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fix zone | juli 2013
31.07.2013 | das herz dringt durch den mund Valžyna Mort (1981), die wohl prominenteste Stimme der jungen belarussischen Lyrik, lebt seit Jahren in den USA, ist aber aktuell als Siegfried-Unseld-Gastprofessorin an der HU Berlin. Am Freitag, den 02. August findet in Berlin-Charlottenburg in den Goldenen Zeiten um 18 Uhr der von GIBO e.V. veranstaltete 4. Belarus-Salon mit Valžyna Mort statt, mit belarussisch-deutscher Lesung und anschließender Diskussion in englischer Sprache.
Um formlose Voranmeldung unter belarus-salon@gibo-ev.de bis zum 1. August 2013 wird gebeten.
Weitere Informationen zu Valžyna Mort, Leseproben und Verweise zu Rezensionen bietet die website literabel.
31.07.2013 | Textmerken Fragen nach den Verhältnissen und Wechselwirkungen zwischen Bild und Text, Poesie und bildender Kunst, markieren zentrale Momente in Natalie Czechs (*1976, lebt in Berlin) fotografischen Arbeiten der letzten Jahre, die sowohl als konkrete Poesie als auch als konzeptuelle Fotografie gelesen werden können. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Nicht-Sichtbares sichtbar zu machen. Für ihre 2010 begonnene Werkgruppe "Hidden Poems" etwa arbeitet sie mit illustrierten Seiten aus Magazinen und Zeitschriften, in deren Textpassagen sie einzelne Worte markiert, um die bis dahin verborgene Existenz eines Gedichts aufzudecken und sichtbar zu machen. In dem ursprünglichen, weiterhin lesbaren Text wird durch Unterstreichung und Markierung ein zweiter Text offengelegt, ein Gedicht von Schriftstellern und Lyrikern wie z.B. Robert Creeley, Rolf Dieter Brinkmann, E.E. Cummings oder Robert Lax. In weiteren Werkgruppen kehrt sie den subjektiven Prozess des Lesens und Findens um und konzentriert sich auf den Möglichkeitsraum des Schreibens: Für die Arbeit "A Small Bouquet by Frank O’Hara" (2011) und "Il pleut by Guillaume Apollinaire" (2012) beauftragte Czech Autoren unterschiedlicher Genres – Künstler, Dichter, Kritiker, Journalisten –, Texte zu verfassen, um in diese die visuelle Struktur eines Bild- oder Figurengedichts einzubetten. Bei O’Hara sind die Buchstaben frei in Form einer Vase mit Blumen angeordnet, Apollinaire lässt die Worte des Gedichts "Il pleut" (auf Deutsch: Es regnet) in fünf Strahlen schräg abwärts über die Seite tropfen. Die ausgewählten Autoren schrieben ihre Texte frei, aber doch so, dass darin die Buchstaben des Gedichts in gleicher Anordnung, doch als Bestandteile auch des neuen Textes wieder auftauchten. In dieser Fotoserie präsentiert Czech die komplex ineinandergefügten Texte auf aufgeschlagenen Buchseiten, das in den Texten verborgene Bildgedicht ist farbig hervorgehoben.
Die Ausstellung im Kunstverein Hamburg versammelt neue, eigens für die Ausstellung entstandene Arbeiten. Natalie Czech präsentiert in Hamburg erstmals die 2013 entwickelten Serien "Poems by Repetition" und "Voyelles".
31.07.2013 | Tabu in der Kritik „Manche Kinoplakate sind bedeutungsschwer: Da blickt eine junge Frau traumverloren durch ein mit Gardinen verhangenes Fenster, darunter das Bild eines jungen Mannes in der Hocke, der betroffen moosbewachsene Felsen anstarrt. Man weiß sofort, hier droht Unheil. Es wird nicht nur an der Liebe, sondern gleich am ganzen Leben gelitten. Soviel freudlos-selbstvergessene Trance führt niemals zu einem guten Ende.
Anders könnte es auch kaum sein, weil „Tabu“ von Georg Trakl handelt, diesem von resignierender Verzweiflung heimgesuchten Mann, diesem drogenabhängigen Getriebenen, diesem literarischen Genie. Sein schmales Gesamtwerk hat ihm, einem der bedeutendsten Frühexpressionisten deutscher Sprache, zwar einen Platz im Olymp der Poesie verschafft, aber keinen im populären Wahrnehmungsbereich. Trakls symbolistisch-dunkle Gedichte sind in ihrer schwebenden Atmosphäre des Irrealen nämlich ausnehmend verrätselt und ungeheuer schwermütig. Passend dazu führte er eine von Ängsten und Depressionen dominierte Existenz, der 1914 nach nur 27 übermäßig kräftezehrenden Jahren ein tragisches Ende gesetzt wurde.“ Nathalie Mispagel rezensiert aktuell auf literaturkritik.de das Filmdrama „Tabu – Es ist die Seele… ein Fremdes auf Erden“ (2011)
31.07.2013 | Papiergewichte Die Ausstellung "Paper Weight. Stilbildende Magazine von 2000 bis heute" im Haus der Kunst in München ermöglicht einen frischen Blick auf unabhängiges Publizieren im 21. Jahrhundert. Kernstück der Präsentation sind 15 Magazine, die seit dem Jahr 2000 gegründet wurden - jedes von ihnen stilbildend und unabhängig, d.h. keines gehört einer großen Verlagsgruppe an. Oft getragen von der Vision und der Leidenschaft einer starken Persönlichkeit, haben die ausgewählten Magazine ein breites Spektrum an Themen wie Architektur, Kunst, Design, Mode, Essen, Sex oder Kulturpolitik: "032c", "Apartamento", "Bidoun", "BUTT", "Candy", "Encens", "EY! Magateen", "Fantastic Man", "PIN-UP", "Sang Bleu" oder "Toilet Paper". Ihre Herausgeber wollen nicht nur kulturelle Artefakte schaffen, sondern kulturelle Veränderungen auch selbst hervorrufen. "Wer ein Magazin gründet, ist per se ein Optimist", so Felix Burrichter, Macher von "PIN-UP" und Kurator der Ausstellung. "Der logistische Aufwand für die Erzeugung eines Printprodukts ist hoch, und im digitalen Zeitalter stehen die Zeichen einer solchen Unternehmung entgegen. Idealismus ist daher ein Schlüsselbegriff, und oft sind vor allem die ersten Ausgaben eines Magazins eine Art Manifest." Die Ausstellung zeigt von jedem Magazin eine überdimensionale, eigens für die Präsentation zusammengestellte Doppelseite, die aufgeschlagen im Raum steht und in enger Zusammenarbeit mit den Magazinen bespielt wird.
30.07.2013 | Romane made in New York Heute fünf Minuten nach Mitternacht auf arte: Sechs junge US-amerikanische Schriftsteller, die einer neuen Generation New Yorker Autoren angehören, vermitteln in diesem Porträt der Filmemacher Nelly Kaprièlian und Sylvain Bergère die Position der amerikanischen Literatur nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 und der nach der Wahl Barack Obamas zu Ende gegangenen Bush-Ära. Zu Wort kommen die Schriftsteller Jonathan Safran Foer, Jonathan Franzen, Nicole Krauss, Jay MacInerney, Rick Moody und Marisha Pessl. Wer nicht so lange wach sein kann, nutzt youtube.
30.07.2013 | Another Universe Der amerikanische Autor David Hinton ist der 30. Samuel-Fischer Gastprofessor. Seine zahlreichen Übersetzungen von klassischer chinesischer Poesie wurden vielfach für ihre Werktreue und Dichtheit des Originals gelobt. Er ist der erste Übersetzer seit fast einem Jahrhundert, der sich der vier Meisterwerke der chinesischen Philosophie angenommen hat: Tao Te Ching, Chuang Tzi, Analects, Mencius. Sein Essayband Hunger Mountain: A Field Guide to Mind and Landscape wurde vom Guardian in die Best-Books-of-2012 Liste aufgenommen. Seine Werke sind teilweise auch auf seiner Website verfügbar.
David Hinton wird nun an der Freien Universität Berlin ein Seminar mit dem Titel: „Another Universe: Wilderness thought in ancient chineses and modern american poetry“ geben. Die alte chinesische Poesie unterscheidet sich fundamental von dem Bild, das in der westlichen Tradition davon gepflegt wird. Die Integration von Mensch und Universum ist das Thema der alten chinesischen Künste Poesie, Malerei und Kalligraphie. Es ist auch das Thema einer zeitgenössischen philosophischen Bewegung namens „deep ecology“. David Hinton bringt philosophische und poetische Texte des alten China zusammen mit moderner amerikanischer Poesie, die diese Bilder in verschiedener Art und Weise neu aufarbeitet.
30.07.2013 | Früchte der Saison Eine Schriftstellerin, eine Schauspielerin und ein Moderator präsentieren im Schweizer Radio SRF zweimal im Jahr ihre subjektive aber wohlbegründete Auswahl aus den lyrischen Neuerscheinungen dieser Saison mit Spass am Lesen, Vorlesen und Interpretieren. Svenja Herrmann, Susanne Marie Wrage und Felix Schneider lesen und interpretieren neue Gedichte. Im Juni waren es: Gedichte von Walle Sayer, Werner Lutz und aus der Anthologie „Der gefesselte Wald“ Gedichte von Insassen des Konzentrationslagers Buchenwald.
29.07.2013 | Weiter mit Wortwürfen Michèle Métail, Dichterin und Performance-Künstlerin, am 30.07.2013 im Lyriksommer des deutschlandradios kultur um 19:30 Uhr: "Ich denke die Poesie dreidimensional".
Die Germanistin und Sinologin Michèle Métail webt seit 1972 an ihrem unendlichen Gedicht "Der
Donaudampfschifffahrtskapitän". Manchmal verbringt sie ganze Monate, ganze Wochen, ganze Tage unterwegs. In ihrem Garten, in den Bergen, in den Cevennen, in China, in Berlin. Berge, Städte, Täler erwandert sie sich. Beim Laufen entstehen in ihr ein Rhythmus und eine Form, in denen dann, irgendwann, die Worte ihren Platz finden und platzen werden. "Ich denke die Poesie dreidimensional", sagt die französische Lyrikerin Michèle Métail. Und wenn man das Glück hat, einer ihrer Lesungen beizuwohnen, versteht man auch, warum ihre Poesie besser in der Flüchtigkeit des Augenblickes als zwischen zwei Buchdeckeln aufgehoben ist. Für sie stellt der "Wurf des Wortes in den Raum die höchste Form des Schreibens" dar.
Gleichzeitig arbeitet sie als Fotografin, als Kalligrafin und Raumkünstlerin und entwickelt anhand
verschiedener Alphabete Riesengedichte, die die Form eines Stelenwaldes oder eines Gartens
annehmen können.
29.07.2013 | Urlaub vom Leben Der expressionistische Dichter und Erzähler Georg Heym erzählt in der 1911 geschriebenen, postum 1913 veröffentlichten Novelle „Der Irre“ vom letzten Tag im Leben eines Irren. Dabei schildert er ihn als pathologischen Fall in all seiner schonungslosen Brutalität - von der verrückten Gnadenlosigkeit seiner Handlungen bis zur gnadenlosen Antwort der Gesellschaft.
Heym nutzt dabei ohne Wertung immer wieder die Innenperspektive als Darstellungsmittel, um die Phänomene des Hässlichen, Irrationalen, Asozialen, Subjektiven und Unmoralischen faszinierend wie schockierend zum Ausdruck zu bringen.
Am 30.07. um 20:10 Uhr im Deutschlandfunk.
29.07.2013 | „Kathedrale des erotischen Elends“ „Der norwegische Zeichner Lars Fiske hat den hannoverschen Dada-Künstler … mit Witz, Verständnis und viel Liebe porträtiert und gleichzeitig eine Einführung in seine Kunst … geschaffen „Herr Merz. Kurt Schwitters - jetzt nenne ich mich selbst Merz“ (Avant-Verlag).
Warum gerade ein norwegischer Zeichner? Das passt, denn Kurt Schwitters war diesem Land tief verbunden, es war gewissermaßen seine Rettung, hier verbrachte er nach seiner Flucht vor den Nazis die ersten Jahres seines Exils. Rahmen der Story ist die ganz heutige Reise des Zeichners nach Hannover (mit ICE). Aber nach zwei Seiten gehts sofort los damit, wie aus einem ersten aufgeklebten Bierfilz große Kunst wurde, wie das Leben in der Waldhausenstraße 5 mit dem kleinen „Merzsohn“ Ernst, der hier ein wenig nach Simpsons aussieht, so vor sich ging - und wie dabei der Merzbau, den die Bomben vernichtet haben, entstand. Dieses erstaunliche Gesamtkunstwerk namens Merzbau steht im Mittelpunkt der Graphic Novel, einer überwältigenden, begehbaren Collage, die Schwitters, und auch das wird hier erklärt, die „Kathedrale des erotischen Elends“ nannte.“ Neue Presse.
28.07.2013 | Raus aus der Darre der Aura „Früher nannte man das Lesung, das ist lange her und war die Sache mit dem Tisch, der Stehlampe, dem Blumenstrauss und dem Glas Wasser. Die Buchhändlerin sagte noch eben an, wie das Buch hiess, aus dem gleich vorgelesen würde, und dann wurde eben vorgelesen, und da das nun einmal die wenigsten können, war das zwar oft sehr authentisch, aber sonst – kurz und gut: Es war oft lang und schlecht. Also hat man sich gesagt: Wenn schon schlecht, dann lieber kurz. …
Man meint doch, schon so manchem Autor, so mancher Autorin während einer Lesung beim Zwischendurch-Aufblicken die Frage angesehen zu haben: Warum sitzt ihr, die ihr doch auch bequem, wenn nicht weitaus bequemer zu Hause in eurem eigenen Wahrnehmungstempo meinen Text zu euch nehmen könntet, vor meiner Nase und schaut mich an, als wär ich des Rätsels Lösung? Was seht ihr da vor euch? Was wollt ihr von mir? …
Autorinnen und Autoren erzählen die Welt, und wenn sie wirklich gut sind, können sie es so, dass diese Welt sich wiedererkennt und gleichzeitig nicht wiedererkennt, weil sie bis zu diesem Moment noch keine Ahnung davon hatte, dass sie so ist wie im Spiegel und gleichzeitig so wie hinter dem Spiegel. Und vor allem, ganz simpel: dass sie ein Text ist, an den jemand Hand angelegt hat, damit es ein schöner Text werde.“ Jochen Jung in der NZZ
28.07.2013 | Naturschönes „Der Brasilianer Sebastião Salgado bereist seit Jahrzehnten die Kontinente dieser Welt und hat Natur und Menschheit mit allen Hoffnungen und Ängsten festgehalten. In den 1980er und 1990er Jahren dokumentierte die Unabhängigkeitskriege in Angola und Mosambik, erlebte die Dürrekatastrophen in Äthiopien, Sudan und Tschad und scheute nicht, den Völkermord in Ruanda mit seiner Kamera zu bezeugen. Nach all der Grausamkeit und dem Elend, die er sah, hatte er jede Hoffnung auf eine Zukunft für die Menschheit verloren. …
In den letzten acht Jahren reiste Sebastião Salgado in 32 Winkel der Welt, um unberührte Landschaften und ursprüngliche Seegebiete, geheimnisvolle Tiere und uralte Völker aufzuspüren, die dem oft zerstörerischen Arm der modernen Zivilisation entgangen waren. Sein Mammutprojekt Sebastiao Salgado. Genesis: Trade Edition versammelt nun die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der sich noch im Urzustand befindlichen Natur.“ Thomas Hummitzsch auf diesseits.de
28.07.2013 | Spezialität im Abseits? Als mp3 nachzuhören ein Beitrag des Deutschlandradios zum Auftakt des Lyriksommers: Eine Vielzahl von neuen Verlagen und Publikationen sind entstanden in den vergangenen Jahren, durch das Internet auch neue Verteiler und Netzwerke. Unter anderem gehören Kookbooks - Labor für Poesie als Lebensform seit 10 Jahren dazu und seit 2008 auch Luxbooks. Annette Kühn, Verlegerin und Übersetzerin bei Luxbooks, Daniela Seel, Lyrikerin, Verlegerin von Kookbooks sowie Übersetzerin waren zu Gast im Studio und diskutierten mit Barbara Wahlster über die Situation der Lyrik in Deutschland.
26.07.2013 | Das Schreibetier Nichts anderes als schreiben wollte S. Corinna Bille (1912 - 1979), schon als junges Mädchen. Und das tat sie. Unaufhörlich notierte sie Ideen, schrieb Notizen, auf Zeitungspapier, im Zug, überall. So beschrieb es ihr Ehemann, der Walliser Schriftsteller Maurice Chappaz. Ihre Themen - die Menschen und die Natur des Wallis - beschreibt sie mit magischer Fantasie. Die Dokumentation "S. Corinna Bille - Das Schreibetier" entdeckt S. Corinna Bille, eine der wichtigsten Schriftstellerinnen der Schweiz, wieder und zwar am Sonntag, den 28.07 um 18:30 in 3sat.
26.07.2013 | Rolf Schwendter ist gestorben „Rolf Schwendter ist am Sonntag, den 21. Juli 2013, in Kassel verstorben. Er wurde 73 Jahre alt. Mit seinem Tod verliert die linke und alternative Bewegung und mit ihr die gesamte deutschsprachige Öffentlichkeit einen der vielseitigsten Kritiker menschlicher Entfremdungen im postindustriellen Zeitalter. Rolf Schwendter war Sänger, Trommler und Wortspieler; er war Philosoph, Jurist und Historiker; Autor, Lehrer und Forscher; er sprach ungarisch, wienerisch und deutsch. Seine kontemplative Kochkunst war legendär…
1971 erschien sein wegweisendes Opus Magnum, die "Theorie der Subkultur", nach der er dann als Professor für Devianzforschung an der Gesamthochschule Kassel den Studierenden abweichendes Verhalten beibrachte, wie er betonte. Philosophische, sozioökonomische und kulturhistorische Arbeiten folgten, immer wieder von künstlerischen Auftritten unterbrochen. So geht auch das "Erste Wiener Lesetheater", gegründet 1990, auf seine Initiative zurück.
Als Autor überraschte und faszinierte er den Verleger immer wieder mit seiner unorthodoxen Art. Man musste Schwendter schon einigermaßen gut kennen, um nicht nervös zu werden, wenn er drei Wochen vor dem Abgabetermin eines Buchmanuskripts en passant anmerkte, dass er noch drei bestimmte Werke lesen müsse, die allerdings in einer Wiener Präsenzbibliothek lägen, wo er allerdings als (damaliger) Kettenraucher nicht Platz nehmen dürfe. Geschrieben sei übrigens noch kein Wort. Den Begriff "Manuskript" nahm Schwendter zeitlebens wörtlich. Schreibmaschinen oder - später - Computer kannte er nur als Exotika aus einer fernen, zu überwindenen Welt. Sein Manuskript gab er auf A-5-Blättern ab. Sobald im Kopf alles fertig war, floss der Text ohne jeden Schreibfehler aus dem Kugelschreiber aufs Papier.“ Promedia Verlag.
