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Flucht & Migration
12 Bücher zu dem drängendsten Problem unserer Zeit
Flucht
und Integration gehören zu den beherrschenden Themen der Gegenwart.
Sie sind ein maßgeblicher Grund für den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien
und drohen, die EU zu spalten. Ein Blick in die Tiefen der Geschichte
relativiert allerdings die »Flüchtlingskrise« des Jahres 2015. Seit 1492 die
sephardischen Juden von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden, ist Europa
immer ein Kontinent der Flüchtlinge gewesen.
Philipp Ther geht den Gründen der Flucht nach: religiöser
Intoleranz, radikalem Nationalismus und politischer Verfolgung. Anhand von
Lebensgeschichten veranschaulicht er die Not auf der Flucht, identifiziert
Faktoren für gelingende Integration und erörtert das wiederholte Versagen der
internationalen Politik sowie die Lehren, die daraus etwa in der Genfer
Flüchtlingskonvention von 1951 gezogen wurden. Der Humanitarismus ist, wie Ther
zeigt, in der Flüchtlingspolitik stets brüchig gewesen. Doch auch wenn heute
einmal mehr die Angst vor einem Scheitern der Integration dominiert, haben die
Zielländer fast immer von der Aufnahme von Flüchtlingen profitiert. Das belegt
insbesondere die deutsche Nachkriegsgeschichte, als gerade die junge
Bundesrepublik zu einem Flüchtlingsland wurde.
Philipp
Ther - Die Außenseiter - Suhrkamp - 436 Seiten
26,00 € - 978-3-518-42776-7 -
Leseprobe
»Manchmal
fließt die Geschichte der Menschheit bedächtig vor sich hin, manchmal bewegt sie
sich sehr schnell.«
Diesen Satz formulierte Muammar al-Gaddafi 2002 gegenüber Scott Anderson.
Tatsächlich hat sich die Geschichte im Nahen Osten überschlagen, seit die USA
2003 im Irak einmarschiert sind: 2011 weckte der Arabische Frühling Hoffnungen,
doch bald versanken Länder wie Syrien und der Irak im Chaos, von dem wiederum
der Islamische Staat profitierte. Millionen Menschen flohen aus Syrien in
Nachbarstaaten und nach Europa.
Anhand der
Erlebnisse von sechs Menschen schildert Anderson die Geschichte einer
zerbrechenden Region. Er begleitet den jungen Iraker Wakaz, der sich
vorübergehend dem IS anschließt, Laila, die Witwe eines prominenten ägyptischen
Menschenrechtsanwalts, deren Sohn innerhalb kurzer Zeit von drei Regimes
inhaftiert wird, und Majd, den seine Flucht von Homs über das Mittelmeer bis
nach Dresden führt. Illustriert wird Andersons Großreportage mit Aufnahmen des
renommierten Fotografen Paolo Pellegrin. Ein einmaliges zeitgeschichtliches
Dokument.
Scott Anderson -
Zerbrochene Länder
- Wie die arabische Welt aus den Fugen geriet -
Aus dem Englischen
von Laura Su Bischoff - edition suhrkamp - 264 Seiten - 18,00 € -
978-3-518-07332-2 -
Leseprobe
Hannah
Arendts 1943 erschienener Essay wurde lange Zeit ignoriert, erst 1986 übersetzt
– und zeigt erst heute seine eigentliche
Sprengkraft: Aus unmittelbarem eigenem Erleben bezweifelte Arendt, dass Staaten
überhaupt noch in der Lage sind, Flüchtlings-Probleme zu bewältigen, da die
Nationalsozialisten die Idee des schützenden Nationalstaats unmöglich gemacht
haben.
Ähnlich wie bei Eichmann in Jerusalem brachte ihr diese These
Schwierigkeiten mit zionistischen Strömungen ein, die Israel als Rettungsinsel
genau in diesem Sinne sehen wollten.
