vom Ende des deutschen Judentums» beteiligt. Die neue Ausstellung eröffnet am 07.Mai.


06.05.2013  |  Kämmerlings übernimmt Literarische Welt   Die wöchentliche Literatur Beilage des Welt-Feuilleton hat einen neuen verantwortlichen Redakteur. Mit der Ausgabe vom 11. Mai 2013 übernimmt Richard Kämmerlings die Leitung der „Literarischen Welt.“ Der 44-jährige ist bereits als verantwortlicher Redakteur für Literatur der Welt-Gruppe tätig. Kämmerlings löst damit Jacques Schuster ab, der nun in das Welt-Meinungsressort wechselt. Die bisherige Herausgeberin der „Literarischen Welt“ Rachel Salamander wird die Redaktion der Beilage ebenfalls verlassen und sich neuen Aufgaben widmen.
Richard Kämmerlings einzuschätzen gelingt am ehesten anhand seiner privaten Literaturgeschichte der vergangenen zwanzig Jahre (und damit meint er die Literaturgeschichte der Prosa): „Das kurze Glück der Gegenwart“, in der er darstellt, daß sich die Gegenwartsliteratur eigentlich vor der Gegenwart drückt und elegant in historischen oder zeitlosen Stoffen windet: „Die Gegenwartsliteratur kann ihren Auftrag aber nur einlösen, wenn sie sich ihrer Zeit auch zuwendet. Wenn sie Themen und Stoffe, Obsessionen und Ängste, Phantasien und Hoffnungen ihrer Epoche in Erzählungen ausprägt. Wenn sie Formen und Sprechweisen findet und erfindet, die dem Bewusstseinsstand der Gegenwart gewachsen sind.“
Die moderne Lyrik tut das bisweilen bereits. „Das Gedicht ist kein Text, der Moderne verkörpert, sondern Sprachvergewisserung, die in der Moderne geschieht. Dabei auch wie ein Körper aussehen kann – es ist erlaubt, was authentisch gelingt. Eben weil sich die Aspekte der Welt nicht erschöpfen, kontextabhängig sind, und die Sicht auf Dinge nur aspektweise gelingt (im Sinne der dem Blick zugrundeliegenden Fragen), gelingen Gedichte aspektweise. Das wird von einigen Lyrikern heute sehr deutlich gesehen. Das Gedicht als Sprachraum ist ein Ereignis, das in den eigenen Moment findet und in das der eigene Moment findet. Mehr identische Verkörperung von Moderne geht nicht. Ich kenne keine andere Vorschrift dafür, als gegenwärtig zu sein.“ Essay Sprachräume von FM.

 

06.05.2013  |  Die Frau mit den 5 Elefanten   „Kennzeichen ihrer außergewöhnlichen und aufwändigen Arbeitsweise war das Diktieren der Übersetzung an eine Schreibkraft und die Korrektur nach dem Klang des vorgelesenen Wortes.“ – fixpoetry erinnert an „die Frau mit den 5 Elefanten“ = Swetlana Geier, die Ende April ihren 90. Geburtstag gefeiert hätte. Die deutsche Seele Dostojewskijs verstarb 87-jährig im November 2010 in Freiburg. Aus der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Verleger Georg Ammann gingen seit 1992 die vielbeachteten Neuübersetzungen der "fünf Elefanten" hervor, wie Swetlana Geier die fünf großen Romane Dostojewskijs nannte. Für "Ein grüner Junge", ihre letzte Dostojewskij-Übertragung, erhielt sie 2007 den Preis der Leipziger Buchmesse für Übersetzung.In der Begründung heißt es, sie habe in ihrer Übertragung „jegliche Sprödigkeit von der Sprache“ abgeschüttelt und „Dostojewskij gewissermaßen wie von allein in unsere Sprachwelt“ hereingeholt. Übereinstimmend wird in der Buchkritik die beeindruckende sprachliche Polyphonie ihrer Übersetzungen hervorgehoben. Im selben Jahr begannendie Aufnahmen für den preisgekrönten Dokumentarfilm „Die Frau mit den fünf Elefanten“, der 2009 in die Programmkinos kam. Aktuell läuft der Film in Freiburg am 14.05 und am 17.05. im kommunalen Kino im alten Wiehrebahnhof.

