Prosa
Barackenleben
Draußen im Flur huschen Schatten vorbei, steht der Hecht im Eingang, und auf dem Vorplatz unterhält sich, eng zusammenstehend, eine Gruppe Arbeiter bei laufendem Motor eines kleinen, abgewrackten Kleintransporters mit einer Ladung Holz. Ich sah solche Gruppen, Gruppen der proletarischen Verschworenheit, beratend, fachsimpelnd, Arbeitspläne aushandelnd, oft zusammenstehen, und ich gebe zu, ich sah sie gerne so stehen und miteinander reden über Dinge, die allein sie angehen und die sie einander - wie - lange noch - nahe hält. Wie sie dort standen und redeten, erinnerte sich etwas in mir, auf dessen Anlass ich bis heute nicht zurückgreifen kann, an Zeiten, die mit Zuständigkeit und Kompetenz ausgestattet waren. Ihre Blicke trafen einander mit Achtung und ihre Worte waren auf Dinge gerichtet, die unsichtbar waren und die sie auf eine unerklärbare Weise miteinander solidarisch machten.
Große Krähenvögel bewegen sich wie arhythmisch in ein Jazzstück eingespielt zum knatternden Motorengeräusch und zur chorhaft verhaltenen Vielstimmigkeit der immer noch beratenden Arbeiter, unbeholfen unter der jetzt stechenden Sonne in einem fahlgelben Licht zwischen den Sträuchern auf dem Wiesenstück zwischen den Baracken, um die angebissenen, aus den Fenstern geworfenen Stullen und liegengeblieben Kuchenstücke von gestern zu ergattern, die zur Frühstückszeit der fahrende Bäcker brachte, vor dessen geöffneter Rücktür sie alle irgendwann in den Morgenstunden immer Schlange stehen, um sich mit Gebäck und Brot für Pausen und die Familie einzudecken. Oft beschleicht mich ein Gefühl, für das ich meinen Kollegen sofort still Abbitte leiste, dass sie dieses Schlangestehen wie eine liebgewordene Pflichtschuldigkeit der Vergangenheit gegenüber absolvieren, die Stimmung ist dann immer besonders gut, viele lachen plötzlich befreit auf, man gerät in Körperkontakte und tauscht sich über Kleidung und Frisuren des heutigen Tages aus. Dieses ungezwungene, so ungeübt wirkende Lachen der Frauen, - es springt harmonisch hinein in das Konzert mit knatterndem Motorengeräusch, verhalten geführter Männerberatung und in die gellenden Kurzmeldungen der Krähenvögel.
Wenn ich einmal einige Zeit außerhalb in den Clubs oder im Haupthaus gewesen bin, überrascht mich die Frau, die in ihrem ganzen Sein das Abrackern verkörpert, mit frisch gewischtem Linoleum, abgewischten Tischen, geleerten Papierkörben. Jedes Mal erklärt sie auf mein nur noch im vorläufigen Beleidigtsein darstellbares Unverständnis, dass sie bis zum Feierabend noch genug Zeit gehabt habe und die Baracke nicht eher verlassen dürfe, da man sie kontrolliere und anschwärze.
Was hat man mit den Menschen gemacht, vor dem Zusammenbruch, nach dem Zusammenbruch, frage ich, möchte ich hinaus rufen und sie alle schütteln, diese in ihren starrsinnigen Selbstgefällig- und Vergesslichkeiten Verletzten und will sie beschämen: mit ihren Gesichtern auf ihre Gesichter halten...,
und die Taubheit und allergisch reaktive Ablehnung, die ich jedes Mal bei der vorsichtig eingeleiteten Nennung des Wortes Solidarität auslöse, sie verhöhnt mich, verbeißt sich in mir wie ein giftiger Sauger, der nur noch stillhalten lässt: Du hast doch keine Ahnung. Du hast gut Sagen, wir wissen es besser, unsere Hierarchie stimmt, jetzt, immer noch oder gerade jetzt und heute.
Es tröstet nicht mehr, was mich oftmals stolz, ja mit kleinen, selbstzweiflerischen Abstrichen für Momente glücklich fühlen ließ: wenn Menschen, zum Beispiel Bürgermeister, Beamte, Kolleginnen aus anderen Jugendeinrichtungen, mit denen ich monatelang zu tun hatte, schriftlich, telefonisch, in Verhandlungen, nach einer beiläufigen Bemerkung zu meiner Herkunft erstaunt ausriefen: Was? Sie sind aus dem Westen? Das hat man Ihnen nicht angesehen. Das hat man Ihrer Sprache nicht angemerkt, beileibe nicht.
Da muss etwas an nachgiebiger Energie gewachsen sein, bei mir, in mir, beileibe, das leichter zurückweicht, sich anpasst, Verstehen, Verstehenkönnen vermittelt, dachte ich. Hat es nur mit der Sprache zu tun? Habe ich schneller gelernt, trotz der inneren Widerstände? Und wie schnell haben sie das gelernt, was sie immer lernen wollten, das Wählen aus einer Fülle von Konsumgütern mit kleiner Geldbörse! Überall auf den Tischen, in den Schränken, liegen die Kataloge und Prospekte von Quelle, Otto, Klingel, Roller, Ives Rocher, herum!