Letze Lyrische Lebenszeichen erschienen 2004 als „Blues auf dem Weg zum Wahnsinn“ mit bis dato unveröffentlichten Gedichten, entstanden in den Jahren 1963/64. 229 Chorusse, ein poetischer Blues, ein Erahnen der Umbrüche, ein Schrei nach Veränderung.
26.07.2013 | Hörsaal im Wohnzimmer Ein Pult, ein Mikrofon und einen Redner, vielleicht einige eingeblendete Bilder oder Grafiken. Das ist alles, was der Fernsehzuschauer während einer Folge der Tele-Akademie zu sehen bekommt. Formal bewusst puristisch gehalten, konzentriert sich die Sendereihe strikt auf den Inhalt und auf die Person dessen, der ihn vorträgt. Damit ermöglicht sie dem Zuschauer die authentische Begegnung mit bedeutenden Persönlichkeiten des deutschen und internationalen Geisteslebens. Referenten aus rund 20 Nationen und aus allen Bereichen der Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften, aus Kunst und Technik, aus Wirtschaft und Politik konnte man in den vergangenen Jahren erleben.
Jeweils zur besten Sendezeit sonntags um 8:00 Uhr morgens in 3sat.
Aktuell nachzuschauen auf der dazugehörigen website (oder am So, den 28.07. um 6:45 Uhr im TV) Hans-Georg Gadamer - Die Vielfalt der Sprachen und das Verstehen der Welt.
25.07.2013 | Versengeld aus den Tiefen der Lade der Kasse Neu auf literaturkritik.de: „Strömende Verse eines Einzelgängers - Zur ersten Gesamtausgabe der Lyrik Wilhelm Klemms“, eine Rezension von Michael Ansel.
Wilhelm Klemm (1881–1968) war in den Glanzzeiten des deutschen Expressionismus einer der bekanntesten deutschen Lyriker. Dem 1915 veröffentlichten ersten Gedichtband Gloria! mit den rasch berühmt gewordenen Antikriegsgedichten folgten bis 1922 sieben weitere Gedichtbände. Daneben erschienen seit 1908 in literarischen Zeitschriften wie Jugend und Simplicissimus und vor allem in der Wochenschrift Aktion rund 200 Gedichte. In der 1920 von Kurt Pinthus herausgegebenen Anthologie Menschheitsdämmerung war Wilhelm Klemm einer der drei mit den meisten Gedichten vertretenen Autoren und galt als expressionistischer Lyriker par excellence. Für den heutigen Leser ist das imponierend moderne Werk eines literarischen Außenseiters zu entdecken, der sich keiner Bewegung anschloss und seinen eigenen Weg ging, den Weg einer »Magischen Flucht«, die ihm die Welt noch einmal in jene vorbegriffliche Sphäre entrückte, wo die Imagination auf ihre großen Entdeckungen auszieht. Die vorliegende bibliophil ausgestattete Ausgabe versammelt erstmals die über 600 gedruckten Gedichte eines großen Lyrikers, einschließlich der in den sechziger Jahren erschienenen rund 50 späten Gedichte. Von besonderem Reiz sind die über 80 Beispiele des parallel zu den Gedichten entstandenen flüchtig skizzierten graphischen Werks.
Wilhelm Klemm: Gesammelte Verse. Herausgegeben von Imma Klemm und Jan Volker Röhnert. Dieterisch’che Verlagsbuchhandlung, Mainz 2013.
25.07.2013 | Die Idee mit dem Beipackzettel „Erkenntnis gewinnt nicht derjenige, der sich besonders eingehend in die Betrachtung eines Kunstwerks vertieft. Der heutige Connaisseur sammelt nicht visuelle, sondern konzeptuelle Erfahrungen. Das Zeitalter des Beipackzettels verdrängt das Altertum mit seiner mühsamen Entzifferung von Form und Bildinhalt.“ Ronald Pohl im Depot des Wissens über Rudolf Burgers polemischen Aufsatz "Die Heuchelei in der Kunst" (1999).
25.07.2013 | Höhlen voller Papier „Irgendwann begann die 1961 in Neu-Delhi geborene indische Fotografin Dayanita Singh, in ihrer Heimat Archive abzulichten. Zuerst unsystematisch, nach mehr als zehn Jahren dann gezielt und zunehmend fasziniert. Archive, so wie sie früher in der ganzen Welt aussahen und jetzt, in den neuen Zeiten der umfassenden digitalen Observierung und Archivierung, nur noch in einzelnen Reservaten der Epochenverschleppung zu finden sind: Höhlen voller Papier, gestapelt, gebündelt oder abgeheftet, in Mappen, Ordnern, Schachteln oder Stoffbeuteln gesammelt, in Regalen oder Schubladen verstaut, auf Tischen und am Boden sich türmend.“ Kristina Maidt-Zinke in der Süddeutschen über den Bildband „File Room“ von Dayanita Singh.
Foto: Dayanita Singh
Interessant in diesem Zusammenhang der Artikel „Langzeitarchivierung“ auf wikipedia, wonach bspw. gebrannte CDs schon nach 5 Jahren ihren Dienst quittieren können, Festplatten ebenso, USB Sticks und Disketten schon nach 10 Jahren.(FM)
25.07.2013 | Style is gyle Rund 160 Literatur- und Sprachwissenschaftler aus 43 Ländern treffen sich vom 31. Juli bis 4. August 2013 an der Universität Heidelberg: Sie nehmen teil an der erstmals in Deutschland stattfindenden Jahrestagung der Poetics and Linguistics Association (PALA), der internationalen Vereinigung für das Forschungsgebiet der „Stylistics“, um sich über aktuelle Forschungsfragen an der Schnittstelle von Sprache und Literatur auszutauschen. Dabei geht es um die Untersuchung unterschiedlicher Gebrauchsformen von Sprache und anderen Zeichen sowie von Mustern und Variationen des Stils, die sich unter anderem aus dem jeweiligen Kontext oder der Situation ergeben. Das Forschungsgebiet der „Stylistics“ beschäftigt sich mit der Analyse komplexer linguistischer Formen und Funktionen, die in Texten oder in Diskursen Bedeutung „kreieren“.
Zu der Veranstaltung in englischer Sprache ist auch die interessierte Öffentlichkeit eingeladen. Die Plenarvorträge finden in der Aula der Alten Universität von Heidelberg statt. Weiterer Veranstaltungsort ist die Neue Universität.
25.07.2013 | Der Weg-Bereiter und das Ei „Endlich Kunst, die aufbaut, die stärkt, die satt macht! Stundenlang hatte Piero Manzoni vor seiner kleinen Kochplatte gesessen, hatte Eier gekocht, viele Eier. Ob sie weich waren oder hart und bläulich angelaufen, ist nicht überliefert. Nur dass Manzoni jedem Ei seinen Daumenabdruck mit Tinte aufdrückte, seine Signatur. Damit allen Vernissagegästen klar war: Sie verschlingen nicht einfach ein Hühnerprodukt, sie verschlingen Kunst! Wer klug war, brachte eine Prise Salz mit.
Auf Fotos sieht man ihn noch heute vor seinem Topf sitzen, ein rundliches Kerlchen in schwarzem Anzug und mit Krawatte, sehr beflissen bei der Sache. Eine Szene, die von Loriot stammen könnte, einzig Evelyn Hamann fehlt, in der Rolle der zufrieden seufzenden Kunstgenuss-Genießerin. Heute ist Piero Manzoni (1933 bis 1963) kaum mehr bekannt, dabei war er der beste und einzig wahre Satiriker unter den Nachkriegskünstlern. Mehr noch, er war der letzte Avantgardist.“ Hanno Rauterberg in der ZEIT über eine Ausstellung im Frankfurter Städelmuseum über den früh, im Alter von 29 Jahren, verstorbenen Piero Manzoni (1933 - 1963).
25.07.2013 | tanz & tod „Historische und aktuelle Choreografien zum Unausweichlichen“ - Das Sterben als letzter Tanz mit dem Tod. Ausgehend von Totentanz-Grafiken aus der Sammlung des Museums für Sepulkralkultur in Kassel spannt die Ausstellung tanz & tod einen Bogen von den darstellenden und bildenden Künsten bis zu Phänomenen der Alltagskultur. Entstanden ist eine nachdenklich stimmende Collage aus u. a. dokumentarischem Filmmaterial, Fotografien, Künstlervideos, Kunstinstallationen, Tanzsequenzen und Videoclips und es finden zusammen u.a. Samuel Beckett, Die Toten Hosen und Mary Wigman.
25.07.2013 | Totentanz
Rainer Maria Rilke
Toten-Tanz
Sie brauchen kein Tanz-Orchester;
sie hören in sich ein Geheule
als wären sie Eulennester.
Ihr Ängsten näßt wie eine Beule,
und der Vorgeruch ihrer Fäule
ist noch ihr bester Geruch.
Sie fassen den Tänzer fester,
den rippenbetreßten Tänzer,
den Galan, den ächten Ergänzer
zu einem ganzen Paar.
Und er lockert der Ordensschwester
über dem Haar das Tuch;
sie tanzen ja unter Gleichen.
Und er zieht der wachslichtbleichen
leise die Lesezeichen
aus ihrem Stunden-Buch.
Bald wird ihnen allen zu heiß,
sie sind zu reich gekleidet;
beißender Schweiß verleidet
ihnen Stirne und Steiß
und Schauben und Hauben und Steine;
sie wünschen, sie wären nackt
wie ein Kind, ein Verrückter und Eine:
die tanzen noch immer im Takt.
entstanden am 20.08.1907 in Paris,
Erstveröffentlichung 1908 in Hyperion.
24.07.2013 | Prosa des Lebens „Wenn das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) dieser Tage eine Ausstellung mit 60 frühen Fotografien von Walker Evans aus der eigenen Sammlung eröffnet, erinnert es nicht allein an dessen erste museale Ausstellung und den epochalen Bildband "American Photographs", deren 75-jähriges Jubiläum jetzt anstehen. Das Haus richtet damit den Blick auch auf seine eigene Geschichte. …
Wie lässt sich die künstlerische Leistung dieses wirkmächtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts beschreiben? Tatsächlich muss man von Europa ausgehen, sein Werk ist unauflöslich mit der modernen, vor allem der französischen Literatur verbunden. Evans kam 1923 zum Literatur-Studium an an die Pariser Sorbonne, sein Ziel war eine Karriere als Schriftsteller. Erst später wandte er sich der Fotografie zu, machte so die ästhetischen Lehren Flauberts und Baudelaires für sich fruchtbar.
Nach seiner Rückkehr in die USA begriff er, dass das Material, nach dem er suchte, auf den Straßen und in den kleinbürgerlichen Wohnungen offen zutage lag. Das Vorbild der französischen Literatur half ihm, die prosaische Lebenswirklichkeit der USA in ihren ästhetischen Möglichkeiten zu begreifen.“ Heinz Liesbrock in der Süddeutschen über die aktuelle Ausstellung der Fotografien von Walker Evans.
24.07.2013 | Schreibmaschinenpoesie „2 4get her“ - Unter diesem Titel erschien im Mai ein weiteres Buch mit Schreibmaschinenpoesie von Anatol Knotek. Es ist wieder ein handgemachtes Buch in einer limitierten Auflage von 250 Stück im kleinen A6 Format, allerding anders als sein zeitlich unbegrenzt aufzulegender Vorgänger vom Februar des Jahres, „anachronism“, wurden die Seiten nicht direkt per Hand als Original getippt (jeweils 16 Poesien, mit der Schreibmaschine geschrieben, in keinem Buch sind die gleichen enthalten), sondern gescanned und ausgedruckt - und der Inhalt (50 Poesien), sowie die Reihenfolge (damit der Leser oder die Leserin eine Geschichte erdenken kann) sind immer gleich.
Anatol Knotek beschäftigt sich mit der Kombination von Text und Bild, mit Werken die zwischen Poesie und bildender Kunst angesiedelt sind und da ihm bei gedruckten Büchern oft die »Aura des Originals« abging, hatte er die Idee Bücher als Unikate herzustellen. Seine Arbeiten, die oft nur aus einzelnen, oder wenigen Wörtern bestehen, und seine Schreibmaschine eignen sich dafür hervorragend. Bei beiden Büchern werden die Seiten teilweise zerrissen, zerschnitten, dann wieder (teils an anderen Stellen) zusammengeklebt und mit Bunt- oder Korrekturstiften bearbeitet.
24.07.2013 | Lyrische Zerreißproben "Sie hat das absolute Gehör für falsche, verräterische Töne", schrieb der Journalist Ulrich Weinzierl in einer Laudatio anlässlich ihres 80. Geburtstags in der Welt: Die 1931 in Wien geborene Ruth Klüger wurde als Tochter eines jüdischen Arztes 1942 gemeinsam mit ihrer Mutter in die Nazi-KZs deportiert (Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau, Christianstadt). Kurz vor Kriegsende gelang ihr im Jahr 1945 noch die Flucht; ihr Vater und ihr Halbbruder starben in der nationalsozialistischen Mordmaschinerie. Ihre Kindheitserlebnisse beschrieb sie in ihrem 1992 erschienenen, vielbeachteten autobiografischen Buch "weiter leben". 1947 emigrierte Klüger in die Vereinigten Staaten und lehrte Germanistik an der University of Virginia, in Princeton sowie an der University of California in Irvine. Gedichte waren es, sagt Klüger, die ihr geholfen haben, den Holocaust zu überleben: Ihr Gedichtband "Zerreißproben" (Zsolnay-Verlag) enthält auch zwei Gedichte, die Klüger 1944 im Alter von zwölf und dreizehn Jahren im KZ verfasst hat." Ruth Klüger interpretiert im Standard drei ihrer Gedichte: Deutsche Sprache, Ist das Heimweh?, Der andere Tod.
23.07.2013 | Lenz ist Linz, Lunz, Lanz Via in|ad|ae|qu|at die Meldung: Der Autor Oswald Egger und die Regisseurin Iris Drögekamp erhalten den vom Südwestrundfunk gestifteten Karl-Sczuka-Preis 2013 für Hörspiel als Radiokunst. Sie werden für ihr gemeinsames Radiostück „Linz und Lunz” ausgezeichnet. Das Preiswerk, eine Produktion des Südwestrundfunks, wurde am 7.3.2013 gesendet. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 12.500 Euro verbunden.
Aus der Begründung der Jry: „Oswald Egger gelingt mit dem Hörstück Linz und Lunz eine vielstimmige Hommage an den Dichter Jakob Michael Reinhard Lenz. Dabei begibt sich Egger in den Sprach- und Lebensraum von Lenz, der deutschsprachig im Livland der Goethezeit aufgewachsen ist. Egger erforscht den Klangraum der untergegangenen livländischen Sprache und verschränkt sie mit seinem eigenen poetischen Sprechen. Die Regisseurin Iris Drögekamp inszeniert die Vielstimmigkeit des Textes als musikalischen Raum aus Wörtern. Drei Sprecher und drei Vokalkünstlerinnen (Maulwerker) erschaffen eine polyphone Sprachlandschaft. Das Hörstück öffnet den Zuhörern einen unerwarteten Imaginationsraum aus Sprachsinnlichkeit und der Kraft der Wörter gegen die Zumutungen des Lebens. Iris Drögekamp und Oswald Egger beschreiten für das Radio neue Wege der akustischen Kunst.“
„Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Thäler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen.” D.h. die sichtbaren Schatten fliehen den, der ihnen folgt, und sie folgen dem, der sie flieht. Ist Lenz, inzwischen Dichtung und Wahrheit, verrückt? Nicht der Lenz ist da (das alte Lied), Lenz “ist” da und dort; und Lenz ist überall… Oswald Egger
Das Leben des Lyrikers und Sturm- und Drang-Dramatikers Jacob Michael Reinhold Lenz, der angeblich unter paranoider Schizophrenie litt, war immer schon Stoff für künstlerische Phantasien. Sie reichen von Büchners »Lenz« bis zu Gert Hofmanns Novelle über seine »Rückkehr nach Riga«. Oswald Eggers Arbeit kreist um das Werk und Leben des J.M.R. Lenz in seiner Moskauer Zeit von 1781-92. Hörspielkritik.
23.07.2013 | Aktion vor hundert Jahren Vor hundert Jahren, am 26. Juli 1913 erschien die Ausgabe Nr. 30 von Franz Pfemferts „Die Aktion“,. Auf S. 726/727 sind vier Gedichte eines Sylvester von Babenhausen abgedruckt, über den Franz Pfemfert die Leser vor Ort aufklärt: „Sylvester von Babenhausen ist am 2. März 1913 dreizehn Jahre alt geworden; vermögender Eltern Kind will er dennoch Liftpage im Hotel Esplanade werden. Um sich für diesen Beruf vorzubereiten, dichtet er. Hier einige Proben. Man kann das heutige dichterische Wesen nicht genug propagieren; kein Heil, bevor nicht jeder deutsche Jüngling sein eigener Dichter ist.“
Sylvester von Babenhausen
Kinderball im Westen
Ein dicker Mann sitzt am Klavier und spielt
Die lust’ge Witwe und den Grizzlybär
Wie ein Pianola, und er spült
Nach jedem Tanz ‚nen Schoppen hinterher.
Die kleinen Mädchen, die kaum 15 sind,
Und doch schon voll entwickelt in den Brüsten,
Sie fühlen sich schon lange nicht mehr Kind
Und raten Dinge, die sie gerne wüßten.
Frühreife Knaben tragen schon den Smoking
Und schielen auf entblößte Mädchenwaden.
Der Schiebetanz gilt manchmal hier für shoking
Und in den Ecken spricht man von Poussaden.
Die Diener laufen mit belegten Brödchen
Zu Paaren, die schon müde sind vom Tanzen,
Und Mütter im Salon freuen sich an Zötchen
Und tuscheln kleine, gift’ge Medisancen.
Aus. Die Aktion Nr.30, 26. Juli 1913.
Im Dezember desselben Jahres erschienen nochmals mehrere Gedichte, diesmal „Sonette aus dem Lift“(ja! – Sylvester hatte es tatsächlich bis zum Liftboy geschafft!) und dann schon mit dem Hinweis „Parodie“ und im Mai 1914 trat Sylvester von Babenhausen das letzte Mal in der Aktion in Erscheinung, mit einer Elegie auf seinen Diener, der sich aus Liebeskummer erhängt hatte. Alle vorhandenen Gedichte sind in Reife und Machart nicht die eines 13-jährigen Jungen und es läßt sich unschwer an einen clownesken, hakenschlagenden Dichter denken, wie es bspw. Salomo Friedländer aka Mynona einer war, der sich vielleicht hier einen Spaß mit Pfemferts Gutgläubigkeit machte. Schließlich hatte er gerade begonnen seine Prosagrotesken unter „Mynona“ zu veröffentlichen. Die Literaturgeschichte hat hier noch keine Meinung - zumindest Kurt Marti ist der Sylvester von Babenhausen ebenso nicht geheuer, als er ihn 1971 neben andere Kuriositäten der literarischen Welt in sein wunderbares lexikalisches Abratzki oder die kleine Brockhütte aufnimmt.