 

05.05.2013  |  »Straßenrausch. Literatur und Großstadt« II   Hanns Zischler erhält den diesjährigen Preis des Netzwerks der Literaturhäuser. Aus der Preisbegründung: „Die zu literaturhaus.net zusammengeschlossenen Literaturhäuser in der Schweiz, in Österreich und Deutschland verleihen Hanns Zischler den Preis der Literaturhäuser 2013, weil Hanns Zischler es mit seinen kulturhistorischen Büchern in vorzüglicher Weise versteht, konzentriert, ruhig, extrem kenntnisreich und in anschaulicher Prosa Sachverhalte darzustellen, deren komplexe Natur er sich in akribischer Forschungstätigkeit angeeignet hat. ... In vielen unserer Häuser hat Hanns Zischler Texte anderer Autoren gelesen und unserem Publikum vorgeführt, wie anders sich Literatur anhört, wenn der Lesende bis ins kleinste Detail mit dem Inhalt dessen vertraut ist, das er ja ›nur‹ durch seine Stimme zum Sprechen bringen müsste. Aber er hat auch über Literatur, über Schriftsteller, Dichter und Filme so gesprochen, wie es einer tut, der von seinen alltäglichen Leidenschaften spricht.“
Am Dienstag, 7. Mai 2013, 20.00 Uhr, dem Abend der Preisvergabe im Literaturhaus Köln, lernt man Hanns Zischler im Gespräch mit Michael Kohtes als Spaziergänger kennen, der der Stadt Berlin mit seinem neuen Text-Bild-Essay-Band Berlin ist zu groß für Berlin ihre verborgene und verdrängte Topographie ins Gedächtnis ruft.

 

05.05.2013  |  re:publica 13   „Wir leben in einer merkwürdigen, ungreifbaren Zeit. Die re:publica zeigt im verflixten 13. Jahr ein Mal mehr, wie unübersehbar und allumfassend die Themen der digitalen Welt geworden sind und strotzt schon jetzt mit über 100 Sessions und einer endlosen Liste von Sprechern. Beta als Masse. Denn die Vielfalt nicht nur der Themen, sondern auch der Gäste ist es, was die re:publica auszeichnet und sie zu dem gemacht hat, was sie ist: Ein Ereignis. Themen? Roboter, Spekulatives Design, Minirock des Internet, Informationskartographie, Astrophysiker-Communities, Achromatopsie, Lolcats, Weltraumnazis, Open Government, Selbstbausatelliten, u.u.u.u.u…“ de:bug

 

05.05.2013  |  Cute overload und andere Texte zur Kunst   Gregor Quack bespricht in der aktuellen Ausgabe N° 89 der Zeitschrift Texte zur Kunst das Buch "Our Aesthetic Categories. Zany, Cute, Interesting” der Literaturwissenschaftlerin Sianne Ngai. Sie führt einen Satz fort, den der Sprachphilosoph John L. Austin 1956 in den Raum der Postmoderne stellte: „Wenn wir doch nur für einen Augenblick das Schöne vergessen und uns beim ‚Appetitlichen‘ [,dainty‘] oder beim ‚Plumpen‘ [,dumpy‘] an die Arbeit machen könnten!“, sprich: neue ästhetische Kategorien in unsere Kunstbetrachtung einführten. Sianne Ngai tut das und obwohl sie „ihre drei Kategorien explizit auf eine bestimmte, durchamerikanisierte Gegenwart bezieht, haben sie am Ende drei Eigenschaften gemeinsam, die das Buch auch für all jene interessant macht, die sich anderer Worte in anderen Sprachen bedienen, um ihr alltägliches ästhetisches Erleben zu taxieren.
Erstens sind alle drei Urteile auf ihre Art „schwach“ – heruntergefahrene, abgekühlte Versionen ihrer großen Geschwister aus der traditionellen Philosophieästhetik sozusagen. Zweitens sind alle von vorneherein ambivalent. Wo man „beautiful“ im richtigen Kontext oder im richtigen Ton sagen muss, um dem Wort ironische Schärfe zu verleihen, da changieren die von ihr angebrachten Kategorien, so Ngai in einem Interview, schon von sich aus zwischen „Zärtlichkeit und Aggression, im Falle von ‚cute‘; lustig und unlustig, im Falle von ‚zany‘; Interesse und Langeweile, im Falle von ‚interesting‘‘‘. Drittens, und das ist vielleicht am wichtigsten, lenkt jede der Kategorien unseren Blick auf jeweils ein tiefes politisches Problemfeld kapitalistischer Kulturproduktion und zeigt so, dass ästhetische Urteile heute weiter denn je davon entfernt sind, unpolitisch zu sein. Wer beispielsweise eine Zeichentrickfigur niedlich nennt, der erzählt in Ngais Augen immer auch etwas über einen Zusammenfluss von Konsumprodukten und restlicher Dingwelt, der biologische Impulse marketingtechnisch nutzbar macht und pervertiert. Wem „interesting“ zum Lieblingsadjektiv geworden ist, der zeigt damit unwillkürlich, wie sehr er kapitalistische Innovationsimperative (etwas wirklich Neues ist immer „interessant“) verinnerlicht hat, und drückt sich vor kritischen Urteilen, die einen ständigen, undifferenzierten Informationsfluss ins Stocken bringen könnten. Und wer endlich verstanden hat, was das Wort „zany“ genau bedeutet, der hat dabei auch etwas gelernt über die Art und Weise, wie sich die Arbeitswelt im Postfordismus in alle Fugen des Restlebens drängt und dort mit immer neuen Forderungen nach totaler Flexibilität eine unter Umständen grausam lustige Selbstaufreibung in Gang setzt.“ Gregor Quack