Hannah Arendt - Wir
Flüchtlinge -
Mit
einem Essay von Thomas Meyer - Übersetzt von Eike Geisel - Reclam - 64 Seiten -
6,00 € - 978-3-15-019398-3
Erleben
wir gerade eine »stille Gegenrevolution«, die durch die sogenannte
»Flüchtlingskrise« befeuert wird – ablesbar an
einer Abkehr von demokratischen Grundwerten? Angelis Essay untersucht das
Problem unter vier Gesichtspunkten: Migration im politischen Denken, Migration
in der Demokratie, Migration und Populismus sowie Kosten und Nutzen von
Migration. Er entwickelt dabei eine idealistische und gleichzeitig pragmatische
Lösung, denn er hält am Prinzip der Bewegungsfreiheit fest, orientiert sich aber
auch am praktisch Machbaren.
Oliviero Angeli -
Migration und Demokratie - Ein
Spannungsverhältnis - Reclam - 96 Seiten - 6,00 € - 978-3-15-019504-8
Geistvoll
und bissig entlarvt der Wiener Philosoph Hubert Schleichert anhand
zahlreicher Beispiele die rhetorischen und argumentativen Tricks von Politikern,
Dogmatikern und Fundamentalisten jeder Couleur. Er zeigt, wie man die
Schwachstellen ihrer Diskussionsweisen und Weltanschauungen nutzt, um in
Streitgesprächen besser zu bestehen. Ein im besten Sinne aufklärerisches Buch,
ein Lesevergnügen in Logik und Argumentationskunst.
Hubert
Schleichert - Wie man mit Fundamentalisten diskutiert,
ohne den Verstand zu verlieren -Anleitung
zum subversiven Denken - C.H. Beck - 196 Seiten - 9,95 € - 978-3-406-68627-6
Wer
sind die Neuen Rechten? Mit dem Aufkommen der AfD droht die Neue Rechte
breite bürgerliche Schichten zu erfassen. Wer sind ihre Ideengeber, und worin
haben sie ihre Wurzeln? Thomas Wagner stellt erstmalig heraus, wie wichtig
»1968« für das rechte Lager war, weil es einen Bruch in der Geschichte des
radikalrechten politischen Spektrums markiert, der bis heute nachwirkt. Das
zeigen unter anderem die Gespräche, die Wagner mit den Protagonisten und
Beobachtern der Szene geführt hat, darunter Götz Kubitschek, Ellen Kositza,
Martin Sellner, der inzwischen verstorbene Henning Eichberg, Alain de Benoist,
Falk Richter und Frank Böckelmann. Wagners Buch liefert eine spannende Übersicht
über die Kräfte und Strömungen der Neuen Rechten und ihre Ursprünge.
„Nur wer begreift, wie die Akteure wirklich denken, ist in der Lage, angemessen
auf ihre Provokationen zu reagieren. Fest steht: »1968« ist nicht nur die
Geburtsstunde einer neuen Linken jenseits der Sozialdemokratie, sondern auch die
einer Neuen Rechten. Dieses Buch erzählt, wie es dazu gekommen ist.“ (aus der
Einleitung)
Thomas Wagner - Die Angstmacher - aufbau -
1968 und die Neuen Rechten - Aufbau Verlag - 352 Seiten - 18,95 € -
978-3-351-03686-7
Wer
davon ausgeht, dass Konfliktfreiheit ein Gradmesser für gelungene Integration
und eine offene Gesellschaft ist, der irrt. Konflikte entstehen nicht, weil
die Integration von Migranten und Minderheiten fehlschlägt, sondern weil sie
zunehmend gelingt. Gesellschaftliches Zusammenwachsen erzeugt Kontroversen und
populistische Abwehrreaktionen – in Deutschland und weltweit.
Aladin El-Mafaalani nimmt in seiner Gegenwartsdiagnose eine völlige Neubewertung
der heutigen Situation vor. Wer dieses Buch gelesen hat, wird verstehen, warum
Migration dauerhaft ein Thema bleiben wird und welche paradoxen Effekte
Integration hat, erfahren, woher die extremen Gegenreaktionen kommen, in
Diskussionen besser gegen Multikulti-Romantiker auf der einen und
Abschottungsbefürworter auf der anderen Seite gewappnet sein, erkennen, dass es
in Deutschland nie eine bessere Zeit gab als heute und dass wir vor ganz anderen
Herausforderungen stehen, als gedacht.
