Bin im Jane Hotel auf der Jane Street angekommen, überall Schnee auf den Straßen. Das Streugut im West Village ist leuchtend blau.
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Abends wird im Fernsehen die Westminster Dog Show live übertragen – die älteste Hundeausstellung der Welt, die im Madison Square Garden in New York stattfindet, zum 139. Mal. Eine Art Wimbledon für Hunde. In der Kategorie »Best in Show« gewinnt Miss P., ein vier Jahre alter Beagle aus Vancouver. Sie bekommt eine Trophäe und wird mit ihrem Herrchen auf große Tour gehen.
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Lektorin Sarah Bowlin von Holt freut sich, weil Matt Sumells Debut ›Making Nice‹ erscheint. Die Hauptfigur ist Alby, ein seltsamer Kerl, der nicht recht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er schlägt seine Schwester, besäuft sich und fängt mit jedem Streit an, der ihm in die Quere kommt. Dabei liebt Alby sehnsuchtsvoll und unbeholfen: einen verletzten Vogel und besonders seine Großmutter. Im Frühling nächsten Jahres wird das Buch auch auf Deutsch erscheinen, bei uns.
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In meinem Lieblingsbuchladen McNally Jackson Books auf der Prince Street in SoHo liegen die neu gestalteten amerikanischen Umschläge von Italo Calvinos Büchern. Einer schöner als der andere. Im »New Yorker« lese ich ein Interview mit Gestalter Peter Mendelsund, der die Entstehungsgeschichte der Cover erzählt.
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Viele der Lektorinnen bei Random House tragen Armbänder, die ihre Schritte zählen. Alle wollen 10.000 am Tag schaffen.
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Lorin Stein, Redakteur der Zeitschrift The Paris Review, treffe ich im Café Loup, Ecke Sixth Avenue und 13th Street. Es gibt Rotwein und Oliven und homemade french fries. Lorin erzählt, dass er gerade Michel Houellebecqs Roman ›Unterwerfung‹ ins Amerikanische übersetzt. Er wird bei FSG erscheinen. Lorin grübelt, ob er die Details der Sexszene zwischen François und Miriam richtig verstanden hat.
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In den Verlagen Harper und Little Brown wird in Großraumbüros gearbeitet. Lektoren erzählen uns, dass sie beim Telefonieren einen Sound namens »Pink Noise« einschalten. Es erzeugt eine Art künstliches Rauschen auf höherer Frequenz, was Hintergrund- und Umgebungsgeräusche unterdrückt und die Privatsphäre verstärkt. Wenn sie an einem Text arbeiten, ziehen sie sich in einen Raum namens »The Quiet Car« zurück, eine Ruhezone für Lektoren. In der riesigen Küche gibt es einen überdimensional großen Kühlschrank, mehrere Espressomaschinen und einen Früchtekorb.
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Am Freitag hat es minus siebzehn Grad. Selbst die New Yorker frieren. Auf dem Hudson treiben riesige Eisschollen. Der East River ist gefroren. Ich nehme ein Taxi, um rechtzeitig zum ersten Meeting zu kommen. Der Taxifahrer ist aus dem Iran. Ich erzähle ihm von der Berlinale und dem Goldenen Bären für Jafar Panahi und seinen Film ›Taxi‹. Er ist ganz gerührt und möchte den Film unbedingt sehen.
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Wir treffen unseren Autor Garth Risk Hallberg, der seinen New York-Roman ›City on Fire‹ gerade beim Winter Institute vorgestellt hat, einer Konferenz, bei der amerikanische Autoren, Verleger und Buchhändler einmal im Jahr zusammenkommen. Garth freut sich, dass er von den Buchhändlern erstes Feedback bekommt. Er realisiert ganz allmählich, dass sein Buch im Herbst tatsächlich erscheinen wird. Wir reden über Berlin und Frankfurt, er kennt Fridolin Schley und Saša Stanišić. Und dann über ungarische Literatur, Péter Esterházy und László Krasznahorkai. Garth hat alles gelesen – viel mehr als ich.
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Beim Verlag Grove, der gerade die neue Literaturplattform lithub.com gestartet hat, bekommt unser Programmleiter Hans Balmes eine Stofftasche mit dem legendären Foto von Joan Didion mit Zigarette geschenkt, das Julian Wasser aufgenommen hat. Hans schenkt die Tasche an mich weiter, weil er weiß, wie toll ich Didion finde. Vielleicht schaffe ich es später noch, in der Danziger Gallery in Chelsea vorbeizuschauen, dort werden alle Schwarz-Weiß-Porträts von Didion gezeigt.
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Beim Verlag Vintage freuen sich die Lektoren, dass immer mehr Leser Raymond Carver wiederentdecken. Besonders seit der Film ›Birdman‹ in den Kinos läuft. Darin wird die Geschichte eines alternden Schauspielers (Michael Keaton) erzählt, der Carvers Short Story ›What We Talk About When We Talk About Love‹ als Theaterstück am Broadway auf die Bühne bringen will. Sonntag Nacht ist ›Birdman‹ der große Oscar-Gewinner, der Film bekommt vier Auszeichnungen.
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Szilvia Molnar von der Agentur Sterling Lord Literistic organisiert uns last minute-Tickets für Sheila Hetis Theaterstück ›All Our Happy Days Are Stupid‹. Es ist ein Stück, das Sheila schon 2001 angefangen hat zu schreiben. Jetzt, 14 Jahre später, kommt es endlich zur Aufführung in einem kleinen Theater in Chelsea.
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Am Sonntag treffe ich unsere Autorin Leanne Shapton. Wir gehen ins Standard Grill und essen warme Brioche Donuts mit Vanilla Rum Custard. Wir sind im Zuckerhimmel.
Alle Fotos: © Friederike Schilbach
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Draußen laufen Kinder Schlittschuh. Sie lernen es mit kleinen Holzpinguinen, die sie vorsichtig vor sich über das Eis schieben.
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Am Nachmittag fängt es an zu tauen, auf den Straßen bilden sich überall Pfützen. Wobei sich hinter »Pfützen« eher Krater verbergen, in denen man lieber nicht versinken möchte. Ich gehe zurück ins Hotel und packe meine Sachen. Zeit, nach Hause zu fliegen.
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