hier). Eine Form, deren helfender Impetus der Zeit geschuldet sein mag. Die Geschichte von Höllerers Blick auf die Verhältnisse seiner Gegenwart leitet Mon von der kurz nach dem ersten Weltkrieg von Kurt Pinthus herausgegebenen Anthologie ›Menschheitsdämmerung‹ her: Vielleicht sind unruhige Zeiten genau die, in denen Gedichte gelesen werden sollten.
Wir haben in Hundertvierzehn Gedichte auf einen einzelnen Herausgeber verzichtet. Kritiker, Autoren, Wissenschaftler und einen Zeichner haben wir um Randnotizen gebeten. Die digitale Form, die wir gewählt haben, soll ein Gespräch ermöglichen, das auf Seitenränder nicht achten muss. Die dabei entstehende Unübersichtlichkeit wird nicht nur in Kauf genommen, sie ist Programm. Wohl jedem, der Gedichte liest, ist bewusst, dass das Gespräch über Lyrik nur in seltenen Momenten in die Nähe der besprochenen Gedichte kommt. Das Gedicht kann, wenn man es liest, fremd sein, aber fern muss es ja nicht bleiben. Im schönsten Fall gehört ein Gespräch, das wir mit Hundertvierzehn Gedichte optimistisch bewerben wollen, zum Gedicht dazu.
Franz Mon schreibt in seinem Aufsatz über ›Transit‹, es sei Walter Höllerers Ziel gewesen, »die gegenwärtig aktiven Autoren möglichst vollständig in die Sammlung aufzunehmen«. Dies war auch 60 Jahre später beim Zusammenstellen von Hundertvierzehn Gedichte das Ziel. Ann Cotten, die uns kein Gedicht zur Verfügung stellen wollte, schreibt in ihrer Absage: »Insgesamt teile ich die Meinung vieler Lyriker nicht, die meinen, Gedichte müssten aktiv popularisiert werden, ich meine, das macht die Sache nur öd, zumindest so, wie es meist angestellt wird. Ich gehe davon aus, dass Leute wie ich, die Sprache so lieben, sie von selbst entdecken, aber eher abgeschreckt werden, wenn sie ihnen mit einer Miene des Wohlwollens vorgesetzt werden. Sie mögen also von mir aus geheim, unbesprochen und unbeworben bleiben. Aber ich bin auch ein furchtbarer Griesgram in solchen Dingen und habe ebenso große Angst vor schlechter Lyrik wie vor schlechten Gesprächen.« (Ann Cottens Essay zu den Hintergründen der pauschalen Ablehnung der Teilnahme am Projekt Hundertvierzehn Gedichte finden Sie hier.)
In einem anderen Zusammenhang stellt Ann Cotten fest, es sei »ein Irrtum, zu glauben, wem es gelinge ein Brett über einen Bach zu legen, der sei schon ein Brückenbauer«. Und doch: genau das ist die Idee von Hundertvierzehn Gedichte. Die Idee nämlich eines Verlags, also eines Brückenbauers, der (also: trotzdem) denkt, dass zu wenig über Gedichte gesprochen wird. Kein festgefügtes Wissen, nur ein offenes Gespräch: das und nicht mehr soll Hundertvierzehn Gedichte sein. Die Hoffnung, dass das Reden über Lyrik dazu führt, dass diese und andere Gedichte gelesen werden, bleibt.
Die S. Fischer Hundertvierzehn Redaktion
Zu den Gedichten
Zum Essay von Franz Mon: ›Transit‹. Walter Höllerers Lyrikbuch der Jahrhundertmitte – Herkunft und Darüberhinaus.