22.07.2013 | Aus Grabungen Lesung, Gespräch und Buchpremiere am Mittwoch, den 24. Juli um 20 Uhrim Literaturforum im Brechthaus in Berlin-Mitte: Christian Geissler „Wird Zeit, dass wir leben“, unlängst erschienen im Verbrecher Verlag als Teil einer Werkausgabe des vergessenen, 2008 gestorbenen Autors.
Christian Geissler erzählt vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Hamburg. Als ob er mitten im Geschehen steckt, begleitet er seine Romanfiguren durch die Kämpfe vor und nach 1933 und zieht den Leser in die immer noch aktuellen Debatten mit hinein. Er erzählt von staatlicher Gewalt und Gegenwehr von unten, vom Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv und Individuum, zwischen Disziplin und Eigensinn. Geisslers Roman basiert auf einer wahren Geschichte, die Detlef Grumbach umfassend recherchierte und in einem Nachwort zum Roman dokumentiert.
Michael Wildenhain im Gespräch mit Detlef Grumbach.Es liest der Schauspieler Robert Stadlober.
22.07.2013 | Das Gedicht als Hypothesenmaschine Mallarmés »Würfelwurf« ist nach wie vor ein unvergleichliches Gedicht – nicht nur aufgrund seiner typographischen Variation und der jede lineare Lektüre sprengenden Fülle von Einschüben. Merkwürdiger noch ist wohl sein Gehalt: Ein schiffbrüchiger »Meister«, der mit der Faust die Würfel umschließt, zögert, ob er sie angesichts der tobenden Wogen, die ihn sogleich verschlingen werden, auch werfen soll. Er ahnt, dass das Ergebnis eines solchen Wurfs – die Zahl – von außergewöhnlicher Wichtigkeit wäre.
In seiner Lektüre geht Quentin Meillassoux dieser Zahl auf den Grund. Dabei zeigt er, dass das Gedicht durch einen Geheimkode verschlüsselt ist. »Doch diese Entdeckung wirft eine noch nie gestellte Frage auf: Warum die Verrätselung des Würfelwurfs, oder: warum gerade diese Verrätselung? Der Kode wird nicht den letzten Schlüssel für das Gedicht geben, sondern die Form seines ungeahnten Schlosses.« Dieser Lösung eines »Rätsels im Rätsel« gilt Meillassoux’ Untersuchung, die schließlich auch die Bedeutung der inmitten des Treibguts nur für einen Augenblick auftauchenden Sirene erhellt: Die Zahl und die Sirene.
22.07.2013 | Dichter der Revolution „Leonhard Kossuth, langjähriger Cheflektor im dahingegangenen Verlag »Volk und Welt« (am 25. Juli wird er 90 Jahre alt) hat nicht nur den Text dieser Arbeit, sondern auch zahlreiche Recherchen, die ihr zugrunde liegen, in sein Buch aufgenommen. Das sind briefliche Auskünfte von Schriftstellern wie Johannes R. Becher, Stephan Hermlin oder Max Zimmering sowie von allen mit deutscher Nachdichtung Majakowskischer Verse befassten Autoren (Hugo Huppert, Franz Leschnitzer, Johannes von Guenther, Rita Rait, A. E. Thoss) über Begegnungen mit Majakowski und/oder seinem Werk. Der Dichter Erich Weinert wurde speziell über die Qualität der Übersetzungen von Huppert und Leschnitzer befragt. Sogar das Urteil von Hallenser Sprecherziehern über die rezitatorischen Qualitäten der verschiedenen Gedichtübertragungen wurde eingeholt. Erst danach folgen - sozusagen außer Konkurrenz - Nachdichtungen von sechs Majakowski-Gedichten (mit bekannten Titeln wie »Norderney« oder »Deutschland« oder »Die Pariserin«), die Kossuth selber in verschiedenen Jahren seit 1953 schuf. Ihre sprachlich-poetische Qualität ist bemerkenswert!“ Willi Beitz in Neues Deutschland über Leonhard Kossuth: Der Hut flog mir vom Kopfe. Majakowskis Zylinder? Majakowski in Deutschland - Essays - Historische Korrespondenz - Bibliographien - Nachdichtungen im Vergleich. NORA Verlag.
21.07.2013 | Leiden schafft Worte Am Montag, den 22.Juli, abends um 20:15 im Ersten: Goethe! - ein schwungvolles Porträt entstaubt den deutschen Klassiker. Der Regisseur Philipp Stölzl erzählt frei die Entstehungsgeschichte des berühmten Werther: Die Verse fließen dem noch erfolglosen jungen Poeten Johann Goethe nur so aus der Feder, doch dabei vernachlässigt er das Jura-Studium. Sein erboster Vater hält nichts von den literarischen Flausen und verbannt ihn ans Reichskammergericht eines verschlafenen Städtchens. Dort verliebt der angehende Dichter sich unsterblich in die verarmte Bauerntochter Lotte, die seine stürmischen Gefühle erwidert. Beide ahnen nicht, dass Johanns Vorgesetzter, der wohlhabende Gerichtsrat Kestner, ein Auge auf Lotte geworfen hat. - In dieser bildgewaltigen Filmbiografie verkörpert Alexander Fehling den späteren Dichterfürsten als jungen Wilden, der gegen die Vernunft rebelliert und am Ende seine große Leidenschaft „nur" in Worte fasst.
21.07.2013 | Textorte Die Worthäufigkeit (Wortfrequenz) ist eine statistische Größe, die angibt, wie oft ein bestimmtes Wort in einem Text oder Textkorpus vorkommt. Sie kann als absolute Anzahl oder in Relation zur Gesamtzahl der Wörter des Textes angegeben werden. Die Häufigkeitsverteilung der Wörter hängt von der Sprache, der Art und dem Fachgebiet des untersuchten Textes ab.
Das Wortschatz-Portal der Universität Leipzig hält eine Liste (von 2001) online, auf der man die (seinerzeit) häufigsten 100 | 1000 | 10000 Worte der deutschen Sprache in ihrer Reihenfolge nachlesen kann (basierend auf den ausgewerteten Quellen. Für andere Quellen ergeben sich sicher andere Reihenfolgen, da die Anzahlen stark von der Textsorte, dem Fachgebiet usw. abhängen).
der die und in den von zu das
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21.07.2013 | Quantitative Linguistik „Mathematik und Dichtung“ hieß eine Untersuchung, zu der 1965 Helmut Kreutzer & Rul Gunzenhäuser aufgerufen hatten und in welcher der Linguistik- Prof. Dr. Wilhelm Fucks aus Aachen einige Tabellen zu textstatistischen Untersuchungen veröffentlichte. In den 60er Jahren gab es weitreichende Tendenzen, vor allem der sog. Stuttgarter Schule um Max Bense, die Literatur mit statistischen Argumenten zu untersuchen und zu begründen. Bense „formulierte … eine rationale Ästhetik, die das Sprachmaterial – Worte, Silben, Phoneme – als statistisches Sprachrepertoire definiert und sich gegen eine auf Bedeutung beruhende Literatur stellt“ (wikipedia).Reimar Lenz nahm die „mathematische Analyse des literarischen Stils“ von Fucks auf und schrieb parodistisch dazu ein Gedicht, das 1969 in dem Band „sogenannte wirklichkeiten“ in Berlin bei Peter-Paul Zahl erschien (in dessen Reihe P.P. Quadrat, von der es nur eine Handvoll, heute zu Seltenheiten avancierteHefte gibt, u.a. ein Heft von Günter Wallraff über ein Selbstversuch mit Mescalin).
Quantitative Linguistik
Goethe schrieb eins
Komma sieben drei drei
Silben pro Wort,
Rilke dagegen eins
Komma vier fünf eins.
In Marx‘ Kapital finden sich
Durchschnittlich zweiunddreissig
Komma sechs sechs acht
Wörter pro Satz,
in Jüngers >Marmorklippen<
hinwiederum vierundzwanzig
Komma null neun null.
Dieses Gedicht,
bis hierher berechnet, hat eins
Komma acht sechs zwei
Silben pro Wort
und achtzehn
Wörter pro Satz.
Es steht damit weit
über Goethe und Rilke,
aber noch unter
Jünger und Marx.
Aus: sogenannte wirklichkeiten. Gedichte. 1969.
21.07.2013 | Dichterorte Es gibt wohl kaum ein Land, in dem die Dichter so verehrt werden, wie in Russland. Doch steckt die Geschichte der russischen Literatur vollerWidersprüche. In Sankt Petersburg, der alten Hauptstadt des Zarenreiches, laufen ihre Fäden zusammen. Etwa zweihundert Jahre lang konzentrierte sich in der Stadt an der Newa alles, was Ehrgeiz und Talent hatte. Zwischen Anpassung und Rebellion gerieten Schriftsteller und Intellektuelle oft in gefährlichen Widerspruch zur Macht. Steffi Memmert-Lunau und Angelika Fischer sind nach St. Petersburg gereist und haben Wohnungen und Lebensorte aufgesucht von: Anna Achmatowa, Alexander Blok, Joseph Brodsky, Gawrila Dershawin, Fjodor Dostojewski, Sergej Jessenin, Michail Lomonossow, Ossip Mandelstam, Vladimir Nabokov, Nikolai Nekrassow, Alexander Puschkin, Konstantin Romanow, Kondrati Rylejew, Michail Sostschenko, Sinaida Hippius und Dimitri Mereschkowski.
Die Orte, an denen hier Dichter ihre Werke schufen, sind urban, manchmal bizarr und mitunter ungemütlich: hochherrschaftliche Häuser und Kammern in Kommunalwohnungen, literarische Salons und Kasernenräume, Hotelzimmer und Kerkerzellen, spartanische Arbeitszimmer und labyrinthische Paläste. Fast immer sind die Petersburger Dichterorte von Dramen und Geheimnissen umwittert und haben ihren eigenen Mythos erzeugt, in dessen Mittelpunkt oft der Dichter selbst steht. Steffi Memmert-Lunau.
Petersburg - Eine literarische Zeitreise. Text: Steffi Memmert-Lunau, Photographien: Angelika Fischer
20.07.2013 | Das ganz alltägliche Pathos Der Lyriksommer im Deutschlandradio Kultur geht weiter: Eine neue Generation von Gegenwartslyrikern macht sich seit einiger Zeit bemerkbar - durch neue Verlage, Anthologien und Internetmagazine. Vor allem aber durch neue Stimmen. Auffällig ist, dass sich viele Lyriker mit der Transformation von Bildern in Sprache beschäftigen und sich dabei auf Gemälde oder Fotoarchive beziehen.
Sabine Scho nimmt sich private, auf dem Flohmarkt gefundene Fotoalben vor und betreibt Mentalitätsgeschichte. Monika Rinck beschäftigt sich anhand von Pflanzenbüchern mit der Frage, wie die Dinge zu ihren Namen kommen. Jan Wagner bezieht sich auf Barockgemälde, er untersucht in seinem Zyklus "Pasteten" das Verhältnis von Essen und Liebe. Und Marion Poschmann verortet vor den Bildern Nicolas Poussins und Cy Twomblys ihr Arkadien neu.
Die Sendung von Astrid Mayerle trägt den Untertitel „Wie Gegenwartslyriker ihre Bilder finden“ und beschäftigt sich mit den Quellen der zeitgenössischen Lyrik und dem Verhältnis zwischen Text und Bild. Er ist u.a. auch als PDF downloadbar, sodaß, wer die Sendung heute nach Mitternacht um 0:05 Uhr verpasst, sie wenigstens nachlesen kann.
20.07.2013 | Kielwärts urbane Bojen im Blick Die zweite Literatur in Weißensee-Sommerlesung am Sonntag, den 21.07. in der Brotfabrik Berlin, wird um das Thema »Mythos« kreisen. Der Schriftsteller, Komponist und Philosoph Asmus Trautsch und GastgeberAlexander Graeff lenken diesmal das poetische Boot in unbekannte Gewässer: den Logos nicht vollständig über Bord geworfen, folgen sie der ernst gemeinten Absicht, jenen Sirenen, Musen und Medusen literarischer Vergangenheit mit einem freundlichen poststrukturalistisch getönten »Hallo!« zu begegnen. Wo das letzte Mal gordische Knoten mit literarischen Schwertern zertrennt wurden, werden am kommenden Sonntag ab 19:30 Uhr durch nächtliche Nebel tanzende Göttinnen und zerzauste Figuren im Feuerschein gerufen und kompromisslos nach ihrer Legitimität für lyrische und prosaische Poesie heute befragt. Asmus Trautsch (* 1976) veröffentlicht seit 2004 eigene Gedichte, Essays und wissenschaftliche Arbeiten in Anthologien und Zeitschriften. Ende 2010 erschien sein Gedichtband »Treibbojen« im Verlagshaus J. Frank. Darüber hinaus arbeitet Asmus Trautsch als Komponist und Veranstalter von intermedialen Konzertprojekten. Er ist Gastgeber der Dialogreihe Vertraute Gespräche an der Akademie Schloss Solitude.
20.07.2013 | Aus Holzfällercamps und Terpentinbrennereien Heute abend um 23:05 im Deutschlandfunk: Der Traum ist die Wahrheit. Eine Lange Nacht über die amerikanische Schriftstellerin und Anthropologin Zora Neale Hurston | Von Daniela Kletzke und Hans-Ulrich Möhring.
Nicht im Kampf gegen Unterdrückung, sondern aus eigenen Wurzeln, aus Geschichten, Liedern und Lachen, sollte eine afroamerikanische Kultur wachsen. Das war Zora Neale Hurstons Traum. Geboren in Florida, nur eine Generation nach der Abschaffung der Sklaverei, erforschte Hurston (1891 - 1960) die Erzähltradition der Schwarzen. Bewaffnet mit Notizblock, Aufnahmegerät und Pistole reiste sie in die amerikanischen Südstaaten und auf die Karibikinseln, um Geschichten und Märchen, Blues-Songs und Spirituals, Baptistenpredigten und Voodoo-Riten zu sammeln. In Holzfällercamps und Terpentinbrennereien, bei Messerstechereien und Einweihungen in geheime Kulte setzte sie ihr Leben aufs Spiel, um die eigenen kulturellen Wurzeln zu finden und zu dokumentieren. Als Autorin nahm sie alle Rechte in Anspruch, die in der schwarzen Tradition zunächst nur Männern zustanden. Sie schrieb kühn und individuell und doch klingen in fast jeder Zeile ihrer Romane, Geschichten und Theaterstücke die vielen schwarzen Stimmen mit, von denen sie voll war. So wurde sie zur ersten großen weiblichen literarischen Stimme einer entstehenden Kultur.
20.07.2013 | Kleinstadtalltag in falschen Kathedralen Der diesjährige Literaturförderpreis der GWK geht an den Lyriker Lars Reyer für seinen unveröffentlichten Gedichtzyklus "Falsche Kathedralen". Die vielbeachtete Auszeichnung für herausragende, überregional bedeutsame Nachwuchsautoren aus Westfalen-Lippe wird jährlich verliehen. Der Preis ist mit 4.000 Euro und der Aufnahme in ein mehrjähriges Förderprogramm der GWK dotiert. Lars Reyer wurde 1977 im sächsischen Werdau geboren und wuchs in Vreden im Westmünsterland auf. Er studierte in Münster und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Hier lebt er auch heute. Der Lyriker, so die Jury, verfasse originelle, hochkonzise und stringente, wunderbar intensive, musikalische und bilderreiche Verse. Pathos wird durch Ironie und Selbstironie gebrochen. In seinen Texten gehe er der Spur seiner Herkunft nach, als Mensch und als Lyriker: dem Kleinstadtalltag im Osten und Westen, im besonderen auch dem weithin unbekannten Dichterkollegen und Apotheker Erich Jansen (1897-1968), aber auch der melancholischen Sehnsucht auszubrechen, in Selbstvergessenheit und in die Kunst.
20.07.2013 | Sprache als Musik
Der kekke Lachengekk koaxet/krekkt/und quakkt/
Des Krippels Krückenstockk krokkt/grakkelt/humpt und zakkt/
Des Gukkuks Gukken trotzt dem Frosch und auch die Krükke.
Was knikkt und knakkt noch mehr? kurtz hier mein Reimgeflikke.
Aus Johann Klaj: Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey, Nürnberg 1645
Johann Klaj (auch: Clajus der Jüngere; * 1616 in Meißen; † 16. Februar 1656 in Kitzingen) war ein deutscher Dichter der Barockzeit.
20.07.2013 | Onomatopoesie in Mangas „In keiner mir bekannten Sprache gibt es so viele lautimitierend Wörter (giongo) wie im Japanischen. Das deutsche, das seine Onomatopoesie in der Regel zu Verben umgeformt hat, zuckt bei Übersetzungsversuchen nur hilflos mit den Achseln und zieht höchstens ein “rumms” oder “tock tock” aus dem Hut. Im Fachjargon wird häufig die englische Abkürzung SFX benutzt, die für “Sound Effects” steht.
Dazu kommen im Japanischen Wörter, die sich verhalten wie Onomatopoesie, aber in Wirklichkeit nicht Laute, sondern Stimmungen oder Zustände imitieren (gitaigo) – zum Beispiel Verlegenheit, Aufgeregtheit oder gar völlige Stille. An dieser Stelle nimmt das Deutsche klammheimlich seinen Hut und verschwindet durch die Hintertür. Aber dem Comicübersetzer bleibt nichts anderes, als es am Kragen zu packen und einen anderen Hut überzustülpen, der ihm aber nicht so recht paßt. So in etwa kann man sich die Übersetzung von Onomatopoesie in Comics vorstellen.
Interessanterweise sind Soundwörter weniger willkürlich, als es auf den ersten Blick scheint. Auch ohne zu sehen, was genau auf den Bildern passiert, können die jungen Japanerinnen, auf deren Hilfe ich von Zeit zu Zeit angewiesen bin, sagen, was in etwa bei einem bestimmten Soundwort passiert sein muß. Auch daran läßt sich erkennen, das die japanischen giongo/gitaigo differenzierter sind als ein deutsches “rumms” oder “ratsch”.
