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Erwischt & doch
entkommen
Nach dem Relaunch der »Süddeutschen Zeitung«
Von Wolfram Schütte
Jetzt hat er auch sie erwischt: nämlich der so
genannte Relaunch, der nun leider auch die SZ erreicht hat!
Im Konzert der großen überregionalen deutschsprachigen Qualitäts- &
Printzeitungen war die »Süddeutsche Zeitung« immer etwas Besonderes - besonders
zuletzt auch deshalb, weil sie den Relaunch bislang vermieden hatte, dem sich im
Laufe der letzten Jahre die »Zeit«, die FAZ , die NZZ - & am radikalsten leider
auch die einstens satisfaktionsfähige FR unterzogen haben.
Ab Montag dieser Woche ist das Erscheinungsbild der bayerischen Tageszeitung
verändert - nicht gerade besonders auffällig, aber doch bemerkbar für den Kenner
& Liebhaber.
Die SZ war aber vorsichtig, was ihr ein Relaunchfreak bei der TAZ sogleich
höhnisch vorwirft, weil er zu wenig Auffälliges an ihr nun bemerkt hat.
Dabei ehrt es die SZ eher, dass sie ihr Layout nicht mehr
als unbedingt nötig verändert hat; dass sie - wie ihr Chefredakteur nun
offenbart - erst »unter den Redakteuren und dann unter den Lesern erforscht«
hatte, »was bleiben soll, was verändert werden kann und was gemacht werden
muss«; und dass der Chefredakteur Kurt Kister zwischen den Zeilen seiner kleinen
journalistigen Begleitmusik zum neuen Layout der SZ den Lesern sein
Unbehagen vermittelt über die grassierende Große Relauncherei. Möglicherweise
hat es die Redaktion einige Mühen gekostet, eben dies abzuwehren.
Die angeblich zeitopportunen Layout-Veränderungen bedeuteten aber für die SZ, so
Kister, glücklicherweise nur eine »neue Garderobe, die zu ihr und vor
allem zu ihren Lesern und Freunden passt«. So etwas hört man gerne, vor allem,
wenn es auch noch stimmt wie in diesem Fall.
Kister, der einem Printprodukt vorsteht, das zwar mehr als ein halbes
Jahrhundert alt, aber dadurch nicht im geringsten altersschwach ist, betont
weiter mit schneidender Ironie, die SZ werde nicht »gebotoxt, nicht
verschnitten, und Silikon kriegt sie auch nicht«.
Der bärbeißige Chefredakteur, der als klassischer Bayer kein Blatt vor den Mund
nimmt, wenn es grundsätzlich um die bundesweit angesehene Zeitung geht, hält
auch jetzt mit seiner (sehr berechtigten) Aversion gegen »österreichische oder
spanische Designschamanen« oder den in der Zeitungsbranche derzeit besonders
häufig auftretenden »Unternehmensberatern, Design-Consultants und
Digital-Nerds, die fordern, dass man alles kürzer, bunter und netzaffiger machen
solle», nicht hinterm Berg.
Das Relaunchen, schreibt endlich einmal ein davon
Betroffener, »erfreut oft die Leser mäßig und hebt die Abozahlen wenig«.
Kister ist hier sehr vorsichtig bzw. zu höflich.
Denn von einem Jubilate bei Lesern nach einem Zeitungsrelaunch hat man bisher
noch nicht gehört; und noch weniger davon, dass daraufhin die Abonnements- und
Verkaufszahlen der Printmedien in die Höhe gegangen oder gar geschossen wären.
Eher ist das Gegenteil an der Tagesordnung, wenn man z.B. an den unaufhaltsam
fortschreitenden Trauerfall der FR denkt, die sich zumindest als
konkurrenzfähige Überregionale durch ihr Tabloidformat, das als herausragendes
»Alleinstellungsmerkmal« ihres letzten Relaunchs einst gefeiert wurde, immer
näher an den Untergang gelauncht hat.
Denn der Printzeitungsleser, der in dem von ihm gewählten Produkt mehr sieht
als bloß eine »Content»-Sammlung, ist konservativ & schätzt den
spezifischen Charakter seiner Zeitung, mit der ihn oft eine längere Lebens-, wo
nicht gar eine (unausgesprochene) Liebesbeziehung verbindet. Das erkennt auch
Kurt Kister, daher rührt seine erkennbare Reserve gegenüber den Relaunchwünschen
der SZ-Verlagseigentümer, denen er aber sogleich ins Stammbuch schreibt, die
Qualität der Zeitung lieber »durch als unzeitig empfundene Investitionen« zu
bewahren & zu steigern als durch modische Relaunch-Mätzchen aufs Spiel zu
setzen.
Auch scheint die Relauncherei bei den Printmedien generell
auf den Zugewinn einer jüngeren Lesergeneration gerichtet - & weil man sie bei
denen sucht, die (wie die SZ jetzt berichtete) lieber die um Politik kastrierten
Nachrichten in RTL2 als die ARD-Tagesschau sich ansehen, wäre eine »netzaffine«
Layout-Reform das Falscheste, wohin man ein Printprodukt heute treiben sollte.
Kurz (& gut). Zwar hat man den im Laufe der Zeit wild gewachsenen Wuschelkopf
der Zeitung durchgekämmt & ihm einen ordentlichen Haarschnitt verpasst, aber
weder einen Scheitel noch eine aufgetakelte oder gegeelte Frisur. Noch ist die
SZ geblieben, was sie auch ohne das neue Layout & dessen systematisches
Ordnungssystem war: eine der besten deutschsprachigen Tageszeitungen, deren
Kapital auf der journalistischen Kompetenz und der sprachlichen & literarischen
Qualität ihrer Redakteure & Mitarbeiter beruht.
Ein
Layout hat sie zwar jetzt auch erwischt, aber dem (großen) »Relaunch« ist
sie glücklicherweise doch noch einmal entkommen: die »Süddeutsche
Zeitung«.
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