 

05.05.2013  |  Das Motto lautet „Mauern“   Mauern sind in unserer Welt allgegenwärtig: sie können Schutz bieten, aber auch Wege versperren, wir finden sie in Gebäuden, an Grenzen, aber auch in Köpfen. Mauern ist ein Beruf und eine Taktik beim Kartenspielen. Es gibt Stadtmauern und Brandmauern, Mauersegler, Mauerspechte und Mauerblümchen.
Die Kulturstätte Essenzen-Fabrik Zerbst hat einen Literaturpreis zum Thema  ausgeschrieben. Eingereicht werden können Essays, Gedichte oder Kurzgeschichten (veröffentlicht oder unveröffentlicht) zum Thema „Mauern“ mit einem Umfang von max. 5000 Zeichen (Buchstaben ohne Leerzeichen). Eingereicht werden kann nur ein Beitrag pro Teilnehmer/-in. Aus den eingesendeten Beiträgen wählt eine Jury die drei besten Werke aus. Teilnehmen können alle deutschsprachigen Autoren und Autorinnen. Einsendeschluss ist der 15.05.2013.

 

04.05.2013  |   Filmpremiere: Dichter im Porträt   Lyrik in Deutschland boomt. Fernab des Medienrummels blüht eine vielseitige, bunte und experimentierfreudige Poesie-Landschaft. Der Filmemacher Frank Wierke besuchte acht Dichter und sprach mit ihnen über ihr Werk, ihr Schaffen und darüber, was Dichtkunst für sie bedeutet. Entstanden sind kurze Filme, welche die Dichter hautnah zeigen. Dieses konzentrierte Kennenlernen erlaubt pointierte Einblicke in die Werkstätten, sowie intime Annäherungen an Person und Werk aus einer ungewohnten Perspektive. In der Abfolge aller Filme entsteht ein achtstimmiges Bild von Dichtung hier und heute – mit Nora Bossong (Berlin), Elke Erb (Berlin), Nora Gomringer (Bamberg), Durs Grünbein (Berlin), Wulf Kirsten (Weimar), Michael Krüger (München), Christian Lehnert (Leipzig) und Olga Martynova (Frankfurt / Main).
Am Sonntag im Kino Central in der Rosenthaler Straße 39, 10178 Berlin-Mitte um 11 Uhr  – veranstaltet von der Literaturwerkstatt Berlin um 11 Uhr. Im Anschluss spricht der Regisseur Frank Wierke mit der Dichterin Uljana Wolf über seine Herangehensweise und die Möglichkeiten der Korrespondenz von Poesie und Film.