Es gibt leider keinen Universal-Tip für die Übersetzung dieser Wörter, manchmal ist es auch einfach unmöglich, vor allem, wenn man einen Manga hat, der nicht vordergründig lustig wirken soll. Ein einfaches Beispiel: Was tun, wenn ein Geräusch für Schritte verzeichnet ist, sei es beim Rennen, beim Schleichen oder einfach beim normalen Laufen? Am schwersten ist es, etwas geeignetes für das Letztere zu finden. “Stapf stapf” – schwere, hohe Schritte, “taps taps” – vorsichtige, leise Schritte – das mag noch gehen. Aber ganz normale Alltagsschritte?“ Nora Bartels
20.07.2013 | Okutukutufεmfεm „Trotzdem liebe ich Tro-Tro fahren. In der Regel läuft laut ghanaische Musik, der Wind fegt einem durch die Haare und in atemberaubender Geschwindigkeit rauscht man durch Ort- und Landschaften. Muss das Auto doch mal halten, ist es meist in kürzester Zeit von Händlern umringt, die ihre Waren auf dem Kopf transportieren. Vom Trinkwasser über Obst und Fisch, bis hin zum Handyguthaben, Kopfkissenbezug oder Besen – aus einem Tro-Tro-Fenster kann wirklich fast alles eingekauft werden. …Der Name „Tro-Tro“ ist Lautmalerei und beschreibt perfekt das Fortbewegungsgeräusch dieses Fahrzeugs mit oft extremst lautem Motor. Ein Tro-Tro kennt keinen Fahrplan und fährt ganz einfach dann los, wenn es voll ist. Besetzt man den letzten Platz, hat man Glück gehabt, im schlimmsten Fall ist man Erster und kann noch beliebig lange (zwischen zwei Minuten und sechs Stunden ist je nach Strecke und Tageszeit alles möglich) warten, bis man endlich lostro-troen kann.
Einen noch schöneren Namen trägt das Motorrad oder Mofa, welches meist kurz „moto“ genannt wird, auf korrektem Fante aber eigentlich „okutukutufεmfεm“ (sprich: okutu-kutu-fämfäm) heißt. Ein besseres Beispiel für Onomatopoesie gibt es wohl kaum. Vor allem im Norden Ghanas wird sehr viel Mofa gefahren, im Gegensatz zum Nachbarland Togo ist das bezahlte Mitnehmen von Fremden, kurzum die Praxis des „Taxi Motos“, aber aus Sicherheitsgründen verboten.“ Marie Albrecht
20.07.2013 | Sinnliches Sprechen „Ideophone sind Wörter, deren Klang auf ihre Bedeutung hinweist. Bekannte Beispiele aus dem Englischen sind Wörter wie kerplop und boom, oder im Deutschen Wörter wie holterdipolter und ticktack. Aber während es in europäischen Sprachen in aller Regel nur wenige solcher Wörter gibt, die meistens auf die Imitation von Geräuschen beschränkt sind, gibt es viele andere Sprachen auf der Welt, die über Hunderte oder gar Tausende solcher Ideophone verfügen, die ein weit größeres Spektrum an sinnlichen Bedeutungen abdecken.
Beispiele dafür sind Wörter wie tunjil-tunjil - dümpeln, treiben auf dem Wasser, ulakpulak - unausgeglichene, schreckerregende Erscheinung und c’onc’on - dichtgewebt aus dem Koreanischen; oder dhdnoh - wie immerwährendes Nicken, praduk pradek - Geräusche vereinzelter kleiner Regentropfen und greep - knusprig klingend aus dem Semai, einer Sprache, die auf der Halbinsel Malaysia gesprochen wird. Aber auch mukumuku - murmelnde Mundbewegungen, fuefue für elastisch, flexibel und kpotoro-kpotoro für Gehen wie eine Schildkröte aus dem Siwu, einer Sprache, die im Osten Ghanas gesprochen wird, illustrieren das Prinzip.“ Mark Dingemanse
19.07.2013 | Dichten ist dasselbe wie Radium gewinnen Heute vor 120 Jahre wurde Wladimir Wladimirowitsch Majakowski geboren. „Wladimir Majakowski wurde am 19. Juli 1893 im georgischen Bagdady (heute: Majakowski) geboren. Nach dem Tod des Vaters siedelte er mit seiner Familie nach Moskau über, wo er bereits 1908 in den bolschewistischen Flügel der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei eintrat und aufgrund seiner politischen Gesinnung mehrfach verhaftet wurde. 1910 nahm Majakowski das Studium an der Moskauer Kunsthochschule auf, war er Mitverfasser des Manifestes der russischen Futuristen Eine Ohrfeige für den öffentlichen Geschmack (1912), in dem er seine ersten Gedichte veröffentlichte. 1914 wurde er aufgrund seiner politischen Aktivitäten der Kunsthochschule verwiesen. Majakowskis zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. in der futuristischen Zeitschrift LEF (Linke Front), und die Aufführung seiner Dramen verhalfen ihm zu wachsender, auch internationaler Popularität. Heute gilt er als bedeutendster Dramatiker und Lyriker des russischen Futurismus. Am 14. April 1930 starb er in Moskau, vermutlich beging er Selbstmord.“ suhrkamp
19.07.2013 | Rubel für Kopisten „Ein Mathematiker ist ein Mensch, der mathematische Regeln schafft, ergänzt, entwickelt, der einen neuen Beitrag zur mathematischen Wissenschaft liefert. Der Mann, der als erster die Formel »2+2=4« fand, ist ein großer Mathematiker, selbst dann, wenn er diese Wahrheit aus der Addition von je zwei Zigarettenstummeln gewonnen hat. Alle Nachfolgenden, mögen sie auch unendlich größere Dinge addiert haben, zum Beispiel eine Lokomotive und noch eine Lokomotive – alle diese Leute sind keine Mathematiker. Diese Feststellung setzt keineswegs die Arbeit desjenigen herab, der die Lokomotiven zusammenzählt. Seine Arbeit kann in Tagen einer Transportkrise hundertmal wertvoller sein als ein nackter arithmetischer Lehrsatz.
Man wird mir entgegnen, ich renne offene Türen ein. Das sei doch alles selbstverständlich. Weit gefehlt.
Achtzig Prozent des gereimten Unsinns werden von unseren Redaktionen nur darum gedruckt, weil die Redakteure entweder keine Vorstellung von der Dichtkunst der Vergangenheit haben oder nicht wissen, wozu Gedichte gut sind. Die Redakteure kennen nur ein »Mir gefällt’s« oder »Mir gefällt’s nicht« und vergessen dabei, dass man den Geschmack bilden kann und muss. Fast alle Redakteure haben sich mir gegenüber beklagt, sie verständen es nicht, Gedichtmanuskripte zurückzuschicken. Sie fänden keine passenden Worte bei solchen Gelegenheiten.
Ein tüchtiger Redakteur müsste dem Dichter erklären: »Ihre Verse sind äußerst korrekt. Sie sind nach der dritten Auflage des Handbuches zur Versfabrikation hergestellt. Alle ihre Reime sind erprobt und längst durch das vollständige Reimlexikon bekannt. Da ich im Augenblick keine guten neuen Gedichte habe, nehme ich gerne die Ihrigen. Ich bezahle sie wie die Arbeit eines guten Kopisten: drei Rubel pro Seite, unter der Bedingung, dass drei Kopien eingereicht werden.«
Er wird danach entweder das Schreiben aufgeben oder sich ans Dichten wie an einen Beruf machen, der viel Arbeit verlangt …“ Wladimir Majakowksi, nachzulesen im Turmsegler.
19.07.2013 | Der Beweis des Jahrhunderts Im Jahr 2000 veröffentlichte das Clay Institute eine Liste mit sieben Rätseln der Mathematik und setzte ein Preisgeld von jeweils einer Million US-Dollar für deren Lösung aus. Eines dieser berühmten »Millennium-Probleme« war der Beweis der Poincaré-Vermutung, an dem sich die klügsten Köpfe seit fast hundert Jahren die Zähne ausbissen. 2002 wurde der Beweis erbracht – von Grigori Jakowlewitsch »Grischa« Perelman, einem exzentrischen russisch-jüdischen Mathematiker. Es war eine Sensation, die Welt der Mathematik lag ihm zu Füßen, und er bekam das Preisgeld zugesprochen. Aber er lehnte ab, nicht nur das Geld, sondern zunehmend auch die Welt. Heute lebt Grischa Perelman, den manche mit Isaac Newton vergleichen, ohne Festanstellung und völlig zurückgezogen bei seiner Mutter in St. Petersburg. Warum war gerade er in der Lage, das Problem zu lösen – und was ist danach mit ihm geschehen?
Masha Gessen: Der Beweis des Jahrhunderts - Die faszinierende Geschichte des Mathematikers Grigori Perelman. Aus dem Englischen von Michael Müller. suhrkamp
19.07.2013 | Je cherche un chambre - eine Ausstellung noch bis zum 23.07. im Zeitraum im AltWerk in Wien: „Eine Unterstellung an die Suchenden, die noch gar nicht wussten, dass sie suchten. Also, genauer an Künstlerinnen und Künstler, an Autorinnen und Autoren, akademische wie autodidaktische, ihre Werke in der Evolutionsbibliothek auszustellen, zu performen, zu lesen. Hinter der Ausstellung stecken Grzegorz Kielawski und Rudi Stueger als Kurator und Co-Kurator in beliebiger Reihenfolge kombinierbar. Hinter der Evolutionsbibliothek steckt ein Verein, der die Literaturzeitschrift ZEITZOO, Publikationsorgan für widerständige, deutschsprachige und unerhörte Literatur herausgibt. Aber so ganz unerhört sind die Texte nun auch wieder nicht, denn mit dem Label „Audiobeans“ ist ZEITZOO schon längst im auditiven Feld des Hörbuchs oder gar des Audioguides angekommen. Und letzteres soll hier und heute von mir zur Ausstellung produziert werden: ein akustischer Guide, ein wissenschaftlicher Vortrag, ein literarischer Essay, eine Übersetzung des Visuellen ins Gesprochene. Demnach, die gesprochene Fixierung von bildhaften Ideen. Aus einer kritischen Perspektive betrachtet, handelt es sich hierbei um ein Festhalten, ein Innehalten, ein lautes Nachdenken bei gleichzeitigem Abtöten. Das Verfestigen eines von Ambiguität gekennzeichneten Verfahrens – Kunstproduktion genannt – durch Eingießen in feste, manchmal auch durch die Kunsttextkonventionen festgeschriebene Formeln, ein Eingießen in Worte überhaupt, deren Bedeutung immer vom Kontext verändert wird wie die künstlerischen Arbeiten durch das Umfeld und die Betrachter_innen.“ Alexandra Matzner.
Von den Kuratoren ist auch gerade das Heft „p’assuage“ in der edition zeitzoo erschienen, Prosa von Rudi Stueger mit 11 P'hotographien von Grzegorz Kielawski.
19.07.2013 | Symbolwelt des Alltags als Space Art Kiki Kogelnik (1935–1997) zählt zu den international bedeutendsten Positionen der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts. Eine Retrospektive ihres Schaffens wurde jetzt in der Kunsthalle Krems eröffnet.
Kiki Kogelniks facettenreiches Schaffen brachte ein Kaleidoskop von Bildwelten hervor: von wenig bekannten grafischen Arbeiten, abstrakt-informellen Kompositionen und von der Pop-Art beeinflussten Malereien über skulpturale „Hangings“ aus Vinyl bis hin zu den Werkgruppen der 1980er-/1990er-Jahre, die sich durch zunehmende körperliche Fragmentierung und Abstrahierung auszeichnen. Abgesehen von einem dezidierten Interesse an feministischen Themen und der intensiven, kritischen Auseinandersetzung mit dem medial propagierten Frauenbild Ihrer Zeit, spielgelt sich in Ihrer Motivwahl die Faszination für den technischen Fortschritt, die Verheißung der Raumfahrt, nicht ohne deren politisch-militärische Brisanz zu hinterfragen.
17.07.2013 | Kleine Verlage am Großen Wannsee Im Jubiläumsjahr lädt das LCB zum mittlerweile achten Mal ausgewählte Verlage aus dem deutschsprachigen Raum an den Wannsee ein. 24 Verlage haben die Einladung angenommen und stellen ihre Bücher und Autoren am Nachmittag und Abend des 20.07.2013 in entspannter Atmosphäre vor. Alle Literaturfreundinnen und -freunde sind herzlich eingeladen zu stöbern, zu entdecken, sich auszutauschen. Für kulinarische Genüsse wird gesorgt sein.
Die Verlage A1 (München), Asphalt & Anders (Hamburg), Berenberg (Berlin), Binooki (Berlin), Diaphanes (Zürich/Berlin), Dörlemann (Zürich), Edition Fünf (Gräfelfing), Edition Rugerup (Hörby), J. Frank (Berlin), kookbooks (Berlin), Lilienfeld (Düsseldorf), Luxbooks (Wiesbaden), Mairisch (Hamburg), Matthes & Seitz (Berlin), Milena (Wien), Mitteldeutscher Verlag (Halle), Poetenladen (Leipzig), Rimbaud (Aachen), Salis (Zürich), Secession (Zürich/Berlin), Transit (Berlin), Verbrecher (Berlin), Voland & Quist (Dresden) und Das Wunderhorn (Heidelberg) mit ihren Autoren zu Gast im LCB.
17.07.2013 | Das klaffende Kleid Mit seinem Buch "Der wiederkehrende Spiegel" (1985) reflektiert und bricht Alain Robbe-Grillet das Genre der Autobiografie. Er entlarvt Erinnerung als Konstruktion, deren Bezüge zum Erinnerten sich traumartig verschieben. Zum 90. Geburtstag des Nouveau-Roman-Pioniers begaben sich zwei Musiker 2012 auf die Spuren seiner Automythografie. René Desalmand sammelte Klänge aus Robbe-Grillets Heimat in der Bretagne. Gemeinsam mit dem Schlagzeuger Michael Wertmüller entwickelte er musikalische Strukturen, die von Robbe-Grillets Texten abgeleitet sind. Musik verhält sich zum Geräusch wie Fiktion zur Sinneswahrnehmung.
"... alle Realität ist unbeschreibbar, und ich weiß instinktiv: Das Bewusstsein ist strukturiert wie unsere Sprache (und zwar aus gutem Grund!), nicht aber die Welt und nicht das Unbewusste." Alain Robbe-Grillet. Am 19.07. in der Reihe Klangkunst im Deutschlandradio Kultur. Mit: René Desalmand (Saxophon), Michael Wertmüller (Schlagzeug).
16.07.2013 | Unordentliche Liebe Bevor das Bürgertum sich im Ersten Weltkrieg selbst in die Luft sprengte, gab es ein paar Versuche, die Katastrophe der bürgerlichen Liebesverhältnisse zu reformieren. Ein weniger bekanntes Beispiel fand im Umkreis des bedeutenden Soziologen Max Weber und seiner Frau Marianne statt. Dazu gehört auch Elisabeth Freiin von Richthofen. Sie promovierte 1900 bei Max Weber und heiratete den späteren Finanzminister Edgar Jaffé. Doch bald entbrannte sie für den Psychoanalytiker Otto Gross. Gross war ein berüchtigter Theoretiker und Aktivist der freien Liebe. Die Freiin von Richthofen wurde es auch. Sie hatte bald ein Verhältnis mit Alfred Weber, dem berühmten Nationalökonomen und Bruder von Max, dann begann sie 1918 ein Verhältnis mit Max. Nach seinem frühen Tod 1920 kehrte sie zu Alfred zurück und blieb Marianne in enger Freundschaft - manche sagen: in intimer Beziehung - verbunden. – Heute um 20:10 im Deutschlandfunk: Urlaub vom Leben. Eine unordentliche Liebe um 1913 | Von Walter van Rossum
16.07.2013 | Paul Raabe gestorben „Zuletzt war es still geworden um den Mann, der stets markante Brillen bevorzugte. Bei einem Termin in der Stadtbücherei vor vielen Jahren erzählte er uns einmal, wie das mit seiner Bücherliebe angefangen hatte: Ein Unfall zwang demnach den in Oldenburg geborenen jungen Paul Raabe, lange Zeit das Bett zu hüten. Im Schein einer Funzel habe er – mangels Auswahl – gleich Schillers Gesammelte Werke gelesen. „Seitdem bin ich kurzsichtig“, sagte Raabe schelmisch grinsend … Wo immer Paul Raabe auch auftauchte, hatte er eine Bibliothek dabei. Und die befand sich in seinem Kopf. Sprachlos haben wir Redakteure Wolfenbüttels Ehrenbürger nie erlebt. Er war ein brillanter Denker und Rhetoriker, der aufs Stichwort Vorträge zu beliebigen Themen halten konnte. Im Alter von 86 Jahren ist Professor Paul Raabe nun gestorben.“ Wolfenbuetteler Zeitung.
Vielen wird Paul Raabe als exquisiter Kenner und Erforscher des literarischen Expressionismus in Erinnerung bleiben.
16.07.2013 | Knallpink Die BELLA triste 36 ist da! Ab heute ist sie auf dem Weg in die Briefkästen und liegt demnächst in den Bahnhofsbuchhandlungen bereit. Am Donnerstag kommt BELLA dann in die Hauptstadt.
Zum zweiten Mal feiert das Team die Sommerausgabe mit einer Releaseparty in Berlin. Am Donnerstag, den 18. Juli um 21 Uhr lesen Roman Ehrlich und Marcel Kurzidim ihre Prosa aus der BELLA triste im Alter Löwe Rein, Richardstraße 31 in Berlin. Lasse Scheiba und Katharina Germo inszenieren Martin Fritz' Drama "top ten verbesserungsvorschläge für die sissi-trilogie und entwurf für einen vierten teil". Auf einen gelungenen und gelingenden Sommer!
16.07.2013 | Kaninchen, das man kaut „Manchmal trifft ein Gedicht geradewegs einen Nerv. „Auf Julies Speisezettel“ von Vonani Bila ist so ein Gedicht. Es steht in Ankunft eines weiteren Tages, einem Band mit südafrikanischer Lyrik, den die Literaturwissenschaftlerin Indra Wussow zusammengestellt hat, ins Deutsche übersetzt wurden die Gedichte von der Lyrikerin Sylvia Geist. Auf Julies Speisezettel verstört. Es beschreibt einen Mann, der neben der Müllkippe eines Krankenhauses herumlungert, nicht etwa, weil er auf Essensreste wartet – Julie passt ab, wann man dort tote Babys entsorgt. Über einem Feuer brodelt sein Topf, in den niemand schauen darf, darin kocht er einen grausigen Brei: „Er erzählt neugierigen Passanten, Patienten/Wächtern & Besuchern/Es wäre Kaninchen, was er kaut.“ Von dem Tag an, an dem ihn die Krankenhausverwaltung erwischt, werden die Babys verbrannt. Und Julie „ist verschwunden/Aber kein Mensch vermisst ihn“, heißt es in Bilas Gedicht lapidar. Grausig wie eine Gestalt aus Grimms Märchen, ist der unbehauste Kannibale die Symbolfigur einer Welt, in der heftige Armut noch die größten Tabus bricht.“ Beate Tröger heute im freitag über die Anthologie südafrikanischer Lyrik „Ankunft eines weiteren Tages“ von Indra Wussow & Sylvia Geist (Verlag Wunderhorn).
