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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Von Georg Patzer Wie kann man weiterleben, wenn man jemanden ermordet? Wie kann man diese Last nur aushalten? Und was macht das mit einem? Selbst ein Totschlag ist ja schlimm, oder das Erschießen eines Feindes im Krieg, sogar ein Akt der Selbstverteidigung. Wie in dem Fall des 16-Jährigen, der im russischen Bürgerkrieg in der südrussischen Steppe auf einen anderen jungen Mann trifft: Sofort erschießt der Angreifer sein Pferd und reitet auf den scheinbar Wehrlosen zu, hebt schon sein Gewehr. Mit zwei Revolverschüssen trifft der 16-Jährige den Angreifer in die Brust. Und als er sich über ihn beugt, öffnet der noch einmal die Augen. Noch Jahre später muss er immer wieder an diese Szene denken, an die Hitze, seine Müdigkeit, an die Schüsse und an die Augen des Fremden, den er umgebracht hat. Man kann sich sein Erstaunen vorstellen, als er 15 Jahre später ein Buch von einem Alexander Wolf liest und darin die Geschichte seines „Mordes“ wiederfindet, detailliert beschrieben, aus der Perspektive des Erschossenen. Es ist schon eine seltsame, fast parabelhafte Geschichte, mit der der russische Autor Gaito Gasdanow (1903 – 1971), in seiner Heimat längst ein Klassiker, in Deutschland bekannt gemacht werden soll. Dabei ist die Erschütterung des Ich-Erzählers verständlich. Denn plötzlich ist sein ganzes Leben auf einer Täuschung aufgebaut, auf einem Irrtum. Wo das Zentrum seiner Existenz war, seine Schuld, ist jetzt plötzlich eine Leere. In Paris, in der russischen Exilgemeinde, trifft er Wolf, sein „Opfer“, zufällig, und auch der hat sich verändert: Die Nähe zum Tod hat ihn zu einem zynischen Menschen gemacht, den nichts mehr berührt. Der Ich-Erzähler begegnet dort auch einer faszinierenden Frau und beginnt eine Affäre, die ihn ebenso durchschüttelt wie die Begegnung mit Wolf. Denn statt eine flüchtige Liebelei zu haben wie sonst beginnt Jelena, sein ganzes Dasein zu durchziehen, ist in seinen Gedanken, beeinflusst sein Leben. Und wieder fallen Schüsse.
Gasdanow denkt über
trügerische Erinnerungen nach, über die Momente, die ein Leben für immer
verändern können, über Zufälle und über den Verlust der „normalen menschlichen
Vorstellungen vom Wert des Lebens“. Leider ist nicht alles glaubhaft, was er
erzählt, manches ist überkonstruiert, und die Zufälle werden ein wenig zu sehr
strapaziert. Das größte Manko des schmalen Romans aber ist, dass der
Ich-Erzähler an vielen Stellen zu ausführlich wird, seine Satzperioden etwas zu
ermüdend ausschweifend und langatmig. In den Passagen dagegen, in denen er nur
beobachtet und beschreibt, ist er ein großer Stilist, und wie Nabokov, der ihn
bewundert hat, zeigt er uns, wie wichtig alle Details sind, und wie sehr sie uns
immer wieder in die Irre führen können. Den Schluss muss jeder selbst ziehen.
Oder die Schlüsse. |
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