 

04.05.2013  |  Nächster Unreim   mit Hybrido Unreim am Sonntag, den 5. Mai 2013 / Beginn: 20:00 / Türe, Bar: 19:00 Uhr. Wo: ONO / Das Kulturlokal / Kramgasse 6 / CH-3011 Bern.
Hybrido Unreim sind die Berner Schriftsteller Hartmut Abendschein, Roland Reichen und Christian de Simoni. Hybrido Unreim ist auch ihr Stoff, das Leben in der Gegenwart, dieses disparate, alles durchdringende Etwas, auf das man sich oft noch gar keinen rechten Reim machen kann. Im ersten Teil ihres aktuellen Programms stellen die drei Hybridos neue Erzähltexte vor über Randgruppen, prekäre Existenzen und extreme Musik. Im zweiten kommen Quellen zur Sprache, die sie in den Texten verarbeitet haben. Es wird laut. Und dann wieder leise.

 

04.05.2013  |  »Sogar dann, wenn jeder Himmel fehlt ...«   „Es gibt es also, das „andere Griechenland“, das nicht „bankrott“ und „korrupt“, das nicht von Faulenzern, Schmarotzern, Betrügern bewohnt und nicht von „2000 Jahren Niedergang“ gekennzeichnet ist – tatsächlich ist „dieses Griechenland“ eine Chimäre im ursprünglichen Sinn des Wortes. In vorliegender Anthologie kommt nicht das Land der „Pleite-Griechen“ – die Bild-Zeitung soll diese Bezeichnung zwischen 2010 und 2012 in 127 Ausgaben benutzt haben – zu Wort, sondern es äußern sich Autoren, die in einer Sprache schreiben, die seit der Antike ununterbrochen gesprochen wird. Giorgos Seferis brachte diese Tatsache in seiner Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises 1963 wie folgt zum Ausdruck: „Unser Land ist klein, verfügt aber über eine gewaltige Tradition, die ungebrochen bis in unsere Zeit weiterwirkt. Griechisch ist zu allen Zeiten gesprochen worden. Unsere Sprache hat sich verändert, wie sich alles Lebendige ändert, aber Brüche sind ihr erspart geblieben.“ Das Vorwort von Asteris Kutulas zur aktuellen Ausgabe der horen [= N°249 - »Sogar dann, wenn jeder Himmel fehlt ...« - Auf der Suche nach einem verlorenen (Griechen)Land] ist nachzulesen auf planetlyrik.

 

04.05.2013  |  Zum Tod von Lutz Schulenburg   „Er war ein radikaler Optimist: "Kapitalismus abschaffen!" sollte der Titel der kommenden Ausgabe seiner Zeitschrift "Die Aktion" lauten, die er seit 1981 unregelmäßig aber unermüdlich herausbrachte - in der Tradition der anarchistisch-expressionistischen "Aktion", die Franz Pfemfert zwischen 1911 und 1932 verlegte. Nicht dass Lutz Schulenburg der Auffassung gewesen wäre, das Ende des Kapitalismus stünde kurz bevor. Aber er konnte sich eben einfach nicht vorstellen, dass die Menschheit eine so irrsinnige Gesellschaftsformation noch sehr viel länger zu tragen bereit sei. Und er wollte sich keinesfalls nachsagen lassen, er habe als Verleger nicht sein Möglichstes getan, um die geneigte Leserschaft einer neuen, besseren Gesellschaft näherzubringen. Lieber einmal mehr "Kapitalismus abschaffen!" rufen. Lieber ein Manifest zu viel als eins zu wenig. Sein Verlagskollektiv bleibt und wird in seinem Sinne weitermachen. Doch Lutz Schulenburg wird ihm und uns furchtbar fehlen.“  DER SPIEGEL

 

04.05.2013  |  Art & Language   Zum ersten Mal seit 2005 sind Werke der legendären Künstlergruppe Art & Language, die einstmals den Kunstbegriff radikal erweiterte, in Deutschland zu sehen. Unter dem Titel «Letters to the Red Krayola» präsentiert Kadel Willborn bis zum 18. Mai die jüngsten Arbeiten der 1968 gegründeten Gruppe in Düsseldorf.
Art & Language haben die Erweiterung des Kunstbegriffs in den 1960er radikal voran getrieben, weg von der klassischen Trennung zwischen Skulptur und Malerei und Text in die Bildende Kunst integriert, heraus genommen aus der ursprünglich davon kulturell getrennten Sphäre der Kunstkritik und des Alltäglichen. Auch das Museum als damals fest etablierter Rahmen um Kunst zu betrachten, verlassen Art & Language seit ihrer Gründung. Das zeigt sich auf besondere Weise in ihren Kollaborationen mit der Avantgarde - Rockband The Red Krayola seit 1974, für die Art & Language Songtexte geschrieben haben und teilweise aufgetreten sind.