15.07.2013 | In eigener Sache Ich möchte aus gegebenem Anlaß (Verhaftung durch die Lyrikpolizei und Anklage vor der obersten Lyrikkammer) darauf hinweisen, daß die wenigsten Texte der fix zone im gesamten Wortlaut direkt von mir stammen, sondern daß ich die News in der fix zone aus Pressemeldungen, Newslettern, Verlagsprospekten und Verlagsinfos, Editorials, Call for Papers, diversen Tickern u.v.a. Quellen mehr generiere und dabei nicht alles, was in irgendeiner Weise zitiert ist oder aus den Meldungen übernommen ist, zwingend in Gänsefüßchen steht. Oft genügt der Klick auf den beigefügten Link, um das Original des vorangestellten Textes nachlesen zu können. Solche Texte geben auch nicht unbedingt meine Meinung wieder. So können Lob und Kritik zu Autoren oder Büchern durchaus in der fix zone platziert sein, ohne daß ich der gleichen Meinung bin. Ich finde, offene Vielfalt muß sein und jeder möge sich eine eigene Meinung bilden. Ich bemühe mich Themen und Ideen anzuschneiden, bei denen es sich m. E. lohnt, sich eine eigene Meinung selbst zu bilden. Insofern sind es Denkangebote. Persönlich gemeinte Kommentare von mir kennzeichne ich meistens mit nachgesetzten Initialien (FM).
15.07.2013 | Circling the Void: Lange Nacht des Pazifik Der Pazifik ist der unsichtbare Kontinent, ein Raum aus Wasser und Projektionen, ein altes Sehnsuchtsziel und neue geopolitische Kampfmetapher. Wer ihn begreifen möchte, muss ihn durchkreuzen. Eine Entdeckerfahrt mit internationaler Besatzung. Wie nähert man sich einem gigantischen und disparaten Raum, der sich jedem vereinheitlichenden Zugriff entzieht? Indem man ihn in Bewegung bringt. Hier werden die Strömungen aufgenommen, die den "neuen Pazifik" verschieben, verändern, konstruieren. Ein multimedialer Streifzug mit Vertretern aus den unterschiedlichsten Bereichen – von Dichtung über Design bis zur Meeresbiologie, verfasst als Kettengespräch, das die Diskurse spielerisch ineinander fließen lässt.
Mit Axel Hein (WWF-Meeresexperte, Wien), Dorothea Rosa Herliany (Lyrikerin, Indonesien), Pablo Ientile (Illustrator und Grafiker, Argentinien/Berlin), Martin Jankowski (Autor/Literaturvermittler, Berlin), Juliana Spahr (Autorin, Kalifornien), Reina Whaitiri (Literaturwissenschaftlerin, Neuseeland), Rob Wilson (Kulturtheoretiker, Hawaii). Mit Simultanübersetzung Englisch-Deutsch.
Mi 17.07.2013 | 19:00 Uhr im Haus der Kulturen der Welt (John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin)
15.07.2013 | Zwischenstand in Hamburg Susan Sontag hat stets die Notwendigkeit des Lesens und des Schreibens als eine Möglichkeit, ganz Mensch zu sein verteidigt. Mit der Debütantenbörse verfolgt das Literaturhaus Hamburg das Ziel das Lesen und literarische Schreiben zu fördern. Für Schreibanfänger und –anfängerinnen aus Hamburg und Umgebung ging ab März die 9. Debütantenbörse an den Start. 7 Seiten Prosa oder Lyrik sollen eingereicht werden an den: Vorstand des Literaturzentrums, Schwanenwik 38, 22087 Hamburg unter Angabe von E-Mail-Adressen und Telefon-Nummern. Einsendeschluss: Ende August 2013.
15.07.2013 | Freiburger Literatur Der Alte Wiehrebahnhof jubelt und lädt herzlich zum Mitjubeln ein - und das gleich aus dreifachem Anlass: 40 Jahre Koki, 25 Jahre Literaturbüro, 10 Jahre gemeinsam unter einem Dach.
Los geht’s am Freitag, den 19. Juli, mit dem Langen Abend der Freiburger Literatur, an dem über 20 AutorInnen und ÜbersetzerInnen Einblicke in ihre Arbeiten geben. Kinosaal und Galerie laden ein, bekannte wie unbekannte Stimmen wiederzuerkennen oder neu zu entdecken und sich einen Überblick über die literarischen Stimmen vor Ort zu verschaffen.
Es lesen: Werner Baur, Thommie Bayer, Maria Bosse-Sporleder, Susanne Fritz, Evelyn Grill, Birgit Heiderich, Brita Hempel, Hans Hoischen, Heide Jahnke, MM Jung, Kristina Nenninger, Antigone Kiefner, Renate Klöppel, Jürgen Lodemann, Martine Lombard, Michael Mundhenk, Annette Pehnt, Kathrin Pläcking, Tobias Scheffel, Beate Thill, Werner Weimar-Mazur, Adelheid Zöfel.
Zwischen und nach den Kurzlesungen (ca. 15 Min. pro Lesung) bleibt Zeit für Gespräche, Wein und Abendhimmel.
14.07.2013 | Rotoren röhren in den Ohren Heute um 18:30 Uhr im Lyriksommer des Deutschlandradio Kultur: Rotoradio | Von Ferdinand Kriwet
Kriwets ›ROTOR‹ von 1961 ist die unaufhörliche Rede eines namenlosen Ichs. Kriwet selbst hat sich an eine Auswahl und neue Zusammenfügung gewagt. Mit fünf jungen Schauspielern werden extrahierte Textteile rhythmisch überlagert, chorisch arrangiert oder den Redefluss demonstrierend collagiert. Ein Annäherungsversuch an das eigene Erstlingswerk von vor 50 Jahren. "Erinnerung übt sich ein, nicht um Gedächtnis aufzubauen, sondern um den Verlauf von Rede, ihre eigentümliche haltlose Dauer zu ermöglichen. Eine Erinnerung um der puren Rededimension willen." (Notizen beim Lesen, Franz Mon 1961).
14.07.2013 | Der Körper und das Fleisch Volker Demuths „erster Roman, inszeniert sich als Altar, die Teile heißen: Linker Flügel, Mitteltafel, Rechter Flügel, Predella. Die Motti von Francis Bacon bis zum Johannesevangelium variieren immer denselben Topos: „We are meat.“ Hier zeigt sich bereits die Dialektik des Romans – eine sakral strenge (das heißt: mit der einst der Religion zugehörigen metaphysischen Dringlichkeit angefüllte) Konstruktion und gleichzeitig die Beschwörung des Fleisches, also des Form- und Sprachlosen…
Das Fleisch, das sich im Bild selbst anschaut. Von den großen Stillleben-Inszenierungen der Malerei bis zur Performance, welche die Fleischstücke in der Waschmaschine zu grauen Lappen zerwirbelt, „wird“ der Roman „Fleisch“. Diese Bezüge werden obsessiv hergestellt, aber mit einer großen narrativen Diskretion“. Joachim Kalka im Literaturblatt für Baden-Württemberg.
Kalka weiter: „Dieser Autor ist unter den wenigen der Zeit, die eine traumwandlerisch selbstverständliche Fertigkeit im Erfinden zwingender Poesie besitzen. So dreht sich in seinen Texten der Sprachkörper, der Resonanzkörper der Sprache.“ Auch prominente Fürsprecher bekennen offen ihre Überraschung: „Ich habe, das muss ich schon sagen, seit dem Ulysses von Joyce kein solches Leseerlebnis mehr gehabt.“(Martin Walser).
Volker Demuth ist für mich seit Jahren einer der wichtigen Lyriker der Zeit und wird als solcher kaum wahrgenommen – bleibt zu hoffen, daß die Kritik seine Prosa besser zu lesen weiß (FM).
14.07.2013 | Bumerang mit Ringelnatz FÄKÄTÄ hieß eine Buchreihe, deren Bände 1-12 einstmals am Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universität Vaasa in Finnland erschienen. Großenteils sind sie vergriffen, wenige noch vorhandene Exemplare können per E-Mail hier bestellt werden. FÄKÄTÄ wurde 1987 von Studenten und Dozenten des Instituts fürDeutsche Sprache und Literatur gegründet, unter Mitwirkung von Manfred Peter Hein undThomas Kling, Gedichte und Prosatexte in finnischer und finnland-schwedischer Übersetzung vorzustellen.
Nach einer Pause von dreizehn Jahren wurde die Reihe reaktiviert. Sie erscheint nun weiter, diesmal in Verbindung mit dem Germersheimer Arbeitsbereich für Interkulturelle Germanistik des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft derJohannes Gutenberg-Universität Mainz. Herausgeber der Reihe ist seitdem Andreas F. Kelletat.
Das Heft 13 bringt eine Auswahl lettischer Volkspoesie, ausgewählt von Amanda Aizpuriete, nachgedichtet von Manfred Peter Hein anhand der Übersetzung aus dem Lettischen von Horst Bernhardt. Als Heft 14 erschien ein Band Gedichte von Þorsteinn frá Hamri: Jarðarteikn - Erdzeichen. Gedichte. Ausgewählt und aus dem Isländischen übersetzt von Gert Kreutzer. Als Heft 15 Elena Penga: Narkissos - Νάρκισσος - Narcissus – Narkissos (ein Heft, das auf spannende Art und Weise Textgenese, die Arbeit an und mit alternativen übersetzungspoetischen Lösungen zu einem griechischen Originaltext dokumentiert). Als Sonderband 2011 dann „Wort für Wort. Texte für, von und über Manfred Peter Hein. Gesammelt zu seinem 80. Geburtstag.“
Und unlängst erschien als Heft 16 mit „Bumerang“ ein Band mit Ringelnatz-Gedichten in 8 Sprachen - übersetzt ins Arabische, Armenische, Chinesische, Französische, Lettische, Mongolische, Russische und Spanische, also in für deutsche Ohren und Augen vielleicht kurios wirkende Sprachen, die im Rahmen der Literaturwerkstatt zum am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz / Germersheim entstanden. Der Bumerang, aber auch Lottebi, die Ameisen aus Hamburg und weitere ringelnatzsche Exklusivitäten kommen hier tatsächlich zum Publikum zurück und beglücken es in einer neuen eigenen Gestalt und Identität.
14.04.2013 | Humboldt geht on Die aktuelle Themausgabe „Passagen“ des Magazins HUMBOLDT wird die letzte Printausgabe sein.
Als das Magazin 1960 zum ersten Mal erschien, war das Internet noch nicht einmal Zukunftsmusik. Der literarische Bogen der Kulturzeitschrift war sehr weit – eben bis nach Südamerika - gespannt: es kamen immer wieder viele bedeutende Persönlichkeiten wie Gabriela Mistral, José Ortega y Gasset, Jorge Luis Borges, Camilo José Cela oder Ramón Menéndez Pidal zu Wort. Auf deutschsprachiger Seite u.a. Wolfgang Borchert, Walter Höllerer, Ernst Jünger, Heinrich Böll oder Friedrich Dürrenmatt. Zuerst erschien HUMBOLDT im Übersee-Verlag Hamburg, ab 1972 im Münchner Bruckmann-Verlag. Heute ist es weltweit längst ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Alltags und seine Verbreitung grenzenlos. Nun will auch HUMBOLDT die multimedialen Möglichkeiten des Dialogs stärker als bisher nutzen und ab 2014 als Magazin unter www.goethe.de ausschließlich im Netz erscheinen.
13.07.2013 | Dichter im Portrait Der Filmemacher Frank Wierke besuchte acht Dichter und sprach mit ihnen über ihr Werk, ihr Schaffen und darüber, was Dichtkunst für sie bedeutet. Entstanden sind kurze Filme, welche die Dichter hautnah zeigen. Dieses konzentrierte Kennenlernen erlaubt pointierte Einblicke in die Werkstätten, sowie intime Annäherungen an Person und Werk aus einer ungewohnten Perspektive. In der Abfolge aller Filme entsteht ein achtstimmiges Bild von Dichtung hier und heute -- mit Nora Bossong (Berlin), Elke Erb (Berlin) (seit drei Tagen im Netz), Nora Gomringer (Bamberg), Durs Grünbein (Berlin), Wulf Kirsten (Weimar), Michael Krüger (München), Christian Lehnert (Leipzig) und Olga Martynova (Frankfurt / Main).
13.07.2013 | Die Dumping-Boheme Berlins Kreativszene und das schwarze Loch. Ein Höressay von Gisa Funck und Sabine Oelze am Sonntag, den 14.07. um 20:05 im Deutschlandfunk.
Schwarze Löcher im All sind Energiefelder mit extrem hoher Anziehungskraft, die alles schlucken und verschwinden lassen. Ähnlich anziehend scheint Berlin für Kreative und Kulturschaffende. Sie kommen in Massen. Und werden als Masse geschluckt.
Nirgendwo in Deutschland wird kreative Leistung so schlecht bezahlt wie in Berlin. Nirgendwo in Deutschland gibt es ein so großes Überangebot an künstlerisch ambitionierten Nachwuchskräften.
So üben sich viele Kunst- und Kulturmacher vor allem in der Kunst der Selbsttäuschung und hocken sich mit ihren Notebooks ins Café, um an luftigen Projekten zu arbeiten. Aber wie und wovon leben sie tatsächlich? Schieres Lebensgefühl macht schließlich nicht satt. Oder vielleicht doch?
13.07.2013 | Lyriksommer Die Lyrik hat sich viele neue Bühnen erobert: Poetry Slams und Performances, Wettbewerbe und Zeitschriften, Verlagsneugründungen und Netzaktivitäten. Es wird mehr denn je gedichtet, geschrieben und übersetzt. Der "Lyriksommer" im Deutschlandradio vom 14. Juli bis 31. August schöpft aus dieser Vielfalt und präsentiert in den Sendungen der Literatur u.a. Poesie aus Dänemark, dem Iran oder aus den USA. Dabei spielen unterschiedlichste Traditionen und alle nur denkbaren Stile eine Rolle: Michèle Métails spielerische Lautpoesie ist zu hören, Hart Cranes klingender und zersplitterter Schlüsseltext der Moderne, eine Hymne auf die Brooklyn Bridge oder Landschaftspoesie aus Großbritannien. Aufgezeigt werden das Weiterwirken von Baudelaire, die Inspirationsquellen für poetische Bildwelten der Gegenwart oder wie und wovon Dichter heute überleben.
Den Auftakt des "Lyriksommers" setzt eine Diskussion mit neuen Verlagen. Sie publizieren vorwiegend junge Stimmen und übersetzen längst überfällige Titel. Ob man überhaupt - z.B. Ezra Pound - übersetzen kann, ist eines von vielen Themen. Lyrikzeitschriften verlagern sich verstärkt ins Internet. Wie seine Lyrikplattformen macht das Radio seit jeher den speziellen Sound einer Dichterin oder eines Dichters hörbar - während des "Lyriksommers" auf vielen Plätzen u.a. täglich in der frühen "Ortszeit", aber auch in den Lesungen am Samstag. Shakespeare-Sonette oder Arbeiten des russischen Avantgardisten Chlebnikow finden sich in der Sendung "Klangkunst" wieder, und auch Hörspiel und Musik schließen sich mit etlichen Sendungen dem "Lyriksommer" an.
12.07.2013 | Ziemlich viel Babel „Das schottische Gedicht ist zwar weltbürgerlich, doch sein Ort ist weder Edinburgh noch Mexiko City, sondern der Raum des Gedichts selbst, das wach bleibt für Träume, Schönheit und Schrecken, und in dem alle Zeiten, Traditionen und Orte aneinander angrenzen, ein Aktionsfeld also, in dem gesellschaftliche und sprachliche Konflikte in ihren feinsten Verästelungen und Schattierungen verzeichnet werden." Iain Galbraith
Heute abend in der Buchhandlung Böttger um 20 Uhr in der Maximilianstr. in Bonn: Moderne Poesie aus Schottland von 1900 bis heute. Um eine Vorstellung des Klangreichtums der verschiedenen lyrischen Traditionen Schottlands zu vermitteln, trägt Iain Galbraith - neben deutschen Übersetzungen durch namhafte Lyrikerinnen und Lyriker - auch einige Beispiele schottischer Lyrik in den Originalsprachen Gälisch, Schottisch und Englisch vor. U.a. aus Beredter Norden.Schottische Lyrik seit 1900.Anthologie, herausgegeben von Iain Galbraith. Edition Rugerup 2011
12.07.2013 | Über Sprachgrenzen hinaus In viceversa 7 (dem Jahrbuch der Schweizer Literaturen) unterhält sich Kurt Marti mit Guy Krneta über engagierte Literatur, Mundart-Lyrik und Übersetzungen, sprechen Monique Schwitter und Händl Klaus über ihre Arbeit, die eng mit Theater und Film verbunden ist, würdigt eine Hommage die große Westschweizer Lyrikerin Anne Perrier, stellt Etienne Barilier sein Prosa- und Essaywerk vor, reist Paolo Di Stefano zwischen der Schweiz, Nord- und Süditalien, gibt die Engadiner Autorin Leta Semadeni Einblick in die zweisprachige Wortlandschaft. »Zu Gast« sind Plinio Martini aus dem Maggiatal & die Argentinierin Ángela Pradelli. Im Übersetzungsdossier präsentieren ihre Carte Blanche Christina Viragh, Christian Viredaz und Maurizia Balmelli. Unveröffentlichte Lyrik und Prosa gibt es von dem Basler Werner Lutz, der Walliserin Noëlle Revaz und dem Tessiner Ugo Petrini. Leseprobe hier.
Dem Gewicht, dem Klang, dem Geschmack, der Farbe und der Helligkeit der Worte von hier und anderswo gewidmet. „dr paraburi rodt sech im schnee / dr schpallamander ghörsch chyche / ds schwipsell triumphiert barockal / und alli analogiele chömed uf ds mal“. Wer versteht hier alles? Und wer hätte vermutet, dass es sich um Verse von Boris Vian handelt, die Kurt Marti aus dem Französischen in die Berner Mundart übersetzt hat? (aus dem Editorial)
12.07.2013 | Sind wir was wir sehen »Sessner gehört zu den Autoren mit einer unverkennbaren Stimme und einer unverkennbaren Stimmung. Seine Poesie entwickelte sich von den ersten Publikationen an bruchlos, es ist so, als würden sich die einzelnen Gedichte an der Hand nehmen und eine einzige, immer längere Kette bilden. Es sind stets die einfachen Dinge, die Max Sessner benennt: ein Haus, ein Tisch, eine Wiese, ein See etc. Es geht um die Bausteine einer Welt, die uns von der Kindheit bis in den Tod begleiten: alltägliche Dinge in alltäglichen Situationen, und jeder Moment ist in sich immer beides: Trauer und Trost, Schönheit und Vergänglichkeit, Liebe und Verlust.« (Frank Schmitter, Poetenladen).
