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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Ernst Bloch knüpfte das Naturrecht einst eng an die Idee der menschlichen Würde und die „Orthopädie des aufrechten Gangs“. Ihm ging es darum, den Rücken nicht vor Königsthronen zu krümmen und so zu einem neuen und „stolzen Begriff des Menschen als einem nicht kriecherischen, reptilhaften, vielmehr einem mit hoch erhobenem Kopf“ zu kommen. Der aufrechte Gang sei jenes Moment, das „uns verpflichtet und uns vor den Tieren auszeichnet und unterscheidet." Würde hat nur, wer anders als Wurm, der Haussekretär des Präsidenten von Walter und buckelnder Intrigant in Schillers Kabale und Liebe, aufrichtig und mit erhobenem Haupt durch die Welt geht. Gehen? Wer geht heute noch? Wer hat die Zeit? Wer braucht diese Einsamkeit? Wir nehmen den Bus und die Bahn, fahren mit dem Auto zur Arbeit. Wir fliegen und skaten und nutzen die Schiffe und Fähren. Aber wir gehen ganz selten. Ich meine nicht den Sonntagsmorgen- oder Osterspaziergang, sondern eher das, was einem Marsch nahe kommt, das stundenlange, tagelange Wandern bis die Füße bluten, die Sohlen durch sind, das Herz vibriert, der Rücken und jeder Muskel schmerzt. Von dieser Art des Gehens erzählt der norwegische Schriftsteller Tomas Espedal. Er verlässt sein Haus und seine Familie, er geht. Durch halb Europa. Er geht über die Felder, den Asphalt, durch die Städte und Dörfer. Er wird zum Landstreicher, um seine Würde wieder zu finden. Er geht bis zur totalen Erschöpfung und darüber hinaus. Und wenn er über seinen Gang durch die Welt und die europäische Literatur schreibt, dann spürt man förmlich dieses erschöpfte, auf sich selbst zurückgeworfene Ich ganz deutlich. Dann ist seine Sprache unheimlich klar und intensiv, dann geht Espedal in wenigen Worten bis auf den Grund seines Selbst, und wir folgen ihm sogleich nach, immer auch auf den Spuren von Stevenson, Burroughs, Thoreau, Kerouac und Chatwin, und getragen von der Unruhe Pessoas. Merkwürdig ist das dennoch. Denn da ist einer, der schreibt über das Gehen, und wir lesen davon sitzend oder liegend. Immer ist das Gehen, der aufrechte Gang, das eigentlich Abwesende bei der Lektüre. Wer liest oder schreibt, der geht nicht. Aber aufbrechen will man schon, permanent losgehen, raus in die Wälder, weg von zu Hause, in die Ferne, die Fremde, und doch bleibt man magisch gefesselt von den Seiten dieses Buches und kommt nicht los. Erst am Ende werden wir den Blick vom Buch heben und uns ernsthaft fragen: „Bist du bereit? Bist du bereit, den Rucksack zu schultern und die offene Straße einzuschlagen?“ Bis du bereit für den aufrechten Gang und die Tagträumereien, die sich dann ganz von selbst einstellen? Bist du bereit, all deine Schmerzen zu vergessen und mit erhobenem Haupte durch die Welt zu gehen?
Wer auch immer bereit ist, sollte Espedals Buch in seinen Rucksack packen. |
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