 

02.05.2013  |  blurred edges - Festival für aktuelle Musik   Das Hamburger Festival blurred edges (engl. verwischte Ränder) eröffnet vom 3. bis 18. Mai 2013 zum achten Mal in Folge den Dialog vielfältiger ästhetischer Positionen aktueller Musik. Mit rund 50 Veranstaltungen agiert das Festival als Plattform des Austausches und der Vernetzung von lokalen sowie internationalen KünstlerInnen, Ensembles und der Öffentlichkeit. Bespielt werden während der 16 Tage 25 sehr unterschiedliche Orte in Hamburg. Hierbei reicht das Spektrum beispielsweise vom Golden Pudel Club über das Forum Neue Musik bis hin zur Hochschule für Musik und Theater oder den Räumlichkeiten des Gängeviertels. Zudem wird der öffentliche Stadtraum erobert: Noise-Performance im alten Elbtunnel oder Soundcollagen, die sich in Echtzeit mit Hafenklängen verweben lassen, sind nur ein kleiner Teil dessen, was das Publikum zwischen zahlreichen Veranstaltungsorten hin und her wandeln lässt.

 

02.05.2013  |  shortlist zum Internationalen Literaturpreis bekanntgegeben   Zum fünften Mal verleihen 2013 das Haus der Kulturen der Welt, Berlin, und die Stiftung Elementarteilchen, Hamburg, den Internationalen Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt. Seit 2009 zeichnet der Preis einen herausragenden, ins Deutsche übersetzten fremdsprachigen Titel der gegenwärtigen internationalen Erzählliteratur und seine Übersetzung aus.
Jetzt wurde die shortlist bekanntgegeben, als herausragend nominiert sind: Andrej Bitow: Der Symmetrielehrer, Teju Cole: Open City, Lloyd Jones: Die Frau im blauen Mantel, Valeria Luiselli: Die Schwerelosen, Zakhar Prilepin: Sankya, Jean Rolin: Einen toten Hund ihm nach. Reportage von den Rändern der Welt.
Die Begründung der Jury: „Die im fünften Preisjahr nominierten Titel der Shortlist wagen äußere und innere Grenzüberschreitungen. Echoräume werden ausgelotet, in denen die Vielfalt der Stimmen die aneinander zerrenden Kräfte der Gegenwart in Szene setzt. Dies gelingt Debütanten wie Altmeistern, Querulanten wie streunenden Hunden.“
Bekanntgabe der Preisträger 30.05.2013; Preisverleihung und polyglottes Fest der Literaturen 12.06.2013.

 

02.05.2013  |  Eingereicht zum Deutschen Buchpreis: Volker Demuths Roman »Stille Leben«   Mit »Stille Leben« erzählt Volker Demuth die intensive Liebesgeschichte von Caroline und Arne - und stellt die Materie Fleisch als das epochale Gegenwartsthema heraus, indem er von Liebe und Kunst unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts erzählt. »Die Stille dieses Buches ist schmerzhaft mit Spannung aufgeladen, mit einer oft fast unerhörbar hohen, intensiven Frequenz von Reflexion und Gefühl.« Joachim Kalka, Literaturblatt.
Volker Demuth, bislang hauptsächlich als Lyriker und Essayist in Erscheinung getreten, legt mit »Stille Leben« seinen ersten Roman vor.

 