Aktuell im litradio nachzuhören: In einem Café in Augsburg spricht Max Sessner über sein Schreiben und den Alltag, der es bedingt, seinen Brotberuf, den Literaturbetrieb und liest Gedichte aus seinen letzten beiden Bänden.
12.07.2013 | Was is(s)t die Welt? Eine Fotoausstellung im Forschungsmuseum König in Bonn, entstanden aus dem Projekt "Hungry Planet" von Peter Menzel und Faith D'Alusio, jetzt ab dem 10. Juli bis zum 22. September.
Es sind eindrucksvolle Aufnahmen, die der Fotograf Peter Menzel in mehr als 24 Ländern über das Essen gemacht hat. Er fotografierte Familien inmitten der Lebensmittel, die ihnen für eine Woche zur Verfügung stehen.Die Bilder zeigen auf einzigartige Weise eine Gemeinsamkeit, die alle Menschen verbindet: Das Bedürfnis zu essen und zu trinken. Auf diese Weise zeigt die Ausstellung Klüfte zwischen Arm und Reich, den täglichen Kampf gegen den Hunger oder Übergewicht, Tradition und Moderne und den Einfluss der Lebensmittelindustrie auf globale Ernährungsgewohnheiten.
12.07.2013 | Ein Tag am Yeah Für alle Schreiblustigen, Wortkünstler und Jungautoren startet PULS, das junge Programm des BR, auch dieses Jahr einen Schreibwettbewerb. Das Motto: „Ein Tag am Yeah!“ - Einsendeschluss ist der 1. August 2013.
Skurriles, Lustiges, Verqueres, Geschichten mit Tragik, Komik und Humor – es heißt um die Ecke denken, kreativ werden und alles in einer spannenden Geschichte verpacken. Die besten Autoren gehen im Herbst mit PULS auf Lesetour. Vom 21. bis 25. Oktober 2013 gastiert die PULS Lesereihe in Würzburg, Regensburg, Passau, München und Nürnberg. Dort lesen die Teilnehmer um die Gunst des Publikums und einen ganz besonderen Preis: ein Schreibwochenende am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig zusammen mit einem Besuch der Leipziger Buchmesse. Welche Texte mit auf Lesereihe kommen, bestimmt eine Jury. Darin sitzen die Autorin und Bloggerin Elisabeth Rank, der Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts Claudius Nießen, die Lesereihen-Gewinner von 2010 Filiz Penzkofer und ein guter Bekannter aus der deutschen Musikszene: Sterne-Sänger Frank Spilker.
11.07.2013 | Belletristische Überproduktion „Das ist das große Paradox der deutschen Literatur: Seit Jahren kaufen immer weniger Menschen immer weniger Bücher, aber gleichzeitig werden immer mehr Bücher produziert. Während Buchhandlungen schließen, Verlage vor dem Aus stehen und Autoren über immer geringere Auflagen und schwindendes Interesse klagen, wird aufgelegt, was auch immer zwischen zwei Buchdeckel geht. Das ist nicht nur ein ökonomisches, es ist auch ein literarisches Problem. Denn die Bücherflut bringt ja nicht immer mehr Meisterwerke hervor, sondern sie fördert das Mittelmaß…
Dass die deutschsprachige Gegenwartsliteratur voll ist von Autoren, die sich binnen kürzester Zeit in unseren Regalen auffällig breitmachen, ohne sich schriftstellerisch im selben Maße weiterzuentwickeln, das ist ein Verlust - für die Verlage, die dadurch weniger Neues entdecken; für die Leser, die mit der Produktion selbst ihrer Lieblingsautoren kaum mehr mitkommen, und nicht zuletzt für die Kritik, wo die unermüdliche Wiederkehr der Immergleichen ebenfalls zu Staus führt.
Der größte Schaden aber trifft die Literatur selbst. Was Erfolg hatte, wird wiederholt oder nachgeahmt, und weil Experimente ja auch schiefgehen können, wird Bewährtes lediglich variiert. Innovatives, Riskantes und Überraschendes bleibt die Ausnahme.“ Felicitas von Lovenberg in der FAZ.
11.07.2013 | Vier gewinnt: Die Wette Das Phänomen der Wette findet sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wieder - von postfordistischer Finanzspekulation, über Glücksspiele, Goethes Wette auf Gott, bis hin zum Buch Hiob: Man setzt seinen Einsatz auf den Ausgang der Ereignisse. Mit «Vier gewinnt: Die Wette» setzt das KW Institute for Contemporary Art die Untersuchung über Wette und Spekulation, die in Kooperation mit Berliner Festspiele/Foreign Affaires für das Performance-Wochenende „Die Wette“ angestoßen wurde, im Format einer Ausstellung, die noch bis 04. August läuft, fort. Vier künstlerische Positionen verhandeln aus verschiedenen Perspektiven, was das Wetten heute bedeuten kann.
So stellt Daniel Keller Hypothesen über absurde futuristische Jobbezeichnungen auf, die im Zuge der technologischen Entwicklung entstehen könnten, es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tun werden. Böhler & Orendt inszenieren eine Kreativworkshop-Situation mit transzendentem Lernziel. Hier wird das Publikum in die Lage versetzt, gleich vor Ort seine Bereitschaft zu beweisen, jenen persönlichen Einsatz zu erbringen, der nun einmal nötig ist, um das Wachstum weiter zu steigern. Goldin+Sennebys Installation The Discreet Charm untersucht Spekulationen am Finanzmarkt und Claire Fontaine aktivierte am Eröffnungsabend mit einer Performance ihre Installation Get Lost, in der sie Intimität und deren abrupte Zurückweisung im Kontext kapitalistischer Strukturen verortet.
11.07.2013 | Texte und Acrylique Seit 1982 halbjährlich erscheint in Neundorf in Belgien, herausgegeben von Bruno Kartheuser, die deutschsprachige Literaturzeitschrift Krautgarten. Die diesjährige Sommer-Ausgabe (Heft # 62) bringt u.a. Texte von Hans Arnfrid Astel, Ulrich Bergmann und Thomas Rackwitz. In jedem Heft sind es 25 internationale Autoren, eine Künstlervorstellung, insgesamt angelegt als „ ein anspruchsvolles Journal über Bücher und aktuelle Themen“. Manuskriptangebote (unveröffentlichte Texte) für die 63. Ausgabe (November 2013) sollten bis zum 10. September eingereicht werden.
11.07.2013 | Wie Schönes Wissen schafft Schon in der Antike nahm man an, dass Schönheit und Erkenntnis sich gegenseitig beeinflussen. Die Ausstellung "Wie Schönes Wissen schafft" im Museum der Universität auf Schloss Hohentübingen geht noch bis 1. September der Frage nach, wie sich diese Wechselwirkung in Geschichte und Gegenwart der Wissenschaften manifestiert. Dabei wird gezeigt, welche Aspekte der Objektästhetik sich in der wissenschaftlichen Arbeit niederschlagen, wie Formen der Natur ästhetisch gelesen wurden und welche Bedeutung dies im Kontext der Forschung hatte. Die Exponate, die mehrheitlich aus den Sammlungen der Universität Tübingen stammen, verdeutlichen auch, wie bildgebende Verfahren die Forschung verändern oder auch, wie umgekehrt wissenschaftliche Erkenntnisse auf die Produktion von Kunst Einfluss nehmen können. Höhepunkte der Ausstellung sind das schönste Experiment der Physikgeschichte, der erste urgeschichtliche Stammbaum nach Darwins Theorie und „The Föhr Reef“, ein riesiges gehäkeltes Korallenriff.
Passend dazu die gerade erschienene attempto! 34, in der die Redaktion Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer eher ungewohnten Frage konfrontierte: Welche Rolle spielt Schönheit in der Forschung? Ist sie nur gelegentliches Zufallsprodukt? Oder eher ihre Grundlage?, wie schon der Physiker Paul Dirac und der Mathematiker Roger Penrose erklärten, die eine direkte Verbindung zwischen der Schönheit einer Formel und ihrem Wahrheitsgehalt sahen.
10.07.2013 | Preis für gebrochene Worte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner überreichte am Montag, 8. Juli, den diesjährigen Internationalen Kunstpreis des Landes Vorarlberg an den bildenden Künstler und Literaten Ingo Springenschmid. Der Preis ist mit 7.500 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben.
Ingo Springenschmid ist als Autor ein ebenso eigenwilliger wie origineller Verfechter des „gebrochenen Worts“. Das im Klever Verlag erschienene „Zu Fall und Stelle“ dokumentiert sein poetisches Werk seit den 1960er Jahren, deren Schreibanfänge von Robert Musil ebenso inspiriert wurden wie von Jean Paul: „Seinem ,gedrückten Blatt‘ verdanke ich diesbezüglich, mich vor dem Plattgedrückten und Ausgewalzten gewarnt zu haben. – Meine Parallelgedichte sind wiederum nichts weiter als poetische Reflexionen über die Musilsche Parallelaktion, deren Spiegelbildlichkeit, deren Durchkreuzen von Mitten – hier durch ein Verladen auf die Schiene – jenen perspektivlosen Raum, in dem sie sich bewegen, verdeutlicht. Mit der Musilschen Parallelaktion, als historischer Abstraktion, ließ sich die Simultaneität einer ,Bürokratie der Sätze‘ und einer ,Flucht nach vorne‘ mit der Simultaneität ,affektives Ding‘ / ,Agonie der Dinge“ – im Raoul Hausmannschen Sinn verbinden.“
09.07.2013 | Romanfigur Z Fixpoetry gratuliert Arnfrid Astel zum 80. Geburtstag und erinnert an ihn mit dem Titelgedicht aus seinem ersten Band, 1968 erschienen im Peter Hammer Verlag. Er schrieb damals bereits seit fast zehn Jahren (unter Pseudonym) und gab die Zeitschrift „Lyrische Hefte“ heraus - etliche später bekannt gewordene Autoren sind dort zuerst erschienen. Es gab Sonderhefte mit Gedichten von Quirinius Kuhlmann, Jewgenij Jewtuschenko, Jossif Brodskij (die erste deutsche Veröffentlichung!), Ho Tschi Minh u.a. Notstand und viele andere Gedichte mehr sind nachzulesen auf Sand am Meer.
Notstand
Notstand, das ist laut Brockhaus
ein fester Stand, in dem
besonders widersetzliche Pferde
und Rinder zum Hufbeschlag,
zur tierärztlichen Untersuchung
oder zur Durchführung kleinerer
Operationen befestigt werden.
(1968)
09.07.2013 | Vöglein Vöglein in der Hand "Im Wald der Symbole, die keine sind, schweigen die Vöglein der Deutung, die keine sind, nie", schrieb Samuel Beckett im Juli 1937 an seinen Berliner Bekannten Axel Kaun und erledigte damit in einem Satz die zeitgenössische Literaturkritik, die ihn damals noch beharrlich ignorierte. Ähnlich sarkastische Urteile, funkelnd von schwarzem Humor und sprachlicher Prägnanz, finden sich in fast allen Briefen, die der junge Beckett zwischen 1929 und 1940 aus Irland, England, Frankreich und Deutschland an seine Freunde und die Familie schickte. Chris Hirte hat den ersten Band der Cambridge-Ausgabe für den Suhrkamp-Verlag übersetzt und aufschlussreich kommentiert.
Holger Teschke im Gespräch mit dem Übersetzer Chris Hirte am Mittwoch, 10. Juli, 20 Uhr im Literaturforum im Brecht-Haus in Berlin-Mitte. Die Beckett-Texte liest: Philipp Kronenberg.
Samuel Beckett „Weitermachen ist mehr, als ich tun kann.“ Briefe 1929-1940. Suhrkamp 2013.
09.07.2013 | Nachtschatten mit Echoknarzen Mal wieder Zeit für die Kulturspelunke Rumbalotte continua in der Metzer Str. 9, 10405 Berlin. Am Donnerstag, 11. Juli 2013, ab 21 Uhr stellt Kai Pohl sein neues Buch vor: Solanum nigrum antichoc (Gedichte und Cut-ups aus den Jahren 2001 – 2013, dazu Grafiken der Serie Symbionten reunited aus demselben Zeitraum) und die Echoknarzformation Das Kraulen Brauchen tragen auf: Exoterische Verse, abgefedert mit Ambientmusik für Abrißhäuser. Keine geräuschlosen Worte, dafür aber jede Menge wortlose Geräusche!
09.07.2013 | Im Schreiben das Leben verändert „Das Schreiben von Barbara Honigmann ist seit ihrem Prosadebüt 1986 vornehmlich unter autobiografischen Vorzeichen wahrgenommen worden. Und das nicht in dem naiv-mimetischen Sinne, dass die Kunst das Leben spiegelt, sondern durchaus differenziert. So wurde das Werk der 1949 in Ostberlin geborenen und 1984 nach Straßburg ausgereisten Autorin zu einem besonderen Studienfall der ‚Zweiten Generation‘ der deutsch-jüdischen Literatur. Gestützt werden solche Interpretationen gerne durch eifrig zitierte Selbstkommentare der Autorin (wie dem von ihrem „dreifachen Todessprung ohne Netz“).
Doch das ist einseitig, wenn nicht sogar irreführend. Der vorliegende Sammelband, hervorgegangen aus einer internationalen Konferenz in Jerusalem, überspringt die Zäune der autobiografischen Lektüre und erobert ein Feld höchst anregender kulturwissenschaftlicher, diskursanalytischer und religionsgeschichtlicher Lektüren.“ Rezension von Michael Braun bei literaturkritik.de
Amir Eshel / Yfaat Weiss (Hg.): Kurz hinter der Wahrheit und dicht neben der Lüge. Zum Werk Barbara Honigmanns. Wilhelm Fink Verlag, München 2013.
09.07.2013 | Perlensuche in der Tiefsee Rund zwei Monate nach dem Tod von Lutz Schulenburg erklärt das verbliebene Team der Edition Nautilus: Es geht weiter. Das Ruder übernimmt Hanna Mittelstädt, Lebensgefährtin Schulenburgs.
Nach einer Pressemitteilung will Mittelstädt die Ausrichtung des Verlags beibehalten und weiterentwickeln. Der Verlag soll in eine GmbH mit Beteiligung der langjährigen Mitarbeiter umgewandelt werden; außerdem soll ein Beirat aus Autoren, Buchhandel und Vertrieb den Kurs überwachen. „So wird die Edition Nautilus weiter im Sinne einer solidarischen Ökonomie nach literarischen und aufklärerischen Tiefsee-Perlen suchen“, heißt es weiter.
09.07.2013 | Vernünftig sein reicht „Der Mensch glaubte. Er glaubte, dass Könige und Fürsten von Gottes Gnaden regieren, dass Untertanen auf ewig Untertanen bleiben müssen und Sünder sich von ihrer Schuld freikaufen können, dass es Frauen gibt, die als Hexen mit dem Teufel im Bunde stehen und man sie deshalb verbrennen dürfe. Man glaubte Vieles – vor allem aber, dass man zu glauben habe.
In diese Düsternis bricht im 17. Jahrhundert eine philosophische Strömung namens Aufklärung wie ein rettender Lichtstrahl ein, und zwar mit einer geradezu ungeheuerlichen Aufforderung: Glaubt nicht – denkt! Wagt, euren eigenen Verstand zu benutzen! … „Kein Mensch hat von der Natur das Recht erhalten, den anderen zu gebieten. Die Freiheit ist ein Geschenk des Himmels, und jedes Individuum derselben Art hat das Recht, sie zu genießen, sobald es Vernunft besitzt.“ Es gilt dies – bis weit ins 21. Jahrhundert hinein – allerdings nur für den männlichen Teil der Menschen.
Rahel Levin Varnhagen, die als kritische Denkerin den Begriff der „Vernunft“ als bloße „Vernünftigkeit“ kritisch durchleuchtete und ad absurdum führte: „… und was kann ein Frauenzimmer dafür, wenn es auch ein Mensch ist? […] Ein ohnmächtiges Wesen, dem es für nichts gerechnet wird, nun so zu Haus zu sitzen, und das Himmel und Erde, Menschen und Vieh wider sich hätte, wenn es weg wollte… und richtig zu Haus bleiben muss, und das, wenn´s mouvements (Bewegungen) macht, die merklich sind, Vorwürfe aller Art verschlucken muss, die man ihm mit raison (Vernunft) macht; weil es wirklich nicht raison ist zu schüttlen; dann fallen die Gläser, die Spinnrocken, die Flore, die Nähzeuge weg, so haut alles ein.“ Eine Frau soll vernünftig sein; Vernunft braucht sie nicht zu haben.
Neu im Wissenschaftlichen Literaturanzeiger eine Rezension von Sulamith Sparre zu Manfred Geier: Aufklärung – das europäische Projekt. Rowohlt 2012.
08.07.2013 | Das Erklären erklären Gebrauchsanleitungen – vom Baby bis zum Laserdrucker – erklären uns mit visuellen Mitteln abstrakte oder komplexe Zusammenhänge. Selbst in allerhöchster Not sollen wir Infografiken lesen, um unser Leben retten zu können. Infografiken machen uns schneller schlauer oder sie unterhalten uns: längst wird Infografik auch im Musik-Clip als ästhetisches Mittel eingesetzt oder von Werbetreibenden als visueller Köder ausgelegt.
Infografik ist allgegenwärtig und hat eine lange Geschichte. Die in der Ausstellung «Das Erklären erklären. Zur Geschichte der Infografik» gezeigten Exponate erlauben einen Einblick in die Frühzeit der grafischen Erläuterungen. Die Bücherschätze geben einen Überblick von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis hinein in die 1980er Jahre. Das älteste Objekt stammt von 1851 – es ist eine Sammelmappe mit Blättern zur Astronomie. Besonders daran ist, dass viele Blätter Ausstanzungen enthalten, die mit buntem Transparentpapier hinterklebt sind. Gegen Licht gehalten, beginnen die Sterne – wie am Firmament – zu erstrahlen.
Vierundneunzig Jahre später, 1945, ist in den USA ein Trainingsmanual der US-Navy unter dem Titel «Flight Thru Instruments» erschienen. Hier wird mit Hilfe von eindrücklichen Grafiken erklärt, welche Kräfte auf ein Flugzeug wirken, wie man es steuern muss und welche Flugmanöver damit vollführt werden können. 1972 erscheint dann im Verlag «Das Beste» das Buch zum Trend: «Reparieren leicht gemacht». Aus heutiger Sicht doppelt interessant ist es wegen der umfangreichen in zwei Farben gehaltenen Erklärgrafiken und wegen der darin erklärten Objekte: Schreibmaschine und Diaprojektor sind heute ausrangiert und eingemottet.
Die von Designstudierenden der Hochschule Augsburg gestaltete Ausstellung versucht noch mehr: Neben der attraktiven Präsentation der Exponate geht es auch um die Prinzipien und Methoden der Informationsvermittlung. Sie werden mit Hilfe neu erstellter Infografiken vermittelt: Das Erklären wird erklärt.