Aladin El-Mafaalani - Das Integrations-Paradox -
Kiepenheuer & Witsch - 240 Seiten - 15,00 € -
978-3-462-05164-3 -
Leseprobe
Flucht
ist ein globales Phänomen. Die Welt ist in Bewegung.
Menschen flüchten vor Krieg und Gewalt, vor Ungleichheit und Verfolgung, aus
Angst vor dem Untergang ihrer Heimat oder aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder.
Die neue Völkerwanderung ist dabei, die Welt, wie wir sie kennen, zu verändern.
Die 60 Millionen Flüchtlinge, die das UN-Flüchtlingshilfswerk 2015 registrierte,
sind dabei nur der Anfang. Wir erleben nicht die so oft beschworene
»Flüchtlingskrise«, sondern eine Flüchtlingsrevolution.
Die Weltreporter haben die neuen Flüchtlinge überall auf dem Globus getroffen
und ihre Geschichten aufgeschrieben. Sie berichten von Hoffnung und Leid,
Hilfsbereitschaft und Verunsicherung, von Ideen und Plänen für eine Zukunft, von
der die ganze Welt profitieren kann: wenn sie Veränderung zulässt und
Herausforderungen auf innovative Art und Weise löst.
Marc
Engelhardt (Hrsg.) -
Die Flüchtlingsrevolution
- Wie die neue Völkerwanderung die ganze Welt verändert
- Pantheon - 352 Seiten - 16,99 € -
978-3-570-55339-8

Europa ist
mit der größten Migrationsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
konfrontiert – und niemand hat intensiver über diese Krise berichtet als
Patrick Kingsley. Der erst 26 Jahre alte Reporter des "Guardian" hat 2015 drei
Kontinente und 17 Länder bereist, Hunderte von Migranten getroffen und mit ihnen
die Fluchtrouten durch Wüsten, über Berge und Meere zurückgelegt. Dieses Buch
erzählt ihre Geschichte.
Patrick Kingsley legt ein hohes Tempo vor. Er reist mit dem Syrer Hashem
al-Souki auf dem Zug, trinkt selbstgebrannten (und
verbotenen) Schnaps mit dem libyschen Menschenschmuggler Haji, der einmal
Jurastudent war, marschiert mit Fattemah Abu al-Rouse, der schwangeren syrischen
Lehrerin, die Angst hat, ihr Kind zu verlieren, durch die Wildnis des Balkans,
ist an Bord eines Bootes im Mittelmeer. Er schildert, wie das
Multi-Millionen-Dollar-Geschäft mit dem Menschenhandel in Libyen, der Türkei und
Ägypten organisiert wird. Er zeigt, wie lokale Kaufleute und korrupte Politiker
in Italien vom Elend der Menschen profitieren. Er beschreibt die Fluchtrouten,
hinterfragt die Ursachen der Krise und die Gründe für die bedrückende Reaktion
so vieler Europäer. "Die neue Odyssee" ist ein großartiges Buch, das niemand so
leicht vergisst, der es gelesen hat.
Patrick Kingsley - Die neue Odyssee - Eine
Geschichte der europäischen Flüchtlingskrise - C.H. Beck - 352 Seiten - 21,95 €
- 978-3-406-69227-7 -
Leseprobe
Wo
liegen die Wurzeln der syrischen Katastrophe? Das
gängige Bild sieht die Schuld einseitig bei Assad und seinen Verbündeten,
insbesondere Russland. Dass auch der Westen einen erheblichen Anteil an
Mitschuld trägt, ist kaum zu hören oder zu lesen. Michael Lüders erzählt den
fehlenden Teil der Geschichte, der alles in einem anderen Licht erscheinen
lässt.