02.05.2013  |  Wiederentdeckte Zeichnungen und Dokumente aus einem vergessenen Konzentrationslager.   Während der Todesmärsche im April 1945 gingen sie verloren, im Sommer 2012 tauchten sie völlig überraschend wieder auf: 200 Häftlingsporträts und Aufzeichnungen aus dem Kommando »Hecht«, einem Außenlager des KZ Buchenwald bei Holzen im Weserbergland.
Der Begleitband zur Ausstellung »Wiederentdeckt« (gerade bei Wallstein erschienen) dokumentiert den ungewöhnlichen Quellenfund. Die Porträts hat Camille Delétang gezeichnet, den die SS 1944 als Résistance-Kämpfer nach Holzen verschleppte. Er überlebte den Krieg und wurde später Präsident des französischen Veteranenverbands »André Maginot«. Die handschriftlichen Aufzeichnungen, darunter ein Tagebuch, stammen von seinem Landsmann Armand Roux. Auch er überlebte.
Im April 1945 ließ die SS das Lager in Holzen räumen. Delétang übergab seine Zeichnungen an Roux, der sie mit seinen Aufzeichnungen in einem Beutel versteckte. Am 8. April geriet der Transport in Celle in einen Luftangriff, dem eine Hetzjagd der Bevölkerung auf die Häftlinge folgte. Dabei verlor Roux den Beutel. Noch am gleichen Tag fand eine Anwohnerin die Zeichnungen und Dokumente in ihrem Garten. Ihre Familie übergab sie 67 Jahre später der Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Nun werden sie erstmals in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert.

 

01.05.2013  |  Was ist ein literarischer Essay?   Als hybride Form kann er praktisch jede Gestalt annehmen. Bei den meisten handelt es sich um einen Gesamttext in Prosa, aber es gibt auch Miniaturzyklen, Listen, Dialoge etc. Der Essay ist damit die freieste literarische Form. Aber gibt es dann überhaupt Gemeinsamkeiten? Essays sind Nonfiction, also Sachtexte im erweiterten Sinn. Nicht die Wissensvermittlung steht im Vordergrund, sondern der Text als literarisches Produkt. Ein künstlerischer Umgang mit Tatsachen – subjektiv, nichtakademisch, ohne Belehrung.
Man muss den essai beim Wort nehmen. Ein Versuch also. Ein literarisches Wagnis, eine Welterkundung, die immer auch eine Selbsterkundung ist. Dem Seichten, Anonymen und Reflexhaften setzt der Essay Intimität, Witz und Poesie entgegen – ob in intellektuellen Selbstgesprächen, literarischen Portraits und Reportagen, (auto-) biographischen Erzählungen oder einer Kombination aus all dem. In anderen Sprachräumen hat sich längst etabliert, was es bei uns noch zu entdecken gilt. EDIT ist der Meinung: Der literarische Essay ist die Form der Stunde und diese Form verdient einen Literaturpreis, den Edit Essaypreis.
Gesucht werden unveröffentlichte literarische Essays in deutscher Sprache, nicht länger als 12 Normseiten sein. Einsendungen im Word- oder PDF-Format sowie eine Kurzbiografie an essay@editonline.de. Einsendeschluss ist der 30. Juni 2013.

 

01.05.2013  |  Die Wände der Ränder gedehnt   Zum Tag der Arbeit erinnert fixpoetry an Günter Westerhoff (geb. 1923). Er feierte vor kurzem seinen 90ten Geburtstag – von ihm stammen Gedichte mit Titeln wie „Schlammverlader“, „Gezähschmied“, „Seilwechsel“, „100 KV-Station nachts“. „Als in den Sechzigerjahren die Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung gewann, fand auch Günter Westerhoff Möglichkeiten, seine Werke zu veröffentlichen. Er arbeitete zeitweilig (Anm. FM: er war Gründungsmitglied) in der bekannten literarischen Dortmunder Gruppe 61 mit, zu der auch Max von der Grün gehörte. 1966 erschien von Westerhoff ein schmales Bändchen Gedichte und Prosa - Neue Industriedichtung im Recklinghäuser Paulus Verlag. Dies geschah unter der Obhut des Dortmunders Archivars Fritz Hüser, der sich ein Leben lang der Arbeiterliteratur verschrieben hatte.“ orientiert uns Paul Karl. Zuletzt erschien 2009 eine erste umfangreichere Auswahl seines poetischen Schaffen ab 1946 unter dem Titel „Moment-Wiederkehr - Arbeiterlyrik“.

Hochspannungsraum unter Tage

Schilder mit Rotblitzen warnen, im
Räume ein Hauch Vibration –
Unsichtbar: Bär hinter Gittern,
Beherrscher der Unterstation.

Die Urkraft harrt in den Schienen,
fühlbar an Spänen und Staub – Es
drohen nicht lauernde Seher, leis‘
knisternd geht er auf Raub.

Stets liegt er bereit zum Sprunge,
beschleicht den nahen Monteur, der
mit prüfender Lampe wacht wie ein
Raubtierdompteur.