Eine Ausstellung zur Geschichte der Infografik, die in Zusammenarbeit mit Michael Stoll und seinen Studenten der Hochschule Augsburg entwickelt wurde vom 13. Juli – 6. Oktober 2013 in MEWO Kunsthalle Memmingen.
08.07.2013 | Von der Setzmilch zum Bummelanten „Es gibt Wörter, die in Vergessenheit geraten. Es gibt Wörter, die ihre Bedeutung verändern. Und es gibt Wörter, die ganze Geschichten erzählen. 14 Schriftsteller aus 12 europäischen Ländern haben sich auf die Suche begeben nach solchen Wörtern. Herausgekommen ist das Buch "Lost Words | Lost Worlds", eine Sprachreise mit vielfältigen Blicken auf Europa, ein Buch mit ernsten, traurigen, schönen, nostalgischen, ironischen und kritischen Texten über Wörter, die verloren gehen, Begriffswelten, die damit verschwinden.“ Inga Rahmsdorf berichtet im aktuellen Fluter über das Buch und das dahinterstehende Projekt.
Kateryna Stetsevych, Katarina Tojic, Stefanie Stegmann (Hg.): Lost Words | Lost Worlds - Ein Europäisches Wörterbuch. edition fototapeta 2013.
07.07.2013 | Die Preisträger sind bekannt Studierende der Universität Hildesheim begleiteten die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt kulturjournalistisch mit einer Festivalzeitung. Denn die fehlte bisher. Ihr Name war Ingeborg und ist als pdf nachzulesen. Ganz aktuell kann so ein Unternehmen nicht sein – einfacher funktioniert Fernsehen mit 3sat, wo bis eben die Preisvergabe live übertragen wurde: Katja Petrowskaja ist im ORF-Theater zur Bachmannpreis-Trägerin 2013 gekürt worden. Den kelag-Preis erhielt Verena Güntner, der 3sat-Preis ging an Benjamin Maack, den Ernst-Willner-Preis erhielt Heinz Helle. Nadine Kegele wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Details findet man u.a. beim ORF.
07.07.2013 | Spekulationen bis elf Mit der Wahl der Preisträger gehen heute ab 11.00 Uhr im ORF-Theater in Klagenfurt die „37. Tage der deutschsprachigen Literatur“ zu Ende.
Gute Chancen auf den diesjährigen Hauptpreis werden allgemein der ukrainischstämmigen Autorin Katja Petrowskaja zugebilligt. Ihr Text „Vielleicht Esther“ befasst sich mit der Vernichtung der Juden von Kiew durch die Nazis im Jahr 1941. Preisverdächtig sind auch Verena Güntner, die in „Es bringen“ den Ton eines von Höhenangst geplagten 16-Jährigen sehr genau trifft, Heinz Helle mit seinem Text „Wir sind schön“, in dem es um eine langsam erkaltende Beziehung geht, und Benjamin Maack mit „‚Wie man einen Käfer richtig fängt‘ von Joachim Kaltenbach“, dessen Protagonist zwölf ist und Käfer sammelt, um ein Mädchen zu beeindrucken. – meldet der Kärtener ORF.
07.07.2013 | Das Ende der Zuvielisation Wie aus Konsumkult Konsumkultur wird – und aus Haben Sein!
Simonetta Carbonaro ist am 09.07. um 19.30 Uhr in der Black Bock, Gasteig in München dem Mythos »Buyology« auf der Spur: Seit vielen Jahren ist Simonetta Carbonaro Vordenkerin und Verfechterin einer neuen … einer anderen Art des Konsums. Mit der rein theoretischen Analyse des Verhaltens von Verbrauchern und Anbietern, von Gestaltenden und Produzierenden gibt sich die Konsumpsychologin aber nicht zufrieden: So dürfen etwa internationale Unternehmen der Konsumgüterbranche auf ihre Beratung zählen oder Designstudenten auf das eigens konzipierte Programm »The Design of Prosperity«.
Und während uns all die hyperemotionalisierten Produkte nach wie vor aus den Supermarktregalen anschreien, prognostiziert Carbonaro nüchtern denjenigen Aufmerksamkeit, die leise sprechen – und die tatsächlich eine Geschichte zu erzählen haben. Damit folgt sie ihrer eigenen, nicht nur ihr den Weg weisenden Devise »Form follows sense«. Denn die Menschen lassen sich nicht mehr mit Etiketten abspeisen. Sie wollen mehr wissen, hinter die Kulissen schauen, reale Antworten auf Fragen bekommen, die sie tatsächlich beschäftigen. Und so geht es »heute nicht mehr um Kundenorientierung, sondern vielmehr darum, dem Kunden Orientierung zu geben«. – Eine Veranstaltung der Typographischen Gesellschaft München.
Unsere Fehl-Evolutionen sind mittlerweile überall überdeutlich zu sehen: ein Blick auf die Überbuntheit eines Zeitschriftenstandes, wo nichts Schreiendes den Aufschrei des jeweils anderen mehr übertönen kann. Schwerer kann man es dem Kunden nicht machen, als Musterantworten zum Gesetz zu erheben und Gedanken zur Form („Wie falle ich auf!“) über Inhalt zu stellen. (FM)
07.07.2013 | Reihenweise folgenreich Neu in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig (läuft noch bis Ende September) ist eine Präsentation „Reihenweise – folgenreich: aus der Arbeit eines Serien-Täters“. Gezeigt werden Buchdesigns des Gutenberg-Preisträgers Friedrich Pfäfflin, der als engagierter Büchermacher seit einem halben Jahrhundert reihenweise das Gesicht von Buchserien erfindet.
Mit einer gelungenen Verbindung von klassischer Typografie und experimentell-spielerischem Umgang mit Schrift, subtilem Materialeinsatz, Mut zur Farbigkeit und Detailfreude erfindet Pfäfflin ästhetische Konzepte für die literatur- und verlagsgeschichtlichen Themen und Dokumente, die er als Redakteur, Herausgeber und zu einem beträchtlichen Teil auch inhaltlich verantwortet. Dabei sticht die Ideenvielfalt des Serien-Täters besonders in der Covergestaltung seiner Buchreihen heraus.
Zu den wichtigsten Serien-Taten von Friedrich Pfäfflin, die in Auswahl gezeigt werden, gehören die Nachrichten aus dem Kösel-Verlag nebst Sonderhefte (1963 bis 1972), 100 Ausgaben des Marbacher Magazins (1976-2000), 27 Bände der Marbacher Kataloge, 52 Marbacher Spuren-Heften, die Bibliotheca Bodmeriana in Cologny bei Genf (2001-2003), die Veröffentlichungen des Lyrik Kabinetts München (seit 1999), Ulrich Keichers Drucke der Bibliothek Janowitz (seit 2001) und die Ausstellungskataloge des Verbandes Deutscher Antiquare (seit 2007).
07.07.2013 | Nackend stehn Im Jahre 1748 veröffentlichte Magnus Gottfried Lichtwer (1719-1783) seine Vier Bücher äsopischer Fabeln in gebundener Schreibart, ohne seinen Namen auf dem Titelblatt zu nennen. Auf Grund eines Unfalls verlor Lichtwer fast vollständig seine Sehkraft, was ihn aber weder in seiner Karriere noch in seinem schriftstellerischen Schaffen (das er allerdings aus anderen Gründen später einstellte) hinderte. Heute vor 230 Jahren starb Magnus Gottfried Lichtwer im Alter von 64 Jahren am 7. Juli 1783 in Halberstadt. 45 Jahre nach seinem Tod veröffentlichte sein Enkel eine Biographie seines Großvaters mitsamt dessen Schriften.
Magnus Gottfried Lichtwer
Die beraubte Fabel
Es zog die Göttin aller Dichter,
Die Fabel, in ein fremdes Land,
Wo eine Rotte Bösewichter
Sie einsam auf der Straße fand.
Ihr Beutel, den sie liefern müssen,
Befand sich leer; sie soll die Schuld
Mit dem Verlust der Kleider büßen,
Die Göttin litt es mit Geduld.
Mehr, als man hoffte, ward gefunden,
Man nahm ihr Alles; was geschah?
Die Fabel selber war verschwunden,
Es stand die bloße Wahrheit da.
Beschämt fiel hier die Rotte nieder,
Vergib uns, Göttin, das Vergehn,
Hier hast du deine Kleider wieder,
Wer kann die Wahrheit nackend sehn?
(1748)
06.07.2013 | Kleine Skulpturen aus Sand Fedia Filkova hat den großen österreichischen Dichterinnen Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann und Friederike Mayröcker ihre Stimme geliehen, um sie ins Bulgarische zu bringen; das hat ihre eigene Stimme gewiss nicht verdorben, sondern gestärkt und geschärft, wie eine die Tage erscheinende, erstmalig ins Deutsche übersetzte Auswahl ihrer Gedichte aufzeigt.
Fedia Filkovas Texte sind oft kurz und lapidar, dem Schweigen näher als der Beredsamkeit. Enigmatisch hie und da, meistenteils überdeutlich: wie in ein Höhenlicht getaucht, wo nicht in hellhöriges Dunkel; angesiedelt auf dem »Grat der Dinge«. Selbstfindung durch Versenkung ebenso wie durch schroffes Neben-sich-Treten. Paradoxien überwiegen; Reinheit der Gefühle ist selten zu haben, doch eine Reinlichkeit der poetischen Handschrift fällt auf.
Fedia Filkova: Nachtgras. Gedichte. Aus dem Bulgarischen von Andreas Tretner. Drava Verlag, Klagenfurt 2013.
06.07.2013 | postpoetry.NRW Die Gesellschaft für Literatur in NRW, der Verband deutscher Schriftsteller (VS NRW) sowie der Verein Aura 09 loben 2013 zum vierten Mal einen Wettbewerb für Lyrikerinnen und Lyriker sowie Nachwuchsautorinnen und -autoren aus Nordrhein-Westfalen aus. Gefördert werden soll mit diesem Wettbewerb die Lyrikszene des Landes und besonders die Zusammenarbeit von erfahrenen Lyrikerinnen und Lyrikern mit Nachwuchsautorinnen und -autoren.
Bewerben können sich bis zum 7. September 2013:
• Lyrikerinnen und Lyriker mit Wohnsitz in NRW, die mindestens eine eigenständige Buchveröffentlichung nachweisen können, sowie
• Nachwuchsautorinnen und -autoren mit Wohnsitz in NRW im Alter von 15-21 Jahren
mit je drei unveröffentlichten Gedichten ihrer Wahl sowie einer Kurzbiografie/-bibliografie.
In beiden Kategorien werden mehrere Preise vergeben.
Näheres zu den Formalien hier.
06.07.2013 | Sorge tragen, nach Morgen fragen Soeben erschienen: die gazette #38, die sich Sorgen um unsere Zukunft macht mit bspw. einem Interview mit Harald Welzer oder einem lesenswerten Beitrag von Michael Hirsch „Wie wir leben wollen“ – mit Thesen zu einem neuen Gesellschaftsvertrag. „Wenn wir uns weiterhin auf die intelligente Kritik des Bestehenden beschränken, dann werden wir weiter ohnmächtig mitansehen, wie die Klonkrieger des neoliberalen Kapitalismus die Welt in Schutt und Asche legen.“ Online nachzulesen auf der website der Zeitschrift.
05.07.2013 | Fand den Rand am Hut „Wenn man heute in Literaturzeitschriften nach radikaler und auch substantieller Dichtung im Geiste der Avantgarde Ausschau hält, muss man an die Ränder gehen, hin zu den kleinen Lyrik-Zeitschriften, die kompromisslos ihren Weg gehen. Da ist in erster Linie die Mütze zu nennen, die neue Zeitschrift des sich immer wieder neu erfindenden Lyrik-Editors Urs Engeler, der sein neues Blatt nun auch für Essays und aufregende Prosa-Projekte geöffnet hat.“ Lobte Michael Braun im Saarländischen Rundfunk. Mütze #4 bringt:
Seite 193-207 / Christian Steinbacher / Umdichtungen zu Jacob Balde und Max Wehrli
Seite 185-192 / Michael Donhauser / Zur Natürlichkeit als Kunst
Seite 178-184 / Adalbert Stifter / Aus der Mappe meines Urgroßvaters: Von meinem Hause
Seite 170-177 / Emanuel Laugier / Gespräch mit Nicolas Pesquès
Seite 158-169 / Jean-René Lassalle / Formen des Quadratgedichts
Die Mütze , eine literarische Zeitung herausgegeben von Urs Engeler, gibt es im Abonnement, ca. vier Mal jährlich. Ein Einzelheft kostet Euro 6 bzw. Franken 8 (incl. Porto).
05.07.2013 | Larven die sich trauen Lothar Quinkenstein stellt am 5. Juli im Buchbund, Sanderstraße 8, 12047 Berlin um 19.00 Uhr seinen Roman »Tellurium« vor und liest aus seinen neuen Lyrikband »gegenort« vor , der just bei der Lyrikedition 2000 erschienen ist und über den der Verlag mitteilt: „In Landschaften und Lektüren findet Quinkenstein die Zeichen einer nicht vergangenen Geschichte. Im Mittelpunkt seiner Erkundungen steht Polen, das Nachbarland der eigentümlichen Ferne. Hier, in der polnischen Gegenwart, öffnen sich die Perspektiven, entlarvt sich Vertrautes als Illusion.“
Lothar Quinkenstein, geboren 1967 in Bayreuth, aufgewachsen im Saarland, Studium der Germanistik und Ethnologie in Freiburg im Breisgau, lebte 1994–2011 in Polen, und ist seit 2011 wohnhaft in Berlin.
05.07.2013 | Alles heute ist Trompe l’oeil Rechtzeitig zu einer Ausstellung in der Galerie Vayhinger am 7. Juli wird lieferbar: Das seltsam schöne Buch mit dem Titel "Die Illusion ist alles". Auf 104 Seiten Trompe-l‘oeil-Bilder von Jan Peter Tripp und objets d‘art von Reto Keppler & Hans Kern. Und mit aufschlussreichen Texten zur Augentäuscherei von: Hans Magnus Enzensberger (er wird am Sonntag zur Vernissage aus seine, auch von Jan Peter Tripp illustrierten Buch „Blauwärts“ lesen) und Jean-Christophe Ammann.
Faszination Trompe l’Oeil - Augentäuschung - Illusion; ein Spannungsbogen von z.B. Giotto, über den erzählt wurde, dass er eine kleine Fliege auf ein Werk seines Lehrmeisters Cimabue so täuschend echt malte, daß Cimabue wiederholt versuchte, sie fortzuscheuchen ehe er die Illusion erkannte - bis zum hintergründigen Werk von Mark Rothko, der von den Surrealisten kommend, uns mit seinen Farbfeldern in illusionistische Räume entführt, deren Fundament Giottos Werk war.
....... Warhol, Lichtenstein, Oldenburg etc. .... Alles heute ist Trompe l’oeil ! In Werbung und Film, die 3-D-Filme, die Computersimulationen und - animationen. Second Life. Alles virtuell - selbst die Pflege eines Gartens!!! Kann Malerei, Skulptur etc., das direkt erfahrbare, wahrnehmbare, manifeste, künstlerische Werk da noch eine Wirkung entfalten? .... J. Ch. Ammann << ..das Neue gibt es nicht mehr, es gibt nur so etwas wie das Wahrhaftige>> H.M. Enzensberger <<..dazu, dass du endlich was du nicht gesehen hast siehst.>> Kann das Trompe l’Oeil die Sinne schärfen? .... Der Beuys Effekt mit der entsorgten Fettecke passiert auch mit bemalten dreidimensionalen Trompe l’Oeil Objekten. So geschehen mit einer Tripp’schen Arbeit. Gemalte Rotweinringe auf gemalter Marmorplatte wurden bis zum grundierten Holzträger gereinigt. Was sagt uns das?.... Gibt es eine metaphorische Verwandtschaft zwischen z.B. Fata Morgana, Déjà vû und Trompe l’Oeil ? Ist das Déjà vû vielleicht, etwa oder gar die immaterielle Variante des Trompe l’Oeil in seiner flüchtigsten und poetischsten Form?!
05.07.2013 | Briefwechsel Dedecius – Miłosz Der von Przemysław Chojnowski zusammengestellte Band bereichert in interessanter Weise das umfängliche Briefwerk des Autors von Tal der Issa, das jüngst erst ergänzt wurde durch ein Buch mit der Korrespondenz des Schriftstellers mit seinem französischen Übersetzer und Förderer seines Schaffens – Konstanty Jeleński. Mit jedem seiner Übersetzer verständigt sich Czesław Miłosz ein wenig anders, enthüllt einen jeweils anderen Aspekt seiner Persönlichkeit und seiner Arbeit. In den Briefen an Karl Dedecius offenbart er vor allem seine Kompetenz als Übersetzer und Herausgeber von Anthologien – Gesichtspunkte, die in der Korrespondenz mit anderen Adressaten nur angedeutet werden. In anregender Form erörtert Miłosz die Möglichkeiten, einige seiner Gedichte in den deutschen Sprachraum zu transferieren und sie damit in einem Kulturkreis anzusiedeln, der so grundlegend verschieden ist von ihrem ursprünglichen Kontext der polnischen Kultur.
Przemysław Chojnowski (Hg.): Dedecius – Miłosz. Aus dem Briefwechsel des polnischen Literaturnobelpreisträgers mit seinem deutschen Übersetzer.
05.07.2013 | Baustelle Zukunft Klimawandel, Artensterben und Ressourcenknappheit - der Mensch ist zum größten Treiber geoökologischer Prozesse avanciert. Um die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten nicht vollends zu sprengen, muss er seine Art zu leben und zu wirtschaften grundlegend verändern.
Diese Große Transformation hin zu klimaverträglichen Lebensstilen und einer postfossilen Wirtschaftsweise wird kein Spaziergang. Gut, dass Einige bereits angefangen haben etwas zu verändern: Unternehmen entziehen sich bewusst dem Wachstumsparadigma und maximieren anstelle ihrer Gewinne die Zufriedenheit ihrer Angestellten. Nachbarn bauen in urbanen Gärten gemeinsam Obst und Gemüse an, Kommunen stellen Tauschringen und Bauteilbörsen städtischen Raum zur Verfügung. Dabei wird deutlich, dass der Umbau nicht allein mit technisch-naturwissenschaftlichen Lösungen zu stemmen sein wird. Es geht vielmehr darum, den Übergang zu einer nachhaltigen Lebensweise als tief greifenden kulturellen Prozess zu verstehen und zu gestalten.
Mehr darüber nachzulesen in der Juni-Ausgabe der politischen ökologie.
