In China hat diese Schenkung, die zu den weltweit größten überhaupt im Bildungsbereich gehört, nur wenig Aufmerksamkeit erregt. Bloß einige Finanzzeitungen und -websites haben darüber berichtet, und das auch nur vergleichsweise knapp. Auch Volkes Stimme in Gestalt der Mikroblogger auf Weibo, dem chinesischen Äquivalent zu Twitter, hat der Nachricht kaum Beachtung geschenkt. Manche haben Schwarzman gelobt, andere darauf hingewiesen, dass Blackstone Ende 2012 einen Gebäudekomplex aus Luxusbüros und einem Fünf-Sterne-Hotel in Shanghai gekauft hat. Schwarzmans Großzügigkeit, so folgern diese kritischen Beobachter, verdanke sich Blackstones Bestreben, in China noch mehr Geld zu machen. Schließlich bringe keine andere chinesische Universität so viele Spitzenpolitiker hervor wie die Tsinghua-Universität – der amtierende Staatspräsident Xi Jinping und sein Vorgänger Hu Jintao sind genauso Tsinghua-Absolventen wie der frühere Ministerpräsident Zhu Rongji.
Eine dritte Gruppe von Kommentatoren schließlich äußerte sich voller Stolz: »Jetzt sind wir die Lehrer.« Diese Aussage hat zwei Bedeutungsebenen.
Die erste verweist auf einen Rollentausch. Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts sind im Zuge von Chinas Öffnung Scharen von chinesischen Studenten an amerikanische und europäische Universitäten geströmt, um die dortige Sprache, Kultur und Wirtschaft zu studieren und in den Genuss einer westlichen Ausbildung zu gelangen. Nun jedoch, da China sich zu einem riesigen Markt entwickelt hat, kommen immer mehr junge Amerikaner und Europäer hierher, um die hiesige Sprache, Kultur und Wirtschaft zu studieren und eine chinesische Ausbildung zu durchlaufen.
Die zweite Bedeutungsebene spielt auf die westlichen Geschäftsleute an: Wollen sie in China Geld machen, müssen sie sich der hiesigen Regierung fügen und um die Gunst ihrer Beamten buhlen.
In den 80er Jahren, als die ersten Einkaufsdelegationen der chinesischen Regierung in den Westen reisten, um Massengüter zu kaufen, feierten die großen amerikanischen und europäischen Unternehmen den Abschluss der Verträge bloß mit einer Flasche Sekt. Bei den chinesischen Kadern sorgte dies für Verstimmung: Da warfen sie den Ausländern so viel Geld in den Rachen, und die revanchierten sich nicht mal mit einem ordentlichen Bankett! Bald dämmerte auch den westlichen Geschäftsleuten: Wollten sie ihre Produkte auf dem chinesischen Markt verkaufen, mussten sie zuallererst die chinesischen Beamten mit opulenten Festmählern und anderen Lustbarkeiten bei Laune halten.
Vor kurzem hat die Regierung aus Gründen, die sie nicht näher erläuterte, eine Kampagne gegen Apple eröffnet. Den Auftakt bildete die jährliche Verbraucherschutz-Show des staatlichen Fernsehsenders CCTV am 15. März dieses Jahres. Der koreanische Konzern Samsung, der in China immer wieder durch Qualitätsmängel ins Gerede kommt, unterstützte die diesjährige Show mit einer gewaltigen Summe für Werbespots. Die gleiche Strategie verfolgten auch andere Unternehmen, die in der Vergangenheit wegen mangelnder Produktqualität von CCTV angeprangert worden waren. Sie alle blieben diesmal von den Machern der Show unbehelligt. Apple dagegen hatte kein Geld in Werbespots gesteckt – und wurde auch noch in dem halben Monat, der auf die Ausstrahlung der Show folgte, von den staatlichen Medien in über hundert Artikeln attackiert.
Auf Weibo jedoch erhielt Apple breite Unterstützung: Die Mikroblogger äußerten ihren Unmut darüber, dass die Regierung, anstatt all den Qualitätsmängeln der einheimischen Produkte auf den Grund zu gehen, sich endlos über das hintere Gehäuse des iPhone 4 erging.
Diese Angelegenheit erinnert ein wenig an die Google-Affäre im Jahr 2010. Eric Schmidt, seinerzeit Geschäftsführer von Google, wies jede Zensur der festlandchinesischen Website entschieden zurück und leitete die chinesischen Nutzer auf Googles Hongkonger Website um. Dagegen zeigte sich Tim Cook, Geschäftsführer von Apple, kooperativ und entschloss sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er leistete förmliche Abbitte.
Der Erweiterte Hain des Gelächters, eine Qing-zeitliche Witzesammlung, überliefert den folgenden Schwank: Ein Mann will mit einer langen Bambusstange das Stadttor passieren. Er hält die Stange senkrecht, da passt sie nicht hindurch. Er hält sie waagerecht, da passt sie auch nicht hindurch. Da lehrt ihn ein Greis, er müsse die Stange entzweibrechen, nur so könne er das Tor passieren.
Warum ich diese Geschichte erzähle? Wenn die westlichen Geschäftsleute in China Geld machen wollen, müssen sie die Weisungen der Regierung befolgen – egal, wie absurd diese Weisungen auch sein mögen. Wenn die Regierung ihnen sagt: »Wollt ihr das Tor passieren, müsst ihr die Bambusstange entzweibrechen«, dann sollten sie das tun. Eric Schmidt weigerte sich vor einigen Jahren, die Stange entzweizubrechen, er wollte sie unversehrt mit sich tragen – und fand das Tor verschlossen.
Gestern fragte mich jemand: »Hätte Apple vor der chinesischen Regierung auch gekuscht, wenn so ein unnachgiebiger Boss wie Steve Jobs noch am Leben wäre?« Ich antwortete, diese hypothetische Frage würde mich nicht interessieren. Ich würde viel lieber Eric Schmidt fragen: »Bereuen Sie es, dass Sie die Stange damals nicht entzweigebrochen haben?«
Aus dem Chinesischen von Marc Hermann

Yu Hua ist einer der bedeutendsten Schriftsteller Chinas. Seine Bücher haben sich in China Millionen Mal verkauft. Dass sein neues Buch ›China in zehn Wörtern‹ von den Chinesen verboten wurde, liegt weniger an seiner Kritik am heutigen China als an den Parallelen, die er zwischen der Kulturrevolution und dem neuen kapitalistischen System zieht. Wie zu Zeiten Mao Zedongs, sieht Yu auch heute Unmenschlichkeit und Gewalt. Der Großteil der chinesischen Gesellschaft profitiert nicht vom Wohlstand, sondern wird auf brutale Weise an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die persönlichen Essays lassen aber auch Yus Verbundenheit zu seinem Heimatland erkennen. ›China in zehn Wörtern‹ wirft einen ganz anderen, einen neuen Blick auf ein Land, von dem noch viel zu erwarten ist.