Dann arbeite ich lange ohne Unterbrechung, manchmal wochenlang. Der perfekte Ort für diese intensiven Schreibphasen ist nicht mein geräumiges Haus in Reykjavik, sondern eine Fischerhütte in Eyrarbakki an der Südküste von Island. Dieses Haus, das ein bisschen vom Dorf abgeschieden liegt, habe ich nun seit fünfzehn Jahren, und all meine großen Texte sind hier entstanden. Es ist der beste Rückzugsort, den ich mir vorstellen kann.
Dieses Holzhaus ist umhüllt von rostigem Eisen; so schützen wir unsere Häuser vor dem salzigen Meer und dem Wind. Dennoch atmet das Haus durch die dünnen hölzernen Wände im Gleichtakt mit seiner Umgebung und ich fühle mich hier noch enger mit den Elementen verbunden. Es ist ein unglaubliches Gefühl, den Atlantik vor mir zu haben und zu wissen, dass da nichts ist zwischen mir und dem Südpol. Manche empfinden das als überwältigend, vielleicht sogar einschüchternd, aber mir gibt es eine Ahnung von Erhabenheit und Weite.
Da das Haus so schlicht und karg ist, werde ich von nichts abgelenkt. Trotzdem habe ich gern Gesellschaft in meinem gemütlichen Wohnzimmer, etwas, das den Raum füllt. Ich habe Verschiedenes ausprobiert, von Brian Eno’s Ambient Musik bis zu Streichquartetten, aber nur einer ist mir die richtige Gesellschaft: Arvo Pärt.
Wirklich entdeckt habe ich sein Album ›Alina‹ 2005, als ich ›Argóarflísin‹ geschrieben habe, und seitdem ist es meine Geheimwaffe. Ich kann mich noch deutlich daran erinnern, wie ich ziemlich gestresst in meiner Hütte ankam, mein übliches Nickerchen machte, das meine Nerven beruhigt und mich mit dem Haus in Einklang bringt, und diese Musik einlegte. Von da an sprudelte mein Schreiben wie nur zuvor.
Erst nach drei Stunden merkte ich, dass ich die CD auf Repeat gestellt hatte und sie die ganze Zeit weitergelaufen war. Diese melodische, minimalistische Musik ist gar nicht aufdringlich und irgendwie passt sie perfekt zu meinem Schreibrhythmus. Ich schreibe nicht nur selten, ich schreibe auch sehr wenig und sehr langsam. Aber das macht mir nichts aus, solange Pärt da ist.
›Alina‹ und ›Spiegel am Spiegel‹, die beiden Teile dieses Albums, sind sehr schön und entspannend, doch gleichzeitig sind sie wie zwei Annäherungen an dasselbe Stück. Durch diese kleinen Variationen wird die scheinbar unglaublich simple Musik zu etwas sehr Komplexem, das meinen Kopf belebt, während ich an meinem Schreiben feile.
Während der Schreibpausen höre ich zum Beispiel Dean Martin, Umm Kulthum oder einen kurzen Death Metal Song. Aber sobald ich längere Zeit am Stück schreibe, brauche ich Arvo Pärt. Seit ich dieses Album entdeckt habe, das ist jetzt zehn Jahre her, ist es das Signal für meinen Geist und meinen Körper: es ist Zeit zu schreiben!
Pärts Musik ist die perfekte Begleitung, egal ob ich ein Stück mit meinem seltsamen, schwarzen Humor schreibe – die einzige Möglichkeit, meine Sicht auf die Welt auszudrücken – oder etwas Melancholisches, oder sogar Brutales. Poetisch gesprochen: Die Lilien blühen jeden Frühling, was in der Welt auch vor sich geht.
Aus dem Englischen von Jasmin Düring

Island 1918: Die Spanische Grippe versehrt das Land, Vulkan Katla verdunkelt den Himmel und Island erhält endlich seine Unabhängigkeit. Zeiten des Aufruhrs und Aufbruchs. Mittendrin Máni Steinn: ohne Eltern, ohne Arbeit und zu allem Übel kann er weder lesen noch schreiben. Schlechte Voraussetzungen für einen jungen Mann in dieser Zeit. Aber Máni liebt das Kino und findet Rettung bei den Stummfilmen – und bei der schönen Sóla. Auf ihrem Motorrad entführt sie ihn aus der Dunkelheit und zeigt ihm, dass sich der Kampf lohnt, wenn man sich treu bleibt. In einer lyrischen, bildgewaltigen Sprache verwebt Sjón Historisches mit Phantastischem. Auch sein neuer Roman ist Weltliteratur.