03.07.2013 | Frisch ausm Zylinder „Der Dichter Ernst Herbeck ist sehr bekannt und zugleich unbekannt. Mitte der 60er Jahre erschienen seine ersten Texte in dem Buch "Schizophrenie und Sprache" von Leo Navratil, Herbeck führte damals das Pseudonym Alexander. Und die Texte, die Navratil anführte, beschäftigten viele andere Dichter, etwa Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Heinar Kipphardt oder W. G. Sebald. …
Herbeck war auch insofern ein ungewöhnlicher Dichter, als er offenkundig keinen Schreibzwang verspürte. Alle seine Texte, die jetzt (als Auswahl) in dem Band "Der Hase!!!!" veröffentlicht worden sind, entstanden auf Zuruf: Navratil nannte Herbeck einen möglichen Titel oder gab ein Stichwort vor, Herbeck schrieb daraufhin einige Zeilen, die das Thema aufnahmen oder es spielerisch umgingen. Anschließend lasen Herbeck oder Navratil die Zeilen noch einmal laut vor. Dann galt der Text als abgeschlossen. Korrigiert hat sich Herbeck so gut wie nie. Dies erklärt auch die eigentümliche Interpunktion in vielen seiner Texte, die mehr oder weniger markanten orthografischen und grammatikalischen Fehler, aus denen sich manchmal neue, noch nie zuvor niedergeschriebene Sinnzusammenhänge ergeben.“ Jörg Sundermeier gestern in der taz.
Ernst Herbeck
Die Wüste
Eisklapp die Stumme Sandweit war
so klar war auch mancher Soldat.
So einfach diese Sandwichs waren.
so weit war rauh auch diese Stadt.
der kurze Aufenthalt darin war blind
für den Soldat im «heißen Sund»
die Söhne - der Wüste - sind im Sand
wo eiskalt war so man minche
Stadt.
Auch ich war einst in dieser Kim.
wo auch.
(nachzulesen bei www.engeler.de)
03.07.2013 | Cut! - während der Käse den Quark austreibt »Die künstlerische Spannung spricht mit dem Reichtum der Raumeindrücke, Hütte spricht mit Stalinstadt, das Hähnchen-Eck, von Rentnern bevölkert, spricht mit dem letzten Nachtasyl. Die Konzeptionslosigkeit spricht mit der geistigen Leere, während der Käse den Quark austreibt, der an der Wand in der Küche hängt. Das Gewitter um Mitternacht ruft mit den Kollaborateuren visionärer Donnerbalkenbilanzen im Chor: ›Auf daß die Unhöflichkeiten methodisch werden, daß sie systematisch werden, sich zu einer diffusen effizienten Guerilla vereinen, die uns wieder zu unserer wesentlichen Unregierbarkeit zurückführt, zu unserer Undiszipliniertheit!‹« Kai Pohls „Solanum nigrum antichoc“ mit Cut-ups und Gedichten 2001–2013, sowie Grafiken des Autors erscheint die Tage bei Moloko.
03.07.2013 | Bildwürdigkeit der kleinen Leute Olga Chernysheva (*1962 in Moskau) verhandelt »Gesellschaft« und »System« nicht als abstrakte Konstruktionen, sondern ausgehend vom Individuum, um zu zeigen, wie die kleinste Entität das sozial-politische Gefüge trägt und bestimmt respektive davon getragen und bestimmt ist. Wartende Gastarbeiter, fliegende Händler, eifrige Marktfrauen, in Pelz gehüllte Damen – die von Empathie getragene Beobachtungsgabe der Künstlerin spiegelt sich auch in der Bandbreite ihrer Ausdrucksformen: Von Film und Fotografie über Malerei und Aquarell bis zur Zeichnung dient das jeweilige Medium der nuancierten Darstellung ihrer komplexen Sujets und verdeutlicht die Bildwürdigkeit »kleiner Leute« vor dem Hintergrund größerer Umwälzungen. Anders als die Malerei des russischen Realismus im 19. Jahrhundert oder der frühe sowjetische Film erhebt Chernysheva keine sozialkritische Anklage; auch medienspezifisches Experimentieren ist ihr fremd.
Die Ausstellung ist in der Kunsthalle im Haus zum Roten Ochsen in Erfurt vom 04.07.–25.08.zu sehen.
03.07.2013 | Die Poesie der Dinge Ding-Wörter und Wort-Dinge stehen im Mittelpunkt des poetologischen Programms von Francis Ponge, der längst zu den Klassikern der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts gehört. Mit der jüngsten Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaft auf die Materialität der Dinge rückt jedoch das Unabgegoltene seiner poetischen Reflexionen in eine neues Licht. Welche Perspektiven eröffnet eine systematische Wiederentdeckung des Werkes von Francis Ponge? Darüber diskutieren Walter Seitter, der eine Neuübersetzung von Ponge’s „Der Tisch“ vorgelegt hat, und Elisabeth Walter-Bense, die maßgeblich zu einer frühen Ponge-Rezeption in Deutschland beigetragen hat, mit dem Romanisten Jean-Pierre Dubost und dem Literaturkritiker Joachim Kalka im Literaturhaus Stuttgart, Breitscheidstr. 4, 70174 Stuttgart am 03.07.2013 um 20 Uhr.
»Kein Gedicht ist je ausgenommen von einer Nichtigkeitsbeschwerde seitens des Gedicht–Objekts, auch nicht von einer Anklage der Fälschung. / Das Objekt ist immer wichtiger, interessanter, rechts–fähiger (voll ausgestattet mit Rechten): es hat mir gegenüber keinerlei Pflicht, ich bin es, der im Blick auf es alle Pflichten hat. / […] ich darf auf eine poetische Form nie aus sein, nie dabei stehenbleiben – und doch ist diese ein notwendiger Moment im Verlauf meines Wissen–Wollens, weil sie ein Spiegelspiel ermöglicht, das gewisse verborgene Aspekte des Objekts zum Vorschein bringen kann. Der Zusammenstoß der Wörter, die verbalen Analogien sind eines der Mittel, das Objekt zu erforschen. / Niemals versuchen, die Dinge zu arrangieren. Die Dinge und die Poeme sind unversöhnbar. / Es geht darum, sich bewußt zu sein, ob man ein Gedicht machen oder einem Ding gerecht werden will […]. / Es ist das zweite Glied der Alternative, für das mein Sinn (ein heftiger Sinn für die Dinge, und für den Fortschritt des Geistes) sich ohne Zögern entscheidet. « Franics Ponge: Das Notizbuch vom Kiefernwald und La Mounine. Deutsch von Peter Handke. Frankf./M. 1982.
03.07.2013 | Prosa : Lyrik - Sieben zu Eins Seit 1984 ist litprom Anlaufstelle für die Förderung von Übersetzungen belletristischer Werke aus Afrika, Asien und Lateinamerika ins Deutsche. Das Programm soll den literarischen Kulturaustausch verstärken und die Veröffentlichung wichtiger Werke zeitgenössischer Autorinnen und Autoren aus den genannten Regionen befördern.
Vorrangig gefördert werden Werke von zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, die bisher gar nicht oder nur unzureichend in deutscher Übersetzung vorliegen sowie Werke aus Ländern, deren Literatur nur unzulänglich auf dem deutschsprachigen Buchmarkt vertreten ist. Das Programm wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia finanziert.
Im Juni wurden gerade Mittel für fast ausschließlich belletristische Übersetzungsprojekte deutscher und schweizer Verlage bewilligt. Immerhin ein Lyrikprojekt erhielt Unterstützung: das Langgedicht Ministerium der verletzten Gefühle von Altaf Tyrewala aus Indien. Originaltitel: Ministry of Hurt Sentiments. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender, erscheint zweisprachig bei Berenberg, Berlin im August 2013.
Aus der Verlagsvorschau:
»Diese Stadt diese Stadt« – ratlos und empört, fasziniert und entsetzt sieht man mit Altaf Tyrewala auf seine Heimat Mumbai und die 18 Millionen Menschen, die hier tagtäglich versuchen, sich ein Leben im Chaos zu erkämpfen. Und oft genug verlieren. Der Teeverkäufer Ganesh zum Beispiel, dessen Straßenstand einer Bushaltestelle Platz machen muss und der sogar beim Selbstmord noch Pech hat. Oder Bhanu, eine Dalit, die in einer Hütte neben dem Luxushochhaus ihres Herrn verreckt. Tyrewala lässt sie in seinem zornigen Langgedicht atemlos vorüber ziehen und schafft ein einzigartiges Panoptikum des Lebens in einer entfesselten Metropole unter den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus; in einem Land, das sämtliche Widersprüche dieserschönen neuen Welt auf sich vereinigt. Ein Waste Land für unsere Zeit."
02.07.2013 | Schädelnerven und Politik Das Literarische Zentrum Göttingen in Kooperation mit dem Institut für Germanistik (JLU) lädt am 3. Juli wieder zu der Reihe „Georg Büchner – Literatur/Wissenschaft“ ein. Unter dem Motto „Politisch dichten“ ist die Schriftstellerin Daniela Danz zu Gast. Die Veranstaltung beginnt um 19.15 Uhr im Ernst-Leitz-Hörsaal, Institut für Biochemie, Friedrichstraße 24.
»Daniela Danz spielt mit Perspektivwechseln zwischen Zeiten und Kulturen. Sie erblickt mit Euripides auf dem Taurisberg den Tempel der Iphigenie und befindet sich zugleich in Balakawa, wo Stalin einen Atombunker baute und die U-Boote der Schwarzmeerflotte in getarnten Felsentunneln mit tödlicher Fracht beladen ließ. Einst von der Landkarte getilgte oder vergessene Orte kommen zur Sprache, gar nicht elegisch, eher erfrischend salopp.« Dorothea von Törne.
Leseprobe aus Pontus:
Daniela Danz
Masada
Wenn du dann stehst wo es still ist dass du
es merkst wenn das Denken aufhört und
das Hören anfängt wenn das Hören aufhört
und das Sehen anfängt wenn ein Vogel
fliegt wenn du als schwarzer Vogel gleitest
und schreist wenn du zu sprechen ansetzt
in der klaren Luft und von nichts sprechen
kannst als dem Licht so als wäre es das erste
Licht wenn du einen Schatten auf den Fels
wirfst und sagst mein Schatten bleibt
und der Fels vergeht wenn für jetzt wahr ist
dass es gut ist den ganzen Einsatz zu wagen
kannst du die Wüste mit Namen nennen
02.07.2013 | Langpoem als Frankfurter Premiere Matthias Göritz und Hubert Spiegel sprechen am Mittwoch, den 03. Juli um 19.30 Uhr in der Historischen Villa Metzler in der Reihe Frankfurter Premieren über das buchlange Gedicht "Flow Chart" von John Ashbery, das nun ins Deutsche übersetzt wurde und auf der SWR Bestenliste für Juni steht.
Vom Großmeister der amerikanischen Lyrik, John Ashbery, ist weit mehr zu erwarten als Gedichte, die sich reimen oder „Sinne“ machen. Oder wem erschließt sich die Zeile "Eine Schneeflocke, die brennt wie der Kuss eines Zauberers" bereits beim ersten Lesen? Romantische Sehnsucht und der Formwille der Avantgarde prägen die Gedichte Ashberys. Sein Langpoem "Flow Chart" können sich, dank des übersetzerischen Bravouraktes von Matthias Göritz und Uda Strätling, nun auch deutschsprachige Leser erschließen. Matthias Göritz, selbst ein virtuoser Lyriker, unterhält sich mit dem Literaturkritiker der F.A.Z., Hubert Spiegel, über John Ashbery, seinen Band "Flow Chart", die Kunst der Übersetzung und sie werfen vielleicht sogar einen Seitenblick auf den Zustand der amerikanischen Gegenwartsliteratur. S.a. Rezension von Klaus Martens.
02.07.2013 | Kunst des Ofenschürens Zwischen Liebesglut und Feuerschlünden - Reale und symbolische Feuer in der Poesie. Ein Höressay von Carola Wiemers am Dienstag um 19:30 Uhr im Deutschlandradio Kultur.
Poetischer Klangraum eines Elements, dem Fortschritt und Verderben eingebrannt ist. Das Element Feuer ist "zutiefst innerlich" und "universal", so der französische Philosoph Gaston Bachelard. Es leuchtet am Horizont und lodert in unserem Inneren. Es wird als elektrisches, phosphoreszierendes Feuer genutzt und ist doch der "Brand der Apokalypse". Die romantische Träumerei vor flackernden Holzscheiten oder einem wärmenden Kamin gilt als der Inbegriff des Kontemplativen und ist zugleich ein Sinnbild des Friedens. Es ist diese Unfassbarkeit des Elements, die Dichter wie Friedrich Schiller, Annette von Droste-Hülshoff, Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht, Ingeborg Bachmann oder Peter Huchel faszinierte.
In Gedichten, Balladen, Sonetten wird die Kunst des Ofenschürens zelebriert und es ist von der kunstvollen Fähigkeit des Schmiedens von Eisen und Glas die Rede. Hymnisch wird der Titan Prometheus gefeiert, der den Menschen das Feuer gebracht haben soll. Freude und Schmerz liegen in dieser Heldentat nah beieinander, da Prometheus sich damit dem göttlichen Verbot widersetzte.
02.07.2013 | Kinderreime am Moldauufer Um den Jahreswechsel herum erschienen und bislang ohne große Resonanz geblieben ist der Band 2 der Gesammelten Werke des tschechischen Dichters Vladimír Holan mit den versammelten Gedichten aus den Jahren 1937-1954: Lärmschatten. Ohne Titel. Mozartiana.
Der Band enthält drei Lyriksammlungen, deren Entstehung in die Jahre 1937 bis 1954 fällt – d.h. in die Zeitspanne von der wachsenden Bedrohung der Tschechoslowakei durch Hitler bis zur Erstarrung des Landes im Schatten Stalins. Das Jahr 1937 markiert denn auch die Geburtsstunde des politischen Dichters Holan. Gleichsam als emotionales Gegengewicht, hat er diesen düsteren Jahren neben engagierter Lyrik aber auch poetische Zyklen von zum Teil strahlender Lebensfreude abgerungen: so die Bände ‚Lärmschatten‘, ‚Ohne Titel‘ und ‚Mozartiana‘, die hier erstmals in deutscher Übertragung vorgelegt werden. Während draußen der Einmarsch Hitlers droht, der Weltkrieg tobt und Schauprozesse eröffnet werden, schmiedet Holan in seiner Klause am Moldauufer scheinbar unbeeindruckt Kinderreime, grübelt über gnostischen Paradoxien und besingt seinen Lieblingskomponisten Mozart.
Vladimír Holan
Novembersturm
Die Schollen: kein Pastell … Nur Schmutzflecke von Krähen.
Dort, wo der See in Immergrün und Sommer nieste,
dort teilt uns jetzt ein raueres, ein jähes Sehen.
Als Finger zittert an der Wand das aufgesprießte
Senkreis: Abglanz des Winds, geschwind, ein Schattenwehen.
Der Inhalt fiel, der Stil … der Pflaumenbaum, als hätte
Sein eigner Kern ihn jetzt zu Fall gebracht, bei Glätte.
Aus: Gesammelte Werke in 14 Bänden, u.a. Lyrik I, 1932-37, 2003/2005. Übertragung Urs Heftrich
(erschienen zunächst im Mutabene Verlag, nun betreut vom Winter Verlag in Heidelberg)
01.07.2013 | Aspekte der Entzündlichkeiten Die Darmstädter Lesebühne widmet sich am Mittwoch, den 3. Juli, 19.30 Uhr im Literaturhaus, Kasinostraße 3, der Rezeptionskultur von aktueller Lyrik. Unter dem Motto „Lyrik. Lesen.“ wollen wir der Frage nachgehen, wie verstehen wir Gedichte? Und wie verändert sich dieses Verständnis, sobald sich die Form in der Darstellung ändert – konstativ in der Schrift, performativ im Tonfall der Stimme? Mit dem international renommierten Germanisten und Lyrikexperten Peter Geist aus Berlin, der auch seinen kürzlich in Moskau gehaltenen Vortrag „Auf die schönen Possen – Aspekte zivilisationskritischen Insistierens" halten wird, sowie den Lyrikern Walter Fabian Schmid (Biel/Schweiz), Martina Weber (Frankfurt am Main) und Andrea Dobrowolski (Mainz). George Goodman, selbst Lyriker und Komponist, wird den Abend musikalisch begleiten und ebenfalls Gedichte vortragen. Moderation: Kurt Drawert. Der Eintritt ist frei.
01.07.2013 | Ganz in Weiß Neu im UbuWeb ein Hörspiel von Rainer Werner Fassbinder von 1970. In streng strukturierter, fast mathematischer Form soll der Geschichte eines Fürsorgezöglings nachgehört werden. Von Schlagern, Befehlen, Realgeräuschen über Interviews mit Sozialhelfern, Zöglingen, Eltern bis zu fiktiven Dialogen unter den Zöglingen soll die Frage untersucht werden, wie sehr Sprache, Musik und Geräusche als Mittel zur Unterdrückung, zur Fehlentwicklung und zur Asozialisierung eines Menschen in einem nur leicht extremen Lebensbereich benutzt werden können. - Der Mensch ist ein Ergebnis.
Regie: Peer Raben | Komposition: Gottfried Hüngsberg | Darsteller: Hanna Schygulla, Kurt Raab, Günther Kaufmann u.a.
01.07.2013 | Free Nation! Die Erste ist raus! Kein roter Teppich, kein Konfetti, kein Brimborium, nur die erste Ausgabe des neuen Zines Rogue Nation. Mit Texten von von Jürgen Landt, Johannes Witek, Marco Kerler, Jerk Götterwind, Urs Böke, Benedikt Maria Kramer und Clemens Schittko. Dazu gibt's ein Interview mit Tony O'Neill. Das Titelfoto ist von Tom Hunter und drei Rezensionen gibt's auch noch oben drauf. Das isses - fürs erste.
01.07.2013 | Sichtbares Denken „Das Lieblingswerkzeug des akribischen Zeichners, der Bleistift, baumelt, wie von Geisterhand bewegt, in der Luft. Kugeln, Röllchen, Spiegel und bizarre Netzstrukturen arrangiert Gansterer zu dreidimensionalen Gedankenmaschinen, die er mit brüchigen Wortfetzen beschreibt. Von der Linie sei man schnell bei der Schrift, erklärt der Künstler, und generell stehe die Linie sehr stark im Zentrum seiner Arbeit. Im Vergleich zur Fläche sei die Linie etwas vielfach Fragileres und in der Kunst oft unterschätzt. Denkt man aber an mathematische Kurven oder aktuelle Börsenkurse wird deutlich, welche Macht sie versinnbildlichen kann. … Gansterer zeichnet und zeigt (die beiden Wörter sind ethymologisch verwandt) seine Arbeiten überwiegend mit Kreide auf Tafeln. Die losen Kreidepigmente und die Möglichkeit, sie immer wieder auslöschen zu können, stehen symbolisch für die Beweglichkeit und Unbeständigkeit des Gezeigten. Hypothesen eben.“ Stefan Weiss in derStandard.at über die aktuelle Ausstellung WHEN THOUGHT BECOMES MATTER AND MATTER TURNS INTO THOUGHT von Nikolaus Gansterer im Kunstraum Niederösterreich in Wien.