Die Kreuzung ist leer. Reflektionen von Lichtern auf Glas. Geschmack von Espresso im Mund. Ich höre das Papier brennen. Aus irgendeiner Richtung: Sirenen.
I
Damen Station; Wicker Park, Chicago.
Ich liege im Bett, The Robey, elfter Stock, und ich sehe diese Lichter durch die Fenster vor mir, die im Nebel hängen, diese Nacht; ich denke an Januar. Ich versuche zu schlafen. Ich schlafe nicht. Ich nehme den Aufzug und laufe ein paar Meter zum Ausgang Damen Station. Ich zünde mir eine Zigarette an. Die Ampel ist rot. Ein dunkelblauer Pick-up hält auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich bemerke nicht die Taschenlampe, die mir jemand ins Gesicht hält. Ich höre eine Stimme.
You’re not allowed to smoke here.
Sorry?
You’re not allowed to smoke here.
Die Ampel ist grün.
II
Art Institute of Chicago; Historic Michigan Boulevard District, Chicago.
Zwölf Kreuze. Sechs in einer Reihe. Ich kann durch sie nicht hindurchsehen.
(Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.)
III
The Robey; Wicker Park, Chicago.
Anfang Mai in New York lange mit einem Freund über die Bedeutung der Theke in Amerika gesprochen, als wir an einer Straßenkreuzung auf der Greenwhich Avenue standen, dort, wo Hopper das Restaurant gesehen haben soll, das er, verändert, in Nighthawks dargestellt hatte.
Ich warte auf den Aufzug.
Ich schicke ihm das Foto, das ich gestern im Art Institute gemacht habe.
IV
Renaissance Society, University of Chicago; Hyde Park, Chicago.
Wie man Schatten bricht (I).
V
3100 14th St NW; Columbia Heights, Washington, D.C.
Wir hatten Weed, aber keine Papers. Ein Freund präparierte den Apfel. Ich liege auf dem Sofa, während sie alte tamilische Filmlieder singen. Ich versuche zu schlafen. Ich glaube, schlafen zu können.
(4h; ohne Unterbrechung.)
VI
Center West Parking; Westwood, Los Angeles.
FDP bricht Sondierungs-Gespräche ab.
Charles Manson ist tot.
VII
Hammer Museum; Westwood, Los Angeles
Wie man Schatten bricht (II).
Mehr Bilder von Senthuran Varatharajah auf Instagram unter https://www.instagram.com/svaratharajah

Durch Zufall beginnen Senthil Vasuthevan und Valmira Surroi ein Gespräch auf Facebook. Er lebt als Doktorand der Philosophie in Berlin, sie studiert Kunstgeschichte in Marburg. Sieben Tage lang erzählen sie sich von ihrem Leben, ohne sich zu begegnen. Ihre Nachrichten handeln von ihren Familien und ihrer Flucht aus Bürgerkriegsgebieten, von ihrer Kindheit im Asylbewerberheim und ihrer Schul- und Studienzeit. Hochreflektiert schreibt Senthuran Varatharajah in seinem Debütroman über Herkunft und Ankunft, über Erinnern und Vergessen und über die Brüche in Biographien, die erst nach einiger Zeit sichtbar werden.