Zum Essay von Michael Braun: Eine Sache der Reibungshitze – Dreizehn Randnotizen zur Lage der Poesie
Zum Essay von Ann Cotten: Kein offener Krieg – Zu den Hintergründen der pauschalen Ablehnung der Teilnahme am Projekt Hundertvierzehn Gedichte
Zum Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Zum Verzeichnis der Kommentatorinnen und Kommentatoren
1956 gab Walter Höllerer eine Anthologie heraus: ›Transit. Lyrikbuch der Jahrhundertmitte‹. Er hatte 323 Gedichte gesammelt und sie ohne Namensangabe abgedruckt. Erst der Anhang verriet die Verfasserinnen und Verfasser. Höllerer hat jedes Gedicht mit Randnotizen versehen, um »dem Leser den Weg zum Gedicht anzubahnen«. Franz Mon beschreibt Höllerers Randnotizen als »eine Textform, die dem Leser nicht die Deutung vorgibt, sondern parallel einen Lesevollzug anbietet« (den Essay von Franz Mon finden Sie Wir haben in Hundertvierzehn Gedichte auf einen einzelnen Herausgeber verzichtet. Kritiker, Autoren, Wissenschaftler und einen Zeichner haben wir um Randnotizen gebeten. Die digitale Form, die wir gewählt haben, soll ein Gespräch ermöglichen, das auf Seitenränder nicht achten muss. Die dabei entstehende Unübersichtlichkeit wird nicht nur in Kauf genommen, sie ist Programm. Wohl jedem, der Gedichte liest, ist bewusst, dass das Gespräch über Lyrik nur in seltenen Momenten in die Nähe der besprochenen Gedichte kommt. Das Gedicht kann, wenn man es liest, fremd sein, aber fern muss es ja nicht bleiben. Im schönsten Fall gehört ein Gespräch, das wir mit Hundertvierzehn Gedichte optimistisch bewerben wollen, zum Gedicht dazu.
Franz Mon schreibt in seinem Aufsatz über ›Transit‹, es sei Walter Höllerers Ziel gewesen, »die gegenwärtig aktiven Autoren möglichst vollständig in die Sammlung aufzunehmen«. Dies war auch 60 Jahre später beim Zusammenstellen von Hundertvierzehn Gedichte das Ziel. Ann Cotten, die uns kein Gedicht zur Verfügung stellen wollte, schreibt in ihrer Absage: »Insgesamt teile ich die Meinung vieler Lyriker nicht, die meinen, Gedichte müssten aktiv popularisiert werden, ich meine, das macht die Sache nur öd, zumindest so, wie es meist angestellt wird. Ich gehe davon aus, dass Leute wie ich, die Sprache so lieben, sie von selbst entdecken, aber eher abgeschreckt werden, wenn sie ihnen mit einer Miene des Wohlwollens vorgesetzt werden. Sie mögen also von mir aus geheim, unbesprochen und unbeworben bleiben. Aber ich bin auch ein furchtbarer Griesgram in solchen Dingen und habe ebenso große Angst vor schlechter Lyrik wie vor schlechten Gesprächen.« (Ann Cottens Essay zu den Hintergründen der pauschalen Ablehnung der Teilnahme am Projekt Hundertvierzehn Gedichte finden Sie hier.)
In einem anderen Zusammenhang stellt Ann Cotten fest, es sei »ein Irrtum, zu glauben, wem es gelinge ein Brett über einen Bach zu legen, der sei schon ein Brückenbauer«. Und doch: genau das ist die Idee von Hundertvierzehn Gedichte. Die Idee nämlich eines Verlags, also eines Brückenbauers, der (also: trotzdem) denkt, dass zu wenig über Gedichte gesprochen wird. Kein festgefügtes Wissen, nur ein offenes Gespräch: das und nicht mehr soll Hundertvierzehn Gedichte sein. Die Hoffnung, dass das Reden über Lyrik dazu führt, dass diese und andere Gedichte gelesen werden, bleibt.
Die S. Fischer Hundertvierzehn Redaktion
Zu den Gedichten
Zum Essay von Franz Mon: ›Transit‹. Walter Höllerers Lyrikbuch der Jahrhundertmitte – Herkunft und Darüberhinaus.
Zum Essay von Michael Braun: Eine Sache der Reibungshitze – Dreizehn Randnotizen zur Lage der Poesie
Zum Essay von Ann Cotten: Kein offener Krieg – Zu den Hintergründen der pauschalen Ablehnung der Teilnahme am Projekt Hundertvierzehn Gedichte
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