Ich war über 30 Jahre alt, als ich das erste Mal in meinem Leben in einem Quelle-Katalog Anfang der 80er Jahre blätterte, es war in einem kleinen böhmischen Dorf in der CSSR, wo man ihn mir zeigte und mich dazu mit Fragen löcherte, und in dem Zuge wollten sie von mir wissen, was bei uns ein mittlerer Polizeibeamte im Durchschnitt verdiene.
Große Krähenvögel bewegen sich wie arhythmisch in ein Jazzstück eingespielt zum knatternden Motorengeräusch und zur chorhaft verhaltenen Vielstimmigkeit der immer noch beratenden Arbeiter, unbeholfen unter der jetzt stechenden Sonne in einem fahlgelben Licht zwischen den Sträuchern auf dem Wiesenstück zwischen den Baracken, um die angebissenen, aus den Fenstern geworfenen Stullen und liegengeblieben Kuchenstücke von gestern zu ergattern, die zur Frühstückszeit der fahrende Bäcker brachte, vor dessen geöffneter Rücktür sie alle irgendwann in den Morgenstunden immer Schlange stehen, um sich mit Gebäck und Brot für Pausen und die Familie einzudecken. Oft beschleicht mich ein Gefühl, für das ich meinen Kollegen sofort still Abbitte leiste, dass sie dieses Schlangestehen wie eine liebgewordene Pflichtschuldigkeit der Vergangenheit gegenüber absolvieren, die Stimmung ist dann immer besonders gut, viele lachen plötzlich befreit auf, man gerät in Körperkontakte und tauscht sich über Kleidung und Frisuren des heutigen Tages aus. Dieses ungezwungene, so ungeübt wirkende Lachen der Frauen, - es springt harmonisch hinein in das Konzert mit knatterndem Motorengeräusch, verhalten geführter Männerberatung und in die gellenden Kurzmeldungen der Krähenvögel.
Wenn ich einmal einige Zeit außerhalb in den Clubs oder im Haupthaus gewesen bin, überrascht mich die Frau, die in ihrem ganzen Sein das Abrackern verkörpert, mit frisch gewischtem Linoleum, abgewischten Tischen, geleerten Papierkörben. Jedes Mal erklärt sie auf mein nur noch im vorläufigen Beleidigtsein darstellbares Unverständnis, dass sie bis zum Feierabend noch genug Zeit gehabt habe und die Baracke nicht eher verlassen dürfe, da man sie kontrolliere und anschwärze.
Was hat man mit den Menschen gemacht, vor dem Zusammenbruch, nach dem Zusammenbruch, frage ich, möchte ich hinaus rufen und sie alle schütteln, diese in ihren starrsinnigen Selbstgefällig- und Vergesslichkeiten Verletzten und will sie beschämen: mit ihren Gesichtern auf ihre Gesichter halten...,
und die Taubheit und allergisch reaktive Ablehnung, die ich jedes Mal bei der vorsichtig eingeleiteten Nennung des Wortes Solidarität auslöse, sie verhöhnt mich, verbeißt sich in mir wie ein giftiger Sauger, der nur noch stillhalten lässt: Du hast doch keine Ahnung. Du hast gut Sagen, wir wissen es besser, unsere Hierarchie stimmt, jetzt, immer noch oder gerade jetzt und heute.
Es tröstet nicht mehr, was mich oftmals stolz, ja mit kleinen, selbstzweiflerischen Abstrichen für Momente glücklich fühlen ließ: wenn Menschen, zum Beispiel Bürgermeister, Beamte, Kolleginnen aus anderen Jugendeinrichtungen, mit denen ich monatelang zu tun hatte, schriftlich, telefonisch, in Verhandlungen, nach einer beiläufigen Bemerkung zu meiner Herkunft erstaunt ausriefen: Was? Sie sind aus dem Westen? Das hat man Ihnen nicht angesehen. Das hat man Ihrer Sprache nicht angemerkt, beileibe nicht.
Da muss etwas an nachgiebiger Energie gewachsen sein, bei mir, in mir, beileibe, das leichter zurückweicht, sich anpasst, Verstehen, Verstehenkönnen vermittelt, dachte ich. Hat es nur mit der Sprache zu tun? Habe ich schneller gelernt, trotz der inneren Widerstände? Und wie schnell haben sie das gelernt, was sie immer lernen wollten, das Wählen aus einer Fülle von Konsumgütern mit kleiner Geldbörse! Überall auf den Tischen, in den Schränken, liegen die Kataloge und Prospekte von Quelle, Otto, Klingel, Roller, Ives Rocher, herum!
Ich war über 30 Jahre alt, als ich das erste Mal in meinem Leben in einem Quelle-Katalog Anfang der 80er Jahre blätterte, es war in einem kleinen böhmischen Dorf in der CSSR, wo man ihn mir zeigte und mich dazu mit Fragen löcherte, und in dem Zuge wollten sie von mir wissen, was bei uns ein mittlerer Polizeibeamte im Durchschnitt verdiene.