Anhand von freigegebenen Geheimdienstdokumenten und geleakten Emails von
Entscheidungsträgern zeigt er, wie und warum die USA und ihre Verbündeten seit
Beginn der Revolte ausgerechnet Dschihadisten mit Waffen beliefern - in einem
Umfang wie seit dem Ende des Vietnamkrieges nicht mehr. Dadurch haben sie die
innersyrische Gewalt ebenso befeuert wie auch den Stellvertreterkrieg zwischen
den USA und Russland. Eindringlich beschreibt Lüders, wie insbesondere
Washington schon seit langem nur auf eine günstige Gelegenheit wartete, das
Assad-Regime zu stürzen. Dabei behandelt er auch frühere amerikanische
Putschversuche in Syrien in den 1940er und 1950er Jahren, die fehlschlugen und
erklären, warum sich Damaskus der Sowjetunion zuwandte. Die Kehrseite dieser
Politik des Regimewechsels erlebt gegenwärtig vor allem Europa: mit der
Flüchtlingskrise und einer erhöhten Terrorgefahr durch radikale Islamisten.
Michael Lüders - Die den Sturm ernten
-
Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte - C.H. Beck Verlag - 176 Seiten -
14,95 €
978-3-406-70780-3 -
Leseprobe
Wer
den Wind sät, wird Sturm ernten - Michael Lüders
beschreibt die westlichen Interventionen im Nahen und Mittleren Osten seit der
Kolonialzeit und erklärt, was sie mit der aktuellen politischen Situation zu tun
haben. Sein neues Buch liest sich wie ein Polit-Thriller - nur leider beschreibt
es die Realität. Eine Geschichte erscheint in unterschiedlichem Licht, je
nachdem, wo man beginnt sie zu erzählen. Und wir sind vergesslich. Das iranische
Verhältnis zum Westen versteht nur, wer den von CIA und MI6 eingefädelten Sturz
des demokratischen Ministerpräsidenten Mossadegh im Jahr 1953 berücksichtigt.
Ohne den Irakkrieg von 2003 und die westliche Politik gegenüber Assad in Syrien
lässt sich der Erfolg des "Islamischen Staates" nicht begreifen. Wer wissen
will, wie in der Region alles mit allem zusammenhängt, der greife zu diesem
Schwarzbuch der westlichen Politik im Orient.
Michael Lüders - Wer den Wind sät -
Was westliche Politik im Orient anrichtet - C.H. Beck Verlag - 176 Seiten -
11,99€ - 978-3-406-67750-2
Allenthalben
heißt es, Fluchtursachen müssten bekämpft werden. Aus welchen Gründen
Menschen fliehen, wird dabei im Dunkeln belassen. Denn dann wäre auch zu
benennen, wodurch und durch wen dies verursacht wird. Grundlegend ist für Georg
Auernheimer, dass der global entfesselte Kapitalismus und die ihn absichernde
Geopolitik der USA und ihrer Alliierten weltweit lebensfeindliche Regionen
geschaffen haben, die Menschen massenhaft zur Migration zwingen. Dies belegt er
unter anderem mit der Zerstörung Jugoslawiens und Libyens und den Kriegen im
Nahen Osten. Ebenso erörtert er die Auswirkungen der neokolonialen
Herrschaftssicherung durch die Strukturanpassungsprogramme und
Freihandelsabkommen, die dem subsaharischen Afrika aufgezwungen wurden, um
dessen wirtschaftliche Abhängigkeit von den westlichen Metropolen
festzuschreiben. Ähnliche Machtstrategien kennzeichnen nach Auernheimer die
Politik der USA gegenüber Mittelamerika. Dies geschieht auch im Bündnis mit
einheimischen Oligarchien. Zu sozialen und ökologischen Verwüstungen, Elend und
Perspektivlosigkeit kommt dort noch eine allgegenwärtige Kultur der Gewalt.
Georg
Auernheimer -
Wie Flüchtlinge
gemacht werden
-
Über
Fluchtursachen und Fluchtverursacher - Neue Kleine Bibliothek 257 - 283 Seiten -
17,90 € - 978-3-89438-661-0
Artikel online seit 09.11.18 |
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