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Ein schändliches Versagen
Wie die Medien Guttenbergs Verzicht behandeln
Von Gregor Keuschnig
Zwei Aussagen des Verteidigungsministers zu Guttenberg am
Montag auf der inzwischen fast berühmten
Wahlkampfveranstaltung der CDU zum Kommunalwahlkampf
(!) in Hessen sind bemerkenswert: Zum einen erklärt er seinen dauerhaften
Verzicht, den Doktortitel zu führen. Und zum anderen "gestand" er einen
"Blödsinn" geschrieben zu haben.
Der "Blödsinn" wurde von der Universität in Bayreuth mit "summa cum laude"
bewertet. Damit gibt er der Universität und seinem Doktorvater noch nachträglich
einen Tritt. Und auch die zahlreichen plagiierten Autoren werden indirekt
beleidigt, denn allzu viel Eigenanteil soll die Doktorarbeit ja nicht aufweisen.
Wie ein ertappter Ladendieb nun glaubt, mit der Rückgabe der gestohlenen
Produkte die Angelegenheit erledigen zu können und einer Strafverfolgung zu
entkommen, so gibt zu Guttenberg nun den Doktortitel "dauerhaft" zurück. Was bei
14jährigen, die eine Tube Haargel haben mitgehen lassen noch gerade akzeptabel
ist, verbietet sich jedoch bei einem Minister gleich zweifach: Erstens wußte der
Mann genau, was er tut. Und zweitens beweist er damit erneut, wie marginal seine
Kenntnisse über den wissenschaftlichen Betrieb sind. Tatsächlich kann man
nämlich keinen Doktortitel zurückgeben oder ablegen. Man bekommt ihn zuerkannt -
oder auch aberkannt.
Es ist schon erstaunlich wie schnell die ansonsten ach so kritischen
Journalisten bereit sind, sich von dieser nassforschen Aktion einwickeln zu
lassen. In nahezu allen Medien war am Dienstag zu lesen, zu Guttenberg habe auf
seinen Doktortitel "verzichtet" (FAZ,
Welt,
Focus,
Handelsblatt, usw.). Als Meldung ist dies natürlich
korrekt. Aber ohne die Erläuterung, dass dies gar nicht möglich ist, wird aus
der Meldung genau das, was der Minister wollte: ein unhinterfragbarer
Tatbestand. Dabei wäre es gerade wichtig, die Unvereinbarkeit dieses Verzichts
mit den universitären Regeln herauszustellen, weil dies nicht allen per se
bekannt sein dürfte.
Stattdessen wird der "Verzicht" nun in allen Talkrunden als normatives Faktum
dargestellt - und diskutiert. Dass die Bundeskanzlerin als Vorsitzende der
"Bildungsrepublik Deutschland" hier mitspielt - obwohl sie es besser weiß - ist
nicht nur keine Entschuldigung, sondern Teil dieses blamablen Schmierentheaters.
Vorläufiger, trauriger Höhepunkt: Führende Unionspolitiker versuchen, den
Verzicht als Tugend umzudeuten. Indem jedoch in den Medien der Verzicht des
Doktortitels als satisfaktionsfähige Reaktion diskutiert (auch kontrovers
diskutiert) wird, geht man dem Minister schon auf den Leim. Da hilft auch das
trotzige Bekenntnis der Universität Bayreuth, man sei alleiniger
Verfahrensführer, nicht weiter: Wenn die Journalisten dies nicht entsprechend
einordnen, sondern nur als Statement unkommentiert abfilmen, entsteht der
Eindruck, hier fuchtelten autistische Elfenbeintürmer mit einem stumpfen Säbel.
Tatsächlich offenbarte schon der am Wochenende angekündigte vorübergehende Verzicht auf das Führen des Doktortitels ein "neofeudales"
Verständnis nicht nur des Wissenschaftsbetriebs. Wenn nun die Bundeskanzlerin
dieses Verständnis übernimmt, sind wir nicht mehr weit von einem autokratischen
Machtverständnis, indem die politische Klasse sich gegen Regeln und Vorschriften
immunisieren kann. Machtpolitisch mag Merkels Festhalten an zu Guttenberg
geboten sein. Auf Dauer ist ein solches Goutieren nach Gutsherrenart ein fatales
Zeichen. Es wäre notwendig, dass die Journalisten hierauf hinweisen. Ich habe
gestern nur auf
tagesschau.de in einem Dossier einen eindeutigen
Hinweis darauf gefunden, dass der Verzicht nicht möglich ist. Im klassischen
Massenmedium - dem Fernsehen - kam dies nicht oder höchstens nur in einem
Halbsatz vor. Damit arbeiten die Journalisten dem Abschreiber in die Hände. Ein
schändliches Versagen.
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Foto: Dirk Vorderstraße
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Namensnennung 3.0 Unported lizenziert.
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