Wehe dem achtlosen Manne, der in die
Reichweite kommt! Auf ihn zielt der
flammende Bogen, Schmelzhitze schlägt
über, zerbombt.

So wartet der Bär, der die
Tatze todkalt auf die Leitung
legt. Unberechenbar ist die
Stunde, in der er sein Opfer
schlägt.

Aus: Neue Industrie-Dichtung : Lyrik und Prosa von schreibenden Arbeitern unserer Zeit ; Josef Büscher, Bruno Gluchowski, Günter Westerhoff, Hildegard Wohlgemuth, Max von der Grün, Willy Bartock. 1963

 

01.05.2013  |  empirie kolonie kolonastik   Google wirft stand heute folgende Ergebniszahlen für die Begriffe in Anführungszeichen aus:
Arbeiterlyrik                                           5.820 Ergebnisse
Junge Lyrik                                           11.000 Ergebnisse
Experimentelle Lyrik                                13.200 Ergebnisse
Naturlyrik                                             66.400 Ergebnisse
Moderne Lyrik                                        73.700 Ergebnisse
Slam Poetry                                          1.370.000 Ergebnisse
Lyrik                                                   12.600.000 Ergebnisse

 

01.05.2013  |  Hilde-Domin-Preis 2013 an Abbas Khider   "Ungeahnte Einblicke in die arabische Welt" - Der in Bagdad geborene Abbas Khider erhält den mit 15.000 Euro dotierten Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2013. Abbas Khider wuchs in Bagdad auf und wurde dort bereits mit 19 Jahren aus „politischen Gründen“ verhaftet und gefoltert. Nach einer zweijährigen Gefängnisstrafe floh er 1996 aus Angst vor einer erneuten Verhaftung aus dem Irak und reiste vier Jahre lang als illegaler Flüchtling durch verschiedene arabische und europäische Länder. Er schlug sich als Teppichträger, Arabischlehrer, Müllsortierer und Putzkraft durch und schrieb fast täglich Gedichte. Seit 2000 lebt er in Deutschland, machte Abitur und studierte Literatur und Philosophie in München und Potsdam.
Die Jury würdigte den Autor als lakonischen wie heiteren Chronisten, als Meister der Situationskomik und geborenen Erzähler. In der Jury-Begründung heißt es: "Genau eine Woche ist Abbas Khiders 'Brief in die Auberginenrepublik' im Oktober 1999 vom lybischen Bengasi in die irakische Hauptstadt Bagdad unterwegs, aus der Gaddafi-Diktatur in die noch finsterere von Saddam Hussein, in deren Gefängnissen der Autor selbst zwei Jahre verbrachte, bevor er 1996 aus dem Irak floh. Sieben Personen schildern in dieser' mesopotamischen Geschichte' den Briefschmuggel ... Das Schriftstück reist von Land zu Land und bringt jeden, in dessen Hände es gerät, dazu, seine Mentalität zu offenbaren, wodurch der deutsche Leser ungeahnte Einblicke in die arabische Welt gewinnt. Wie schon in seinem autobiographisch inspirierten Gefängnis- und Taubenzüchter-Epos 'Die Orangen des Präsidenten' erweist sich Abbas Khider als ein ebenso lakonischer wie heiterer Chronist, als Meister der Situationskomik und geborener Erzähler."

 

01.05.2013  |  Industriegedicht
Frank Milautzcki
Terzine vom Diolen

Lärm. Es ist als überspringt man einen Graben.
Schief auf Paletten lagern Säcke und sie gleiten
gelben Linien nach, an denen Staplergabeln schaben.

Daneben sitzen Achteckkartons in den eingeteilten Breiten
fein mit grauem Staub belegt. Im Zentrum brüten Autoklaven
an Polyestermolekülen in genauen Wechselzeiten.

Und Geruch von Essig kriecht heraus und braven
Arbeitern ins Hemd. Kaffee wird in der Tasse
im U des Stahlprofils versteckt vor Strafen.

Ein Extruder heult, oben in der engen Fördergasse,
der Antriebsriemen rutscht, es stinkt und aus den Türen
stürzen blau Bekittelte herbei, verschmierte Schlosser und auch blasse.

Und jedem sagt etwas, er soll dies Leben führen.

Aus: Hemden denken. Fixpoetry Leseheft (2009)